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14. XII. 14

Brief von I. M.; eine vorletzte, wenn nicht letzte Station. Sie Nun zerschneidet sie die ohnehin ganz gelockerte Beziehung auch noch bis auf den letzten Faden, der im Austausch von Weihnachtsgeschenken bestand. Im Brief ist weitläufig diese u. jene Entschuldigung – Aauch Mangel an Gesundheit wird angeführt – vorgebracht, die alle bestimmt sind, vom wahren Grund abzulenken, der in der Anwesenheit ihres Sohnes besteht. , eEin Wiedersehen wird nicht in Aussicht gestellt u. vielleicht eben darum auch der Vorschlag gemacht, von dem Geschenk angeblich der Teuerung wegen abzusehen. Es wäre mir ohneweiters möglich gewesen, den Brief entweder gar nicht, oder ganz im Wunsche der Absenderin zu beantworten. Ich wählte aber den dritten Weg, nur , um meiner Mission treu zu bleibend, Leuten Menschen, die je der Ehre teil- {808} haftig wurden, mit mir je zu verkehren, eine Belehrung mit auf den letzten Weg zu geben, die sie selbst ins traurige , wenn auch aber wahre Licht stellt. In diesem Sinne teilte ich ihr mit, daß ich das Geschenk auch noch heuer fortsetze, wozu mich meine günstige Lage berechtigt, daß ich ihr aber verspreche, nicht dauernd gegen ihren Wunsch zu colidieren [sic], sobald ich mir ein entsprechendes Urteil darüber gebildet haben werde. Damit wollte ich nun die Absenderin vor den Spiegel der Wahrheit zwingen, damit sie sich in der Tracht ihrer Gedanken, Absichten u. Ausführungen eben genau so sehe, wie sie zu sehen ist, nicht aber wie sie anders gesehen zu werden wünscht. Kein Zweifel, daß ein solcher Moment eben nur mit einer Demütigung verbunden ist, aber gerade die Demütigung habe ich beabsichtigt in der Ueberzeugung, daß sie in der Oekonomie der Psyche eine größere Rolle spielt, als sich in der Regel der Gedemütigte persönlich zugesteht. Gewiß wird sich die Absenderin auch über diese Demütigung hinwegsetzen, umso leichter, als sie die Fähigkeit hatte, sich solchen Fre fvels überflüssiger Zerstörung schuldig zu machen konnte. Nichtsdestoweniger ist der Vollzug der Strafe ein Akt, der genau so in die Psyche eindringt, wie irgend ein Stoff ins Blut, dessen Wirkungen ja unausbleibliche sind. Man braucht ja nur die Strafe wegzudenken u. man bemerkt, wie wesentlich anders die Situation dann liegt, wenn derjenige, der sich einer Missetat schuldig gemacht[,] nun auch umgekehrt den Reflex einstecken muß, den die Missetat ausgelöst hat. Der Reflex bleibt eine Tatsache, die nicht auszuschalten ist u. es liegt in dieser Tatsache darin liegt etwas vor, womit sich der Missetäter immerhin abfinden muß. – Ich erinnere mich soeben der Mitteilung Lie-Liechens, daß Frau M. bei ihrem letzten Besuch sogar eine Thräne vergossen hat u. nun habe ich die Frau im Verdacht, daß sie schon damals wußte, daß sie den letzten Besuch mache, was ihr selbst eine Thräne herausgepresst hat. Und so ist der armen unfruchtbaren Frau das Werk der Zerstörung endlich wirklich gelungen; sie mußte u. wollte zerstören, weil sie nicht anders konnte u. keine Anlage zum Aufbau besaß!

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© Transcription Marko Deisinger.

December 14, 1914.

Letter from I. M.; one of her last stations, if not the very last one. Now she is cutting the last threads of her connection, which in any event was an entirely loose one, which consisted of the exchange of Christmas presents. In the letter, all sorts of apologies are offered – poor health is also cited – which are intended to steer away from the true cause, which consists of the presence of her son. The idea of a rendezvous is not proposed; and perhaps for that very reason the suggestion is made to dispense with presents, apparently on account of rising prices. It would be possible for me either simply not to reply to the letter at all, or to answer it entirely according to the sender's wish. I chose, however, the third way, only to remain true to my mission: to give people who ever had the honor of dealing with me in a lesson to take with them on their final journey, a lesson which places them in a sad but true light. {808} In this sense I told her that I shall continue [to give her] my present even this year, to which end my favorable position justifies me that I promise not to be in constant collision with her wish, as soon as I have formed a corresponding judgment about it. With this I wanted to make the sender confront the mirror of truth, so that she could see herself in the garb of her thoughts, intentions, and actions exactly as she is to be seen, and not as she would like herself to be seen. No doubt that such a condition can only be bound up with a humiliation; but I have intended the humiliation in the conviction that it plays a greater role in the economy of the psyche than the humiliated person would, as a rule, personally admit. Of course, the sender would also dismiss this humiliation, and all the more easily since she was able to be guilty of such wickedness of unnecessary destruction. No less is the implementation of the punishment an act that penetrates the psyche in just the same way as some substance into the blood whose effects are inevitable. One need only pretend that the punishment is not there, and one observes how significantly different the situation lies if the one who is guilty of a misdemeanor must now, conversely, acknowledge the consequence that the misdemeanor unleashed. The consequence remains a fact which cannot be switched off; and herein lies something with which the miscreant must nonetheless come to terms. – I recall now Lie-Liechen telling me that Mrs. M. even shed a tear during her last visit, and now I am suspicious that even then the lady knew that she was making her last visit, which squeezed a tear out of her herself. And so, for the poor, unproductive lady, the work of destruction has in truth finally succeeded: she had to, and wished, to destroy as she could not do otherwise and possessed no aptitude for building!

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© Translation William Drabkin.

14. XII. 14

Brief von I. M.; eine vorletzte, wenn nicht letzte Station. Sie Nun zerschneidet sie die ohnehin ganz gelockerte Beziehung auch noch bis auf den letzten Faden, der im Austausch von Weihnachtsgeschenken bestand. Im Brief ist weitläufig diese u. jene Entschuldigung – Aauch Mangel an Gesundheit wird angeführt – vorgebracht, die alle bestimmt sind, vom wahren Grund abzulenken, der in der Anwesenheit ihres Sohnes besteht. , eEin Wiedersehen wird nicht in Aussicht gestellt u. vielleicht eben darum auch der Vorschlag gemacht, von dem Geschenk angeblich der Teuerung wegen abzusehen. Es wäre mir ohneweiters möglich gewesen, den Brief entweder gar nicht, oder ganz im Wunsche der Absenderin zu beantworten. Ich wählte aber den dritten Weg, nur , um meiner Mission treu zu bleibend, Leuten Menschen, die je der Ehre teil- {808} haftig wurden, mit mir je zu verkehren, eine Belehrung mit auf den letzten Weg zu geben, die sie selbst ins traurige , wenn auch aber wahre Licht stellt. In diesem Sinne teilte ich ihr mit, daß ich das Geschenk auch noch heuer fortsetze, wozu mich meine günstige Lage berechtigt, daß ich ihr aber verspreche, nicht dauernd gegen ihren Wunsch zu colidieren [sic], sobald ich mir ein entsprechendes Urteil darüber gebildet haben werde. Damit wollte ich nun die Absenderin vor den Spiegel der Wahrheit zwingen, damit sie sich in der Tracht ihrer Gedanken, Absichten u. Ausführungen eben genau so sehe, wie sie zu sehen ist, nicht aber wie sie anders gesehen zu werden wünscht. Kein Zweifel, daß ein solcher Moment eben nur mit einer Demütigung verbunden ist, aber gerade die Demütigung habe ich beabsichtigt in der Ueberzeugung, daß sie in der Oekonomie der Psyche eine größere Rolle spielt, als sich in der Regel der Gedemütigte persönlich zugesteht. Gewiß wird sich die Absenderin auch über diese Demütigung hinwegsetzen, umso leichter, als sie die Fähigkeit hatte, sich solchen Fre fvels überflüssiger Zerstörung schuldig zu machen konnte. Nichtsdestoweniger ist der Vollzug der Strafe ein Akt, der genau so in die Psyche eindringt, wie irgend ein Stoff ins Blut, dessen Wirkungen ja unausbleibliche sind. Man braucht ja nur die Strafe wegzudenken u. man bemerkt, wie wesentlich anders die Situation dann liegt, wenn derjenige, der sich einer Missetat schuldig gemacht[,] nun auch umgekehrt den Reflex einstecken muß, den die Missetat ausgelöst hat. Der Reflex bleibt eine Tatsache, die nicht auszuschalten ist u. es liegt in dieser Tatsache darin liegt etwas vor, womit sich der Missetäter immerhin abfinden muß. – Ich erinnere mich soeben der Mitteilung Lie-Liechens, daß Frau M. bei ihrem letzten Besuch sogar eine Thräne vergossen hat u. nun habe ich die Frau im Verdacht, daß sie schon damals wußte, daß sie den letzten Besuch mache, was ihr selbst eine Thräne herausgepresst hat. Und so ist der armen unfruchtbaren Frau das Werk der Zerstörung endlich wirklich gelungen; sie mußte u. wollte zerstören, weil sie nicht anders konnte u. keine Anlage zum Aufbau besaß!

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© Transcription Marko Deisinger.

December 14, 1914.

Letter from I. M.; one of her last stations, if not the very last one. Now she is cutting the last threads of her connection, which in any event was an entirely loose one, which consisted of the exchange of Christmas presents. In the letter, all sorts of apologies are offered – poor health is also cited – which are intended to steer away from the true cause, which consists of the presence of her son. The idea of a rendezvous is not proposed; and perhaps for that very reason the suggestion is made to dispense with presents, apparently on account of rising prices. It would be possible for me either simply not to reply to the letter at all, or to answer it entirely according to the sender's wish. I chose, however, the third way, only to remain true to my mission: to give people who ever had the honor of dealing with me in a lesson to take with them on their final journey, a lesson which places them in a sad but true light. {808} In this sense I told her that I shall continue [to give her] my present even this year, to which end my favorable position justifies me that I promise not to be in constant collision with her wish, as soon as I have formed a corresponding judgment about it. With this I wanted to make the sender confront the mirror of truth, so that she could see herself in the garb of her thoughts, intentions, and actions exactly as she is to be seen, and not as she would like herself to be seen. No doubt that such a condition can only be bound up with a humiliation; but I have intended the humiliation in the conviction that it plays a greater role in the economy of the psyche than the humiliated person would, as a rule, personally admit. Of course, the sender would also dismiss this humiliation, and all the more easily since she was able to be guilty of such wickedness of unnecessary destruction. No less is the implementation of the punishment an act that penetrates the psyche in just the same way as some substance into the blood whose effects are inevitable. One need only pretend that the punishment is not there, and one observes how significantly different the situation lies if the one who is guilty of a misdemeanor must now, conversely, acknowledge the consequence that the misdemeanor unleashed. The consequence remains a fact which cannot be switched off; and herein lies something with which the miscreant must nonetheless come to terms. – I recall now Lie-Liechen telling me that Mrs. M. even shed a tear during her last visit, and now I am suspicious that even then the lady knew that she was making her last visit, which squeezed a tear out of her herself. And so, for the poor, unproductive lady, the work of destruction has in truth finally succeeded: she had to, and wished, to destroy as she could not do otherwise and possessed no aptitude for building!

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© Translation William Drabkin.