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Ser. A, {136}
Sulden Montag, den 17 Juli 1911
[amended by Heinrich, only final reading given here:]

Nachmittag giengen wir in Begleitung zweier Führer in die Gletscherwelt hinein; Cevedale war unser Ziel, Schaubach u. Hallische-Hütte die Stationen. 1 Leidige Schneeverhältnisse aber auf dem Cevedale u. starker Nebel ließen es klüger erscheinen unfern vom Gipfel dennoch den Rückgang anzutreten. ‒ Uebernachtung in der Hallischen Hütte brachte wohl Schlaflosigkeit, aber auch den Anblick stillster Wunder, die der Mond auf die Gletscher zauberte. Da niemand dort athmet, der die Schönheit genießen kann, wem gilt wohl das Wunderspiel, wenn Mond u. Sterne den ewigen Schnee kosen? Den Geheimnissen einer von niemandem bezeugten u. so an sich selbst versunkenen Welt näher gerückt, wagt auch unbezeugte Liebe ihre Geheimnisse auszubreiten.

Auf die Dauer bietet indessen die Gletscherwelt nur wenig Man[n]igfaltigkeit. Das Mindestmaß an Thier u. Pflanzenreich (Flöhe, Dohlen, Moos) war für den Schöpfer selbst wohl eine unausweichliche Konsequenz der von ihm am Anfang der Schöpfung aufgestellten Gesetzte u. hat er, wie die Bibel verbürgt, auch dazu nun einmal „siehe, es war gut“, gesagt, so wird seine Freude am Anblick doch sicher zu recht bestehen, zumal er selbst, wie keines der Erdenkinder, eine noch höhere Man[n]igfaltigkeit genießt, worin die Gletscherwelt ja nur ein Pünktchen. Wir beide aber, armselige Menschenkinder, beschliessen die Gletscherwelt nicht mehr sehen zu wollen; stundenlang im Schnee stapfen, nur darauf sehen, in die Spuren des Vorgängers zu treten, gewährt uns, bei hinreichend großer Anstrengung, immerhin zu wenig Vergnügen. Frei von jeglichem Zwang der Eitelkeit u. der Mode, entsagen wir gerne einer Welt, die von vornherein den Men- {137} schen offenbar weniger, als die übrige Erde, zugedacht war. —

Bei den übrigen Weggenossen war nur zu deutlich die Spur jener allgemeinen Ansteckung zu lesen, die heute unter dem Namen „Touristik“ so unwidersachlich hoch u. nieder ergreift. Sonst im Leben doch sicher ohne Ziel u. Ausdauer, nur erfolglose Menschen,‒ hier auf dem Gletscher, unter dem Druck der Mode, zeigen sie Ausdauer, die sicher einer besseren Sache würdig. Als wir aber heimgiengen, trafen wir die vom Gipfel bereits heimkehrenden Tourgenossen u. da meinten sie nun alle, wir hätten doch recht gehabt, das letzte Ziel aufzugeben. So scheiden wir denn von Gletscher u. verworrenem Denken der Menschen u. wenden uns dem Tale zu, wo, gleich uns in dieselben Daseinsbedingungen gestellt, das Tier u. Pflanzenreich geradezu an unseren Schicksalen teilnehmen.—


*

© Transcription Ian Bent, 2019

Ser. A, {136}
Sulden Monday July 17, 1911
[amended by Heinrich, only final reading given here:]

In the afternoon, in the company of two guides, we entered the world of glaciers; our goal was Cevedale, the way-stations were Schaubach and the Halle hut. 1 However, in view of adverse snow conditions on Cevedale and dense fog, it seemed wiser to start our return just short of the peak. ‒ Staying overnight in the Halle mountain hut admittedly made for sleeplessness but [rewarded us] also with the spectacle of utterly still wonderment magically conjured up by the moonlight upon the glaciers. Since there was nobody there capable of enjoying the beauty, to whom does the wondrous play when the moon and stars caress the eternal snow relate? Drawn closer to the secrets of a world that was witnessed by no one and so was turned in on itself, unwitnessed love dares even to disclose its secrets.

As time goes by, however, the world of glaciers offers but little variety. The paucity of animal and plant life (fleas, jackdaws, moss) was for the Creator himself undoubtedly an inescapable consequence of the laws he laid down in the beginning. And since, as the Bible attests, he also once said "See, it was good," so his joy at the spectacle will surely be confirmed, especially since he himself, like no other of earth's children, enjoys a higher variety still, wherein the glacier world is but a tiny speck. Both of us, on the other hand, wretched children of men, resolve no longer to yearn to see the glacier world. To trudge for hours through the snow to see nothing but it, and to tread in the tracks of those gone before us, affords us, with all the mighty effort it requires, just simply too little pleasure. Freed of that compulsion [driven by] vanity and fashion, we gladly renounce a world that from time immemorial promised mankind {137} manifestly less than the remainder of the earth. —

All too obvious among our other companions were traces of that general contagion that nowadays grips people so unadversarially, high and low alike, in the name of "tourism." Elsewhere in their lives, most certainly lacking any goal or perseverance, merely ineffectual people ‒ here on the glacier, driven by fashion, they exhibit a persistence that is surely worthy of something better. But as we made our way home we encountered the tourists already returning from the summit, and they were all now of the opinion that we had been right to abandon the final ascent. So we part from the glacier and the confused thoughts of human beings and turn toward the valley where, situated like us in the same conditions of existence, the animal and plant realms share directly our fates. —


*

© Translation Ian Bent, 2019

Ser. A, {136}
Sulden Montag, den 17 Juli 1911
[amended by Heinrich, only final reading given here:]

Nachmittag giengen wir in Begleitung zweier Führer in die Gletscherwelt hinein; Cevedale war unser Ziel, Schaubach u. Hallische-Hütte die Stationen. 1 Leidige Schneeverhältnisse aber auf dem Cevedale u. starker Nebel ließen es klüger erscheinen unfern vom Gipfel dennoch den Rückgang anzutreten. ‒ Uebernachtung in der Hallischen Hütte brachte wohl Schlaflosigkeit, aber auch den Anblick stillster Wunder, die der Mond auf die Gletscher zauberte. Da niemand dort athmet, der die Schönheit genießen kann, wem gilt wohl das Wunderspiel, wenn Mond u. Sterne den ewigen Schnee kosen? Den Geheimnissen einer von niemandem bezeugten u. so an sich selbst versunkenen Welt näher gerückt, wagt auch unbezeugte Liebe ihre Geheimnisse auszubreiten.

Auf die Dauer bietet indessen die Gletscherwelt nur wenig Man[n]igfaltigkeit. Das Mindestmaß an Thier u. Pflanzenreich (Flöhe, Dohlen, Moos) war für den Schöpfer selbst wohl eine unausweichliche Konsequenz der von ihm am Anfang der Schöpfung aufgestellten Gesetzte u. hat er, wie die Bibel verbürgt, auch dazu nun einmal „siehe, es war gut“, gesagt, so wird seine Freude am Anblick doch sicher zu recht bestehen, zumal er selbst, wie keines der Erdenkinder, eine noch höhere Man[n]igfaltigkeit genießt, worin die Gletscherwelt ja nur ein Pünktchen. Wir beide aber, armselige Menschenkinder, beschliessen die Gletscherwelt nicht mehr sehen zu wollen; stundenlang im Schnee stapfen, nur darauf sehen, in die Spuren des Vorgängers zu treten, gewährt uns, bei hinreichend großer Anstrengung, immerhin zu wenig Vergnügen. Frei von jeglichem Zwang der Eitelkeit u. der Mode, entsagen wir gerne einer Welt, die von vornherein den Men- {137} schen offenbar weniger, als die übrige Erde, zugedacht war. —

Bei den übrigen Weggenossen war nur zu deutlich die Spur jener allgemeinen Ansteckung zu lesen, die heute unter dem Namen „Touristik“ so unwidersachlich hoch u. nieder ergreift. Sonst im Leben doch sicher ohne Ziel u. Ausdauer, nur erfolglose Menschen,‒ hier auf dem Gletscher, unter dem Druck der Mode, zeigen sie Ausdauer, die sicher einer besseren Sache würdig. Als wir aber heimgiengen, trafen wir die vom Gipfel bereits heimkehrenden Tourgenossen u. da meinten sie nun alle, wir hätten doch recht gehabt, das letzte Ziel aufzugeben. So scheiden wir denn von Gletscher u. verworrenem Denken der Menschen u. wenden uns dem Tale zu, wo, gleich uns in dieselben Daseinsbedingungen gestellt, das Tier u. Pflanzenreich geradezu an unseren Schicksalen teilnehmen.—


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© Transcription Ian Bent, 2019

Ser. A, {136}
Sulden Monday July 17, 1911
[amended by Heinrich, only final reading given here:]

In the afternoon, in the company of two guides, we entered the world of glaciers; our goal was Cevedale, the way-stations were Schaubach and the Halle hut. 1 However, in view of adverse snow conditions on Cevedale and dense fog, it seemed wiser to start our return just short of the peak. ‒ Staying overnight in the Halle mountain hut admittedly made for sleeplessness but [rewarded us] also with the spectacle of utterly still wonderment magically conjured up by the moonlight upon the glaciers. Since there was nobody there capable of enjoying the beauty, to whom does the wondrous play when the moon and stars caress the eternal snow relate? Drawn closer to the secrets of a world that was witnessed by no one and so was turned in on itself, unwitnessed love dares even to disclose its secrets.

As time goes by, however, the world of glaciers offers but little variety. The paucity of animal and plant life (fleas, jackdaws, moss) was for the Creator himself undoubtedly an inescapable consequence of the laws he laid down in the beginning. And since, as the Bible attests, he also once said "See, it was good," so his joy at the spectacle will surely be confirmed, especially since he himself, like no other of earth's children, enjoys a higher variety still, wherein the glacier world is but a tiny speck. Both of us, on the other hand, wretched children of men, resolve no longer to yearn to see the glacier world. To trudge for hours through the snow to see nothing but it, and to tread in the tracks of those gone before us, affords us, with all the mighty effort it requires, just simply too little pleasure. Freed of that compulsion [driven by] vanity and fashion, we gladly renounce a world that from time immemorial promised mankind {137} manifestly less than the remainder of the earth. —

All too obvious among our other companions were traces of that general contagion that nowadays grips people so unadversarially, high and low alike, in the name of "tourism." Elsewhere in their lives, most certainly lacking any goal or perseverance, merely ineffectual people ‒ here on the glacier, driven by fashion, they exhibit a persistence that is surely worthy of something better. But as we made our way home we encountered the tourists already returning from the summit, and they were all now of the opinion that we had been right to abandon the final ascent. So we part from the glacier and the confused thoughts of human beings and turn toward the valley where, situated like us in the same conditions of existence, the animal and plant realms share directly our fates. —


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© Translation Ian Bent, 2019

Footnotes

1 Cevedale: mountain directly to the south of Sulden (Solda), in the South Tyrol. — Hallische Hütte: probably a hut between Sulden and Cevedale now known as the "Schaubacher Hütte."