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25. III. 15

Wie oft gefällt uns so mancher Zug aus dem Tierleben, den wir rührend oder schön finden; wir gehen zuweilen so weit, an eine Ethik auch bei den Tieren zu glauben, da wir uns sonst die Zärtlichkeit einer H iündin, die Treue eines Hundes usw. nicht erklären könnten. Sagen wir aber darum das Tier wäre habe aufgehört kein Tier zu sein, oder das Tier marschiere bereits an der Spitze der Civilisation? Und nun frage ich: wenn die meisten Nationen erst eine sozusagen tierische Ethik entwickeln u. schon aus rein tierischer Veranlagung uns hie u. da dennoch durch schöne Züge zeigen erfreuen, müßte es da nicht genug sein, wenn wir die Schönheit derselben anerkennend sagen würden: dennoch ist bleibt der Serbe erst noch nur was er war, nämlich erst blos ein Serbe, der Russe blos ein Russe, der Franzose blos ein Franzose (ähnlich wie wir sagen , der Hund bleibt ein Hund), statt daraus zu schließen die Serben, Russen, Franzosen hätten schon Kultur oder marschierten gar an der Spitze der Civilisation. ! Es führt zu großen Verwirrungen, wenn man bei aus antropocentrischen Gründen auch schon ihredie tierischen Reflexe u. Instinkte de nr Menschen für mehr hält, als sie sonst im Tierreich gelten, d. h. sie schon für eine Kultur ausgibt, die nur der Mensch, nicht aber auch wie wir sie d asem Tier hat noch nicht einräumen. Meines Erachtens müßten man, um zum [„]wahren Begriff der Kultur zu gelangen,“ die tierischen Instinkte im Menschen erst abgezogen abziehen werden u. nur de rn Rest dürfte als Kultur heißen bezeichnen, – sofern es einen gäbe. Nur dadurch würde man schließlich zu einer besseren Begriffsformulierung der Kultur als einer spezifischen Errungenschaft der Menschen gelangen können.

*

Es Ohneweiters ließe sich der Krieg auch als eine Art Prügelstrafe für unerwachsene Nationen denken, wenn man sie stets nur in der Hand erwachsener Nationen wüßte. Kein Zweifel, daß Vergeltung u. damit auch die Prügelstrafe oft notwendig u. heilsam ist. Der Einwand, das Kind würde durch Prügel nur schlechter, ist durchaus nicht stichhaltig, denn ebenso {889} ausgemacht ist es, daß das Kind die völlige Tiefe seiner Bedeutung der eigenen Handlungsweise, folglich auch eine etwaige Korrektur derselben nicht versteht. Vorausgesetzt nur einen richtigen Erzieher ist es daher ratsam, dem verfehlenden Kinde gegenüber den Standpunkt der Macht zu wahren; d. h. durch Prügel erfährt das Kind mindestens, in wessen Hand die Macht ist u. schon dieses allein hat mehr wohltätige Folgen, als umgekehrt die Prügelstrafe nachteilige aufweist. Denn die Macht allein ist es, an die sich das Kind in allen Nöten vorläufig gerne anlehnt (wie ja auch der erwachsene Mensch in seiner Schwäche sich gerne an den Mächtigen anlehnt). Doppelt wohltätig ist nun die Macht, wenn sie einen Fehltritt des Kindes zu verhindern vermag. In diesem Sinne wäre auch der Krieg nur von Vorteil für noch unentwickelte Völker, sofern nur eine hochstehende Nation sich des Krieges als eines Züchtigungsmittels bedienen würde, um mindestens zum Ausdruck zu bringen, daß die wahre Macht bei ihr sei. , In der was zur Folge hätte, müßten daß sich die unreifen Nationen zu ihrem eigenen Vorteil an die mächtigen sie anlehnen, was für sie nur von Vorteil wäre müßten. Leider gelangen zur Macht oft auch unwürdige Lehrer; dann freilich kommt die Prügelstrafe um ihren Sinn u. Segen. Ebenso aber kommen die kleinen Nationen um alle Vorteile, wenn sie sich blos an eine blos unwürdige Macht wie z. B. die der Engländer oder Franzosen anlehnen!

*

England wird augenblicklich von der Nemesis geohrfeigt!

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Karte an Vrieslander mit Entschuldigung wegen Verzögerung. —

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© Transcription Marko Deisinger.

March 25, 1915.

How often we are pleased by a feature of the animal world, which we find "touching" or "beautiful"; we sometimes go so far as to believe in an ethical dimension even among animals, as we would otherwise not be able to explain the sweetness of a puppy, the faithfulness of a dog, and so on. But should we say therefore that the animal has ceased to be an animal, or that the animal is marching right at the forefront of civilization? And now I ask: if most nations only develop an animalistic ethic, so to speak, and then from purely animalistic disposition delight us with attractive characteristics from time to time, should it not then be enough if, in recognition of their attractiveness, we would nonetheless say that the Serb still remains only what he was, namely just a Serb, the Russian merely a Russian, the Frenchman merely a Frenchman (the same way we say that the dog remains a dog), rather than concluding from this that the Serbs, Russians and French were already cultured or actually marched at the head of civilization! It leads to great confusion if one, for anthropocentric reasons, also takes the animalistic reflexes and instincts of people for more than they are otherwise worth in the animal kingdom, that is, to ascribe to them a culture as we can not yet confer upon the animal. In my view, in order to arrive at a ["]true concept of culture["], one would first have to remove the animalistic instincts in a person and designate as culture only that which remains –insofar as there is a remainder.

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The war may, without further ado, be understood as a kind of corporal punishment for immature nations, if one were sure that this punishment would only be administered by mature nations. No doubt, retribution and with it also the punishment are often necessary and salutary. The objection, that a child will only become worse as a result of a beating, is not cogent at all; {889} for it is likewise assumed that the child does not understand the full meaning of his own behavior, and therefore of any sort of correction of it. On the assumption that there is only one correct teacher, it is thus advisable to maintain the standpoint of power with respect to the errant child; that is, by punishment the child at least learns in whose hands the power lies; and already this on its own has more beneficial consequences than, conversely, the punishment having disadvantageous consequences. For it is power alone in which the child will gladly find temporary support (as indeed a grown-up, in his weakness, will gladly be supported by the powerful). Power is doubly beneficial, then, if it is able to prevent a child from taking the wrong step. In this sense, the war would be only of benefit to undeveloped people, insofar as a nation of high rank were to avail itself of the war as a corrective agent, in order at least to show that the real power lies with it; this would have the consequence that the immature nations would use it for support, to its own advantage. Unfortunately, however, unworthy teachers often rise to power; then, of course, corporal punishment is exercised for their means and benefit. Likewise the small nations forfeit all their advantages if they find support in a power that is simply unworthy, such as, for example, the English or the French!

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England is at present getting its ears boxed by its nemesis!

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Postcard to Vrieslander, with apology for the delay. —

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© Translation William Drabkin.

25. III. 15

Wie oft gefällt uns so mancher Zug aus dem Tierleben, den wir rührend oder schön finden; wir gehen zuweilen so weit, an eine Ethik auch bei den Tieren zu glauben, da wir uns sonst die Zärtlichkeit einer H iündin, die Treue eines Hundes usw. nicht erklären könnten. Sagen wir aber darum das Tier wäre habe aufgehört kein Tier zu sein, oder das Tier marschiere bereits an der Spitze der Civilisation? Und nun frage ich: wenn die meisten Nationen erst eine sozusagen tierische Ethik entwickeln u. schon aus rein tierischer Veranlagung uns hie u. da dennoch durch schöne Züge zeigen erfreuen, müßte es da nicht genug sein, wenn wir die Schönheit derselben anerkennend sagen würden: dennoch ist bleibt der Serbe erst noch nur was er war, nämlich erst blos ein Serbe, der Russe blos ein Russe, der Franzose blos ein Franzose (ähnlich wie wir sagen , der Hund bleibt ein Hund), statt daraus zu schließen die Serben, Russen, Franzosen hätten schon Kultur oder marschierten gar an der Spitze der Civilisation. ! Es führt zu großen Verwirrungen, wenn man bei aus antropocentrischen Gründen auch schon ihredie tierischen Reflexe u. Instinkte de nr Menschen für mehr hält, als sie sonst im Tierreich gelten, d. h. sie schon für eine Kultur ausgibt, die nur der Mensch, nicht aber auch wie wir sie d asem Tier hat noch nicht einräumen. Meines Erachtens müßten man, um zum [„]wahren Begriff der Kultur zu gelangen,“ die tierischen Instinkte im Menschen erst abgezogen abziehen werden u. nur de rn Rest dürfte als Kultur heißen bezeichnen, – sofern es einen gäbe. Nur dadurch würde man schließlich zu einer besseren Begriffsformulierung der Kultur als einer spezifischen Errungenschaft der Menschen gelangen können.

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Es Ohneweiters ließe sich der Krieg auch als eine Art Prügelstrafe für unerwachsene Nationen denken, wenn man sie stets nur in der Hand erwachsener Nationen wüßte. Kein Zweifel, daß Vergeltung u. damit auch die Prügelstrafe oft notwendig u. heilsam ist. Der Einwand, das Kind würde durch Prügel nur schlechter, ist durchaus nicht stichhaltig, denn ebenso {889} ausgemacht ist es, daß das Kind die völlige Tiefe seiner Bedeutung der eigenen Handlungsweise, folglich auch eine etwaige Korrektur derselben nicht versteht. Vorausgesetzt nur einen richtigen Erzieher ist es daher ratsam, dem verfehlenden Kinde gegenüber den Standpunkt der Macht zu wahren; d. h. durch Prügel erfährt das Kind mindestens, in wessen Hand die Macht ist u. schon dieses allein hat mehr wohltätige Folgen, als umgekehrt die Prügelstrafe nachteilige aufweist. Denn die Macht allein ist es, an die sich das Kind in allen Nöten vorläufig gerne anlehnt (wie ja auch der erwachsene Mensch in seiner Schwäche sich gerne an den Mächtigen anlehnt). Doppelt wohltätig ist nun die Macht, wenn sie einen Fehltritt des Kindes zu verhindern vermag. In diesem Sinne wäre auch der Krieg nur von Vorteil für noch unentwickelte Völker, sofern nur eine hochstehende Nation sich des Krieges als eines Züchtigungsmittels bedienen würde, um mindestens zum Ausdruck zu bringen, daß die wahre Macht bei ihr sei. , In der was zur Folge hätte, müßten daß sich die unreifen Nationen zu ihrem eigenen Vorteil an die mächtigen sie anlehnen, was für sie nur von Vorteil wäre müßten. Leider gelangen zur Macht oft auch unwürdige Lehrer; dann freilich kommt die Prügelstrafe um ihren Sinn u. Segen. Ebenso aber kommen die kleinen Nationen um alle Vorteile, wenn sie sich blos an eine blos unwürdige Macht wie z. B. die der Engländer oder Franzosen anlehnen!

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England wird augenblicklich von der Nemesis geohrfeigt!

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Karte an Vrieslander mit Entschuldigung wegen Verzögerung. —

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© Transcription Marko Deisinger.

March 25, 1915.

How often we are pleased by a feature of the animal world, which we find "touching" or "beautiful"; we sometimes go so far as to believe in an ethical dimension even among animals, as we would otherwise not be able to explain the sweetness of a puppy, the faithfulness of a dog, and so on. But should we say therefore that the animal has ceased to be an animal, or that the animal is marching right at the forefront of civilization? And now I ask: if most nations only develop an animalistic ethic, so to speak, and then from purely animalistic disposition delight us with attractive characteristics from time to time, should it not then be enough if, in recognition of their attractiveness, we would nonetheless say that the Serb still remains only what he was, namely just a Serb, the Russian merely a Russian, the Frenchman merely a Frenchman (the same way we say that the dog remains a dog), rather than concluding from this that the Serbs, Russians and French were already cultured or actually marched at the head of civilization! It leads to great confusion if one, for anthropocentric reasons, also takes the animalistic reflexes and instincts of people for more than they are otherwise worth in the animal kingdom, that is, to ascribe to them a culture as we can not yet confer upon the animal. In my view, in order to arrive at a ["]true concept of culture["], one would first have to remove the animalistic instincts in a person and designate as culture only that which remains –insofar as there is a remainder.

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The war may, without further ado, be understood as a kind of corporal punishment for immature nations, if one were sure that this punishment would only be administered by mature nations. No doubt, retribution and with it also the punishment are often necessary and salutary. The objection, that a child will only become worse as a result of a beating, is not cogent at all; {889} for it is likewise assumed that the child does not understand the full meaning of his own behavior, and therefore of any sort of correction of it. On the assumption that there is only one correct teacher, it is thus advisable to maintain the standpoint of power with respect to the errant child; that is, by punishment the child at least learns in whose hands the power lies; and already this on its own has more beneficial consequences than, conversely, the punishment having disadvantageous consequences. For it is power alone in which the child will gladly find temporary support (as indeed a grown-up, in his weakness, will gladly be supported by the powerful). Power is doubly beneficial, then, if it is able to prevent a child from taking the wrong step. In this sense, the war would be only of benefit to undeveloped people, insofar as a nation of high rank were to avail itself of the war as a corrective agent, in order at least to show that the real power lies with it; this would have the consequence that the immature nations would use it for support, to its own advantage. Unfortunately, however, unworthy teachers often rise to power; then, of course, corporal punishment is exercised for their means and benefit. Likewise the small nations forfeit all their advantages if they find support in a power that is simply unworthy, such as, for example, the English or the French!

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England is at present getting its ears boxed by its nemesis!

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Postcard to Vrieslander, with apology for the delay. —

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© Translation William Drabkin.