7.
Siege in Russisch-Polen u. Galizien. 1 Das Manifest des Erzherzogs Friedrich scheint nun wirklich in volle Tat umgewandelt zu werden. 2 Die deutschen Truppen sind nun nördlich von Lublin vorgerückt, also schon weiter gekommen, als Dankl’s Armee s. Z. vor Wochen gestanden. Jedenfalls geben die ersten Erfolge der Offensive neue Hoffnung auf folgende Siege. *Erster Schnee – aber mehr Intermezzo-artig! — Nachmittags Dr. Landau im Caféhaus, dem ich zunächst das Mißverständnis aus de sm vorigen Jahres erkläre u. bei dieser Gelegenheit auch die gegenwärtigen Erfolge meiner Arbeiten darstelle. Dies erwieß [sic] sich deshalb notwendig, weil er einem unzweifelhaften Aristokratismus, der ihn schon als Gymnasialschüler auszeichnete, gewissermaßen auch bis heute treu geblieben, trotz bei solchem Aristokratismus aber sehr wohl auch irdische Güter zu erwerben u. zu sammeln verstand. Er scheint auf Würde stets gehalten zu haben, wußte aber dennoch reich zu heiraten, Liegenschaften, Wälder u. Villen anzukaufen, das Bürgermeisteramt einer größeren Stadt zu erlangen u. seinem älteren Sohne eine gute Erziehung zu geben lassen. Gerade solche Naturen pflegen aber leicht ihre Erfolge zu überschätzen u. die minder offenbaren Anderer zu unterschätzen. Dies hängt aber nicht blos mit dem Selbstbewußtsein u. der allgemeinen Eitelkeit zusammen, sondern gründet sich darüber hinaus weit mehr auf das unzerstörbare Gefühl eigenen unbestreitbaren Aristokratismus. Mit anderen Worten: Wer bei aristokratischer Gesinnung Güter zu erwerben vermochte, verdächtigt leicht einen anderen Aristokraten, wenn er noch zu keinem Gut gelangt ist. Daß Aristokratismus kein Hindernis des Erwerbes ist, weiß er von sich selbst u. versteht durchaus nicht den anderen Fall, in dem der Aristokratismus materiell versagt. Im letzten Grunde kommt das aber {737} daher, weil der Aristokratismus nicht immer auch die Erkenntnis anderer Verhältnisse mit sich führt. So z. B. ist Dr. Landau auf dem Gebiete jener geistigen Waren, die ich selbst produziere, völlig unorientiert, so daß er wegen der Unkenntnis sogar entschuldigt werden muß, wenn er von seiner Tätigkeit fehlerhafte Schlüsse auf die meine zieht. Indessen – u. das ist ja das Gute jedes Aristokratismus – ist nichts leichter, als bei einem Menschen dieser Art die Wahrheit an den Tag zu bringen: es brauchen die ihm unbekannt gebliebenen Verhältnisse ihm nur eben einmal erst gesagt zu werden, dann ist er auch willig genug das einzusehen, was er früher nicht begreifen konnte u. auch den Fehler gutzumachen, den er früher begieng. Bevor er die Erklärung von mir empfangen war es belustigend zu hören, wie auch in seiner Vorstellung der Erfolg sich nur als etwas weithin Sichtbares, in-die-Augen-Springendes ausmalte. Er drückte das ungefähr mit den Worten aus, daß für Laien etwas wie ein „Siegel“ notwendig sei, damit sie an den einen Erfolg glauben. Eine alte Tragödie ist es eben, daß je weniger der Mensch vorstellt, er destomehr „Siegel“ sich beilegt u. umgekehrt den wertvolleren Menschen verkennt, der, weil in sich wertvoller, des Siegels nicht bedarf. Es zweifeln ja immer gerade die wertlosen Menschen an der Überlegenheit am Wert des wertvollen u. nur sich selbst kommen die wWertlosen wertvoll vor! *An die Steuerbehörde die eingeforderte größere Summe erlegt. *Aeußerst liebenswürdiger Brief von Direktor Hora 3 an Lie-Liechen mit Angaben von Erichs Adresse. *
© Transcription Marko Deisinger. |
7.
Victories in Russian Poland and Galicia. 1 Archduke Friedrich's manifesto seems now to have been thoroughly transformed. 2 The German troops have now pressed forward north of Lublin; thus they have gotten further than Dankl's army had weeks ago. In any event, the first successes of the offenses give renewed hope of victories to come. *First snow – but more in the manner of an intermezzo! — In the afternoon, at the coffee house with Landau, for whom I first clear up the misunderstanding from the previous year and, on this occasion, also present the current success of my works. This proved necessary, as an indisputable aristocratism which had already distinguished him as a high school student has to a certain extent remained with him to this day, and with such aristocratism he was still very able of acquiring and collecting also earthly goods. He seems to have remained always in possession of dignity, yet was able to marry wealthily and purchase property, forests and villas, gain the post of mayor of a rather large town, and give his elder son a good education. But just such types can easily overvalue their successes and undervalue those of others that are less obvious. This is not merely connected with self-consciousness and general vanity but, in addition, is based much more on the indestructible feeling of one's own unquestionable aristocratism. In other words, anyone who is able to acquire goods with an aristocratic disposition is liable to be suspicious of another aristocrat who has not yet acquired any goods. He knows from within himself that aristocratism is no obstacle to acquisition and has no idea of the other case, in which aristocratism rejects materialism. Ultimately, however, {737} this comes about because aristocratism does not always embrace the recognition of other relationships. Thus, for example, Dr. Landau is in no way orientated to those intellectual wares which I myself produce, so that he actually must be excused for his ignorance if, on the basis of his activities, he draws mistaken conclusions about mine. However – and this is indeed what is good about every aristocratism – nothing is easier than to enlighten a person with such qualities about the truth: he needs merely to be told about the relationships that remain unknown to him, and then he will be sufficiently willing to recognize that which was previously unable to comprehend and to correct the mistake that he had previously made. Before he received the explanation from me, it was amusing to hear how success, as he understood it, was portrayed only as something that was clearly visible, obvious to the eye. He expressed this roughly by saying that, for laymen, something like a "seal" is necessary in order for them to believe in a success. It is an old tragedy, in fact, that the less a person can conceive the more "seals" he affixes; and conversely, he does not recognize the more valuable person who, being intrinsically more valuable, does not need a seal of approval. It is always only the worthless people who doubt the worth of the worthy, and only to themselves do the worthless appear to be worthy! *To the tax authorities, the requested, greater sum paid. *Extremely gracious letter from Director Hora 3 to Lie-Liechen, with details of Erich's address. *
© Translation William Drabkin. |
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Siege in Russisch-Polen u. Galizien. 1 Das Manifest des Erzherzogs Friedrich scheint nun wirklich in volle Tat umgewandelt zu werden. 2 Die deutschen Truppen sind nun nördlich von Lublin vorgerückt, also schon weiter gekommen, als Dankl’s Armee s. Z. vor Wochen gestanden. Jedenfalls geben die ersten Erfolge der Offensive neue Hoffnung auf folgende Siege. *Erster Schnee – aber mehr Intermezzo-artig! — Nachmittags Dr. Landau im Caféhaus, dem ich zunächst das Mißverständnis aus de sm vorigen Jahres erkläre u. bei dieser Gelegenheit auch die gegenwärtigen Erfolge meiner Arbeiten darstelle. Dies erwieß [sic] sich deshalb notwendig, weil er einem unzweifelhaften Aristokratismus, der ihn schon als Gymnasialschüler auszeichnete, gewissermaßen auch bis heute treu geblieben, trotz bei solchem Aristokratismus aber sehr wohl auch irdische Güter zu erwerben u. zu sammeln verstand. Er scheint auf Würde stets gehalten zu haben, wußte aber dennoch reich zu heiraten, Liegenschaften, Wälder u. Villen anzukaufen, das Bürgermeisteramt einer größeren Stadt zu erlangen u. seinem älteren Sohne eine gute Erziehung zu geben lassen. Gerade solche Naturen pflegen aber leicht ihre Erfolge zu überschätzen u. die minder offenbaren Anderer zu unterschätzen. Dies hängt aber nicht blos mit dem Selbstbewußtsein u. der allgemeinen Eitelkeit zusammen, sondern gründet sich darüber hinaus weit mehr auf das unzerstörbare Gefühl eigenen unbestreitbaren Aristokratismus. Mit anderen Worten: Wer bei aristokratischer Gesinnung Güter zu erwerben vermochte, verdächtigt leicht einen anderen Aristokraten, wenn er noch zu keinem Gut gelangt ist. Daß Aristokratismus kein Hindernis des Erwerbes ist, weiß er von sich selbst u. versteht durchaus nicht den anderen Fall, in dem der Aristokratismus materiell versagt. Im letzten Grunde kommt das aber {737} daher, weil der Aristokratismus nicht immer auch die Erkenntnis anderer Verhältnisse mit sich führt. So z. B. ist Dr. Landau auf dem Gebiete jener geistigen Waren, die ich selbst produziere, völlig unorientiert, so daß er wegen der Unkenntnis sogar entschuldigt werden muß, wenn er von seiner Tätigkeit fehlerhafte Schlüsse auf die meine zieht. Indessen – u. das ist ja das Gute jedes Aristokratismus – ist nichts leichter, als bei einem Menschen dieser Art die Wahrheit an den Tag zu bringen: es brauchen die ihm unbekannt gebliebenen Verhältnisse ihm nur eben einmal erst gesagt zu werden, dann ist er auch willig genug das einzusehen, was er früher nicht begreifen konnte u. auch den Fehler gutzumachen, den er früher begieng. Bevor er die Erklärung von mir empfangen war es belustigend zu hören, wie auch in seiner Vorstellung der Erfolg sich nur als etwas weithin Sichtbares, in-die-Augen-Springendes ausmalte. Er drückte das ungefähr mit den Worten aus, daß für Laien etwas wie ein „Siegel“ notwendig sei, damit sie an den einen Erfolg glauben. Eine alte Tragödie ist es eben, daß je weniger der Mensch vorstellt, er destomehr „Siegel“ sich beilegt u. umgekehrt den wertvolleren Menschen verkennt, der, weil in sich wertvoller, des Siegels nicht bedarf. Es zweifeln ja immer gerade die wertlosen Menschen an der Überlegenheit am Wert des wertvollen u. nur sich selbst kommen die wWertlosen wertvoll vor! *An die Steuerbehörde die eingeforderte größere Summe erlegt. *Aeußerst liebenswürdiger Brief von Direktor Hora 3 an Lie-Liechen mit Angaben von Erichs Adresse. *
© Transcription Marko Deisinger. |
7.
Victories in Russian Poland and Galicia. 1 Archduke Friedrich's manifesto seems now to have been thoroughly transformed. 2 The German troops have now pressed forward north of Lublin; thus they have gotten further than Dankl's army had weeks ago. In any event, the first successes of the offenses give renewed hope of victories to come. *First snow – but more in the manner of an intermezzo! — In the afternoon, at the coffee house with Landau, for whom I first clear up the misunderstanding from the previous year and, on this occasion, also present the current success of my works. This proved necessary, as an indisputable aristocratism which had already distinguished him as a high school student has to a certain extent remained with him to this day, and with such aristocratism he was still very able of acquiring and collecting also earthly goods. He seems to have remained always in possession of dignity, yet was able to marry wealthily and purchase property, forests and villas, gain the post of mayor of a rather large town, and give his elder son a good education. But just such types can easily overvalue their successes and undervalue those of others that are less obvious. This is not merely connected with self-consciousness and general vanity but, in addition, is based much more on the indestructible feeling of one's own unquestionable aristocratism. In other words, anyone who is able to acquire goods with an aristocratic disposition is liable to be suspicious of another aristocrat who has not yet acquired any goods. He knows from within himself that aristocratism is no obstacle to acquisition and has no idea of the other case, in which aristocratism rejects materialism. Ultimately, however, {737} this comes about because aristocratism does not always embrace the recognition of other relationships. Thus, for example, Dr. Landau is in no way orientated to those intellectual wares which I myself produce, so that he actually must be excused for his ignorance if, on the basis of his activities, he draws mistaken conclusions about mine. However – and this is indeed what is good about every aristocratism – nothing is easier than to enlighten a person with such qualities about the truth: he needs merely to be told about the relationships that remain unknown to him, and then he will be sufficiently willing to recognize that which was previously unable to comprehend and to correct the mistake that he had previously made. Before he received the explanation from me, it was amusing to hear how success, as he understood it, was portrayed only as something that was clearly visible, obvious to the eye. He expressed this roughly by saying that, for laymen, something like a "seal" is necessary in order for them to believe in a success. It is an old tragedy, in fact, that the less a person can conceive the more "seals" he affixes; and conversely, he does not recognize the more valuable person who, being intrinsically more valuable, does not need a seal of approval. It is always only the worthless people who doubt the worth of the worthy, and only to themselves do the worthless appear to be worthy! *To the tax authorities, the requested, greater sum paid. *Extremely gracious letter from Director Hora 3 to Lie-Liechen, with details of Erich's address. *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Erfolge der verbündeten Armeen auf dem nördlichen Kriegsschauplatze," Neue Freie Presse, No. 18003, October 7, 1914, morning edition, p. 1. 2 See Schenker's diary entry of September 30, 1914, and the article "Ein wichtiger Armeebefehl unseres Armeeoberkommandos. Günstige Lage der verbündeten Armeen, die russische Offensive in Galizien im Begriffe zusammenzubrechen, Erlahmen des serbischen Widerstandes, Einigkeit und starke Zuversicht in der Monarchie und im Deutschen Reiche," Neue Freie Presse, No. 17996, September 30, 1914, evening edition, p. 1. 3 Possibly Julius Hora, retired Chief Inspector of the royal-imperial Northern Railway. Hora was also a member of the Society of the Friends of Music in Vienna. See Geschichte der k. k. Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Vienna: Adolf Holzhausen, 1912), p. 278. |