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Ser. A, {173} b

[The following two paragraphs are undated, and may belong to October.]

[heavily revised; only final reading given here:] Tugenddirne ‒ Ein Mädchen, das wucherisch Vorteile eintreibt, unter dem Titel eines gewißen Lohnes für seine Unberührtheit oder[,] einfacher gesagt, sich seine Tugend einfach ‒ bezahlen läßt!

*[An entry between these two paragraphs, in Jeanette Kornfeld's hand, relates to November 12, 1911 and is placed under that date.]

Rechte Treue ist eine unlösbare Treue; der Liebe, der Erkenntnis, des Glaubens u. des eisernen Willens. ‒ Auf diesen Ecksteinen ruht euer Haus u. lebt euer Friede. Nehmt von ihnen nur einen fort u. die Pfeiler wanken u. die Trümmer begraben euch. —

*[The following three-paragraph essay is undated, and may belong to October]

[In Jeanette Kornfeld's hand, heavily edited in pencil by Heinrich; final reading only given here:]

{174} Nicht zuletzt stützt sich die Existenzberechtigung der Religion darauf, daß sie den Menschen den Wahn eines gottgefälligen Lebens auch dort gestattet, wo sie nicht etwa gute Werke u. Taten, sondern blos gute u. fromme Worte leisten. Wenn man weiß, wie schwer es den Menschen bei ihrer Unbegabung fällt, eine Tat[,] zumal eine altruistische[,] in die Welt überhaupt zu setzen, so begreift man, daß ihnen jegliches Surrogat der Tat desto willkommener ist, je mehr sie damit nicht nur die anderen sondern auch sich selbst, täuschen. Der Mechanismus läuft dann, sehr einfach, wie folgt, ab: Statt mit einem Werk der Nächstenliebe findet er sich z.B. blos mit Worten des Bedauerns ab, wobei ‒ gerade darin tritt die Unbegabung zu Tage ‒ die Hervorbringung des Wortes schon allein ihm eine Leistung, eine wirkliche Leistung dünkt, die er gerade deshalb einer Tat gleich geachtet zu sehen wünscht; oder: ein Kirchenbesuch, obgleich dieser im Wesentlichen doch nur ein passiver Akt u. nur aus Worten zusammengesetzt ist, erscheint ihm, bloß weil er zur Kirche gehen muß, schon als eine wirkliche Tat, um derentwillen er weitere, irgendwie erforderlich werdende Taten sich erlassen zu können glaubt.

Alles läuft also, wie man sieht, einzig nur darauf hinaus, daß auch das leidige Wort den Menschen schon eine Anstrengung, folglich eine Leistung u. Tat bedeutet. Daher glaubt zu helfen, wer blos bedauert, glaubt zu lieben, der es blos in Worten sagt u.s.f.

Sinnig ist daher die Darstellung der Bibel, die in der Schöpfung zuerst die Tat Gottes begrüßt, um erst nach getaner Schöpfung ihm die Worte sprechen zu lassen: „Und siehe, es ist gut.“ 1 So gieng denn die Tat hier dem Wort voraus u. ähnlich mag es das Zusammenleben der ersten Menschen mit sich gebracht haben, daß angesichts der großen ringsum drohenden Gefahren, denen sie ja nur schlecht ausgerüstet gegenüber standen, die Taten, weil dringend nötig, spontaner gesetzt wurden, als später. Der Wahn u. die Lüge der Worte ist sonach getrost nur als eine traurige Blüte der späteren Epoche zu bezeichnen!

*

© Transcription Ian Bent, 2019

Ser. A, {173} b

[The following two paragraphs are undated, and may belong to October.]

[heavily revised; only final reading given here:] Virtue prostitute ‒ a girl who usuriously calls in profits, under the slogan of a certain wage for her virginity ‒ or, more simply put, allows her virtue to be bought!

*[ An entry between these two paragraphs, in Jeanette Kornfeld's hand, relates to November 12, 1911 and is placed under that date.]

True loyalty is an indissoluble loyalty ‒ of love, of understanding, of belief, and of iron will. On these cornerstones does your house rest and your peace live on. Take only one of them away, and the pillars will shake and the rubble will bury you. —

*[The following three-paragraph essay is undated, and may belong to October]

[In Jeanette Kornfeld's hand, heavily edited in pencil by Heinrich; final reading only given here:]

{174} Not least does religion base the justification for its existence on the notion that it allows men the illusion of a life pleasing to God even where it produces not good works and deeds but merely good and pious words. Once people know how hard it is for men in their ungiftedness to contribute to the world any sort of deed, especially an altruistic one, they come to understand that any substitute for the deed is all the more welcome, the more they, by means of it, deceive not only other people but even themselves. The mechanism then proceeds very simply as follows: Instead of with a work of charity he contents himself with e.g. merely words of regret, whereby ‒ it's precisely here that today's ungiftedness comes in ‒ the production of words in itself appears to him an achievement, a genuine achievement, which he for that very reason hopes to see considered equal to a deed; or: attendance at church, notwithstanding that this is in essence merely a passive act and no more than a form of words, appears to him, merely because he feels bound to go to church, a genuine deed in its own right, by virtue of which he believes he can absolve himself of further, in someway obligatory deeds.

Thus, as we see, it all comes down purely and simply to even the disagreeable word on its own representing in men's minds an effort, consequently an achievement and a deed. Accordingly, anyone who merely expresses regret believes he is helping; anyone who merely says so believes he is loving, and so forth.

It is an ingenious device on the part of the Bible in the Creation story, therefore, first to greet the deed of God, and only after that creative deed is done to have him utter the words: "And see, it is good." 1 In this way, the deed here preceded the word, and likewise the collective life of the first humans may have brought it about that in the teeth of the perilous dangers threatening all around, against which they were so very poorly equipped, deeds, because urgently needed, were enacted more instantaneously, rather than later. The illusion and falsehood of words can therefore be confidently designated nothing more than a regrettable outgrowth of the later era!

*

© Translation Ian Bent, 2019

Ser. A, {173} b

[The following two paragraphs are undated, and may belong to October.]

[heavily revised; only final reading given here:] Tugenddirne ‒ Ein Mädchen, das wucherisch Vorteile eintreibt, unter dem Titel eines gewißen Lohnes für seine Unberührtheit oder[,] einfacher gesagt, sich seine Tugend einfach ‒ bezahlen läßt!

*[An entry between these two paragraphs, in Jeanette Kornfeld's hand, relates to November 12, 1911 and is placed under that date.]

Rechte Treue ist eine unlösbare Treue; der Liebe, der Erkenntnis, des Glaubens u. des eisernen Willens. ‒ Auf diesen Ecksteinen ruht euer Haus u. lebt euer Friede. Nehmt von ihnen nur einen fort u. die Pfeiler wanken u. die Trümmer begraben euch. —

*[The following three-paragraph essay is undated, and may belong to October]

[In Jeanette Kornfeld's hand, heavily edited in pencil by Heinrich; final reading only given here:]

{174} Nicht zuletzt stützt sich die Existenzberechtigung der Religion darauf, daß sie den Menschen den Wahn eines gottgefälligen Lebens auch dort gestattet, wo sie nicht etwa gute Werke u. Taten, sondern blos gute u. fromme Worte leisten. Wenn man weiß, wie schwer es den Menschen bei ihrer Unbegabung fällt, eine Tat[,] zumal eine altruistische[,] in die Welt überhaupt zu setzen, so begreift man, daß ihnen jegliches Surrogat der Tat desto willkommener ist, je mehr sie damit nicht nur die anderen sondern auch sich selbst, täuschen. Der Mechanismus läuft dann, sehr einfach, wie folgt, ab: Statt mit einem Werk der Nächstenliebe findet er sich z.B. blos mit Worten des Bedauerns ab, wobei ‒ gerade darin tritt die Unbegabung zu Tage ‒ die Hervorbringung des Wortes schon allein ihm eine Leistung, eine wirkliche Leistung dünkt, die er gerade deshalb einer Tat gleich geachtet zu sehen wünscht; oder: ein Kirchenbesuch, obgleich dieser im Wesentlichen doch nur ein passiver Akt u. nur aus Worten zusammengesetzt ist, erscheint ihm, bloß weil er zur Kirche gehen muß, schon als eine wirkliche Tat, um derentwillen er weitere, irgendwie erforderlich werdende Taten sich erlassen zu können glaubt.

Alles läuft also, wie man sieht, einzig nur darauf hinaus, daß auch das leidige Wort den Menschen schon eine Anstrengung, folglich eine Leistung u. Tat bedeutet. Daher glaubt zu helfen, wer blos bedauert, glaubt zu lieben, der es blos in Worten sagt u.s.f.

Sinnig ist daher die Darstellung der Bibel, die in der Schöpfung zuerst die Tat Gottes begrüßt, um erst nach getaner Schöpfung ihm die Worte sprechen zu lassen: „Und siehe, es ist gut.“ 1 So gieng denn die Tat hier dem Wort voraus u. ähnlich mag es das Zusammenleben der ersten Menschen mit sich gebracht haben, daß angesichts der großen ringsum drohenden Gefahren, denen sie ja nur schlecht ausgerüstet gegenüber standen, die Taten, weil dringend nötig, spontaner gesetzt wurden, als später. Der Wahn u. die Lüge der Worte ist sonach getrost nur als eine traurige Blüte der späteren Epoche zu bezeichnen!

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© Transcription Ian Bent, 2019

Ser. A, {173} b

[The following two paragraphs are undated, and may belong to October.]

[heavily revised; only final reading given here:] Virtue prostitute ‒ a girl who usuriously calls in profits, under the slogan of a certain wage for her virginity ‒ or, more simply put, allows her virtue to be bought!

*[ An entry between these two paragraphs, in Jeanette Kornfeld's hand, relates to November 12, 1911 and is placed under that date.]

True loyalty is an indissoluble loyalty ‒ of love, of understanding, of belief, and of iron will. On these cornerstones does your house rest and your peace live on. Take only one of them away, and the pillars will shake and the rubble will bury you. —

*[The following three-paragraph essay is undated, and may belong to October]

[In Jeanette Kornfeld's hand, heavily edited in pencil by Heinrich; final reading only given here:]

{174} Not least does religion base the justification for its existence on the notion that it allows men the illusion of a life pleasing to God even where it produces not good works and deeds but merely good and pious words. Once people know how hard it is for men in their ungiftedness to contribute to the world any sort of deed, especially an altruistic one, they come to understand that any substitute for the deed is all the more welcome, the more they, by means of it, deceive not only other people but even themselves. The mechanism then proceeds very simply as follows: Instead of with a work of charity he contents himself with e.g. merely words of regret, whereby ‒ it's precisely here that today's ungiftedness comes in ‒ the production of words in itself appears to him an achievement, a genuine achievement, which he for that very reason hopes to see considered equal to a deed; or: attendance at church, notwithstanding that this is in essence merely a passive act and no more than a form of words, appears to him, merely because he feels bound to go to church, a genuine deed in its own right, by virtue of which he believes he can absolve himself of further, in someway obligatory deeds.

Thus, as we see, it all comes down purely and simply to even the disagreeable word on its own representing in men's minds an effort, consequently an achievement and a deed. Accordingly, anyone who merely expresses regret believes he is helping; anyone who merely says so believes he is loving, and so forth.

It is an ingenious device on the part of the Bible in the Creation story, therefore, first to greet the deed of God, and only after that creative deed is done to have him utter the words: "And see, it is good." 1 In this way, the deed here preceded the word, and likewise the collective life of the first humans may have brought it about that in the teeth of the perilous dangers threatening all around, against which they were so very poorly equipped, deeds, because urgently needed, were enacted more instantaneously, rather than later. The illusion and falsehood of words can therefore be confidently designated nothing more than a regrettable outgrowth of the later era!

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© Translation Ian Bent, 2019

Footnotes

1 "Und siehe, es ist gut": simplification of the recurrent refrain in the Luther Bible "Und Gott sah, dass es (or: das Licht) gut war" ("And God saw that it (or: the light) was good") in the first chapter of the Book of Genesis. Schenker had similarly paraphrased this refrain earlier in the summer in his diary for July 17, 1911: "siehe, es war gut" ("see, it was good"); and did so again in his diary for May 31, 1914: "Und siehe, es war gut" ("And see, it was good").