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16. IX. 14

Die Religion wird von den Armen erfunden (vom Genie, das aus der Reihe der Armen heraustritt); der Reiche aber hat niemals eine Religion. Der volle Genuß der Welt schafft in ihm eine Ueberhebung, aus der heraus er sich selbst für einen Gott hält, folglich keinen zweiten neben sich mehr duldet. Nur Erst [recte erst] dort, wo der Reiche sich mit Wundern, wie z. B. mit der Königs- oder Kaiserkronen berührt, erst dort wird im Herzen des Reichen Platz auch für den noch Höchststehenden Höher-Stehenden. Die Millionen der übrigen Reichen von Durchschnittsmenschen aber eignen sich, wie ich schon einmal sagte, die Religion blos äußerlich an, u. zwar nur um deren Schutz zu genießen.

*

{711} Würde Geist außen getragen werden können wie ein Kleid, so würde der deutsche Geist die erste Mode der Welt werden; da aber nur die Phrasen außen (auf den Lippen u. auf dem Körper) getragen werden, so haben begreiflicherweise die Fr französischen den Sieg bislang davongetragen.

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„Hohe“ Damen in München sprechen französisch u. erklären, selbst im Augenblick, wo ihnen ein Vorwurf darüber gemacht wird, eben diese Sprache als ihre Umgangssprache. Wie müssen sich da nun aber erst die Franzosen vorkommen, wenn deutsche Frauen ihren Umgang auf französisch [sic] ausdrücken. Man darf aber getrost sagen, daß es nur die Banalität des Umgangs ist, die die fremde Sprache herbeiruft. Gewissermaßen wird, um im früheren Bilde zu bleiben, eine die fremde Sprache auch hier nur blos außen getragen.

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Was wir jetzt erleben, ist eine Fürsorge für arbeitslose – Millionäre.

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© Transcription Marko Deisinger.

September 16, 1914.

Religion is invented by the poor (by the genius who appears from among the ranks of the poor); the rich man, however, never has a religion. The complete enjoyment of the world creates in him an arrogance out of which he takes himself to be a god, and consequently can no longer tolerate a second one beside him. Not until the rich man comes into contact with miracles, for example, with the crown of a king or emperor's crown, only then will there be space in the heart of the rich man for even something of higher standing. But, as I have said before, the millions of other rich men merely appropriate religion superficially, and indeed only to enjoy the protection it offers.

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{711} If intellect could be worn externally, like a dress, then German intellect would be the foremost fashion of the world; but since only the phrases are worn externally (on the lips, and on the body), the French have understandably been victorious up to now.

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"High" society ladies in Munich speak French and – even in the moment in which they are criticized for it – explain this very language as their language of conversation. But how must the French feel if German women are expressing their social interaction in French? One can confidently say, however, that it is only the banality of social interaction that calls upon the foreign language. To a certain extent, the foreign language – to retain the previous image – will merely be worn externally here, too.

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What we are now experiencing is welfare for unemployed – millionaires.

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© Translation William Drabkin.

16. IX. 14

Die Religion wird von den Armen erfunden (vom Genie, das aus der Reihe der Armen heraustritt); der Reiche aber hat niemals eine Religion. Der volle Genuß der Welt schafft in ihm eine Ueberhebung, aus der heraus er sich selbst für einen Gott hält, folglich keinen zweiten neben sich mehr duldet. Nur Erst [recte erst] dort, wo der Reiche sich mit Wundern, wie z. B. mit der Königs- oder Kaiserkronen berührt, erst dort wird im Herzen des Reichen Platz auch für den noch Höchststehenden Höher-Stehenden. Die Millionen der übrigen Reichen von Durchschnittsmenschen aber eignen sich, wie ich schon einmal sagte, die Religion blos äußerlich an, u. zwar nur um deren Schutz zu genießen.

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{711} Würde Geist außen getragen werden können wie ein Kleid, so würde der deutsche Geist die erste Mode der Welt werden; da aber nur die Phrasen außen (auf den Lippen u. auf dem Körper) getragen werden, so haben begreiflicherweise die Fr französischen den Sieg bislang davongetragen.

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„Hohe“ Damen in München sprechen französisch u. erklären, selbst im Augenblick, wo ihnen ein Vorwurf darüber gemacht wird, eben diese Sprache als ihre Umgangssprache. Wie müssen sich da nun aber erst die Franzosen vorkommen, wenn deutsche Frauen ihren Umgang auf französisch [sic] ausdrücken. Man darf aber getrost sagen, daß es nur die Banalität des Umgangs ist, die die fremde Sprache herbeiruft. Gewissermaßen wird, um im früheren Bilde zu bleiben, eine die fremde Sprache auch hier nur blos außen getragen.

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Was wir jetzt erleben, ist eine Fürsorge für arbeitslose – Millionäre.

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© Transcription Marko Deisinger.

September 16, 1914.

Religion is invented by the poor (by the genius who appears from among the ranks of the poor); the rich man, however, never has a religion. The complete enjoyment of the world creates in him an arrogance out of which he takes himself to be a god, and consequently can no longer tolerate a second one beside him. Not until the rich man comes into contact with miracles, for example, with the crown of a king or emperor's crown, only then will there be space in the heart of the rich man for even something of higher standing. But, as I have said before, the millions of other rich men merely appropriate religion superficially, and indeed only to enjoy the protection it offers.

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{711} If intellect could be worn externally, like a dress, then German intellect would be the foremost fashion of the world; but since only the phrases are worn externally (on the lips, and on the body), the French have understandably been victorious up to now.

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"High" society ladies in Munich speak French and – even in the moment in which they are criticized for it – explain this very language as their language of conversation. But how must the French feel if German women are expressing their social interaction in French? One can confidently say, however, that it is only the banality of social interaction that calls upon the foreign language. To a certain extent, the foreign language – to retain the previous image – will merely be worn externally here, too.

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What we are now experiencing is welfare for unemployed – millionaires.

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© Translation William Drabkin.