Downloads temporarily removed for testing purposes


25. Juli 1934.

Sehr verehrter Herr Doktor! 1

Tausend Dank für Ihren freundlichen Brief. 2 Daß Hob. schon so lange nicht mehr in Garmisch ist, verwundert mich sehr. Nun weiß ich garnicht, ob er überhaupt von mir die Post und – das Buch 3 bekommen hat. Da er mir seinerzeit Garmisch als seine Sommerszene angegeben hat, hätte er mich wohl von dieser Änderung verständigen können.

Ich habe mich doch entschlossen, von hier direkt am Freitag abend nach Wien zu fahren. Es tut mir sehr leid, daß auf die Art aus meinem Besuch bei Ihnen nichts wird. Wann gedenken Sie nach Wien {2} zurückzukehren?

Bayreuth ist eine entzückende alte Stadt in der schönsten Umliegung – die musikalischen Aufführungen bleiben aber durchaus hinter dem Berliner Durchschnitt zurück.

Interessant in mancherlei Beziehung ist die Wagner Austellung [sic] unter dem Titel „Genie am Werk“. In der Abteilung „Kämpfer für Wagner” fehlt z. B. Hermann Levi. Auch sonst gäbe es mancherlei zu sagen. Übrigens ist „Parsifal“ neu inszeniert mit manchen sehr schönen neuen Dekorationen von Roller(!). 4 Wirklich großartig und ergreifend Bockelmann 5 als Hans Sachs. Vieles an der Wirkung der Wagnerischen Musik ist mir übrigens hier klarer geworden. {3} Vielleicht daß das Zeitgeschehen da etwas nachhilft. —

Anbei übersende ich Ihnen ein Verzeichnis der Druckfehler, das demnächst gesetzt und nachgeliefert wird. Wegen der Exemplare für Vrieslander u. Oppel 6 werde ich sofort in Wien fragen. Ich hatte sie seinerzeit selbstverständlich auf die Liste gesetzt. In Wien kann ich dann endlich auch wegen der Einführungshefte 7 sprechen. Freilich daß Hob. so garnichts mehr hat hören lassen, erschwert die Sache.

— Übrigens fabelhaft ist hier das alte Opernhaus aus dem [Jahre] 1743, damals als das größte Theater Deutschlands mit unglaublichem Prank erbaut. Das muß jedenfalls {4} eine theaterfreundige Welt gewesen sein, die verstanden hat, daß Schein und Illusion wesentlich zum Theater gehören. – Haben Sie noch einmal etwas von H. Roth gehört? Ich hatte ihn im Winter in Hamburg besucht – er arbeitete damals an der Continuoausarbeitung 8 der Händel Violin Sonaten. Er ist Musikreferent der Hamburger Nachrichten und ich habe ihm jedenfalls ein Exemplar zukommen lassen.

Empfehlen Sie mich bitte Ihrer werten Frau Gemahlin. Ich verbleibe,


In steter Verehrung
Ihr ergebenster
[signed:] Oswald Jonas

© Transcription John Rothgeb, 2006


July 25, 1934

Greatly revered Dr. [Schenker], 1

Thanks so much for your cordial letter. 2 I am very surprised that Hoboken has been gone from Garmisch for such a long time. Now I have no idea whether he received mail from me and ‒ the book. 3 Since he told me at the time that Garmisch would be his summer locale, he could well have notified me of this change.

I have decided, however, to go directly from here to Vienna on Friday evening. I am sorry that this way nothing will come of my visit with you. When do you plan {2} to return to Vienna?

Bayreuth is a delightful old city in the most beautiful surroundings ‒ the musical performances, however, are altogether inferior to the prevailing average in Berlin.

Interesting in many respects is the Wagner exhibition under the title "Genius at work." In the section "Champions of Wagner," Hermann Levi, for example, is absent. There would be much more to say besides. Incidentally, Parsifal has been newly staged with many very beautiful decorations by Roller(!). 4 Bockelmann 5 is truly magnificent and gripping as Hans Sachs. Much about the effect of the Wagnerian music, incidentally, has become clearer to me here. {3} Perhaps the current events contribute to that somewhat. —

I send you herewith a list of the misprints, which now must be published and distributed. I will ask right away in Vienna about the copies for Vrieslander and Oppel. 6 I had of course included them on the list at the time. In Vienna too I can finally discuss the analytical publications. 7 Admittedly, the fact that Hoboken writes nothing further at all makes the matter more difficult.

— Fabulous, by the way, is the old opera house here, from the year 1743, built with incredible splendor as the largest theater in Germany at the time. It must in any case have been {4} a theater-friendly world, which understood that appearance and illusion belong essentially to the theater. — Have you heard again from Herman Roth? I had visited him in the winter in Hamburg ‒ he was working then on the continuo realization 8 of the Handel violin sonatas. He is music critic for the Hamburger Nachrichten , and I have in any case had a copy sent him.

Please convey my regards to your good wife. I remain,


in enduring admiration,
Your most devoted
[signed:] Oswald Jonas

© Translation John Rothgeb, 2006


25. Juli 1934.

Sehr verehrter Herr Doktor! 1

Tausend Dank für Ihren freundlichen Brief. 2 Daß Hob. schon so lange nicht mehr in Garmisch ist, verwundert mich sehr. Nun weiß ich garnicht, ob er überhaupt von mir die Post und – das Buch 3 bekommen hat. Da er mir seinerzeit Garmisch als seine Sommerszene angegeben hat, hätte er mich wohl von dieser Änderung verständigen können.

Ich habe mich doch entschlossen, von hier direkt am Freitag abend nach Wien zu fahren. Es tut mir sehr leid, daß auf die Art aus meinem Besuch bei Ihnen nichts wird. Wann gedenken Sie nach Wien {2} zurückzukehren?

Bayreuth ist eine entzückende alte Stadt in der schönsten Umliegung – die musikalischen Aufführungen bleiben aber durchaus hinter dem Berliner Durchschnitt zurück.

Interessant in mancherlei Beziehung ist die Wagner Austellung [sic] unter dem Titel „Genie am Werk“. In der Abteilung „Kämpfer für Wagner” fehlt z. B. Hermann Levi. Auch sonst gäbe es mancherlei zu sagen. Übrigens ist „Parsifal“ neu inszeniert mit manchen sehr schönen neuen Dekorationen von Roller(!). 4 Wirklich großartig und ergreifend Bockelmann 5 als Hans Sachs. Vieles an der Wirkung der Wagnerischen Musik ist mir übrigens hier klarer geworden. {3} Vielleicht daß das Zeitgeschehen da etwas nachhilft. —

Anbei übersende ich Ihnen ein Verzeichnis der Druckfehler, das demnächst gesetzt und nachgeliefert wird. Wegen der Exemplare für Vrieslander u. Oppel 6 werde ich sofort in Wien fragen. Ich hatte sie seinerzeit selbstverständlich auf die Liste gesetzt. In Wien kann ich dann endlich auch wegen der Einführungshefte 7 sprechen. Freilich daß Hob. so garnichts mehr hat hören lassen, erschwert die Sache.

— Übrigens fabelhaft ist hier das alte Opernhaus aus dem [Jahre] 1743, damals als das größte Theater Deutschlands mit unglaublichem Prank erbaut. Das muß jedenfalls {4} eine theaterfreundige Welt gewesen sein, die verstanden hat, daß Schein und Illusion wesentlich zum Theater gehören. – Haben Sie noch einmal etwas von H. Roth gehört? Ich hatte ihn im Winter in Hamburg besucht – er arbeitete damals an der Continuoausarbeitung 8 der Händel Violin Sonaten. Er ist Musikreferent der Hamburger Nachrichten und ich habe ihm jedenfalls ein Exemplar zukommen lassen.

Empfehlen Sie mich bitte Ihrer werten Frau Gemahlin. Ich verbleibe,


In steter Verehrung
Ihr ergebenster
[signed:] Oswald Jonas

© Transcription John Rothgeb, 2006


July 25, 1934

Greatly revered Dr. [Schenker], 1

Thanks so much for your cordial letter. 2 I am very surprised that Hoboken has been gone from Garmisch for such a long time. Now I have no idea whether he received mail from me and ‒ the book. 3 Since he told me at the time that Garmisch would be his summer locale, he could well have notified me of this change.

I have decided, however, to go directly from here to Vienna on Friday evening. I am sorry that this way nothing will come of my visit with you. When do you plan {2} to return to Vienna?

Bayreuth is a delightful old city in the most beautiful surroundings ‒ the musical performances, however, are altogether inferior to the prevailing average in Berlin.

Interesting in many respects is the Wagner exhibition under the title "Genius at work." In the section "Champions of Wagner," Hermann Levi, for example, is absent. There would be much more to say besides. Incidentally, Parsifal has been newly staged with many very beautiful decorations by Roller(!). 4 Bockelmann 5 is truly magnificent and gripping as Hans Sachs. Much about the effect of the Wagnerian music, incidentally, has become clearer to me here. {3} Perhaps the current events contribute to that somewhat. —

I send you herewith a list of the misprints, which now must be published and distributed. I will ask right away in Vienna about the copies for Vrieslander and Oppel. 6 I had of course included them on the list at the time. In Vienna too I can finally discuss the analytical publications. 7 Admittedly, the fact that Hoboken writes nothing further at all makes the matter more difficult.

— Fabulous, by the way, is the old opera house here, from the year 1743, built with incredible splendor as the largest theater in Germany at the time. It must in any case have been {4} a theater-friendly world, which understood that appearance and illusion belong essentially to the theater. — Have you heard again from Herman Roth? I had visited him in the winter in Hamburg ‒ he was working then on the continuo realization 8 of the Handel violin sonatas. He is music critic for the Hamburger Nachrichten , and I have in any case had a copy sent him.

Please convey my regards to your good wife. I remain,


in enduring admiration,
Your most devoted
[signed:] Oswald Jonas

© Translation John Rothgeb, 2006

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/7, p. 3928, July 27, 1934: "Von Jonas (Br. aus Bayreuth): Druckfehlerverzeichnis; über die Aufführungen („unter Berliner Durchschnitt“), über das Museum, in dem Levi fehlt!!, über v. Hobokens Schweigen, Unterlassung, seine Adresse anzugeben." "From Jonas (letter from Bayreuth): list of errata; about the performances ('beneath the level encountered in Berlin'); about the museum, from which Levi is missing!!; about Hoboken's silence, his failure to provide his [summer] address.").

2 OJ 5/18, 47, July 22, 1934.

3 Jonas's just-published Das Wesen des musikalischen Kunstwerks: Eine Einführung in die Lehre Heinrich Schenkers (Vienna: Saturn Verlag, 1934).

4 Alfred Roller (1864-1935), a Vienna-based designer (hence the exclamation mark).

5 Rudolph Bockelmann (1892‒1958), German dramatic baritone, noted for his performances of Wotan and Hans Sachs.

6 See OJ 5/18, 47.

7 The series of elucidatory editions proposed by Jonas in OJ 12/6, [31], April 15, 1934. See also OJ 5/18, 41, and OJ 12/6, [36] and OJ 12/6, [37].

8 This word is somewhat irregularly written, but there is little doubt as to the intent.

Commentary

Format
4-p letter, Bogen format, holograph salutation, message, valediction and signature
Provenance
Schenker, Heinrich (document date-1935)--Schenker, Jeanette (1935-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1955)--Jonas, Oswald (c.1955-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
Heirs of Oswald Jonas, published by kind permission
License
Permission to publish granted by the heirs of Oswald Jonas October 20, 1913

Digital version created: 2015-11-23