30. I. 17 -7°; starker Schneefall bei Wind.
— Von Halm (Br.OJ 11/35, 2): erklärt seinen Klaviersatz durch Klavierauszugsbedürfnisse; so wäre dann wieder auch noch ein zweiter Brief meinerseits nötig, um ihm erst begreiflich zu machen, daß man beim Klaviersatz nicht an einen Klavierauszug zu denken habe, wenn man einen Klaviersatz schreibt u. auch daß man übrigens auch selbst einen Klavierauszug so nicht setzen darf. H. trägt eine Suite u. noch ein anderes Werk an; u. durch einen Lapsus der Post findet sich im Couvert ein in Stuttgart aufgegebener, u. dort bereits mit Poststempel versehener Brief. Eben dieser Brief gibt mir Gelegenheit postwendend H. zu antworten: ich schicke das Briefchen zurück u. gebe ihm den Rat, sich einfach an die „U. E.“ zu wenden, Umfang u. Honorar zu nennen; meiner An- {580} sicht nach sei seine öffentliche Lehrstelle für den Verlag geradezu ausschlaggebend. — — Gärtner sieht mich auf der Straße u. so habe ich Gelegenheit, mündlich unseren Besuch für Freitag anzukündigen. — Von Baronin Bach am Nachmittag Tasche mit Manuscripten u. Brief. Die Ueberbringerin ist Hausbesorgerin des Hauses Singerstr. 13, das dem Baron gehört. Im Brief gesteht die Baronin endlich ein, daß die Tochter einigen Unterricht genommen habe; zu diesem Geständnis war sie schon dadurch genötigt, daß auf dem 1. Blatt die Adressen Prochaskas u. Stöhrs notiert waren u. in noch entscheidenderer Weise dadurch, daß sich unter den Manuscripten auch eine 4-stimmige Fuge findet, auf die den Laien als Form unzugänglich, wenn sie sie nicht eigens gelernt haben so ohneweiters verfallen. Endlich sei festgestellt, daß die Baronin sich ein späteres Datum erbat mit Rücksicht darauf, daß sie erst am 18. II. nach Wien für zwei Wochen kommt. Der erste Einblick in die Noten zeigt, daß die Autorin einen Weg geht, der je nach dem eingenommenen Standpunkt als hoffnungsvoll oder hoffnungslos zu bezeichnen ist: nicht etwa, daß es dem Fräulein an einer beträchtlichen musikalischen Empfindung fehlen würde – sie ist kräftig genug, sich Wege nach außen zu suchen u. zu bahnen –, nur daß es, wie bei den Talenten von heute allgemein , der traurige Fall ist, auch bei ihr an jener Kraft fehlt, die allein mit musikalischem Wollen gleichbedeutend ist. Für den rechten Weg ist nicht einmal noch der Instinkt reif, geschweige der Drang, die Lust, u. die Ausdauer, den musikalischen Weg zu beschreiten. Vielleicht ist es um diese Begabung schade, aber sie ist offenbar zu klein, um auf den rechten Weg zu kommen. Nicht wenig mag auch das Milieu Einfluß auf die Entwicklung gewonnen haben, u. daran gemessen ist das Geleistete beinahe erstaunlich zu nennen. Die Hauptrolle spielen draufgesetzte Durchgänge, Nebennoten, unaufgelöste Durchgänge, Synkopen, kurzum Nichtigkeiten, die von Stelle zu Stelle den Komponisten beglücken, aber das Ganze darum nicht besser machen. — — Brünauer läßt zum erstenmal eine wegen des Feiertags entfallende Stunde vor- {581} übergehen ohne „Bitte um Ersatz“. Ich erinnere ihn an die 2 kg Cacao. — © Transcription Marko Deisinger. |
January 30, 1917. -7°; heavy snowfall, and windy.
— LetterOJ 11/35, 2 from Halm : he explains his piano texture as the result of the requirement of a piano reduction; thus yet a second letter of mine is necessary, to make him understand that, when it comes to piano texture, one should not think about a piano reduction and that, moreover, even a piano reduction should not be composed in that way. Halm shows me a suite and yet another work; and owing to a mistake at the post office, the envelope contains a letter that was mailed from Stuttgart and had already been postmarked there. This very letter gives me occasion to reply to Halm by return of post: I return the letter and advise him simply to approach U. E. stating the extent of his work and his honorarium; {580} in my view, his official position should be absolutely crucial. — — Gärtner sees me on the street; and so I have the opportunity of indicating to him in person that we will visit on Friday. — From Baroness Bach in the afternoon, a bag with manuscripts and a letter, delivered by the caretaker of the house at Singerstraße 13, which belongs to the baron. In her letter, the baroness finally admits that her daughter has had some lessons; she was forced to this admission by the fact that the addresses of Prohaska and Stöhr were written on the first page and, in an even more decisive way, that there was also a four-voice fugue among the manuscripts, which as a form would be inaccessible to laymen who had not actually been taught it. Finally I ascertained that the baroness asked for a later date, in view of the fact that she will coming to Vienna for two weeks, but not until February 18. A first glimpse in the scores shows that the author has taken a path which, depending on the standpoint one takes, could be described as either hopeful or hopeless: not that the young lady is lacking a considerable feeling for music – she is strong enough to seek paths outwards, and to take them – but merely that, as is generally the sad case among the talents of today, even she lacks that power that alone is synonymous with musical will. For the right path, not even her instinct is mature, to say nothing of the impetus, the passion and the endurance to pursue the musical path. It is perhaps a pity about this giftedness, but it is apparently too small to come along the right path. Not a little may her milieu have even had an influence on her development; and measured against that, what has been achieved may be regarded as astonishing. The principal role is played by superimposed passing tones, neighbor notes, unresolved passing notes, tied notes, in short by little things that bless the composer from one place to another but do not make the totality the better for them. — — Brünauer, for the first time, allows a lesson lost on account of the holiday pass without "asking for a replacement." {581} I remind him of the 2 kilograms of cocoa. —© Translation William Drabkin. |
30. I. 17 -7°; starker Schneefall bei Wind.
— Von Halm (Br.OJ 11/35, 2): erklärt seinen Klaviersatz durch Klavierauszugsbedürfnisse; so wäre dann wieder auch noch ein zweiter Brief meinerseits nötig, um ihm erst begreiflich zu machen, daß man beim Klaviersatz nicht an einen Klavierauszug zu denken habe, wenn man einen Klaviersatz schreibt u. auch daß man übrigens auch selbst einen Klavierauszug so nicht setzen darf. H. trägt eine Suite u. noch ein anderes Werk an; u. durch einen Lapsus der Post findet sich im Couvert ein in Stuttgart aufgegebener, u. dort bereits mit Poststempel versehener Brief. Eben dieser Brief gibt mir Gelegenheit postwendend H. zu antworten: ich schicke das Briefchen zurück u. gebe ihm den Rat, sich einfach an die „U. E.“ zu wenden, Umfang u. Honorar zu nennen; meiner An- {580} sicht nach sei seine öffentliche Lehrstelle für den Verlag geradezu ausschlaggebend. — — Gärtner sieht mich auf der Straße u. so habe ich Gelegenheit, mündlich unseren Besuch für Freitag anzukündigen. — Von Baronin Bach am Nachmittag Tasche mit Manuscripten u. Brief. Die Ueberbringerin ist Hausbesorgerin des Hauses Singerstr. 13, das dem Baron gehört. Im Brief gesteht die Baronin endlich ein, daß die Tochter einigen Unterricht genommen habe; zu diesem Geständnis war sie schon dadurch genötigt, daß auf dem 1. Blatt die Adressen Prochaskas u. Stöhrs notiert waren u. in noch entscheidenderer Weise dadurch, daß sich unter den Manuscripten auch eine 4-stimmige Fuge findet, auf die den Laien als Form unzugänglich, wenn sie sie nicht eigens gelernt haben so ohneweiters verfallen. Endlich sei festgestellt, daß die Baronin sich ein späteres Datum erbat mit Rücksicht darauf, daß sie erst am 18. II. nach Wien für zwei Wochen kommt. Der erste Einblick in die Noten zeigt, daß die Autorin einen Weg geht, der je nach dem eingenommenen Standpunkt als hoffnungsvoll oder hoffnungslos zu bezeichnen ist: nicht etwa, daß es dem Fräulein an einer beträchtlichen musikalischen Empfindung fehlen würde – sie ist kräftig genug, sich Wege nach außen zu suchen u. zu bahnen –, nur daß es, wie bei den Talenten von heute allgemein , der traurige Fall ist, auch bei ihr an jener Kraft fehlt, die allein mit musikalischem Wollen gleichbedeutend ist. Für den rechten Weg ist nicht einmal noch der Instinkt reif, geschweige der Drang, die Lust, u. die Ausdauer, den musikalischen Weg zu beschreiten. Vielleicht ist es um diese Begabung schade, aber sie ist offenbar zu klein, um auf den rechten Weg zu kommen. Nicht wenig mag auch das Milieu Einfluß auf die Entwicklung gewonnen haben, u. daran gemessen ist das Geleistete beinahe erstaunlich zu nennen. Die Hauptrolle spielen draufgesetzte Durchgänge, Nebennoten, unaufgelöste Durchgänge, Synkopen, kurzum Nichtigkeiten, die von Stelle zu Stelle den Komponisten beglücken, aber das Ganze darum nicht besser machen. — — Brünauer läßt zum erstenmal eine wegen des Feiertags entfallende Stunde vor- {581} übergehen ohne „Bitte um Ersatz“. Ich erinnere ihn an die 2 kg Cacao. — © Transcription Marko Deisinger. |
January 30, 1917. -7°; heavy snowfall, and windy.
— LetterOJ 11/35, 2 from Halm : he explains his piano texture as the result of the requirement of a piano reduction; thus yet a second letter of mine is necessary, to make him understand that, when it comes to piano texture, one should not think about a piano reduction and that, moreover, even a piano reduction should not be composed in that way. Halm shows me a suite and yet another work; and owing to a mistake at the post office, the envelope contains a letter that was mailed from Stuttgart and had already been postmarked there. This very letter gives me occasion to reply to Halm by return of post: I return the letter and advise him simply to approach U. E. stating the extent of his work and his honorarium; {580} in my view, his official position should be absolutely crucial. — — Gärtner sees me on the street; and so I have the opportunity of indicating to him in person that we will visit on Friday. — From Baroness Bach in the afternoon, a bag with manuscripts and a letter, delivered by the caretaker of the house at Singerstraße 13, which belongs to the baron. In her letter, the baroness finally admits that her daughter has had some lessons; she was forced to this admission by the fact that the addresses of Prohaska and Stöhr were written on the first page and, in an even more decisive way, that there was also a four-voice fugue among the manuscripts, which as a form would be inaccessible to laymen who had not actually been taught it. Finally I ascertained that the baroness asked for a later date, in view of the fact that she will coming to Vienna for two weeks, but not until February 18. A first glimpse in the scores shows that the author has taken a path which, depending on the standpoint one takes, could be described as either hopeful or hopeless: not that the young lady is lacking a considerable feeling for music – she is strong enough to seek paths outwards, and to take them – but merely that, as is generally the sad case among the talents of today, even she lacks that power that alone is synonymous with musical will. For the right path, not even her instinct is mature, to say nothing of the impetus, the passion and the endurance to pursue the musical path. It is perhaps a pity about this giftedness, but it is apparently too small to come along the right path. Not a little may her milieu have even had an influence on her development; and measured against that, what has been achieved may be regarded as astonishing. The principal role is played by superimposed passing tones, neighbor notes, unresolved passing notes, tied notes, in short by little things that bless the composer from one place to another but do not make the totality the better for them. — — Brünauer, for the first time, allows a lesson lost on account of the holiday pass without "asking for a replacement." {581} I remind him of the 2 kilograms of cocoa. —© Translation William Drabkin. |