14. XII. 14
Vom Nimbus der Reichen: Gerne schreiben sich die Reichen selbst einen Nimbus zu. In ihrer Eitelkeit nehmen sie an, der Nimbus komme von ihnen selbst u. nicht gerne gestehen sie sich es oder hören sie es, daß sich der Nimbus blos auf das Geld bezieht, dem sie vorübergehend den Namen geben. Ihre Eitelkeit hindert sie zu begreifen, daß die Armen nicht etwa vor ihnen, sondern nur vor dem Gelde hofieren, daß sie nur ihr Geld, nicht aber sie selbst suchen, weshalb es regelmäßig sich ereignet, daß sie den Reichen den gebührenden Fußtritt geben, sobald sie sich in ihrer Erwartung getäuscht sehen. Die Macht der Reichen ist daher eine Illusion; sie ist sofort zuende, sobald der Arme die Enttäuschung erlebt hat u. was die Reichen allenfalls als Macht empfinden[,] ist der ewig im Rollen begriffene Prozess, der darin besteht, daß sich Arme regelmäßig näheren. Die Annäherungsversuche der Armen geben Gelegenheit diese auszunutzen, aber keinesfalls darf diese Tatsache allein genügen, um eine wirkliche Macht zu erweisen. Eine solche wäre erst dann vorhanden, wenn die Armen nicht auch den Weg von den Reichen weg fänden. Tausend geplünderte Arme, die sich Hilfe suchend näherten, stellen noch lange nicht den Gegenstand eines Machtverhältnisses vor, mindestens so lange nicht, als sie nicht dauernd der Macht unterworfen sind. Es ist schade, daß sich die Armen über den Nimbus der Reichen nicht klar sind; denn wären sie es, sie könnten sich füglich auch das Hofieren ersparen. Dazu aber wäre vorerst nötig, daß die Armen selbst reden lernten, wie folgt: Euer Gut ist zwar ein wirkliches Gut, sei es Geld, sei es Boden, aber darum seid ihr Reichen nicht schon selbst ein Gut! Jegliches Gut verehren wir gerne u. legtet ihr auf den Tisch vor uns Boden u. Früchte her, wir würden uns gerne davor verneigen. Aber wir versagen die Verehrung den Menschen, die nicht selbst Güter sind!! (Wenn z. B. ein Herr Morgan Rembrandt’sche Bilder erwirbt, was will gegenüber dem letzteren Gut jener Mensch überhaupt bedeuten? Und warum sollte man die den Kunstwerken gebührende Verehrung auf jenen übertragen, der sie ja gar nicht geschaffen hat?) So abgefertigt würden die Reichen sofort die Illusion ihres Nimbus verlieren, u. rascher als es je durch eine Religion geschehen könnte, geschähe die Annäherung der Reichen an die Armen durch die Zerstörung des Machtbegriffes! *{810} Augenblicklich spielt sich ja doch in der Welt jener Prozess ab, in dem der Nimbus englischer Reichtümer zerstört wird. Wahrlich, allzu lange hat man sich dem falschen Wahn u. der Anbetung englischer Reichtümer hingegeben u. es standen den Engländern die übrigen Nationen etwa so gegenüber, wie einem reichen Manne zahllose arme Menschen. Nun hat die Welt begreifen gelernt, daß man von der reichen Nation nichts mehr zu erwarten habe als Arroganz, Präpotenz u. Tendenz zu weiterer Ausnutzung u. in dieser Enttäuschung wischt sie sich den tollen Spuck aus den Augen! Oder mit anderen Worten: sie gebe den Fußtritt dem Reichen, von dem sie nichts erwarten kann! Damit ist die Macht der Engländer gebrochen, die von Haus aus ja nur eine Illusion gewesen! *Extraausgaben melden einen Sieg bei Dukla. 1 *
© Transcription Marko Deisinger. |
December 14, 1914.
Concerning the mystique of the rich. They readily credit themselves as being an enigma. In their vanity they assume that the mystique comes from them alone, and they are not willing to admit or be told that their mystique relates merely to their money, to which they temporarily give it that name. Their vanity prevents them from understanding that the poor do not really curry favor with them but only with their money, that they are after their money and not themselves, which is why it often happens that they give the rich the kick up the backside that they deserve, as soon as they see themselves disappointed in their expectations. The power of the rich is thus an illusion; it immediately comes to an end when the poor person experiences the disappointment; and what the rich at any rate perceive to be power is the process, always understood to be at work, whereby poor people regularly approach them. The attempts of the poor to approach them give the rich the opportunity to exploit them; but in no way may this fact alone be sufficient to give proof of a true power. That would only be possible if the poor were also unable to find a path away from the rich. A thousand exploited poor people who approached them in search of help do not by a long shot represent the fact of a power relationship, at least so long as they have not been permanently subjected to their power. It is a shame that the poor are not clear in their mind about the mystique of the rich; for if they were, they could easily spare themselves the groveling. For this, however, it would first be necessary for the poor to learn to speak as follows: What you own is a valuable possession, whether money or land; but for that reason you rich people are not yourselves already a thing of value! We will honor every possession; and if you were to lay your land and your fruits on the table, we would be happy to kneel before them. But we refuse to pay honor to people who themselves are not valuable things!! (If for example a Mr. Morgan acquires paintings by Rembrandt, what might that person signify in comparison to the latter valuable acquisition? And why should the honor due to the artworks be transferred to someone who has not created them?) Dealt with in this way, the rich would immediately lose the aura of their mystique; and more quickly than it could ever happen as a result of a religion, it would come to pass that the rich would approach the poor as a result of the destruction of the power concept! *{810} At this moment, that trial is being acted out in which the mystique of English wealth is being destroyed. In truth, for far too long one had been addicted to the false delusion and the worship of English wealth; and the other nations stood in relation to the English rather like countless poor people to a rich man. Now the world has learned to understand that there is nothing more to be expected of the rich nation than arrogance, haughtiness, and the tendency to exploit further; and in this disappointment, it is wiping the mad spittle from its eyes! Or, in other words: it is giving a rich man a kick up the backside, from whom it can expect nothing! In this way the power of the English is broken, which had at the outset been merely an illusion! *Extra editions report a victory at Dukla. 1 *
© Translation William Drabkin. |
14. XII. 14
Vom Nimbus der Reichen: Gerne schreiben sich die Reichen selbst einen Nimbus zu. In ihrer Eitelkeit nehmen sie an, der Nimbus komme von ihnen selbst u. nicht gerne gestehen sie sich es oder hören sie es, daß sich der Nimbus blos auf das Geld bezieht, dem sie vorübergehend den Namen geben. Ihre Eitelkeit hindert sie zu begreifen, daß die Armen nicht etwa vor ihnen, sondern nur vor dem Gelde hofieren, daß sie nur ihr Geld, nicht aber sie selbst suchen, weshalb es regelmäßig sich ereignet, daß sie den Reichen den gebührenden Fußtritt geben, sobald sie sich in ihrer Erwartung getäuscht sehen. Die Macht der Reichen ist daher eine Illusion; sie ist sofort zuende, sobald der Arme die Enttäuschung erlebt hat u. was die Reichen allenfalls als Macht empfinden[,] ist der ewig im Rollen begriffene Prozess, der darin besteht, daß sich Arme regelmäßig näheren. Die Annäherungsversuche der Armen geben Gelegenheit diese auszunutzen, aber keinesfalls darf diese Tatsache allein genügen, um eine wirkliche Macht zu erweisen. Eine solche wäre erst dann vorhanden, wenn die Armen nicht auch den Weg von den Reichen weg fänden. Tausend geplünderte Arme, die sich Hilfe suchend näherten, stellen noch lange nicht den Gegenstand eines Machtverhältnisses vor, mindestens so lange nicht, als sie nicht dauernd der Macht unterworfen sind. Es ist schade, daß sich die Armen über den Nimbus der Reichen nicht klar sind; denn wären sie es, sie könnten sich füglich auch das Hofieren ersparen. Dazu aber wäre vorerst nötig, daß die Armen selbst reden lernten, wie folgt: Euer Gut ist zwar ein wirkliches Gut, sei es Geld, sei es Boden, aber darum seid ihr Reichen nicht schon selbst ein Gut! Jegliches Gut verehren wir gerne u. legtet ihr auf den Tisch vor uns Boden u. Früchte her, wir würden uns gerne davor verneigen. Aber wir versagen die Verehrung den Menschen, die nicht selbst Güter sind!! (Wenn z. B. ein Herr Morgan Rembrandt’sche Bilder erwirbt, was will gegenüber dem letzteren Gut jener Mensch überhaupt bedeuten? Und warum sollte man die den Kunstwerken gebührende Verehrung auf jenen übertragen, der sie ja gar nicht geschaffen hat?) So abgefertigt würden die Reichen sofort die Illusion ihres Nimbus verlieren, u. rascher als es je durch eine Religion geschehen könnte, geschähe die Annäherung der Reichen an die Armen durch die Zerstörung des Machtbegriffes! *{810} Augenblicklich spielt sich ja doch in der Welt jener Prozess ab, in dem der Nimbus englischer Reichtümer zerstört wird. Wahrlich, allzu lange hat man sich dem falschen Wahn u. der Anbetung englischer Reichtümer hingegeben u. es standen den Engländern die übrigen Nationen etwa so gegenüber, wie einem reichen Manne zahllose arme Menschen. Nun hat die Welt begreifen gelernt, daß man von der reichen Nation nichts mehr zu erwarten habe als Arroganz, Präpotenz u. Tendenz zu weiterer Ausnutzung u. in dieser Enttäuschung wischt sie sich den tollen Spuck aus den Augen! Oder mit anderen Worten: sie gebe den Fußtritt dem Reichen, von dem sie nichts erwarten kann! Damit ist die Macht der Engländer gebrochen, die von Haus aus ja nur eine Illusion gewesen! *Extraausgaben melden einen Sieg bei Dukla. 1 *
© Transcription Marko Deisinger. |
December 14, 1914.
Concerning the mystique of the rich. They readily credit themselves as being an enigma. In their vanity they assume that the mystique comes from them alone, and they are not willing to admit or be told that their mystique relates merely to their money, to which they temporarily give it that name. Their vanity prevents them from understanding that the poor do not really curry favor with them but only with their money, that they are after their money and not themselves, which is why it often happens that they give the rich the kick up the backside that they deserve, as soon as they see themselves disappointed in their expectations. The power of the rich is thus an illusion; it immediately comes to an end when the poor person experiences the disappointment; and what the rich at any rate perceive to be power is the process, always understood to be at work, whereby poor people regularly approach them. The attempts of the poor to approach them give the rich the opportunity to exploit them; but in no way may this fact alone be sufficient to give proof of a true power. That would only be possible if the poor were also unable to find a path away from the rich. A thousand exploited poor people who approached them in search of help do not by a long shot represent the fact of a power relationship, at least so long as they have not been permanently subjected to their power. It is a shame that the poor are not clear in their mind about the mystique of the rich; for if they were, they could easily spare themselves the groveling. For this, however, it would first be necessary for the poor to learn to speak as follows: What you own is a valuable possession, whether money or land; but for that reason you rich people are not yourselves already a thing of value! We will honor every possession; and if you were to lay your land and your fruits on the table, we would be happy to kneel before them. But we refuse to pay honor to people who themselves are not valuable things!! (If for example a Mr. Morgan acquires paintings by Rembrandt, what might that person signify in comparison to the latter valuable acquisition? And why should the honor due to the artworks be transferred to someone who has not created them?) Dealt with in this way, the rich would immediately lose the aura of their mystique; and more quickly than it could ever happen as a result of a religion, it would come to pass that the rich would approach the poor as a result of the destruction of the power concept! *{810} At this moment, that trial is being acted out in which the mystique of English wealth is being destroyed. In truth, for far too long one had been addicted to the false delusion and the worship of English wealth; and the other nations stood in relation to the English rather like countless poor people to a rich man. Now the world has learned to understand that there is nothing more to be expected of the rich nation than arrogance, haughtiness, and the tendency to exploit further; and in this disappointment, it is wiping the mad spittle from its eyes! Or, in other words: it is giving a rich man a kick up the backside, from whom it can expect nothing! In this way the power of the English is broken, which had at the outset been merely an illusion! *Extra editions report a victory at Dukla. 1 *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Großer Erfolg in den Karpathen. Gefangene gemacht und 10 Maschinengewehre erbeutet. Dukla wieder in unserem Besitz," Neue Freie Presse, No. 18071, December 14, 1914, special edition, p. 1. "Neuerlich 9000 Russen in Galizien gefangengenommen. Dukla wieder in unserem Besitz," Neuigkeits-Welt-Blatt, December 14, 1914, 41st year, extra edition, p. 1. |