10. Okt. 13
„… denn die Güte hat genau so viel sichere Techniken, Listen, Schleichwege u. geniale Finten, um sich durchzusetzen, wie die Bosheit.“ Polgar: „Justiz“ v. Galsworthy (Wiener Allgemeine Zeitung 10. X. 13.) 1 *Dr. Brünauer erzählt mir, daß er in der Fabrik seinen Arbeitern Liebe zur Arbeit predigt u. dazu anrege, alles was sie machen sich zu einem Problem zu gestalten; ferner daß er darauf hinweist, daß die Fabrik dann mehr Ertrag abwerfen werde, was schließlich auch den Arbeitern in Form erhöhten Lohnes zugute kommt. Da Br. sich mir gegenüber eigens darauf beruft, daß er in dieser Weise meine Lehren auf das ihm unterstehende Institut transponire, so liegt der Mißbrauch klar zutage: Die Liebe zur Arbeit wäre dem Fabriksherrn wohl sehr willkommen, aber selbst bei gesteigerten Einnahmen würde er kaum daran denken, die Löhne seiner Arbeiter zu erhöhen, so daß alles nur darauf hinausliefe, daß der Fabriksherr nicht nur den Körper, ich meine die körperliche Leistung , seiner Arbeiter, sondern auch deren Seelen, die Liebe zur Arbeit, um billigsten Preis einstecken würde! Eine andere Frage ist es freilich, ob die Arbeiter, einmal nun im Banne des gräßlichen Schicksals, nicht doch besser täten, ihre Arbeit nun auch mit Liebe zu verrichten, als ohne diese! *
© Transcription Marko Deisinger. |
October 10, 1913
"… for goodness has just as many reliable techniques, subterfuges, devious paths, and ingenious tricks with which to assert itself as wickedness." Polgar: "Justiz" v. Galsworthy ( Wiener Allgemeine Zeitung , October 10, 1913) 1 *Dr. Brünauer tells me that he preaches to his factory workers love for their work, and that he encourages them to formulate everything that they make as a problem; moreover, that he points to the fact that the factory can then make a great profit, which will benefit his workers in the form of higher wages. Since Brünauer actually invokes, in my presence, the idea that in this way he is transposing my teaching to the institution of which he is responsible, its misuse is all too apparent. Love of one's work might be very welcome to the factor owner, but even with an increased income he would hardly think of raising the wages of his workers, so that everything merely amounts to the factory manager acquires not only the bodies (by which I mean the physical accomplishment) of his workers but also their souls, the love of work, at the cheapest price! It is of course another matter whether the workers, charmed into this dreadful fate, would not indeed do better by performing their work with love than without it! *
© Translation William Drabkin. |
10. Okt. 13
„… denn die Güte hat genau so viel sichere Techniken, Listen, Schleichwege u. geniale Finten, um sich durchzusetzen, wie die Bosheit.“ Polgar: „Justiz“ v. Galsworthy (Wiener Allgemeine Zeitung 10. X. 13.) 1 *Dr. Brünauer erzählt mir, daß er in der Fabrik seinen Arbeitern Liebe zur Arbeit predigt u. dazu anrege, alles was sie machen sich zu einem Problem zu gestalten; ferner daß er darauf hinweist, daß die Fabrik dann mehr Ertrag abwerfen werde, was schließlich auch den Arbeitern in Form erhöhten Lohnes zugute kommt. Da Br. sich mir gegenüber eigens darauf beruft, daß er in dieser Weise meine Lehren auf das ihm unterstehende Institut transponire, so liegt der Mißbrauch klar zutage: Die Liebe zur Arbeit wäre dem Fabriksherrn wohl sehr willkommen, aber selbst bei gesteigerten Einnahmen würde er kaum daran denken, die Löhne seiner Arbeiter zu erhöhen, so daß alles nur darauf hinausliefe, daß der Fabriksherr nicht nur den Körper, ich meine die körperliche Leistung , seiner Arbeiter, sondern auch deren Seelen, die Liebe zur Arbeit, um billigsten Preis einstecken würde! Eine andere Frage ist es freilich, ob die Arbeiter, einmal nun im Banne des gräßlichen Schicksals, nicht doch besser täten, ihre Arbeit nun auch mit Liebe zu verrichten, als ohne diese! *
© Transcription Marko Deisinger. |
October 10, 1913
"… for goodness has just as many reliable techniques, subterfuges, devious paths, and ingenious tricks with which to assert itself as wickedness." Polgar: "Justiz" v. Galsworthy ( Wiener Allgemeine Zeitung , October 10, 1913) 1 *Dr. Brünauer tells me that he preaches to his factory workers love for their work, and that he encourages them to formulate everything that they make as a problem; moreover, that he points to the fact that the factory can then make a great profit, which will benefit his workers in the form of higher wages. Since Brünauer actually invokes, in my presence, the idea that in this way he is transposing my teaching to the institution of which he is responsible, its misuse is all too apparent. Love of one's work might be very welcome to the factor owner, but even with an increased income he would hardly think of raising the wages of his workers, so that everything merely amounts to the factory manager acquires not only the bodies (by which I mean the physical accomplishment) of his workers but also their souls, the love of work, at the cheapest price! It is of course another matter whether the workers, charmed into this dreadful fate, would not indeed do better by performing their work with love than without it! *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 a. p. [= Alfred Polgar] , "Volksbühne," Wiener Allgemeine Zeitung, No. 10654, October 10, 1913, p. 4. John Galsworthy's play Justice was first performed at the Volksbühne on October 8; see Rudolf Weiss, "Terra incognita, Populärkultur, intellektuelle Akrobatik: Das englische Drama im Wiener Theater der Jahrhundertwende," in: Beiträge zur Rezeption der britischen und irischen Literatur des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum, ed. Norbert Bachleitner (= Internationale Forschungen zur allgemeinen und vergleichenden Literaturwissenschaft 45; Amsterdam and Atlanta: Rodopi, 2000), p. 391. |