Ser. A,
{160}
⇧ 22.
[In Heinrich Schenker's
hand, lightly edited by him; final version only given here:]
⇧ Mittags des gestrigen Tages zog ein Gewitter herauf, das in kurzer Zeit ans Ende zu gelangen schien. Indessen begann es um die Jausenzeit neuerdings zu wettern, u. Nebel, Wolken, Blitz u. Donner nahmen ganz den Vordergrund der Natur ein. Nun entfesselte sich ein Spiel, das unabsehbar wurde: die schaurige Wildheit der Elemente tobte sich besonders des Abends u. des Nachts aus, am heftigsten zwischen 10‒12½ Uhr, da die Blitze einander förmlich überrannten u. die Donner nicht zu Atem kommen ließen. Alle Gäste in den Hotels blieben wach u. lösten ihre Nervosität in der verschiedensten Art aus. Wir fanden erst gegen 1h Schlaf, um des Morgens später als sonst aus dem Bette zu steigen. Noch ist aber heute in der Natur Einiges vom Groll {161} par 1 par übriggeblieben, der gestern so unbarmherzig wider alles Leben sich kehrte. *⇧ Die Gesinnung des Schweizers: durchaus feil (s. seine Rolle im Mittelalter); wenn er aber selbst nicht mehr feil sein kann, dann ist ihm der Fremde feil (s. seine Fremdenindustrie in der Gegenwart): somit dann auf Feilheit, nur auf Feilheit, läuft wohl Alles bei ihm immer hinaus, gestern wie heute, heute wie morgen! *
⇧
Noch im diätätischer Gesichtspunkt.
2
Nichts ist daher so falsch, als die diätätische Maxime, die blos einen mäßigen Speisegenuß den Menschen empfiehlt; denn ist, was mäßig zu nennen ist, nur ein subjektiv zu erledigender Begriff, ‒ man weiß doch, wie sehr auch geistige Arbeit zehrt u. das Gehirn des Ersatzes für ausgegebene Kraft dringend bedarf, ferner wie Sorgen u. Kummer auch ihrerseits den Menschen abzehren ‒ so ist jene Sättigung ganz besonders verführend, die sich auch schon nach nur wenigen Bissen einzustellen pflegt. Nichts ist so schädlich, als wenn jemand unter Mäßigkeit gerade nur jenen Zustand von Sättigung versteht, der so rasch herbei geführt werden kann. Einmal dazu angeregt vermag der Magen sich ohne Zweifel auf höhere Leistungen zu schrauben, wo er dann noch lange nicht das Gefühl einer lästigen Uebersättigung erzeugt, auch wenn er mehr als je bis dahin zu sich genommen hat; mit anderen Worten: man verwechsle nicht die allererste Sättigung mit der wirklichen Sättigung selbst u. verstehe unter Mäßigkeit mindestens doch nur die letztere, nicht aber die erstere. Bei gehöriger Beobachtung solcher Unterscheidungen, müßte es den Menschen leicht fallen den Rat der Aerzte zu korrigieren, die in Folge ihrer Unbildung u. Unfähigkeit sowohl zur Psychologie, wie zur Sprache, heute ein mäßiges Essen empfehlen, um morgen wieder [sic] die eintretenden Folgen der Unterernährung mit desto energischerer Anweisung mehr zu essen, selbst bekämpfen! *
⇧
{168}
Nachtrag zu den diätätischen
Winken.
⇧ Schon die 10 Gebote sprechen sich allgemein genug aus u. ebenso allgemein werden die sonstigen Fragen geregelt, sei es das Tonstück, der Magen u.s.w. *© Transcription Ian Bent, 2019 |
Ser. A,
{160}
⇧ [August] 22
[In Heinrich Schenker's
hand, lightly edited by him; final version only given here:]
⇧ Mid-day yesterday a storm brewed, but in no time at all seemed to blow over. However, at afternoon snack time it began to rage anew, and mist, clouds, thunder and lightning entirely overwhelmed the foreground of Nature. Now a drama was unleashed that became unpredictable. The terrifying wildness of the elements continued to rampage especially through the evening and night, at its height between 10 and half-past midnight, with the lightning flashes virtually overlapping each other and the thunder leaving one unable to catch a breath. All the guests lay awake in their hotels and vented their nervousness in the most diverse ways. We did not get any sleep until around 1 a.m., only to climb out of bed later than usual in the morning. Still today something of the anger {161} par 1 par that turned upon all of life so unmercifully yesterday is still present in Nature. *⇧ The mentality of the Swiss citizen: mercenary through and through (viz. his role in the middle ages); but if he himself can be no longer mercenary, then the tourist will be mercenary to him (viz. his tourist industry in the present day): consequently then, everything to do with him always boils down to mercenariness and nothing but mercenariness, yesterday as it is today, today as it will be tomorrow! *
⇧
More on the
Subject of Diet
2
Accordingly, nothing is so false as the dietetic golden rule whereby people are recommended to observe moderation in the consumption of food; for what comprises moderation is a matter that can be determined only subjectively. ‒ We all surely know how very much even intellectual work takes out of us, and how the brain urgently demands a replacement of the energy expended; furthermore how greatly worry and distress for their part make a person waste away. ‒ Thus that satiation which sets in after even only a few mouthfuls is most especially misleading. Nothing is so harmful as when someone exercizing moderation understands precisely only that degree of satiation, which can wear off so quickly. Once attuned to that, the stomach is undoubtedly capable of rising to higher accomplishments, in which for long periods it does not induce a feeling of uncomfortable over-satiety, even when it has consumed more than ever before. In other words, one should not confuse the initial onset of satiation with true satiation itself, and should understand by moderation at least only the latter, not the former. With appropriate observation of such distinctions, people should find it quite easy to correct the advice of doctors, who, in consequence of their ignorance and incompetence in both psychology and language, today recommend moderate eating, only to contradict themselves tomorrow when confronted by the undernourishment that results by giving out the ever more energetic advice to eat more! *
⇧
{168}
Addendum to the Dietetic
Tips.
⇧ Even the Ten Commandments are expressed in general enough terms, and the other questions are regulated just as generally, be it a piece of music, the stomach, and so forth. *© Translation Ian Bent, 2019 |
Ser. A,
{160}
⇧ 22.
[In Heinrich Schenker's
hand, lightly edited by him; final version only given here:]
⇧ Mittags des gestrigen Tages zog ein Gewitter herauf, das in kurzer Zeit ans Ende zu gelangen schien. Indessen begann es um die Jausenzeit neuerdings zu wettern, u. Nebel, Wolken, Blitz u. Donner nahmen ganz den Vordergrund der Natur ein. Nun entfesselte sich ein Spiel, das unabsehbar wurde: die schaurige Wildheit der Elemente tobte sich besonders des Abends u. des Nachts aus, am heftigsten zwischen 10‒12½ Uhr, da die Blitze einander förmlich überrannten u. die Donner nicht zu Atem kommen ließen. Alle Gäste in den Hotels blieben wach u. lösten ihre Nervosität in der verschiedensten Art aus. Wir fanden erst gegen 1h Schlaf, um des Morgens später als sonst aus dem Bette zu steigen. Noch ist aber heute in der Natur Einiges vom Groll {161} par 1 par übriggeblieben, der gestern so unbarmherzig wider alles Leben sich kehrte. *⇧ Die Gesinnung des Schweizers: durchaus feil (s. seine Rolle im Mittelalter); wenn er aber selbst nicht mehr feil sein kann, dann ist ihm der Fremde feil (s. seine Fremdenindustrie in der Gegenwart): somit dann auf Feilheit, nur auf Feilheit, läuft wohl Alles bei ihm immer hinaus, gestern wie heute, heute wie morgen! *
⇧
Noch im diätätischer Gesichtspunkt.
2
Nichts ist daher so falsch, als die diätätische Maxime, die blos einen mäßigen Speisegenuß den Menschen empfiehlt; denn ist, was mäßig zu nennen ist, nur ein subjektiv zu erledigender Begriff, ‒ man weiß doch, wie sehr auch geistige Arbeit zehrt u. das Gehirn des Ersatzes für ausgegebene Kraft dringend bedarf, ferner wie Sorgen u. Kummer auch ihrerseits den Menschen abzehren ‒ so ist jene Sättigung ganz besonders verführend, die sich auch schon nach nur wenigen Bissen einzustellen pflegt. Nichts ist so schädlich, als wenn jemand unter Mäßigkeit gerade nur jenen Zustand von Sättigung versteht, der so rasch herbei geführt werden kann. Einmal dazu angeregt vermag der Magen sich ohne Zweifel auf höhere Leistungen zu schrauben, wo er dann noch lange nicht das Gefühl einer lästigen Uebersättigung erzeugt, auch wenn er mehr als je bis dahin zu sich genommen hat; mit anderen Worten: man verwechsle nicht die allererste Sättigung mit der wirklichen Sättigung selbst u. verstehe unter Mäßigkeit mindestens doch nur die letztere, nicht aber die erstere. Bei gehöriger Beobachtung solcher Unterscheidungen, müßte es den Menschen leicht fallen den Rat der Aerzte zu korrigieren, die in Folge ihrer Unbildung u. Unfähigkeit sowohl zur Psychologie, wie zur Sprache, heute ein mäßiges Essen empfehlen, um morgen wieder [sic] die eintretenden Folgen der Unterernährung mit desto energischerer Anweisung mehr zu essen, selbst bekämpfen! *
⇧
{168}
Nachtrag zu den diätätischen
Winken.
⇧ Schon die 10 Gebote sprechen sich allgemein genug aus u. ebenso allgemein werden die sonstigen Fragen geregelt, sei es das Tonstück, der Magen u.s.w. *© Transcription Ian Bent, 2019 |
Ser. A,
{160}
⇧ [August] 22
[In Heinrich Schenker's
hand, lightly edited by him; final version only given here:]
⇧ Mid-day yesterday a storm brewed, but in no time at all seemed to blow over. However, at afternoon snack time it began to rage anew, and mist, clouds, thunder and lightning entirely overwhelmed the foreground of Nature. Now a drama was unleashed that became unpredictable. The terrifying wildness of the elements continued to rampage especially through the evening and night, at its height between 10 and half-past midnight, with the lightning flashes virtually overlapping each other and the thunder leaving one unable to catch a breath. All the guests lay awake in their hotels and vented their nervousness in the most diverse ways. We did not get any sleep until around 1 a.m., only to climb out of bed later than usual in the morning. Still today something of the anger {161} par 1 par that turned upon all of life so unmercifully yesterday is still present in Nature. *⇧ The mentality of the Swiss citizen: mercenary through and through (viz. his role in the middle ages); but if he himself can be no longer mercenary, then the tourist will be mercenary to him (viz. his tourist industry in the present day): consequently then, everything to do with him always boils down to mercenariness and nothing but mercenariness, yesterday as it is today, today as it will be tomorrow! *
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More on the
Subject of Diet
2
Accordingly, nothing is so false as the dietetic golden rule whereby people are recommended to observe moderation in the consumption of food; for what comprises moderation is a matter that can be determined only subjectively. ‒ We all surely know how very much even intellectual work takes out of us, and how the brain urgently demands a replacement of the energy expended; furthermore how greatly worry and distress for their part make a person waste away. ‒ Thus that satiation which sets in after even only a few mouthfuls is most especially misleading. Nothing is so harmful as when someone exercizing moderation understands precisely only that degree of satiation, which can wear off so quickly. Once attuned to that, the stomach is undoubtedly capable of rising to higher accomplishments, in which for long periods it does not induce a feeling of uncomfortable over-satiety, even when it has consumed more than ever before. In other words, one should not confuse the initial onset of satiation with true satiation itself, and should understand by moderation at least only the latter, not the former. With appropriate observation of such distinctions, people should find it quite easy to correct the advice of doctors, who, in consequence of their ignorance and incompetence in both psychology and language, today recommend moderate eating, only to contradict themselves tomorrow when confronted by the undernourishment that results by giving out the ever more energetic advice to eat more! *
⇧
{168}
Addendum to the Dietetic
Tips.
⇧ Even the Ten Commandments are expressed in general enough terms, and the other questions are regulated just as generally, be it a piece of music, the stomach, and so forth. *© Translation Ian Bent, 2019 |
Footnotes1 There are two parallel sets of pages pp. 161‒166. The second ("parallel") set is located in file 1/10 between pp. 168 and 169, so have been designated here as {161} par to {166} par. None of the entries in the first set, pp. 161‒166, is dated. 2 This is a continuation of the material on pp. 149‒50, August [10]: "Auch ein diätätischer Gesichtspunkt" ("Another Dietary Point of View"). |