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OJ 9/34, [38] - Handwritten letter from Cube to Schenker, dated September 7, 1933
Hamburg 13, Dillstraße 1./I. Neue Adresse ab 26. Sept: Hamburg 37, Jungfrauenthal 14/II, bei Lepel. 7.IX.33 Sehr verehrter, lieber Meister! 1 Verzeihen Sie bitte mein langes Schweigen. Die Zwischenzeit ist etwas turbulent verlaufen, sodass ich erst heute etwas Sammlung und Ruhe zum schreiben habe. — Zum ersten Mal in meinem Leben haben meine Nerven den Dienst versagt. Ich musste eine Zeit im Bett bleiben, und bin noch so halbwegs Rekonvaleszent. Ein organisches Leiden haben die Ärtzte nicht gefunden; dafür einen unzulässigen Grad von Unterernährung. So rasch wird das wohl nicht einzuholen sein, zumal ich lange brauchen werde um mein finanzielles désastre nach dem Zusammenbruch des Schenker-Instituts wieder auszugleichen. Man hat mir von verschiedenen Seiten über das Ärgste geholfen. Das muss zurückgegeben werden. Die beste, weil nachhaltigste Hilfe leistete mir Kollege Georg Aleff von Steinway & Sons, der mir zwei zwei neue Stellungen verschaffte. Eine am Deutschen Konservatorium an der Alster, 2 eine am Klaer'schen Konservatorium in Blankenese. 3 Material: Eine Seminar- und zwei Dilettantenklassen, sowie eine Ausbildungsklasse für Klavier, derzeit mit einer Schülerin besetzt. Das ganze bringt mir rund 55.- Mark ein. Dazu habe ich noch ein paar Privatschüler. Eigentlich kann ich nicht davon leben, aber uneigentlich muss ich, und darum geht es auch. Meine Frau ist nicht besser dran wie ich, so helfen wir einander und tragen es zusammen[,] wie das so sein muss. — Meine Wohnung muss ich aufgeben; ich ziehe wieder in zwei Zimmer, solange, bis ich mir was anderes leisten kann. Sparen heisst die Parole, zumal da auch Kleidung und manches vom Hausrat endlich ersetzt werden muss, gerade jetzt, wo's am schwersten gehen will. Ich bin überzeugt, dass das Vorbild der Riesen-Kraftleistung {2} des Deutschen Volkes auch mir geholfen hat, mich wieder aufzurichten. An den beiden Schulen unterrichte ich mit Selbstverständlichkeit nach den Hauptgrundsätzen Ihrer Werke. Manches ist zuviel für den Durchschnitt, das meiste wird gut und restlos verstanden; manches muss noch durchdacht und erweitert werden. Ich warte sehnsüchtig auf den „freien Satz“, in dem ich alles zu finden hoffe; meine eigene Arbeit, die viele Resultate gezeitigt hat, ist stark gehandicapt durch das Warten auf Ihre endgültigen Formulierungen. Meine Hauptschmerzen liegen bei den Begriffen Sÿstem, Mischung, Chromatik, Alteration und auch Stufengang. Schon heute komme ich im Unterricht nicht ohne Korrekturen nach der Urlinie-Seite hin aus! Meine Untersuchungen über die Sÿsteme sind abgeschlossen. Demnach kommen als Kompositionsdiatonien alle sieben vor; lediglich als Namensgaber für das ganze Stück haben sich Dur und Moll herausgeschält, wegen der Dreiklangssÿmmetrie. 4 Die Siebenzahl der Töne beruht auf dem Kunstgriff der Verschmelzung von harmonischer und melodischer Logik, die bei geraden Zahlen, also auch bei Schönbergs 12Tonleiter, unmöglich wäre; siehe linkstehende Zeichnung: Dazu vergleichen Sie bitte als phrÿgisches Gegenstück aus Brahm's Intermezzo in B-moll (3 Intermezzi) 5 die Takte 61 bis Schluss; besonders die Takte 67–71! Die absonderliche Schreibweise resultiert wohl aus dem, zum B strebenden Leitton a, demzuliebe die Schreibart in ě statt in ę gewählt wird! Eigentlich heisst der Schritt der Stufen in Takt 67–69: ces–f, nicht h–f! Ich will Ihnen bei Gelegenheit, und bei mehr Gelassenheit, einmal eine Menge Material zusammenstellen. Ihre Ausführungen auf Seite 364–365 der Harmonielehre treffen auf Brahms wohl kaum zu. 6 Tatsächlich stehen meine Ansichten über all diese Dinge den Grundbegriffen[,] die Sie lehren[,] an sich nicht im Mindesten entgegen, sondern stellen eine organische Entwickelung dar. Davon später mehr. – (Es ist bei mir keineswegs der „Vrieslandersche Abrtrünningkeitspunkt[“]; 7 in puncto Beethovenurlinie beuge ich mich Ihrer höheren Einsicht!) – Für heute genug, und bald mehr, nebst vielen herzlichen Grüssen an Sie und Ihre Gattin von Ihrem [signed:] Cube. Ich komponiere wieder! © Transcription William Drabkin, 2008 |
Hamburg 13, Dillstraße 1/I new address from September 26: Hamburg 37, Jungfrauenthal 14/II, c/o Lepel September 7, 1933 Most revered, dear master, 1 Please forgive my long silence. The intervening period has been rather turbulent, so that it is not until today that I have some collectedness and peace in which to write. For the first time in my life, my nerves have prevented me from working. I had to remain in bed for a time, and am still only about halfway to recovery. The doctors did not find anything wrong with my constitution, but rather an unacceptable degree of undernourishment. This will not be made good all that quickly, given that I shall need a long time to recover from my financial disaster after the collapse of the Schenker Institute. I have been helped over the worst from various sides; that must now be paid back. The best help, because it will last longest, came from my colleague Georg Aleff of Steinway & Sons, who found two new posts for me: one at the German Conservatory on the Alster, 2 the other at the Klaer Conservatory in Blankenese. 3 My work consists of one seminar group and two classes for amateurs, and also a class in piano pedagogy, in which one female pupil is currently enrolled. The whole thing brings me about 55 Marks per month. In addition, I still have a few private pupils. I cannot actually live on that, but I have no choice, and I have to think about this as well. My wife is no better used to this than I, and so we help each other and bear things together, as it should be. I must give up my apartment; I shall move again into two-room accommodation until I can afford something else. "Saving" is the key word, since even clothing and many household items must eventually be replaced, especially now, when the going will be toughest. I am convinced that the model of German people's enormous strength to accomplish things {2} has also helped me to get back on my feet. In both schools I teach, it goes without saying, according to the basic principles found in your works. Some of this is too difficult for the average pupil, but most is understood well and thoroughly; somethings need to be thought through and elaborated. I wait longingly for Free Composition , in which I hope to find everything; my own work, which has yielded many results, is severely handicapped by the wait for your final formulations. My principal toils lie in the concepts of system, modal mixture, chromaticism, alteration, and also harmonic progression. Even today, I cannot get by in my teaching without modifying points relating to the Urlinie! My investigations into the [diatonic] systems are complete. According to these, all seven diatonic modes can be used for composition; major and minor have emerged from the whole thing as name-givers on account of their triadic symmetry. 4 The cardinality of seven of tones [in each diatonic grouping] is based on the artistic principle of amalgamation of harmonic and melodic logic, which would be impossible with an even number of tones, i.e. even with Schoenberg's twelve-tone scale; see the diagram at the left: In this connection, compare also measures 61 to the end of Brahms's Intermezzo in B flat minor (Three Intermezzi) 5 , as a counterpart in the Phrygian mode, especially measures 67–71! The unconventional notation surely results from the leading note A striving for Bę, for which reason a notation is chosen that favors sharps over flats! In fact, the harmonic progression in measures 67–69 should be: Cę–F, not B–F! Some time, when I feel a bit calmer, I shall take the opportunity of putting together a large quanity of material. Your ideas in Harmonielehre , pp. 364–65, 6 hardly apply to Brahms. In point of fact, my views on all these things do not contradict the basic principles that you teach, but rather represent an organic development of them. More on this later. (With me there is by no means the "Vrieslanderian point of disloyalty"; 7 with regard to the Beethoven Urlinie I bow to your superior insight.) Enough for today, and more soon, together with many cordial greetings to you and your wife. Yours, [signed:] Cube. [P.S.:] I am composing again! © Translation William Drabkin, 2008 |
Hamburg 13, Dillstraße 1./I. Neue Adresse ab 26. Sept: Hamburg 37, Jungfrauenthal 14/II, bei Lepel. 7.IX.33 Sehr verehrter, lieber Meister! 1 Verzeihen Sie bitte mein langes Schweigen. Die Zwischenzeit ist etwas turbulent verlaufen, sodass ich erst heute etwas Sammlung und Ruhe zum schreiben habe. — Zum ersten Mal in meinem Leben haben meine Nerven den Dienst versagt. Ich musste eine Zeit im Bett bleiben, und bin noch so halbwegs Rekonvaleszent. Ein organisches Leiden haben die Ärtzte nicht gefunden; dafür einen unzulässigen Grad von Unterernährung. So rasch wird das wohl nicht einzuholen sein, zumal ich lange brauchen werde um mein finanzielles désastre nach dem Zusammenbruch des Schenker-Instituts wieder auszugleichen. Man hat mir von verschiedenen Seiten über das Ärgste geholfen. Das muss zurückgegeben werden. Die beste, weil nachhaltigste Hilfe leistete mir Kollege Georg Aleff von Steinway & Sons, der mir zwei zwei neue Stellungen verschaffte. Eine am Deutschen Konservatorium an der Alster, 2 eine am Klaer'schen Konservatorium in Blankenese. 3 Material: Eine Seminar- und zwei Dilettantenklassen, sowie eine Ausbildungsklasse für Klavier, derzeit mit einer Schülerin besetzt. Das ganze bringt mir rund 55.- Mark ein. Dazu habe ich noch ein paar Privatschüler. Eigentlich kann ich nicht davon leben, aber uneigentlich muss ich, und darum geht es auch. Meine Frau ist nicht besser dran wie ich, so helfen wir einander und tragen es zusammen[,] wie das so sein muss. — Meine Wohnung muss ich aufgeben; ich ziehe wieder in zwei Zimmer, solange, bis ich mir was anderes leisten kann. Sparen heisst die Parole, zumal da auch Kleidung und manches vom Hausrat endlich ersetzt werden muss, gerade jetzt, wo's am schwersten gehen will. Ich bin überzeugt, dass das Vorbild der Riesen-Kraftleistung {2} des Deutschen Volkes auch mir geholfen hat, mich wieder aufzurichten. An den beiden Schulen unterrichte ich mit Selbstverständlichkeit nach den Hauptgrundsätzen Ihrer Werke. Manches ist zuviel für den Durchschnitt, das meiste wird gut und restlos verstanden; manches muss noch durchdacht und erweitert werden. Ich warte sehnsüchtig auf den „freien Satz“, in dem ich alles zu finden hoffe; meine eigene Arbeit, die viele Resultate gezeitigt hat, ist stark gehandicapt durch das Warten auf Ihre endgültigen Formulierungen. Meine Hauptschmerzen liegen bei den Begriffen Sÿstem, Mischung, Chromatik, Alteration und auch Stufengang. Schon heute komme ich im Unterricht nicht ohne Korrekturen nach der Urlinie-Seite hin aus! Meine Untersuchungen über die Sÿsteme sind abgeschlossen. Demnach kommen als Kompositionsdiatonien alle sieben vor; lediglich als Namensgaber für das ganze Stück haben sich Dur und Moll herausgeschält, wegen der Dreiklangssÿmmetrie. 4 Die Siebenzahl der Töne beruht auf dem Kunstgriff der Verschmelzung von harmonischer und melodischer Logik, die bei geraden Zahlen, also auch bei Schönbergs 12Tonleiter, unmöglich wäre; siehe linkstehende Zeichnung: Dazu vergleichen Sie bitte als phrÿgisches Gegenstück aus Brahm's Intermezzo in B-moll (3 Intermezzi) 5 die Takte 61 bis Schluss; besonders die Takte 67–71! Die absonderliche Schreibweise resultiert wohl aus dem, zum B strebenden Leitton a, demzuliebe die Schreibart in ě statt in ę gewählt wird! Eigentlich heisst der Schritt der Stufen in Takt 67–69: ces–f, nicht h–f! Ich will Ihnen bei Gelegenheit, und bei mehr Gelassenheit, einmal eine Menge Material zusammenstellen. Ihre Ausführungen auf Seite 364–365 der Harmonielehre treffen auf Brahms wohl kaum zu. 6 Tatsächlich stehen meine Ansichten über all diese Dinge den Grundbegriffen[,] die Sie lehren[,] an sich nicht im Mindesten entgegen, sondern stellen eine organische Entwickelung dar. Davon später mehr. – (Es ist bei mir keineswegs der „Vrieslandersche Abrtrünningkeitspunkt[“]; 7 in puncto Beethovenurlinie beuge ich mich Ihrer höheren Einsicht!) – Für heute genug, und bald mehr, nebst vielen herzlichen Grüssen an Sie und Ihre Gattin von Ihrem [signed:] Cube. Ich komponiere wieder! © Transcription William Drabkin, 2008 |
Hamburg 13, Dillstraße 1/I new address from September 26: Hamburg 37, Jungfrauenthal 14/II, c/o Lepel September 7, 1933 Most revered, dear master, 1 Please forgive my long silence. The intervening period has been rather turbulent, so that it is not until today that I have some collectedness and peace in which to write. For the first time in my life, my nerves have prevented me from working. I had to remain in bed for a time, and am still only about halfway to recovery. The doctors did not find anything wrong with my constitution, but rather an unacceptable degree of undernourishment. This will not be made good all that quickly, given that I shall need a long time to recover from my financial disaster after the collapse of the Schenker Institute. I have been helped over the worst from various sides; that must now be paid back. The best help, because it will last longest, came from my colleague Georg Aleff of Steinway & Sons, who found two new posts for me: one at the German Conservatory on the Alster, 2 the other at the Klaer Conservatory in Blankenese. 3 My work consists of one seminar group and two classes for amateurs, and also a class in piano pedagogy, in which one female pupil is currently enrolled. The whole thing brings me about 55 Marks per month. In addition, I still have a few private pupils. I cannot actually live on that, but I have no choice, and I have to think about this as well. My wife is no better used to this than I, and so we help each other and bear things together, as it should be. I must give up my apartment; I shall move again into two-room accommodation until I can afford something else. "Saving" is the key word, since even clothing and many household items must eventually be replaced, especially now, when the going will be toughest. I am convinced that the model of German people's enormous strength to accomplish things {2} has also helped me to get back on my feet. In both schools I teach, it goes without saying, according to the basic principles found in your works. Some of this is too difficult for the average pupil, but most is understood well and thoroughly; somethings need to be thought through and elaborated. I wait longingly for Free Composition , in which I hope to find everything; my own work, which has yielded many results, is severely handicapped by the wait for your final formulations. My principal toils lie in the concepts of system, modal mixture, chromaticism, alteration, and also harmonic progression. Even today, I cannot get by in my teaching without modifying points relating to the Urlinie! My investigations into the [diatonic] systems are complete. According to these, all seven diatonic modes can be used for composition; major and minor have emerged from the whole thing as name-givers on account of their triadic symmetry. 4 The cardinality of seven of tones [in each diatonic grouping] is based on the artistic principle of amalgamation of harmonic and melodic logic, which would be impossible with an even number of tones, i.e. even with Schoenberg's twelve-tone scale; see the diagram at the left: In this connection, compare also measures 61 to the end of Brahms's Intermezzo in B flat minor (Three Intermezzi) 5 , as a counterpart in the Phrygian mode, especially measures 67–71! The unconventional notation surely results from the leading note A striving for Bę, for which reason a notation is chosen that favors sharps over flats! In fact, the harmonic progression in measures 67–69 should be: Cę–F, not B–F! Some time, when I feel a bit calmer, I shall take the opportunity of putting together a large quanity of material. Your ideas in Harmonielehre , pp. 364–65, 6 hardly apply to Brahms. In point of fact, my views on all these things do not contradict the basic principles that you teach, but rather represent an organic development of them. More on this later. (With me there is by no means the "Vrieslanderian point of disloyalty"; 7 with regard to the Beethoven Urlinie I bow to your superior insight.) Enough for today, and more soon, together with many cordial greetings to you and your wife. Yours, [signed:] Cube. [P.S.:] I am composing again! © Translation William Drabkin, 2008 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/6, p. 3865, September 10, 1933: "Von F. v. Cube (Br.): ist zu einer Anstellung gelangt – unternährt – macht sich neue Gedanken!?" ("From F. von Cube (letter): has succeeded in getting a post – under-nourished – is having new ideas!?"). 2 The Alster is a large lake in the centre of Hamburg. 3 Blankenese is a picturesque town situated on the north bank of the Elbe several miles west of the city center. 4 What Cube probably means by this is that the triads based on the fundamental (I) and its closest neighbors on the circle fifths (the fifth below = IV, and the fifth above = V) have the same quality: in major or "Ionian" mode they are all major triads, and in minor or "Aeolian" mode they are all minor triads. 5 The Brahms Intermezzo, Op. 117, No. 2, is discussed in Cube's Lehrbuch der musikalischen Kunstgesetze. See especially pp. 110–13 in the published English translation, The Book of the Musical Artwork, ed. and trans. David Neumeyer, George R. Boyd and Scott Harris (Lewiston and Queenston: Edwin Mellen, 1988). 6 Schenker, Harmonielehre (Stuttgart: J. G. Cotta, 1906), §145 "Der Tonikalisierungsprozeß als Interpret der zweiten phrygischen Stufe" ("Tonicalization as an Explanation of the Phrygian II Scale-Step"), Eng. trans. E. Mann Borghese (Chicago: University of Chicago Press, 1954), pp. 273–74. 7 In previous letters to Schenker, OJ 9/34, [21], June 25, 1930, Cube had expressed some misgivings about Otto Vrieslander's understanding of Schenkerian theory. Vrieslander, who thought himself more a composer than a theorist or musicologist, was very much formed in Schenker's mold, having studied the works of C. P. E. Bach and made an Erläuterungsausgabe of some of Bach's shorter works. He also wrote a monograph on Bach, which was criticized for adopting a polemical tone similar to Schenker's. Just how Vrieslander's view of music theory differs – for Cube, unacceptably – from Schenker's is never explained. |
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Commentary
Digital version created: 2008-12-16 |