9.
Abfertigung des Schneiders mit Geldsendung u. Karte. — Die Bedienerin besorgt sich endlich zunächst einen ¼ Zentner Kohle. *In den Blättern tauchen Stimmen auf aus Frankreich u. Rußland, die es ausdrücklich aussprechen, wie sehr ihre Staaten eigentlich nur für England Vorspanndienste leisten. Nun sollte man glauben, daß von solcher Erkenntnis bis zur Lossagung vom Tyrannen nur ein Schritt sei u. doch hindert diesen letzten Schritt auszuführen einzig u. allein die Eitelkeit. Wäre Frankreich von jeder Eitelkeit frei, so könnte es ohneweiter ses Deutschland die Hand reichen u. nun ginge es mit vereinten Kräften wider den Wucher der Welt. Eitelkeit ist auch ein Betrug. Denn letzten Endes geht der eitle Mensch darauf aus, mittels der Eitelkeit einen Vorteil zu erreichen, der logischer[-] u. organischerweise Lohn u. Resultat einer bestimmten Tätigkeit ist. Z. B.: Wenn ein Musiker die Anstrengung des Erwerbes von reellen Kenntnissen meidet, gleichwohl aber die Vorteile, die einem wirklich ausgebildeten Musiker immerhin zuströmen[,] genießen will, dann nimmt er eben die Eitelkeit zuhilfe u. führt mit ihr zunächst den Betrug an sich selbst aus, um {802} ihn dann auch an den anderen zu üben. Er setzt einfach für das Selbstbewußtsein, das den Lohn erworbener Kenntnisse ausmacht, seine Eitelkeit u. ersetzt sich die Mühe der Erwerbung. Die Eitelkeit schminkt so gleichsam den Menschen eine Farbe, die ihr Körper in Wahrheit nicht hat. In ihrer Kindlichkeit wissen schon ganz kleine Kinder den Weg zu den ersten Betrügereien , (die offenbar von den Eltern durch falsche Erziehung erst injiziert werden!), indem sie auf Fragen wie z. B. ob sie lesen oder schreiben können immer mit „ja“ erwidern. Dieses scheinbar harmlose „ja“ des Kindes begleitet leider auch die erwachsenen Menschen durchs Leben. Und in jeder Lage behaupten sie, sie könnten lesen oder schreiben, auch wenn man das Gegenteil nachweisen kann. Sie können eben aAlles in ihrer Einbildung u. die Eitelkeit ist die Kupplerin u. Betrügerin. Kurz gefasst: wo Eitelkeit sich regt ist sicher ein unreeller Zug im Spiele, ein Ersparnis an Mühe u. Leistung. Ein Mensch, der etwas leistet, ist immer lediglich der Sache zugewandt u. kann nie in die Lage kommen, sich vor die Sache zu stellen. *
© Transcription Marko Deisinger. |
9.
The tailor's demands met, by consignment of money and postcard. — The maid finally obtains coal, initially a quarter of a hundredweight. *In the newspapers, voices from France and Russia surface, expressly proclaiming how much their states are in fact only paving the way for England. Now one should believe that it is only a small step from such recognition to the renunciation of a tyrant; and yet this final step is hindered solely by vanity. If France were free from all vanity, then it could extend its hand to Germany, without further ado and could then proceed with unified forces against global profiteering. Vanity is also a deception. For in the last analysis the vain man seeks to use his vanity to achieve an advantage which, logically and organically, is the reward and result of a specific activity. For example, if a musician avoids the effort to acquire genuine skills but nevertheless wants to enjoy the advantages that nonetheless flow towards a truly accomplished musician, then he avails himself precisely of vanity and initially practices the deception upon himself, {802} so that he can later practice it upon others. He simply replaces the self-consciousness that represents the reward of skills acquired with his vanity, and compensates for the effort of acquisition. Vanity is like make-up, giving people a color that their bodies do not actually possess. In their childishness, even very small children are able to find their way to their first deceptions (which are evidently instilled by their parents, as a result of a faulty education!), by always replying to questions, for instance, about whether than can read or write with "Yes." The child's apparently harmless "Yes" unfortunately accompanies grown-up people throughout life. And in every situation they maintain that they can read or write, even if the opposite can be proved. They can actually do anything they imagine; and vanity is their procuress and seductress. In short: where vanity reigns an unreal act is at hand, an avoidance of effort and achievement. A person who achieves something is always simply concentrating on the matter, and he can never arrive at the point of putting himself in the way of the matter. *
© Translation William Drabkin. |
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Abfertigung des Schneiders mit Geldsendung u. Karte. — Die Bedienerin besorgt sich endlich zunächst einen ¼ Zentner Kohle. *In den Blättern tauchen Stimmen auf aus Frankreich u. Rußland, die es ausdrücklich aussprechen, wie sehr ihre Staaten eigentlich nur für England Vorspanndienste leisten. Nun sollte man glauben, daß von solcher Erkenntnis bis zur Lossagung vom Tyrannen nur ein Schritt sei u. doch hindert diesen letzten Schritt auszuführen einzig u. allein die Eitelkeit. Wäre Frankreich von jeder Eitelkeit frei, so könnte es ohneweiter ses Deutschland die Hand reichen u. nun ginge es mit vereinten Kräften wider den Wucher der Welt. Eitelkeit ist auch ein Betrug. Denn letzten Endes geht der eitle Mensch darauf aus, mittels der Eitelkeit einen Vorteil zu erreichen, der logischer[-] u. organischerweise Lohn u. Resultat einer bestimmten Tätigkeit ist. Z. B.: Wenn ein Musiker die Anstrengung des Erwerbes von reellen Kenntnissen meidet, gleichwohl aber die Vorteile, die einem wirklich ausgebildeten Musiker immerhin zuströmen[,] genießen will, dann nimmt er eben die Eitelkeit zuhilfe u. führt mit ihr zunächst den Betrug an sich selbst aus, um {802} ihn dann auch an den anderen zu üben. Er setzt einfach für das Selbstbewußtsein, das den Lohn erworbener Kenntnisse ausmacht, seine Eitelkeit u. ersetzt sich die Mühe der Erwerbung. Die Eitelkeit schminkt so gleichsam den Menschen eine Farbe, die ihr Körper in Wahrheit nicht hat. In ihrer Kindlichkeit wissen schon ganz kleine Kinder den Weg zu den ersten Betrügereien , (die offenbar von den Eltern durch falsche Erziehung erst injiziert werden!), indem sie auf Fragen wie z. B. ob sie lesen oder schreiben können immer mit „ja“ erwidern. Dieses scheinbar harmlose „ja“ des Kindes begleitet leider auch die erwachsenen Menschen durchs Leben. Und in jeder Lage behaupten sie, sie könnten lesen oder schreiben, auch wenn man das Gegenteil nachweisen kann. Sie können eben aAlles in ihrer Einbildung u. die Eitelkeit ist die Kupplerin u. Betrügerin. Kurz gefasst: wo Eitelkeit sich regt ist sicher ein unreeller Zug im Spiele, ein Ersparnis an Mühe u. Leistung. Ein Mensch, der etwas leistet, ist immer lediglich der Sache zugewandt u. kann nie in die Lage kommen, sich vor die Sache zu stellen. *
© Transcription Marko Deisinger. |
9.
The tailor's demands met, by consignment of money and postcard. — The maid finally obtains coal, initially a quarter of a hundredweight. *In the newspapers, voices from France and Russia surface, expressly proclaiming how much their states are in fact only paving the way for England. Now one should believe that it is only a small step from such recognition to the renunciation of a tyrant; and yet this final step is hindered solely by vanity. If France were free from all vanity, then it could extend its hand to Germany, without further ado and could then proceed with unified forces against global profiteering. Vanity is also a deception. For in the last analysis the vain man seeks to use his vanity to achieve an advantage which, logically and organically, is the reward and result of a specific activity. For example, if a musician avoids the effort to acquire genuine skills but nevertheless wants to enjoy the advantages that nonetheless flow towards a truly accomplished musician, then he avails himself precisely of vanity and initially practices the deception upon himself, {802} so that he can later practice it upon others. He simply replaces the self-consciousness that represents the reward of skills acquired with his vanity, and compensates for the effort of acquisition. Vanity is like make-up, giving people a color that their bodies do not actually possess. In their childishness, even very small children are able to find their way to their first deceptions (which are evidently instilled by their parents, as a result of a faulty education!), by always replying to questions, for instance, about whether than can read or write with "Yes." The child's apparently harmless "Yes" unfortunately accompanies grown-up people throughout life. And in every situation they maintain that they can read or write, even if the opposite can be proved. They can actually do anything they imagine; and vanity is their procuress and seductress. In short: where vanity reigns an unreal act is at hand, an avoidance of effort and achievement. A person who achieves something is always simply concentrating on the matter, and he can never arrive at the point of putting himself in the way of the matter. *
© Translation William Drabkin. |