12.
Frostwetter, 10 Grad. *Sensationeller Prozess eines vielfachen Giftmörders, Hopf , in Frankfurt, 1 der wieder zu verschiedenen Irrtümer bezüglich perverser Anlage Anlaß gibt. Ich bestreite, daß die Natur als solche den Menschen eine perverse Anlage auf den Lebensweg mitgibt; ich halte es nur für eine oberflächliche Betrachtung der Gelehrten, wenn sie bei Konstatierung perverser Erscheinungen Ursachen übersehen, die oft je einfacher, desto verborgener sind. Zum Beispiel: Ein Knabe oder Jüngling stößt auf ein ganz verdorbenes Weib u. fühlt sich durch dieses in seiner eigenen Leidenschaft gleichsam herabgesetzt; oder, was noch häufiger vorkommt der Fall sein mag: Der Mann sucht den kargen Genuß, den er gibt, bezw. empfängt zu steigern u. da er dies nicht auch durch Zuhilfenahme von psychischen Mitteln bewirken kann, wendet er die seltsamsten physischen an. Und da ereignet es sich immer wieder, daß je mehr der Mann auf falschen Wegen das Ziel zu erreichen sucht, er es umso weniger erreicht, weshalb er erst recht auf perverse Wege von neuem gedrängt wird. Es liegt also nur ein Mangel an Einsicht vor betreffs des zur echten Leidenschaft einzig führenden Weges, nicht aber, wie man glaubt, eine naturgeborene perverse Anlage vor. Und wie oft mag es überdies purer schurkischer Wucher sein, wenn der Mann um sein Geld eine ordentliche Portion Leidenschaft von der Frau zu erpressen sucht. – Warum sollte es denn auch gerade bei der wissenschaftlichen Erforschung solcher anormaler Zustände anders zugehen, als bei wissenschaftlichen, künstlerischen u. sonstigen Betätigungen der Menschen, die meistens nur Irrtümer enthalten? *{508} © Transcription Marko Deisinger. |
12.
Frosty weather. 10 degrees. *Sensational trial of the serial poisoner Hopf in Frankfurt, 1 which again gives occasion for various errors regarding perverse inclinations. I dispute that nature itself gives people perverse inclinations in their way in life; I regard it merely as a superficial reflection of scientists if, when they detect perverse manifestations, overlook causes which are often more concealed the simpler they are. For example, a boy or youth encounters a thoroughly degenerate woman, and, as a result of this, feels almost degraded in his own passion; or, as may more often be the case, a man seeks to increase the meager pleasure that he gives, or receives, and since he cannot achieve these with the aid of psychical means, he adopts the strangest physical ones. And here it happens time and again that, the more the man seeks to achieve his goal along false paths, the less he achieves it, for which reason – more than ever – he is pushed anew along perverse paths. Thus, it is only insight that is lacking with respect to the only path that will lead to genuine passion, but not, as one believes, an innately perverse disposition. And how often might it, moreover, be pure roguish usury when the man seeks to extract a generous helping of passion from the woman for the money he gives her. – Why, then, should things go otherwise, precisely in scientific research of such abnormal conditions, compared to scientific, artistic and other activities of people, which for the most part contain only errors? *{508} © Translation William Drabkin. |
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Frostwetter, 10 Grad. *Sensationeller Prozess eines vielfachen Giftmörders, Hopf , in Frankfurt, 1 der wieder zu verschiedenen Irrtümer bezüglich perverser Anlage Anlaß gibt. Ich bestreite, daß die Natur als solche den Menschen eine perverse Anlage auf den Lebensweg mitgibt; ich halte es nur für eine oberflächliche Betrachtung der Gelehrten, wenn sie bei Konstatierung perverser Erscheinungen Ursachen übersehen, die oft je einfacher, desto verborgener sind. Zum Beispiel: Ein Knabe oder Jüngling stößt auf ein ganz verdorbenes Weib u. fühlt sich durch dieses in seiner eigenen Leidenschaft gleichsam herabgesetzt; oder, was noch häufiger vorkommt der Fall sein mag: Der Mann sucht den kargen Genuß, den er gibt, bezw. empfängt zu steigern u. da er dies nicht auch durch Zuhilfenahme von psychischen Mitteln bewirken kann, wendet er die seltsamsten physischen an. Und da ereignet es sich immer wieder, daß je mehr der Mann auf falschen Wegen das Ziel zu erreichen sucht, er es umso weniger erreicht, weshalb er erst recht auf perverse Wege von neuem gedrängt wird. Es liegt also nur ein Mangel an Einsicht vor betreffs des zur echten Leidenschaft einzig führenden Weges, nicht aber, wie man glaubt, eine naturgeborene perverse Anlage vor. Und wie oft mag es überdies purer schurkischer Wucher sein, wenn der Mann um sein Geld eine ordentliche Portion Leidenschaft von der Frau zu erpressen sucht. – Warum sollte es denn auch gerade bei der wissenschaftlichen Erforschung solcher anormaler Zustände anders zugehen, als bei wissenschaftlichen, künstlerischen u. sonstigen Betätigungen der Menschen, die meistens nur Irrtümer enthalten? *{508} © Transcription Marko Deisinger. |
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Frosty weather. 10 degrees. *Sensational trial of the serial poisoner Hopf in Frankfurt, 1 which again gives occasion for various errors regarding perverse inclinations. I dispute that nature itself gives people perverse inclinations in their way in life; I regard it merely as a superficial reflection of scientists if, when they detect perverse manifestations, overlook causes which are often more concealed the simpler they are. For example, a boy or youth encounters a thoroughly degenerate woman, and, as a result of this, feels almost degraded in his own passion; or, as may more often be the case, a man seeks to increase the meager pleasure that he gives, or receives, and since he cannot achieve these with the aid of psychical means, he adopts the strangest physical ones. And here it happens time and again that, the more the man seeks to achieve his goal along false paths, the less he achieves it, for which reason – more than ever – he is pushed anew along perverse paths. Thus, it is only insight that is lacking with respect to the only path that will lead to genuine passion, but not, as one believes, an innately perverse disposition. And how often might it, moreover, be pure roguish usury when the man seeks to extract a generous helping of passion from the woman for the money he gives her. – Why, then, should things go otherwise, precisely in scientific research of such abnormal conditions, compared to scientific, artistic and other activities of people, which for the most part contain only errors? *{508} © Translation William Drabkin. |
Footnotes1 See "Aus dem Gerichtssaale. Der Giftmörder Hopf vor dem Schwurgericht," Neue freie Presse, No. 17738, January 12, 1914, afternoon edition, p. 10. |