Downloads temporarily removed for testing purposes

10. Okt. 13

Brief von Karpath im Tonfall des Beleidigten. Darauf Antwort, gelassen, dennoch aber den Abstand zwischen wahrer u. einer mit den Pflichten der Menschlichkeit sich nur allzu billig abfindenden Menschlichkeit fixierend.

*

Skizzen zum Chopin-Präludium Fism für die kleine Bibliothek.

*

Mittelmann im Caféhaus.

*

Eheproblem: Indem die gesamte Menschheit behauptet, daß das Problem der Ehe unlösbar sei, erklärt sie nur mit anderen Worten u. mit echt menschlicher, also bestialischer Perfidie dasselbe, was auch ich sage , : daß sie selbst nicht fähig ist, das Problem zu lösen. Allerdings, wenn ich sage ich, daß es nur an der Unbegabung der menschlichen Bestie liegt, so bestreitet dieses die Menschheit, weil sie sich als unbegabt durchaus nicht vorkommen will; daher wälzt sie die Schuld von sich auf das Problem ab u. erklärt lieber, dieses sei trotz ihrer offenbaren Begabung unlösbar! Dahinter steckt aber, wie man sofort erkennt, die schrecklichste aller menschlichen Lügen: die sogenannte Liebe. Im Grunde sagt nämlich schon die zuerst angeführte Behauptung soviel als doch eben , daß die Menschen nicht lieben können, aber wieder weisen sie auch diesen Vorwurf, wie den der Unbegabung von sich zurück. Auch die Liebe, deren sie eben aus Mangel an Begabung nicht fähig sind, setzen sie herunter u. erklären für Liebe nur das, wessen sie fähig sind: nämlich einer falschen Liebe aus Eitelkeit, Pose, Einbildung, mattem Geschlechtsbedürfnis, u. s. f. Den wahren Sinn der Liebe aber werden sie nie erfassen, weil er {442} einen schöpferischen Kern hat! Die Natur trug den Körper beider Geschlechter das Schöpferische implizirte auf, aber auch die Seelen können, wenn sie über die Körper hinaus Glück empfinden wollen, des schöpferischen Analogons nicht entbehren. Und als solches erweist sich die Tat, d. h. eine Pflichterfüllung, die wahre, nicht blos eingebildete Hilfe dem, bezw. der Geliebten leistet. Ohne eine solche Liebestat verliert unter Menschen sogar das Schöpferische der Natur – die Kinderzeugung – ihren hohen Wert!

*

Wenn nur die Menschen wüßten, daß sie ihrem Leben jederzeit einen Sinn zu geben in der eigenen Hand haben [–] Sinn des Lebens, falsch auch bei den Philosophen instruiert [–] ! Wie die Erde die Frucht bringt, deren Samen in ihren Schoß versenkt worden, u. wie ihr im gewissen Sinne einerlei ist, welche Frucht ihr abverlangt wird, wenn nur eine überhaupt – ebenso vermag die menschliche Seele die Frucht zu tragen, deren Samen man in sie versenkt. Meinetwegen vergleiche man sie mit einem Blumentopfe, in dem nach menschlichen Belieben diese oder jene Blume zur Entfaltung gebracht werden kann. – Man braucht also nur den Samen irgend einer Sache, d. h. mit irgend einer Beschäftigung mit irgend einer Sache zu versenken u. schon blüht es in der Seele, wenn nur der Samen ordentlich versenkt wurde, u. wenn er nicht immer wieder aus ihr gerissen wird; eine Seele ohne solchen Samen aber ist wie ein karstiges Gestein, worin kein Samen gebracht werden u. keine Blume gedeihen kann!

*

{443}

© Transcription Marko Deisinger.

October 10, 1913.

Letter from Karpath in the tone of someone who has been hurt. Reply to it: calm, nonetheless fixing upon the difference between true humanity and one that is reconciled only too cheaply with its responsibilities.

*

Sketches for Chopin's Prelude in F sharp minor for the Little Library .

*

Mittelmann in the coffee house.

*

The problem of marriage. Given that the whole of humanity insists that the problem of marriage is insoluble, it explains only in different words and with genuine human, i.e. bestial, perfidy the same thing that I say: that it is itself not capable of solving the problem. At any rate, when I say that this only lies in the incompetence of human bestiality, people dispute this because they do not at all wish to be portrayed as incompetent; thus they shift the blame from themselves onto the problem and prefer to explain that the problem is insoluble, in spite of their apparent competence! Yet behind this is hidden, as one can immediately recognize, the most terrible of all human lies: that which is called love. Essentially, the first of the statements cited above actually says that people are incapable of love; but then they also retract this objection, like that concerning their incompetence. They lower the value of love, too, of which they are likewise incapable out of lack of competence, defining love as only that of which they are competent: namely, a false love based on vanity, posturing, delusion, a dull need for sex, and so on. The real meaning of love, however, is something they will never appreciate because {442} that meaning has a creative element at its heart! Nature assigned the creative implicitness to the bodies of both sexes; but the souls, too, if they wish to feel happiness beyond their bodies, cannot dispense with the creative analog. And as such the deed, i.e. the fulfillment of a duty, proves to be the true (not merely the imagined) help to the male or female beloved. Without such an act of love, even that which in nature is creative – the procreation of children – will lose its elevated value among people!

*

If only people knew that giving a meaning to their life [–] the meaning of life, wrongly taught even by the philosophers [–] was something they always had at their own fingertips! As the earth brings forth fruit, whose seeds had been buried in its womb, and as it does not really matter in a certain sense which fruit is demanded of her, if indeed only one – likewise the human soul is capable of bearing the fruits whose seeds are planted in it. From my point of view, one may compare it to a flower pot, in which one flower or another can be brought to development, according to a person's wish. – One needs only plant the seed for any matter, that is, to be occupied with any matter, and already it will blossom in the soul, so long as the seed is planted properly in the soul and is not pulled from it time and again. A soul without such a seed is like a karstic rock, in which no seed can be introduced and no flower can thrive!

*

{443}

© Translation William Drabkin.

10. Okt. 13

Brief von Karpath im Tonfall des Beleidigten. Darauf Antwort, gelassen, dennoch aber den Abstand zwischen wahrer u. einer mit den Pflichten der Menschlichkeit sich nur allzu billig abfindenden Menschlichkeit fixierend.

*

Skizzen zum Chopin-Präludium Fism für die kleine Bibliothek.

*

Mittelmann im Caféhaus.

*

Eheproblem: Indem die gesamte Menschheit behauptet, daß das Problem der Ehe unlösbar sei, erklärt sie nur mit anderen Worten u. mit echt menschlicher, also bestialischer Perfidie dasselbe, was auch ich sage , : daß sie selbst nicht fähig ist, das Problem zu lösen. Allerdings, wenn ich sage ich, daß es nur an der Unbegabung der menschlichen Bestie liegt, so bestreitet dieses die Menschheit, weil sie sich als unbegabt durchaus nicht vorkommen will; daher wälzt sie die Schuld von sich auf das Problem ab u. erklärt lieber, dieses sei trotz ihrer offenbaren Begabung unlösbar! Dahinter steckt aber, wie man sofort erkennt, die schrecklichste aller menschlichen Lügen: die sogenannte Liebe. Im Grunde sagt nämlich schon die zuerst angeführte Behauptung soviel als doch eben , daß die Menschen nicht lieben können, aber wieder weisen sie auch diesen Vorwurf, wie den der Unbegabung von sich zurück. Auch die Liebe, deren sie eben aus Mangel an Begabung nicht fähig sind, setzen sie herunter u. erklären für Liebe nur das, wessen sie fähig sind: nämlich einer falschen Liebe aus Eitelkeit, Pose, Einbildung, mattem Geschlechtsbedürfnis, u. s. f. Den wahren Sinn der Liebe aber werden sie nie erfassen, weil er {442} einen schöpferischen Kern hat! Die Natur trug den Körper beider Geschlechter das Schöpferische implizirte auf, aber auch die Seelen können, wenn sie über die Körper hinaus Glück empfinden wollen, des schöpferischen Analogons nicht entbehren. Und als solches erweist sich die Tat, d. h. eine Pflichterfüllung, die wahre, nicht blos eingebildete Hilfe dem, bezw. der Geliebten leistet. Ohne eine solche Liebestat verliert unter Menschen sogar das Schöpferische der Natur – die Kinderzeugung – ihren hohen Wert!

*

Wenn nur die Menschen wüßten, daß sie ihrem Leben jederzeit einen Sinn zu geben in der eigenen Hand haben [–] Sinn des Lebens, falsch auch bei den Philosophen instruiert [–] ! Wie die Erde die Frucht bringt, deren Samen in ihren Schoß versenkt worden, u. wie ihr im gewissen Sinne einerlei ist, welche Frucht ihr abverlangt wird, wenn nur eine überhaupt – ebenso vermag die menschliche Seele die Frucht zu tragen, deren Samen man in sie versenkt. Meinetwegen vergleiche man sie mit einem Blumentopfe, in dem nach menschlichen Belieben diese oder jene Blume zur Entfaltung gebracht werden kann. – Man braucht also nur den Samen irgend einer Sache, d. h. mit irgend einer Beschäftigung mit irgend einer Sache zu versenken u. schon blüht es in der Seele, wenn nur der Samen ordentlich versenkt wurde, u. wenn er nicht immer wieder aus ihr gerissen wird; eine Seele ohne solchen Samen aber ist wie ein karstiges Gestein, worin kein Samen gebracht werden u. keine Blume gedeihen kann!

*

{443}

© Transcription Marko Deisinger.

October 10, 1913.

Letter from Karpath in the tone of someone who has been hurt. Reply to it: calm, nonetheless fixing upon the difference between true humanity and one that is reconciled only too cheaply with its responsibilities.

*

Sketches for Chopin's Prelude in F sharp minor for the Little Library .

*

Mittelmann in the coffee house.

*

The problem of marriage. Given that the whole of humanity insists that the problem of marriage is insoluble, it explains only in different words and with genuine human, i.e. bestial, perfidy the same thing that I say: that it is itself not capable of solving the problem. At any rate, when I say that this only lies in the incompetence of human bestiality, people dispute this because they do not at all wish to be portrayed as incompetent; thus they shift the blame from themselves onto the problem and prefer to explain that the problem is insoluble, in spite of their apparent competence! Yet behind this is hidden, as one can immediately recognize, the most terrible of all human lies: that which is called love. Essentially, the first of the statements cited above actually says that people are incapable of love; but then they also retract this objection, like that concerning their incompetence. They lower the value of love, too, of which they are likewise incapable out of lack of competence, defining love as only that of which they are competent: namely, a false love based on vanity, posturing, delusion, a dull need for sex, and so on. The real meaning of love, however, is something they will never appreciate because {442} that meaning has a creative element at its heart! Nature assigned the creative implicitness to the bodies of both sexes; but the souls, too, if they wish to feel happiness beyond their bodies, cannot dispense with the creative analog. And as such the deed, i.e. the fulfillment of a duty, proves to be the true (not merely the imagined) help to the male or female beloved. Without such an act of love, even that which in nature is creative – the procreation of children – will lose its elevated value among people!

*

If only people knew that giving a meaning to their life [–] the meaning of life, wrongly taught even by the philosophers [–] was something they always had at their own fingertips! As the earth brings forth fruit, whose seeds had been buried in its womb, and as it does not really matter in a certain sense which fruit is demanded of her, if indeed only one – likewise the human soul is capable of bearing the fruits whose seeds are planted in it. From my point of view, one may compare it to a flower pot, in which one flower or another can be brought to development, according to a person's wish. – One needs only plant the seed for any matter, that is, to be occupied with any matter, and already it will blossom in the soul, so long as the seed is planted properly in the soul and is not pulled from it time and again. A soul without such a seed is like a karstic rock, in which no seed can be introduced and no flower can thrive!

*

{443}

© Translation William Drabkin.