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12.

Wenn nur ein Genie das Genie versteht, wie die Menschen es endlich zuzugeben bereit sind, sollte da nicht in ebensolchem Sinne wieder nur eine Gottheit notwendig sein, um Gott zu verstehen?

*

Ein Jean Paul schreibt Lebens- u. Eheregeln, 1 (ebenso ) wie viele andere Dichter, Staatsmänner von Rang u. s. w., ) um sich selbst den Weg zur Milde u. Gerechtigkeit gegenüber Frau, Kindern, Freunden, der Welt zu zeigen. Aber sie, die Frau Jean Pauls schreibt 2 nichts dergleichen, weder aufs Papier, noch sich hinter die Ohren. Es ist anzunehmen, daß wohl auch sie leidlich viele Fehler an Mann u. Kindern begieng – warum meldete sie nicht zu Wort? In diesem Sinne ist daher gegenüber der Regel-Sammlung Jean Pauls, (wie gegen alle ähnlichen), der Vorwurf zu erheben, daß so manche darin enthaltene Anleitung zu moralischer Selbstkasteiung weit übers Ziel hinausschießt. Stumpfheit muß aufgerüttelt werden u. selten {377} wird es gelingen, sie wach zu küssen wachzuküssen. Nicht nur das Holz braucht einen Keil!!

*

Ehrgeiz strebt, – Eitelkeit genießt. (Lie-Lie).

*

Wehe, wenn die Eitelkeit in ihrer Genußsucht nur aufs billigste u. bequemste zum Ziel gelangen will, – wie verrechnet sie sich doch dabei! Denn uU mwieviel edlere Früchte würde sie doch pflücken können, wenn sie nur Geduld u. äußerste Sorgfalt in der Ausführung vorgefasster Pläne walten ließe, statt, nur um sich so rasch als möglich zu befriedigen, auch selbst eine verfehlte Etappe der Ausführung sich u. anderen u. sich als eine gelungene anzupreisen!

*

Leider begnügt sich die Eitelkeit nicht damit, nur sich selbst zu beschmeicheln; noch lieber diktirt sie dritten Personen, an ihrer Selbstbeschmeichelung teilzunehmen; nur dann erst kommt sie auf ihre volle Rechnung …

Aber wie töricht ist doch der eitle Mensch, da er auch bei einer dritten anderen Person ebenfalls ein Interesse an seiner Eitelkeit voraussetzt! Schleppt denn nicht jeder seine eigene Eitelkeit mit? Und was mag mir an der Eitelkeit der Anderen liegen?

*

Die Grenzstreitigkeiten zwischen Eitelkeiten zweier u. mehrerer Personen regulieren mit von Gott eingegebenen Gesetzen die Dinge der Welt. Eine Sache ruft Kämpfer u. Verteidiger auf, u. diese aber lassen sich sicher nicht durch die Eitelkeit von Gegnern behindern, die der Sache einen Schaden zufügen. Wenn z. B. Herr Kr. der Wahrheit Schaden zufügt, kann u. wird mich die Rücksicht auf seine Selbstgefälligkeit je hindern, ihm entgegenzutreten? Man sieht, Eitelkeit trägt nicht viel ein u. höher noch als der Dienst an gegenüber sich selbst, steht der Dienst an die Sache. Nur von solcher Hingabe kommt Heil u. , wie gesagt, schließlich auch d ieas Recht auf un gangreifbarste u. vornehmste Eitelkeit.

*

{378}

© Transcription Marko Deisinger.

12.

If only a genius can understand another genius, as people are finally prepared to admit, then should not, by the very same token, again only a divinity be necessary in order to understand God?

*

A Jean Paul writes rules of life and marriage, 1 (just like many other poets and statesmen of rank, etc.), in order to show himself the path to mercy and justice with respect to his wife, children, friends, and the world. But she, the wife of Jean Paul, writes 2 nothing of the sort, either on paper or behind his back. It is to be assumed that perhaps even she has made quite a few mistakes regarding her husband and children – why does she not speak out? In this sense, then, the objection should be raised against Jean Paul's collection of rules (and against all similar rules) that a considerable amount of tuition in moral chastisement contained in them far overshoots the mark. Dullness must be aroused; and seldom {377} does one succeed in kissing it to life. It is not only for [the splitting of] wood that one needs a wedge!!

*

Ambition strives – vanity enjoys. (Lie-Lie).

*

Woe be it if vanity, in its thirst for enjoyment, wishes to arrive at its goal only via the cheapest and easiest route – for how would it thereby be making a miscalculation! How many more choice fruits would it be able to pick if it allowed merely patience and the most extreme care to prevail in the realization of previously made plans, instead of only gratifying itself as quickly as possible by praising even a mistaken stage of the realization to others, and to oneself, as a successful one!

*

Unfortunately, vanity is not content merely to delude itself; it would rather dictate to third persons to share in its self-delusion. Only then does it come to complete fruition …

But how foolish is the vain man, who also presupposes that some third other person likewise shows an interest in his vanity! For does not everyone carry his own vanity about with him? And of what concern is the vanity of others to me?

*

The boundary disputes between the vanities of two or more persons regulated things of the world with laws inspired by God. A cause will invoke combatants and defenders; but these certainly do not allow themselves to be hindered by the vanity of opponents who cause harm to the cause. If, for example, Mr. K. inflicts damage upon the truth, can and will consideration for his egotism ever prevent me from confronting him? One sees that vanity does not earn much; and even greater than the service with respect to oneself is the service to the cause. Only from such dedication comes salvation, and eventually also the right to unassailable and loftiest vanity.

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{378}

© Translation William Drabkin.

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Wenn nur ein Genie das Genie versteht, wie die Menschen es endlich zuzugeben bereit sind, sollte da nicht in ebensolchem Sinne wieder nur eine Gottheit notwendig sein, um Gott zu verstehen?

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Ein Jean Paul schreibt Lebens- u. Eheregeln, 1 (ebenso ) wie viele andere Dichter, Staatsmänner von Rang u. s. w., ) um sich selbst den Weg zur Milde u. Gerechtigkeit gegenüber Frau, Kindern, Freunden, der Welt zu zeigen. Aber sie, die Frau Jean Pauls schreibt 2 nichts dergleichen, weder aufs Papier, noch sich hinter die Ohren. Es ist anzunehmen, daß wohl auch sie leidlich viele Fehler an Mann u. Kindern begieng – warum meldete sie nicht zu Wort? In diesem Sinne ist daher gegenüber der Regel-Sammlung Jean Pauls, (wie gegen alle ähnlichen), der Vorwurf zu erheben, daß so manche darin enthaltene Anleitung zu moralischer Selbstkasteiung weit übers Ziel hinausschießt. Stumpfheit muß aufgerüttelt werden u. selten {377} wird es gelingen, sie wach zu küssen wachzuküssen. Nicht nur das Holz braucht einen Keil!!

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Ehrgeiz strebt, – Eitelkeit genießt. (Lie-Lie).

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Wehe, wenn die Eitelkeit in ihrer Genußsucht nur aufs billigste u. bequemste zum Ziel gelangen will, – wie verrechnet sie sich doch dabei! Denn uU mwieviel edlere Früchte würde sie doch pflücken können, wenn sie nur Geduld u. äußerste Sorgfalt in der Ausführung vorgefasster Pläne walten ließe, statt, nur um sich so rasch als möglich zu befriedigen, auch selbst eine verfehlte Etappe der Ausführung sich u. anderen u. sich als eine gelungene anzupreisen!

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Leider begnügt sich die Eitelkeit nicht damit, nur sich selbst zu beschmeicheln; noch lieber diktirt sie dritten Personen, an ihrer Selbstbeschmeichelung teilzunehmen; nur dann erst kommt sie auf ihre volle Rechnung …

Aber wie töricht ist doch der eitle Mensch, da er auch bei einer dritten anderen Person ebenfalls ein Interesse an seiner Eitelkeit voraussetzt! Schleppt denn nicht jeder seine eigene Eitelkeit mit? Und was mag mir an der Eitelkeit der Anderen liegen?

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Die Grenzstreitigkeiten zwischen Eitelkeiten zweier u. mehrerer Personen regulieren mit von Gott eingegebenen Gesetzen die Dinge der Welt. Eine Sache ruft Kämpfer u. Verteidiger auf, u. diese aber lassen sich sicher nicht durch die Eitelkeit von Gegnern behindern, die der Sache einen Schaden zufügen. Wenn z. B. Herr Kr. der Wahrheit Schaden zufügt, kann u. wird mich die Rücksicht auf seine Selbstgefälligkeit je hindern, ihm entgegenzutreten? Man sieht, Eitelkeit trägt nicht viel ein u. höher noch als der Dienst an gegenüber sich selbst, steht der Dienst an die Sache. Nur von solcher Hingabe kommt Heil u. , wie gesagt, schließlich auch d ieas Recht auf un gangreifbarste u. vornehmste Eitelkeit.

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© Transcription Marko Deisinger.

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If only a genius can understand another genius, as people are finally prepared to admit, then should not, by the very same token, again only a divinity be necessary in order to understand God?

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A Jean Paul writes rules of life and marriage, 1 (just like many other poets and statesmen of rank, etc.), in order to show himself the path to mercy and justice with respect to his wife, children, friends, and the world. But she, the wife of Jean Paul, writes 2 nothing of the sort, either on paper or behind his back. It is to be assumed that perhaps even she has made quite a few mistakes regarding her husband and children – why does she not speak out? In this sense, then, the objection should be raised against Jean Paul's collection of rules (and against all similar rules) that a considerable amount of tuition in moral chastisement contained in them far overshoots the mark. Dullness must be aroused; and seldom {377} does one succeed in kissing it to life. It is not only for [the splitting of] wood that one needs a wedge!!

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Ambition strives – vanity enjoys. (Lie-Lie).

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Woe be it if vanity, in its thirst for enjoyment, wishes to arrive at its goal only via the cheapest and easiest route – for how would it thereby be making a miscalculation! How many more choice fruits would it be able to pick if it allowed merely patience and the most extreme care to prevail in the realization of previously made plans, instead of only gratifying itself as quickly as possible by praising even a mistaken stage of the realization to others, and to oneself, as a successful one!

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Unfortunately, vanity is not content merely to delude itself; it would rather dictate to third persons to share in its self-delusion. Only then does it come to complete fruition …

But how foolish is the vain man, who also presupposes that some third other person likewise shows an interest in his vanity! For does not everyone carry his own vanity about with him? And of what concern is the vanity of others to me?

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The boundary disputes between the vanities of two or more persons regulated things of the world with laws inspired by God. A cause will invoke combatants and defenders; but these certainly do not allow themselves to be hindered by the vanity of opponents who cause harm to the cause. If, for example, Mr. K. inflicts damage upon the truth, can and will consideration for his egotism ever prevent me from confronting him? One sees that vanity does not earn much; and even greater than the service with respect to oneself is the service to the cause. Only from such dedication comes salvation, and eventually also the right to unassailable and loftiest vanity.

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Jean Paul's sämmtliche Werke, vol. 34: Aus Jean Paul's Leben, ed. Ernst Förster, 2nd edn (Berlin: Reimer, 1862), p. 217 (Via recti, chapter 3: "A few good rules pertaining to the home, writing, and marriage," pp. 214–20).

2 The word "schreibt" is partly covered by a smudged ink-blot.