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27. Aug.

Nach stärkstem Gewitter, Donner, Regen, Schnee , um 7h früh kommt unerwartet ein Wolkenkehraus; schönster Sommertag, der mit aller vorausgegangener Regenunbill fast ganz auszusöhnen die Nacht hat. Wagen für die Reise bestellt.

*

Einen Spinneninvaliden (mit gequetschtem Hinterleib u. ohne Vorderbeine), den wir im Hotelgang an der Wand zum ersten mal gesehen haben, treffen wir nach mehreren Tagen in demselben bedauernswerten Zustand auf den Steinen vor dem Hotel u. freuen uns, ihn mindestens noch am Leben zu sehen. Augenblicklich macht der Aermste vergebliche Versuche eine Steinwand empor zu klimmen.

*

Zur Parsifalfrage: Ich gebe Weingartner Recht, der Parsifal für Bayreuth erhalten wissen will, u. zw. aus dem Grunde eines schuldigen Dankes der Nation. Ich gehe weiter u. meine, Parsifal müsse Bayreuth erhalten bleiben, damit darin mindestens ein Bruchteil der Wünsche Wagners zur Erfüllung gebracht werde, gleichviel ob diese zu Recht konzipiert worden sind oder nicht. Ist doch Bayreuth von Wagner als örtliches Correlat des Musikdramas gleichsam mitgedacht worden u. daher sollte jederman[n], der nur [den] an einen Festspielcharakter von vornherein gebundenen Begriff des Musikdramas akzeptiert, eben auch Bayreuth mit einschließen. Wenn nun auch der „Ring der [sic] Nibelungen [“] schon vom Autor selbst an die Theater vom Tage Abend preisgegeben worden, so müßte die Nation den Bruch, den Wagner gegen sich selbst begangen, nicht noch auch verstärken! Alle seine Pläne gingen fehl u. nur das Kunststückchen des Theaters ist ihm gelungen, u. zw. weil er die Eitelkeit der Menschen hiebei in Anspruch genommen. (Wie gerne gehen die Menschen ins Theater statt zu einem Kunstwerk, zumal nach Bayreuth, wo com[m]uner Eitelkeit der höchste Lohn winkt.) Wenn es auch nur gerecht wäre, bliebe es dennoch schmerzlich zu sehen, daß die Eitelkeit, an die Wagner solche Opfer gebracht hat, nicht umgekehrt die Kraft hat, nunmehr an ihn das Opfer der Erhaltung von Bay- {222} reuth zu bringen. Selbst also der eitelste Snobismus ist eine feige Ohnmacht u. nie entschlossen, irgend eine Tat zu leisten. Welche Moral nun für den Künstler! Die ewig Beschenkten wollen den Bettler- u. Schmarotzerberuf nicht aufgeben; sie zogen nach Bayreuth; nun werden sie auch die anderen Theater besetzen, nur um die Abende totzuschlagen.
Im gewissen Sinne aber ist der Schutz geistigen Eigentums überflüssig, denn davon nehmen die Bettler wahrhaftig gar nichts. Was sie vom Kunstwerk abziehen sind lediglich Zinsen. „Nehmen“ ist die Devise; „fürs Volk“ die Parole.
Richard Strauss hat sich zu eben dieser Frage sehr tapfer geäußert (s. Beilage:) u. zw. in kräftigen Spitzen gegen die ewig beanspruchenden Spießbürger. Redakteure deutscher Blätter ließen sich das natürlich nicht sagen, verwiesen ihn als Unberufenen aus dem den kunstpolitischen Gebieten, um eben nur selbst, wie sich’s versteht, desto sicherer in das Gebiet der Musik eindringen zu können.

*

© Transcription Marko Deisinger.

August 27.

After a very severe storm, thunder, rain, and snow; the clouds are unexpectedly swept away at 7 o’clock in the morning; the most beautiful summer’s day, which the night, with all of the previous inclemency, had to reconcile with. A wagon ordered for the trip.

*

We encounter an injured spider (with a squashed abdomen and without forelegs), which we first saw on the wall of the hotel entrance, several days later in the same wretched condition on the stones in front of the hotel, and we are glad to see that it is at least still alive. At that moment, the poor thing is futilely attempting to climb up a stone wall.

*

On the question of Parsifal : I think that Weingartner is right for thinking that Parsifal should be kept [on the program] at Bayreuth, and indeed on account of the gratitude that the nation owes. I would go further and say that Parsifal must be kept [on the books] in Bayreuth, so that at least a portion of Wagner’s wishes may be fulfilled, whether or not these were rightly conceived; for Wagner’s Bayreuth was conceived in a sense as the geographical correlative of music drama. Therefore, everyone who accepts that the concept of music drama is bound up at the outset with the character of the Festival, and so ought to embrace Bayreuth along with it. If, now, the Ring of the Nibelung has already been relinquished to the theaters of the day ( [that is,] of the evening) by the author himself, the nation should not also exacerbate further the breach that Wagner has created against himself! All of his plans went awry: he succeeded only with his little trick of the theater, and only because he took account of the vanity of people. (How gladly do people go to the theater, rather than to [a performance of] a work of art: all the more so to Bayreuth, where collective vanity can expect the highest reward.) Even if it were just right, it would nonetheless remain painful to see that the vanity on which Wagner conferred such a sacrifice does not conversely have the power to confer to him the sacrifice of the preservation of Bayreuth. {222} Even the vainest snobbery is cowardly impotence, and can never be determined to accomplish any sort of act. What a moral, now, for the artist! Those who are forever showered with gifts do not want to give up their profession as beggars and spongers; now they will even occupy the other theaters, merely to kill off the evenings.
In a certain sense, however, the protection of intellectual property is unnecessary, since the beggars most surely do not want to take any of that. What they extract from the artwork are merely interest payments. "Take" is the motto, "for the people" the slogan.
Richard Strauss has expressed himself valiantly on this very matter (see the supplement), and in fact with powerful lances aimed at the ever more taxing philistines. Editors of German newspapers of course dared not say so, but rebuked him as an unbidden voice from the realms of artistic politics, merely so that they themselves, it goes without saying, could infiltrate the realm of music all the more securely.

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© Translation William Drabkin.

27. Aug.

Nach stärkstem Gewitter, Donner, Regen, Schnee , um 7h früh kommt unerwartet ein Wolkenkehraus; schönster Sommertag, der mit aller vorausgegangener Regenunbill fast ganz auszusöhnen die Nacht hat. Wagen für die Reise bestellt.

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Einen Spinneninvaliden (mit gequetschtem Hinterleib u. ohne Vorderbeine), den wir im Hotelgang an der Wand zum ersten mal gesehen haben, treffen wir nach mehreren Tagen in demselben bedauernswerten Zustand auf den Steinen vor dem Hotel u. freuen uns, ihn mindestens noch am Leben zu sehen. Augenblicklich macht der Aermste vergebliche Versuche eine Steinwand empor zu klimmen.

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Zur Parsifalfrage: Ich gebe Weingartner Recht, der Parsifal für Bayreuth erhalten wissen will, u. zw. aus dem Grunde eines schuldigen Dankes der Nation. Ich gehe weiter u. meine, Parsifal müsse Bayreuth erhalten bleiben, damit darin mindestens ein Bruchteil der Wünsche Wagners zur Erfüllung gebracht werde, gleichviel ob diese zu Recht konzipiert worden sind oder nicht. Ist doch Bayreuth von Wagner als örtliches Correlat des Musikdramas gleichsam mitgedacht worden u. daher sollte jederman[n], der nur [den] an einen Festspielcharakter von vornherein gebundenen Begriff des Musikdramas akzeptiert, eben auch Bayreuth mit einschließen. Wenn nun auch der „Ring der [sic] Nibelungen [“] schon vom Autor selbst an die Theater vom Tage Abend preisgegeben worden, so müßte die Nation den Bruch, den Wagner gegen sich selbst begangen, nicht noch auch verstärken! Alle seine Pläne gingen fehl u. nur das Kunststückchen des Theaters ist ihm gelungen, u. zw. weil er die Eitelkeit der Menschen hiebei in Anspruch genommen. (Wie gerne gehen die Menschen ins Theater statt zu einem Kunstwerk, zumal nach Bayreuth, wo com[m]uner Eitelkeit der höchste Lohn winkt.) Wenn es auch nur gerecht wäre, bliebe es dennoch schmerzlich zu sehen, daß die Eitelkeit, an die Wagner solche Opfer gebracht hat, nicht umgekehrt die Kraft hat, nunmehr an ihn das Opfer der Erhaltung von Bay- {222} reuth zu bringen. Selbst also der eitelste Snobismus ist eine feige Ohnmacht u. nie entschlossen, irgend eine Tat zu leisten. Welche Moral nun für den Künstler! Die ewig Beschenkten wollen den Bettler- u. Schmarotzerberuf nicht aufgeben; sie zogen nach Bayreuth; nun werden sie auch die anderen Theater besetzen, nur um die Abende totzuschlagen.
Im gewissen Sinne aber ist der Schutz geistigen Eigentums überflüssig, denn davon nehmen die Bettler wahrhaftig gar nichts. Was sie vom Kunstwerk abziehen sind lediglich Zinsen. „Nehmen“ ist die Devise; „fürs Volk“ die Parole.
Richard Strauss hat sich zu eben dieser Frage sehr tapfer geäußert (s. Beilage:) u. zw. in kräftigen Spitzen gegen die ewig beanspruchenden Spießbürger. Redakteure deutscher Blätter ließen sich das natürlich nicht sagen, verwiesen ihn als Unberufenen aus dem den kunstpolitischen Gebieten, um eben nur selbst, wie sich’s versteht, desto sicherer in das Gebiet der Musik eindringen zu können.

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© Transcription Marko Deisinger.

August 27.

After a very severe storm, thunder, rain, and snow; the clouds are unexpectedly swept away at 7 o’clock in the morning; the most beautiful summer’s day, which the night, with all of the previous inclemency, had to reconcile with. A wagon ordered for the trip.

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We encounter an injured spider (with a squashed abdomen and without forelegs), which we first saw on the wall of the hotel entrance, several days later in the same wretched condition on the stones in front of the hotel, and we are glad to see that it is at least still alive. At that moment, the poor thing is futilely attempting to climb up a stone wall.

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On the question of Parsifal : I think that Weingartner is right for thinking that Parsifal should be kept [on the program] at Bayreuth, and indeed on account of the gratitude that the nation owes. I would go further and say that Parsifal must be kept [on the books] in Bayreuth, so that at least a portion of Wagner’s wishes may be fulfilled, whether or not these were rightly conceived; for Wagner’s Bayreuth was conceived in a sense as the geographical correlative of music drama. Therefore, everyone who accepts that the concept of music drama is bound up at the outset with the character of the Festival, and so ought to embrace Bayreuth along with it. If, now, the Ring of the Nibelung has already been relinquished to the theaters of the day ( [that is,] of the evening) by the author himself, the nation should not also exacerbate further the breach that Wagner has created against himself! All of his plans went awry: he succeeded only with his little trick of the theater, and only because he took account of the vanity of people. (How gladly do people go to the theater, rather than to [a performance of] a work of art: all the more so to Bayreuth, where collective vanity can expect the highest reward.) Even if it were just right, it would nonetheless remain painful to see that the vanity on which Wagner conferred such a sacrifice does not conversely have the power to confer to him the sacrifice of the preservation of Bayreuth. {222} Even the vainest snobbery is cowardly impotence, and can never be determined to accomplish any sort of act. What a moral, now, for the artist! Those who are forever showered with gifts do not want to give up their profession as beggars and spongers; now they will even occupy the other theaters, merely to kill off the evenings.
In a certain sense, however, the protection of intellectual property is unnecessary, since the beggars most surely do not want to take any of that. What they extract from the artwork are merely interest payments. "Take" is the motto, "for the people" the slogan.
Richard Strauss has expressed himself valiantly on this very matter (see the supplement), and in fact with powerful lances aimed at the ever more taxing philistines. Editors of German newspapers of course dared not say so, but rebuked him as an unbidden voice from the realms of artistic politics, merely so that they themselves, it goes without saying, could infiltrate the realm of music all the more securely.

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© Translation William Drabkin.