2. X. 14
Längere Unterredung mit Brünauer. Seine ganze Haltung verriet, daß er am liebsten die Stunden abgesagt hätte, wofür er tausendfache Gründe in Bereitschaft hielt. Seine Unfähigkeit aber zu sprechen u. zu denken gab mir die gute Gelegenheit, mit all’ den Urteilen zuvorzukommen, die ich für die zu erwartenden Ausreden ebenso bereit hatte, so daß er unter dem Eindruck meines vernichtenden Feuers nicht gut die zerschossenen Ausreden ausspielen konnte. Schließlich scheint er sich blos auf eine zurückgezogen zu haben, nämlich daß der Aufenthalt seiner Familie in Tutzing ihm die Pflicht öfter Besuche nahelegen werde. Da ich nun auch über diesen Punkt Beruhigung schaffte, blieb ihm nichts übrig, als gleichsam unverrichteter Dinge abzuziehen. Nichtsdestoweniger muß ich vVorsichtig sowohl bezüglich seiner Gesinnung als auch seiner Praxis beobachten. Die größte Rolle spielte die Frage der Panik, von der absurderweise die Reichen heimgesucht sind. Sie, die Reichen sind es, die, um von Auflagen u. Aufgaben verschont zu bleiben, zuerst die Miene einer zu befürchtenden Armut tragen, alle wirtschaftlichen Kräfte, soweit sie von ihnen ausgegangen sind, suspendieren u. den Rückzug in eine vollständige Neutralität vollziehen. Sie überlegen nicht, daß sie durch Lahmlegung von wirtschaftlichen Kräften schließlich Schaden sich selbst zufügen, denn vor Allem ist es ihnen doch darum zu tun, den Rang innerhalb der Klasse der Wohlhabenden zu bewahren. Wüßten sie, daß auch der nächste Wohlhabende sich ähnlich eines Teils seines Vermögens entledig ten würde, so brächten sie das Opfer an die Allgemeinheit; aber nur darum ist es ihnen zu tun, sich von dem nächsten Reichen nicht überrumpeln zu lassen, der möglicherweise zum Opfer sich nicht entschließt, kurz, die Schwäre des Staates bildet der Reiche, ob im Frieden oder wie im Kriege. *
© Transcription Marko Deisinger. |
October 2, 1914.
Lengthy conversation with Brünauer. His entire manner revealed that he would have most preferred to have cancelled his lessons, for which he was prepared to give thousands of reasons. His inability, however, to speak or think gave me a good opportunity to present all those judgments which I likewise had at the ready for the excuses I was expecting, so that, from the effect of my destructive fire, he was unable to play out the excuses which had been shot to pieces. In the end, he seems to have withdrawn to only to one of these, namely that the residence of his family in Tutzing meant that he would be obliged to visit rather frequently. As I now gave him reassurance with respect to this point as well, nothing more remained for him than to withdraw without really achieving anything. No less must I take precaution both with respect to his intention and also to his action. The greatest role was played by the matter of panic, by which the rich are absurdly plagued. They – the rich – are the ones who, in order to remain spared of restrictions and requirements, initially pretend that they might become poor, suspend all financial powers insofar as they emanate from them, and complete their retreat in total neutrality. They do not consider that, by immobilizing their commercial powers, they ultimately cause damage to themselves; for above all it is incumbent upon them to preserve their rank among the class of well-to-do people. If they knew that the next well-to-do person, too, would similarly dispose of a part of his assets, then they would make a sacrifice for the general good; but their only concern is not to be caught out by the next rich person, who might possibly decide not to make a sacrifice. In short, the rich man forms the nation's ulcer, in time of peace and war alike. *
© Translation William Drabkin. |
2. X. 14
Längere Unterredung mit Brünauer. Seine ganze Haltung verriet, daß er am liebsten die Stunden abgesagt hätte, wofür er tausendfache Gründe in Bereitschaft hielt. Seine Unfähigkeit aber zu sprechen u. zu denken gab mir die gute Gelegenheit, mit all’ den Urteilen zuvorzukommen, die ich für die zu erwartenden Ausreden ebenso bereit hatte, so daß er unter dem Eindruck meines vernichtenden Feuers nicht gut die zerschossenen Ausreden ausspielen konnte. Schließlich scheint er sich blos auf eine zurückgezogen zu haben, nämlich daß der Aufenthalt seiner Familie in Tutzing ihm die Pflicht öfter Besuche nahelegen werde. Da ich nun auch über diesen Punkt Beruhigung schaffte, blieb ihm nichts übrig, als gleichsam unverrichteter Dinge abzuziehen. Nichtsdestoweniger muß ich vVorsichtig sowohl bezüglich seiner Gesinnung als auch seiner Praxis beobachten. Die größte Rolle spielte die Frage der Panik, von der absurderweise die Reichen heimgesucht sind. Sie, die Reichen sind es, die, um von Auflagen u. Aufgaben verschont zu bleiben, zuerst die Miene einer zu befürchtenden Armut tragen, alle wirtschaftlichen Kräfte, soweit sie von ihnen ausgegangen sind, suspendieren u. den Rückzug in eine vollständige Neutralität vollziehen. Sie überlegen nicht, daß sie durch Lahmlegung von wirtschaftlichen Kräften schließlich Schaden sich selbst zufügen, denn vor Allem ist es ihnen doch darum zu tun, den Rang innerhalb der Klasse der Wohlhabenden zu bewahren. Wüßten sie, daß auch der nächste Wohlhabende sich ähnlich eines Teils seines Vermögens entledig ten würde, so brächten sie das Opfer an die Allgemeinheit; aber nur darum ist es ihnen zu tun, sich von dem nächsten Reichen nicht überrumpeln zu lassen, der möglicherweise zum Opfer sich nicht entschließt, kurz, die Schwäre des Staates bildet der Reiche, ob im Frieden oder wie im Kriege. *
© Transcription Marko Deisinger. |
October 2, 1914.
Lengthy conversation with Brünauer. His entire manner revealed that he would have most preferred to have cancelled his lessons, for which he was prepared to give thousands of reasons. His inability, however, to speak or think gave me a good opportunity to present all those judgments which I likewise had at the ready for the excuses I was expecting, so that, from the effect of my destructive fire, he was unable to play out the excuses which had been shot to pieces. In the end, he seems to have withdrawn to only to one of these, namely that the residence of his family in Tutzing meant that he would be obliged to visit rather frequently. As I now gave him reassurance with respect to this point as well, nothing more remained for him than to withdraw without really achieving anything. No less must I take precaution both with respect to his intention and also to his action. The greatest role was played by the matter of panic, by which the rich are absurdly plagued. They – the rich – are the ones who, in order to remain spared of restrictions and requirements, initially pretend that they might become poor, suspend all financial powers insofar as they emanate from them, and complete their retreat in total neutrality. They do not consider that, by immobilizing their commercial powers, they ultimately cause damage to themselves; for above all it is incumbent upon them to preserve their rank among the class of well-to-do people. If they knew that the next well-to-do person, too, would similarly dispose of a part of his assets, then they would make a sacrifice for the general good; but their only concern is not to be caught out by the next rich person, who might possibly decide not to make a sacrifice. In short, the rich man forms the nation's ulcer, in time of peace and war alike. *
© Translation William Drabkin. |