Downloads temporarily removed for testing purposes

18. IX. 16

Von Frl. Kahn (Br.): ersucht mich, ausnahmsweise am 30. IX. kommen zu dürfen, da sie sonst erst am 7. X. käme. —

*

Der Arme hat es schwer, sich den Seelenzustand des Reichen zu vergegenwärtigen. Vielleicht erreicht er es Am [recte am] besten, wenn er sich seiner eigenen Jugend erinnert, wie er über dem Sturm u. Braus der eigenen reifenden Natur nur wenig Einsicht in die Verhältnisse hatte aufbrachte, die ihn umgaben, wie sich in ihm alles jubelnd emporschwang über traurige Bilder u. Anlässe, selbst dann wenn auch sein Auge sie durch Zufall auch streifte. In einem analogen Zustand befindet sich nun der Reiche, ; dem die quellenden Geldmittel bereiten ihm einen Rausch, in welchem er die Fähigkeit einbüßt, die Umwelt u. besonders die traurigen Bilder sich zum Bewußtsein zu brin- {430} gen. Scherzweise könnte man sagen: Nicht etwa eine Tarnkappe (der Sage) sei dem Reichen das Geld, eine Tarnkappe, die ihn unsichtbar macht, vielmehr umgekehrt versinkt läßt das Geld die alle übrige Welt in unsichtbarem Zustand vor ihm versinken! —

*

Der Kaufmann u. der Staat das Staatsoberhaupt: Der Kaufmann ist stets der letzte, der sich eine die Anerkennung des eines Staatsoberhauptes abzuringen weiß. Nicht nur trifft das für jene solche Fälle zu, in denen sein Egoismus, d. h. sein kaufmännisches Interesse verletzt wurde, sondern auch für alle günstigen Fälle. Er tut aber immer so, als wäre nur das genialste Staatsoberhaupt für die Leitung eines Staates gerade gut genug, womit er freilich in letzter Linie höchst anmaßend zu verstehen geben will, daß er sich in Genialität auskenne. Man sage ihm aber, es g eäbe zu keiner Zeit so viele Genies überhaupt an Zahl, als es Staaten gibt, die zu regieren wären, – er schüttelt ungläubig den Kopf (da er bei dieser Gelegenheit ja an sich zunächst denkt!); oder man nehme ein das schlagenderes Argument, wie etwa dieses, daß doch wohl auch die bedeutendsten Unternehmen sich zuweilen an der Spitze auch den einen unzulänglichsten Sohn des Eigentümers gefallen lassen müssen, wenn nach dem Erbrecht gerade an diesen die Reihe gekommen. Darauf antwortet er bestimmt, daß ein großer Unterschied zwischen dem Staat u. einem beliebigen Privatunternehmen sei bestehe, daß der Schaden, den der Staat durch Unzulänglichkeit des Regenten erleiden muß, ungleich größer sei, als der Schaden des Unternehmens. Und Ssicher versagt er aber sein Verständnis, wenn man ihm darauf erwidernd erklären wollte, daß der ein Schaden, wie immer betrachtet, doch ein Schaden [illeg]bleibt u. daß übrigens die Natur wegen eines Unterschiedes, der ja nicht geleugnet zu werden braucht, auch nicht geleugnet werden kann kann, sich doch nicht auch verpflichtet fühlt, zur der Welt jederzeit ein Genies zu bringen liefern, wo u. wann sie es will. —

*

Zwecklose Exp eansion des Reichen ist auch der Schlüssel zum Verständnis der letzten Rätsel des Weltkrieges: Staaten, die, wie nachgewiesen werden kann, gerade sich selbst noch alles das Meiste schuldig geblieben, streben Exp eansion an, ohne daß sie noch wissen wüßten, wozu sie eine solche verwenden wollen!

*

{431}

© Transcription Marko Deisinger.

September 18, 1916.

Letter from Miss Kahn: she asks, exceptionally, to see me on September 30 instead of waiting until October 7. —

*

It is difficult for a poor person to imagine the mental state of a rich man. Perhaps he best arrives at this when he recalls his own youth, and how he applied only little insight into the situations that surrounded him in the storm and excitement of his own maturing nature; how everything rose up in him exultantly, above sad images and occasions, even when his eye happened by chance to touch them. The rich man finds himself in an analogous position: abundant financial resources create a frenzy within him, in which he forfeits the ability to become conscious of his environment and in particular the sad images. {430} To make light of this, one could say: money is not a magic cloak (the myth) that makes the rich man invisible, rather money is a cloak of invisibility that conversely makes everything else in the world sink into a state of invisibility before him! —

*

The businessman and the head of state: the businessman is always the last person whom one can bring to recognize a head of state. This applies not only to those cases in which his egoism – that is, his business interests – would be damaged, but also for all favorable cases. But he always pretends that only the most genius-imbued head of state would be good enough to lead a nation, by which he of course ultimately suggests, most presumptuously, that he is familiar with the quality of genius. But if one says to him that at no time has there been a sufficient number of geniuses as there are states that need to be governed – he shakes his head in disbelief (since on this occasion he is thinking primarily of himself!); or one could make the more persuasive argument, that surely the most significant enterprises must occasionally collapse when led by an incompetent son of the owner, if it actually comes to him as a result of inheritance. To this he would surely reply that there is a great difference between the state and some private enterprise, so that the damage that the state must suffer as a result of its governor's inadequacy is incomparably greater than the damage to that enterprise. And for sure his understanding will fail him if one wished, in replying to this, to say that a damage, however it may be considered, is still a damage, and that Nature, moreover, on account of a difference that does not need to be denied and cannot even be denied, does not even feel obliged to supply the world with geniuses whenever it needs one, no matter where or when. —

*

The purposeless expansion of the rich is also the key to understanding the ultimate puzzles of the world war: states which, as it can be shown, are actually themselves still most responsible strive after expansion without even knowing to what purpose they will use such a thing!

*

{431}

© Translation William Drabkin.

18. IX. 16

Von Frl. Kahn (Br.): ersucht mich, ausnahmsweise am 30. IX. kommen zu dürfen, da sie sonst erst am 7. X. käme. —

*

Der Arme hat es schwer, sich den Seelenzustand des Reichen zu vergegenwärtigen. Vielleicht erreicht er es Am [recte am] besten, wenn er sich seiner eigenen Jugend erinnert, wie er über dem Sturm u. Braus der eigenen reifenden Natur nur wenig Einsicht in die Verhältnisse hatte aufbrachte, die ihn umgaben, wie sich in ihm alles jubelnd emporschwang über traurige Bilder u. Anlässe, selbst dann wenn auch sein Auge sie durch Zufall auch streifte. In einem analogen Zustand befindet sich nun der Reiche, ; dem die quellenden Geldmittel bereiten ihm einen Rausch, in welchem er die Fähigkeit einbüßt, die Umwelt u. besonders die traurigen Bilder sich zum Bewußtsein zu brin- {430} gen. Scherzweise könnte man sagen: Nicht etwa eine Tarnkappe (der Sage) sei dem Reichen das Geld, eine Tarnkappe, die ihn unsichtbar macht, vielmehr umgekehrt versinkt läßt das Geld die alle übrige Welt in unsichtbarem Zustand vor ihm versinken! —

*

Der Kaufmann u. der Staat das Staatsoberhaupt: Der Kaufmann ist stets der letzte, der sich eine die Anerkennung des eines Staatsoberhauptes abzuringen weiß. Nicht nur trifft das für jene solche Fälle zu, in denen sein Egoismus, d. h. sein kaufmännisches Interesse verletzt wurde, sondern auch für alle günstigen Fälle. Er tut aber immer so, als wäre nur das genialste Staatsoberhaupt für die Leitung eines Staates gerade gut genug, womit er freilich in letzter Linie höchst anmaßend zu verstehen geben will, daß er sich in Genialität auskenne. Man sage ihm aber, es g eäbe zu keiner Zeit so viele Genies überhaupt an Zahl, als es Staaten gibt, die zu regieren wären, – er schüttelt ungläubig den Kopf (da er bei dieser Gelegenheit ja an sich zunächst denkt!); oder man nehme ein das schlagenderes Argument, wie etwa dieses, daß doch wohl auch die bedeutendsten Unternehmen sich zuweilen an der Spitze auch den einen unzulänglichsten Sohn des Eigentümers gefallen lassen müssen, wenn nach dem Erbrecht gerade an diesen die Reihe gekommen. Darauf antwortet er bestimmt, daß ein großer Unterschied zwischen dem Staat u. einem beliebigen Privatunternehmen sei bestehe, daß der Schaden, den der Staat durch Unzulänglichkeit des Regenten erleiden muß, ungleich größer sei, als der Schaden des Unternehmens. Und Ssicher versagt er aber sein Verständnis, wenn man ihm darauf erwidernd erklären wollte, daß der ein Schaden, wie immer betrachtet, doch ein Schaden [illeg]bleibt u. daß übrigens die Natur wegen eines Unterschiedes, der ja nicht geleugnet zu werden braucht, auch nicht geleugnet werden kann kann, sich doch nicht auch verpflichtet fühlt, zur der Welt jederzeit ein Genies zu bringen liefern, wo u. wann sie es will. —

*

Zwecklose Exp eansion des Reichen ist auch der Schlüssel zum Verständnis der letzten Rätsel des Weltkrieges: Staaten, die, wie nachgewiesen werden kann, gerade sich selbst noch alles das Meiste schuldig geblieben, streben Exp eansion an, ohne daß sie noch wissen wüßten, wozu sie eine solche verwenden wollen!

*

{431}

© Transcription Marko Deisinger.

September 18, 1916.

Letter from Miss Kahn: she asks, exceptionally, to see me on September 30 instead of waiting until October 7. —

*

It is difficult for a poor person to imagine the mental state of a rich man. Perhaps he best arrives at this when he recalls his own youth, and how he applied only little insight into the situations that surrounded him in the storm and excitement of his own maturing nature; how everything rose up in him exultantly, above sad images and occasions, even when his eye happened by chance to touch them. The rich man finds himself in an analogous position: abundant financial resources create a frenzy within him, in which he forfeits the ability to become conscious of his environment and in particular the sad images. {430} To make light of this, one could say: money is not a magic cloak (the myth) that makes the rich man invisible, rather money is a cloak of invisibility that conversely makes everything else in the world sink into a state of invisibility before him! —

*

The businessman and the head of state: the businessman is always the last person whom one can bring to recognize a head of state. This applies not only to those cases in which his egoism – that is, his business interests – would be damaged, but also for all favorable cases. But he always pretends that only the most genius-imbued head of state would be good enough to lead a nation, by which he of course ultimately suggests, most presumptuously, that he is familiar with the quality of genius. But if one says to him that at no time has there been a sufficient number of geniuses as there are states that need to be governed – he shakes his head in disbelief (since on this occasion he is thinking primarily of himself!); or one could make the more persuasive argument, that surely the most significant enterprises must occasionally collapse when led by an incompetent son of the owner, if it actually comes to him as a result of inheritance. To this he would surely reply that there is a great difference between the state and some private enterprise, so that the damage that the state must suffer as a result of its governor's inadequacy is incomparably greater than the damage to that enterprise. And for sure his understanding will fail him if one wished, in replying to this, to say that a damage, however it may be considered, is still a damage, and that Nature, moreover, on account of a difference that does not need to be denied and cannot even be denied, does not even feel obliged to supply the world with geniuses whenever it needs one, no matter where or when. —

*

The purposeless expansion of the rich is also the key to understanding the ultimate puzzles of the world war: states which, as it can be shown, are actually themselves still most responsible strive after expansion without even knowing to what purpose they will use such a thing!

*

{431}

© Translation William Drabkin.