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31. I. 17 -5°, eine erste leichte Entspannung des Frostes.

— Von Dr. Türkel (Br.): bittet um meinen Besuch „so bald als möglich“. — Von Rothberger (Br.): dankt für meine Zeilen u. fragt, wann wir kommen. — Von Sophie: Packet [sic] per Post: 1 kg Schweinefett; der beiliegende Brief ist voll von Schmerzen über die bevorstehenden Uebersiedlungsschwierigkeiten, hauptsächlich aber über die Trennung von Hans. — An Sophie (K.): Lie-Liechen bestätigt den Empfang, bittet aber, condensierte Milch um den Preis von K. 4.90 nicht anzukaufen. — Unternehmungsgeist: Dieses Wort hat offenbar der Kaufmann erfunden u. in Anwendung gebracht, u. zw. lediglich in Beziehung auf seinen Beruf; dem Schaffenden aber wird dieser Begriff nicht zugebilligt. Wäre es nun so, daß man das Schaffen höher bewertet u. so hoch stellt, daß man ihm mit dem Worte Unternehmung oder Unternehmungsgeist nahe zu treten nahezutreten sich scheute, so wäre wohl alles in Ordnung, denn in der Tat paßt auf das Schaffen der Begriff einer Unternehmung so wenig, daß die Anwendung wirklich deplatziert wäre. Bedenkt man aber, daß die Hochschätzung des Schaffens anderseits gar nicht so weit geht, daß man es materiell auch entsprechend höher als den üblichen Unternehmungsgeist einschätzte, so begreift man, daß Begriff u. Wort Unternehmung blos eine diebische Finte der Kaufleute ist, mit der sie das von ihnen angeblich höher geschätzte geistige Schaffen schließlich doch tiefer als ihren Unternehmungsgeist einschätzen. Vom Verleger heißt es: „er unternehme etwas“, u. da wofür ihm ein ausgiebiger entsprechender Gewinn gesichert sein müsse. Nach dem Begriff dieser Unternehmer aber unternimmt angeblich der Autor aber dagegen gar nichts, – weshalb wünscht er dann, fragen sie, bezahlt zu werden? Viele Jahrhunderte werden noch vergehen, ehe es den geistig Schaffenden gelingen wird, den Unternehmenden beizubringen, daß auch die geistige Ware im letzten Sinne ebenso eine echte Ware Gottes sei, wie Getreide, Holz, Kohle, Mineralwasser {582} usw., die sonst Gegenstand ihrer Unternehmungen sind. — In einer Erwiderung unseres jungen Kaiser findet sich der Passus: „. . die Wissenschaften u. Künste unterstützen u. fördern“. 1 Auch darüber werden noch viele Jahrtausende vergehen, bis sich die Regierungen klarmachen werden, daß gerade umgekehrt doch nur die Wissenschaften durch die Völker u. Staaten gefördert u. gestützt werden. (Der gegenwärtige Weltkrieg legt dafür das beste Zeugnis ab!). — Es regnet nun von allen Seiten Telegrammadressen an Wilson ; unterdrückte Völker wenden sich an ihn um Hilfe! Sie ahnen nicht im entferntesten, daß von einem Vertreter der Krämerwelt überhaupt nichts kommen kann, geschweige Hilfe für unterdrückte Völker! Wilsons Rolle ist einfach genug die: , Nach englischem Verbrecherblut rezept will auch Amerika lieber andere für sich bluten lassen (im Kriege gegen Japan ), um auch bei dieser Gelegenheit vor allem die besten Geschäfte selbst zu machen.

© Transcription Marko Deisinger.

January 31, 1917. -5°, a first, modest respite from the frost.

— Letter from Dr. Türkel: he requests that I visit "as soon as possible." — Letter from Rothberger: he thanks me for my message and asks when we will come. — Package from Sophie, sent through the mail. 1 kilogram of pork fat; the enclosed letter is full of anguish about the imminent difficulties in moving, but primarily about her separation from Hans. — Postcard to Sophie: Lie-Liechen confirms the receipt, but asks her not to buy condensed milk if it costs as much as 4.90 Kronen. — Spirit of enterprise: this term has apparently been invented and used by businessmen, and indeed simply with reference to their own profession; it does not, however, apply to creative people. Now if it were true that one places creativity at such a high level that one must avoid offending it with the word ["]enterprise["] or ["]enterprising spirit,["] then that would surely be all right, for in fact the concept of an enterprise is so inappropriate that its application would truly be misplaced. But if one considers that creativity is not held in such esteem that it is valued correspondingly higher than ordinary enterprising spirit, then one can understand that the word and concept ["]enterprise["] is merely a thievish ruse of business people: the intellectual creativity, which they appear to value more highly, is something that they ultimately regard as of a lower order than their own spirit of enterprise. The publisher says that "he will undertake something," for which a more generously corresponding gain must be secured. But in relation to the term of these enterprising people, an author is evidently undertaking nothing – so why, they ask, does he wish to be paid? It will be many centuries before the intellectually creative people succeed in convincing the enterprising people that their intellectual products are, in the last analysis, just as genuinely a product of God as grain, wood, coal, mineral water, {582} and anything else that is otherwise the object of their enterprises. — A reply from our young emperor includes the words: "to support and promote the sciences and arts." 1 Even here, many millennia will pass before governments understand that, conversely, only the sciences should be promoted and supported by the people and states. (The present world war offers the best evidence of this!). — There now rains, from every direction, telegram messages to Wilson ; oppressed peoples turn to him for help! They haven't the least idea that nothing at all can come from a representative of the business world, to say nothing of help for oppressed peoples! Wilson's role is simply this: following the English criminal recipe, America, too, would rather have others bleed for it (in the war against Japan), so that on this occasion it can make the best business deals itself. —

© Translation William Drabkin.

31. I. 17 -5°, eine erste leichte Entspannung des Frostes.

— Von Dr. Türkel (Br.): bittet um meinen Besuch „so bald als möglich“. — Von Rothberger (Br.): dankt für meine Zeilen u. fragt, wann wir kommen. — Von Sophie: Packet [sic] per Post: 1 kg Schweinefett; der beiliegende Brief ist voll von Schmerzen über die bevorstehenden Uebersiedlungsschwierigkeiten, hauptsächlich aber über die Trennung von Hans. — An Sophie (K.): Lie-Liechen bestätigt den Empfang, bittet aber, condensierte Milch um den Preis von K. 4.90 nicht anzukaufen. — Unternehmungsgeist: Dieses Wort hat offenbar der Kaufmann erfunden u. in Anwendung gebracht, u. zw. lediglich in Beziehung auf seinen Beruf; dem Schaffenden aber wird dieser Begriff nicht zugebilligt. Wäre es nun so, daß man das Schaffen höher bewertet u. so hoch stellt, daß man ihm mit dem Worte Unternehmung oder Unternehmungsgeist nahe zu treten nahezutreten sich scheute, so wäre wohl alles in Ordnung, denn in der Tat paßt auf das Schaffen der Begriff einer Unternehmung so wenig, daß die Anwendung wirklich deplatziert wäre. Bedenkt man aber, daß die Hochschätzung des Schaffens anderseits gar nicht so weit geht, daß man es materiell auch entsprechend höher als den üblichen Unternehmungsgeist einschätzte, so begreift man, daß Begriff u. Wort Unternehmung blos eine diebische Finte der Kaufleute ist, mit der sie das von ihnen angeblich höher geschätzte geistige Schaffen schließlich doch tiefer als ihren Unternehmungsgeist einschätzen. Vom Verleger heißt es: „er unternehme etwas“, u. da wofür ihm ein ausgiebiger entsprechender Gewinn gesichert sein müsse. Nach dem Begriff dieser Unternehmer aber unternimmt angeblich der Autor aber dagegen gar nichts, – weshalb wünscht er dann, fragen sie, bezahlt zu werden? Viele Jahrhunderte werden noch vergehen, ehe es den geistig Schaffenden gelingen wird, den Unternehmenden beizubringen, daß auch die geistige Ware im letzten Sinne ebenso eine echte Ware Gottes sei, wie Getreide, Holz, Kohle, Mineralwasser {582} usw., die sonst Gegenstand ihrer Unternehmungen sind. — In einer Erwiderung unseres jungen Kaiser findet sich der Passus: „. . die Wissenschaften u. Künste unterstützen u. fördern“. 1 Auch darüber werden noch viele Jahrtausende vergehen, bis sich die Regierungen klarmachen werden, daß gerade umgekehrt doch nur die Wissenschaften durch die Völker u. Staaten gefördert u. gestützt werden. (Der gegenwärtige Weltkrieg legt dafür das beste Zeugnis ab!). — Es regnet nun von allen Seiten Telegrammadressen an Wilson ; unterdrückte Völker wenden sich an ihn um Hilfe! Sie ahnen nicht im entferntesten, daß von einem Vertreter der Krämerwelt überhaupt nichts kommen kann, geschweige Hilfe für unterdrückte Völker! Wilsons Rolle ist einfach genug die: , Nach englischem Verbrecherblut rezept will auch Amerika lieber andere für sich bluten lassen (im Kriege gegen Japan ), um auch bei dieser Gelegenheit vor allem die besten Geschäfte selbst zu machen.

© Transcription Marko Deisinger.

January 31, 1917. -5°, a first, modest respite from the frost.

— Letter from Dr. Türkel: he requests that I visit "as soon as possible." — Letter from Rothberger: he thanks me for my message and asks when we will come. — Package from Sophie, sent through the mail. 1 kilogram of pork fat; the enclosed letter is full of anguish about the imminent difficulties in moving, but primarily about her separation from Hans. — Postcard to Sophie: Lie-Liechen confirms the receipt, but asks her not to buy condensed milk if it costs as much as 4.90 Kronen. — Spirit of enterprise: this term has apparently been invented and used by businessmen, and indeed simply with reference to their own profession; it does not, however, apply to creative people. Now if it were true that one places creativity at such a high level that one must avoid offending it with the word ["]enterprise["] or ["]enterprising spirit,["] then that would surely be all right, for in fact the concept of an enterprise is so inappropriate that its application would truly be misplaced. But if one considers that creativity is not held in such esteem that it is valued correspondingly higher than ordinary enterprising spirit, then one can understand that the word and concept ["]enterprise["] is merely a thievish ruse of business people: the intellectual creativity, which they appear to value more highly, is something that they ultimately regard as of a lower order than their own spirit of enterprise. The publisher says that "he will undertake something," for which a more generously corresponding gain must be secured. But in relation to the term of these enterprising people, an author is evidently undertaking nothing – so why, they ask, does he wish to be paid? It will be many centuries before the intellectually creative people succeed in convincing the enterprising people that their intellectual products are, in the last analysis, just as genuinely a product of God as grain, wood, coal, mineral water, {582} and anything else that is otherwise the object of their enterprises. — A reply from our young emperor includes the words: "to support and promote the sciences and arts." 1 Even here, many millennia will pass before governments understand that, conversely, only the sciences should be promoted and supported by the people and states. (The present world war offers the best evidence of this!). — There now rains, from every direction, telegram messages to Wilson ; oppressed peoples turn to him for help! They haven't the least idea that nothing at all can come from a representative of the business world, to say nothing of help for oppressed peoples! Wilson's role is simply this: following the English criminal recipe, America, too, would rather have others bleed for it (in the war against Japan), so that on this occasion it can make the best business deals itself. —

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 "Kaiserworte," Neues Wiener Tagblatt, No. 28, January 30, 1917, 51st year, pp. 2-7.