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23.

Ein ungewöhnlich schönes Wetter lockt uns in die Berge! Wir steigen zur Kölner-Hütte empor, woran besonders Lie-Liechen ihre Freude hat, da sie vor 3 Jahren diesen Genuß entbehren mußte! Der Weg verläuft sehr lehrreich für Lie-Liechen: Noch hat sie bis dahin an den besonderen Reiz der nicht begangenen Wege geglaubt, gleichviel ob sie abkürzen oder nicht! Und ihrem, allerdings nicht ausgesprochenen, Wunsch folgend, betreten wir gleich hinter dem Hotel einen verbindenden Fußsteig. Nun begreift Lie-Liechen besser, wie Recht diejenigen leitenden Touristen haben, die die Wege eben anders anlegen: das Steile des Weges absorbirt mehr Kraft, als er an Zeit gewinnen läßt! Mit dieser ersten Erkenntnis bereichert, die nun {408} hoffentlich eine dauernde ist, steigen wir vom Kaiserstein ab die Serpentinen zum oberen Band in musterhafter Ruhe empor! Oben angelangt begreift Lie-Liechen wiederum besser, wieviel [illeg]praktischen Wertes solcher Ruhe zukommt. Und nun auf dem Band zur Hütte! Dort treffen wir viel[e] Wanderer verschiedenen Standes an. Schon den ganzen Weg entlang empfanden wir dankbar die überaus leichte reine Luft, die am besten einem kühlen Trank aus einer Bergquelle vergleichbar ist! Alle Beschwerden, körperliche wie geistige, fallen von selbst ab, der Blick erhält gleichsam Schwingen u. schießt durch die weiten Fernen leicht zu den Höhen hinüber, die den Horizont mit Gletschern umrahmen. Hier in der Höhe nach anderen Höhen hinüber zu sehen ist geheimnisvollerweise ein noch beseligenderes Gefühl, als von einem tieferen Punkte aus durch günstige Lage die Höhen zu erreichen. Man wird von Höhe zu Höhe gleichsam wesensverwandt u. genießt nun auch diese Verwandtschaft selig mit! Auf dem Wege treffen wir ganz frische Spuren eines großen Bergsturzes: Die mächtigen Blöcke, schneeweiß, zart, wie wWangen von Kindern, haben doch auch sie, die Blöcke haben erst seit kurzem das Licht der Welt erblickt! – In der Hütte essen , u. trinken wir u. senden Kärtchen Karten [in left margin: Karten] aus, die wir mit Gstanzln 1 versehen. Nach einstündiger Rast verlassen wir die Hütte u. gehen den vielgerühmten Hirzelweg bis zum Christomanos-Denkmal. Knapp an den Wänden führend lehrt der Weg Lie-Liechen, daß das Umgehen eines Stockes in Wirklichkeit doch noch andere zeitliche Werte vorstellt, als der Blick von unten zuzugeben bereit ist. Ferner läßt der Weg erkennen, wie sehr das Auge von unten in Täuschung begriffen ist war, da es den geraden Aufstieg zum Band empor für praktikabel hielt! – Aber von all’ den Lehren abgesehen gestaltet sich der Weg zu einem denkwürdigen Erlebnis von Schönheiten u. Genüssen. Und so kann ich es wagen, von Lie-Liechen gebeten, die Zauber unseres Aufenthaltsortes zu prägen, ihn als „Sommerresidenz Gottes“ {409} selbst zu bezeichnen! Wir fühlen uns hier fromm u. demütig-bewundernd seine Gäste u. bestreben uns, den Dank auch in Taten abzustatten! – Der Weg nahm die Zeit von 8–3½h in Anspruch.

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© Transcription Marko Deisinger.

23.

Unusually fine weather entices us into the mountains! We climb up to the Cologne Hut, in which Lie-Liechen takes particular joy since she had to forgo this pleasure three years before! The route proves very instructive for Lie-Liechen: until now she has believed in the particular attraction of paths not taken, whether or not they are shortcuts! And to comply with her wish, which at any rate she did not specifically express, we take a footpath just behind the hotel that acts as a connection. Now Lie-Liechen understands better how right those leading tourists are in not actually laying out the route differently: the steepness of the path consumes more energy than it saves in time! Enriched by this first experience, which now is, {408} one hopes, a lasting one, we make our way from the Kaiserstein by way of the serpentine paths to the upper ledge in exemplary calm! Having arrived at the top, Lie-Liechen once again understands how much practical value is attached to such calm. And now along the ledge to the hut! There we meet many ramblers of various abilities. Already along the entire route we were grateful for the thoroughly light, clean air which at its best is comparable to a cool drink from a mountain stream! All discomfort, bodily and mental, automatically falls away: the view is given a vibrancy, so to speak, and effortlessly shoots through the great distances over to the peaks that encircle the horizon with glaciers. Here, up above, to look over to other peaks is, in a mysterious way, an even more blissful feeling than to reach the heights from a lower point by a favorable situation. One becomes, as it were, connected in one's being from one peak to the next, and enjoys this relationship, too, in a blissful way! Along the way we encounter fresh evidence of a great mountain collapse: mighty blocks, snow-white, tender as the cheeks of children. These blocks, too, have only recently seen the light of day! – In the hut we eat, drink and send postcards, which we furnish with rhymes. 1 After an hour's rest, we leave the hut and take the much-praised Hirzelweg as far as the monument to Christomannos. Leading near to the mountain face, the path teaches Lie-Liechen that the traverse of a mountain in reality represents very different temporal values than those which the view from below would suggest. Moreover, the route enables one to recognize how much the eye was deceived from below, as it regarded the straight ascent up to the ridge as practicable! – But apart from all this tuition, the route unfolds as a notable experience of beauty and enjoyment. And so I can dare, when bidden by Lie-Liechen to characterize the magic of our whereabouts, to describe it as "the summer residence of God" Himself! {409} We feel as if we are His guests here, pious and humbly adoring, and we shall strive to express our thanks also in deeds! – The route occupied us from 8–2:30.

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© Translation William Drabkin.

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Ein ungewöhnlich schönes Wetter lockt uns in die Berge! Wir steigen zur Kölner-Hütte empor, woran besonders Lie-Liechen ihre Freude hat, da sie vor 3 Jahren diesen Genuß entbehren mußte! Der Weg verläuft sehr lehrreich für Lie-Liechen: Noch hat sie bis dahin an den besonderen Reiz der nicht begangenen Wege geglaubt, gleichviel ob sie abkürzen oder nicht! Und ihrem, allerdings nicht ausgesprochenen, Wunsch folgend, betreten wir gleich hinter dem Hotel einen verbindenden Fußsteig. Nun begreift Lie-Liechen besser, wie Recht diejenigen leitenden Touristen haben, die die Wege eben anders anlegen: das Steile des Weges absorbirt mehr Kraft, als er an Zeit gewinnen läßt! Mit dieser ersten Erkenntnis bereichert, die nun {408} hoffentlich eine dauernde ist, steigen wir vom Kaiserstein ab die Serpentinen zum oberen Band in musterhafter Ruhe empor! Oben angelangt begreift Lie-Liechen wiederum besser, wieviel [illeg]praktischen Wertes solcher Ruhe zukommt. Und nun auf dem Band zur Hütte! Dort treffen wir viel[e] Wanderer verschiedenen Standes an. Schon den ganzen Weg entlang empfanden wir dankbar die überaus leichte reine Luft, die am besten einem kühlen Trank aus einer Bergquelle vergleichbar ist! Alle Beschwerden, körperliche wie geistige, fallen von selbst ab, der Blick erhält gleichsam Schwingen u. schießt durch die weiten Fernen leicht zu den Höhen hinüber, die den Horizont mit Gletschern umrahmen. Hier in der Höhe nach anderen Höhen hinüber zu sehen ist geheimnisvollerweise ein noch beseligenderes Gefühl, als von einem tieferen Punkte aus durch günstige Lage die Höhen zu erreichen. Man wird von Höhe zu Höhe gleichsam wesensverwandt u. genießt nun auch diese Verwandtschaft selig mit! Auf dem Wege treffen wir ganz frische Spuren eines großen Bergsturzes: Die mächtigen Blöcke, schneeweiß, zart, wie wWangen von Kindern, haben doch auch sie, die Blöcke haben erst seit kurzem das Licht der Welt erblickt! – In der Hütte essen , u. trinken wir u. senden Kärtchen Karten [in left margin: Karten] aus, die wir mit Gstanzln 1 versehen. Nach einstündiger Rast verlassen wir die Hütte u. gehen den vielgerühmten Hirzelweg bis zum Christomanos-Denkmal. Knapp an den Wänden führend lehrt der Weg Lie-Liechen, daß das Umgehen eines Stockes in Wirklichkeit doch noch andere zeitliche Werte vorstellt, als der Blick von unten zuzugeben bereit ist. Ferner läßt der Weg erkennen, wie sehr das Auge von unten in Täuschung begriffen ist war, da es den geraden Aufstieg zum Band empor für praktikabel hielt! – Aber von all’ den Lehren abgesehen gestaltet sich der Weg zu einem denkwürdigen Erlebnis von Schönheiten u. Genüssen. Und so kann ich es wagen, von Lie-Liechen gebeten, die Zauber unseres Aufenthaltsortes zu prägen, ihn als „Sommerresidenz Gottes“ {409} selbst zu bezeichnen! Wir fühlen uns hier fromm u. demütig-bewundernd seine Gäste u. bestreben uns, den Dank auch in Taten abzustatten! – Der Weg nahm die Zeit von 8–3½h in Anspruch.

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© Transcription Marko Deisinger.

23.

Unusually fine weather entices us into the mountains! We climb up to the Cologne Hut, in which Lie-Liechen takes particular joy since she had to forgo this pleasure three years before! The route proves very instructive for Lie-Liechen: until now she has believed in the particular attraction of paths not taken, whether or not they are shortcuts! And to comply with her wish, which at any rate she did not specifically express, we take a footpath just behind the hotel that acts as a connection. Now Lie-Liechen understands better how right those leading tourists are in not actually laying out the route differently: the steepness of the path consumes more energy than it saves in time! Enriched by this first experience, which now is, {408} one hopes, a lasting one, we make our way from the Kaiserstein by way of the serpentine paths to the upper ledge in exemplary calm! Having arrived at the top, Lie-Liechen once again understands how much practical value is attached to such calm. And now along the ledge to the hut! There we meet many ramblers of various abilities. Already along the entire route we were grateful for the thoroughly light, clean air which at its best is comparable to a cool drink from a mountain stream! All discomfort, bodily and mental, automatically falls away: the view is given a vibrancy, so to speak, and effortlessly shoots through the great distances over to the peaks that encircle the horizon with glaciers. Here, up above, to look over to other peaks is, in a mysterious way, an even more blissful feeling than to reach the heights from a lower point by a favorable situation. One becomes, as it were, connected in one's being from one peak to the next, and enjoys this relationship, too, in a blissful way! Along the way we encounter fresh evidence of a great mountain collapse: mighty blocks, snow-white, tender as the cheeks of children. These blocks, too, have only recently seen the light of day! – In the hut we eat, drink and send postcards, which we furnish with rhymes. 1 After an hour's rest, we leave the hut and take the much-praised Hirzelweg as far as the monument to Christomannos. Leading near to the mountain face, the path teaches Lie-Liechen that the traverse of a mountain in reality represents very different temporal values than those which the view from below would suggest. Moreover, the route enables one to recognize how much the eye was deceived from below, as it regarded the straight ascent up to the ridge as practicable! – But apart from all this tuition, the route unfolds as a notable experience of beauty and enjoyment. And so I can dare, when bidden by Lie-Liechen to characterize the magic of our whereabouts, to describe it as "the summer residence of God" Himself! {409} We feel as if we are His guests here, pious and humbly adoring, and we shall strive to express our thanks also in deeds! – The route occupied us from 8–2:30.

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Gstanzl (or Schnaderhüpfl): traditional type of dialect songs particularly prevalent in the Austrian-Bavarian regions.