30. VIII. 17
Schnee sehr tief herab, Neigung zu besserem Wetter zu erkennen. Vormittags ein Versuch, auf der Reither Straße einen Spaziergang zu machen, bald wieder aber verscheucht durch Nebel u. Regen u. wir müssen zurück. Außerdem drängt es Lie-Liechen zur Fertigstellung des Manuscriptes. Das Wetter bessert sich noch im Laufe des Vormittags. — An das Post-Zeitungsamt Wien (K.): ersuche ab 5. IX. die „Frankfurter-Ztg“ an die Wiener Adresse zu senden. — Das mechanische Gesetz von der Anziehung der Masse gilt nicht minder auch im Psychischen: Ist die innere Kohäsion der Seele nur zu schwach entwickelt u. ihr Zentrum sozusagen gar zu klein oder überhaupt noch nicht vorhanden, so zieht in d erie Außenwelt bald etwas eine solche Psyche an sich, da es ihr sie dieser gegenüber als größere Masse wirkt. Deshalb laufen Männer u. Frauen aus ihren Zimmern fort, um einer Person oder einem Gegenstand aus der Umwelt zu erliegen, u. sei der Gegenstand auch so geringfügig, ein Gebrauchs- oder Genußgegenstand. Vor unseren Augen sehen wir ein leibhaftiges Beispiel dafür in einem nunmehr 54 jährigen Manne von Stand u. Rang, der absolut nicht zur Ruhe kommen kann an demselben Ort. Und wWährend z. B. ein Ganghofer genug Zentrum hat, um in Ehrwald sitzen zu bleiben, treibt es umgekehrt Weilen, aller Hindernisse des Wetters, des langen Weges, der u. sonstige nr ungünstige nr Verhältnisse zu überwinden spotten u. dennoch den Weg zu jenem zu suchen! — Bei sehr schönem Wetter ½5–¾7h nach Reith. Auf den Kalkkögeln liegt noch immer Schnee. Auf der Straße sehen wir, wie eine Henne sich zwischen den Beinen einer Kuh sich zu schaffen macht Insekten wegzupicken. — Zur Aussprache der Bauern: Sie dehnen die Vokale teils, weil die Schwierigkeiten der freien Luft eine Verstärkung des {758} Schalles erheischt, teils aber auch weil sie der Wirkung eine sr Uunterstreich ensen der Rede nicht entbehren wollen, hierfür aber sonst keine anderen geistigen Mittel zur Verfügung haben, daher z. B. für „ja“ ein blos gedehntes „Jao“ oder „Jau“ oder „Die † nst“, worin durch Dehnung auch das e † des bei i † aufs Deutlichste zum Ausdruck gelangt. — Lie-Liechen beendet 10½h das Manuscript von II2 , so daß sie auf dem letzten Blatte signieren konnte: An Lie-Liechens Geburtstag! —© Transcription Marko Deisinger. |
August 30, 1917.
Snow very far down; a tendency towards better weather can be sensed. A morning attempt to take a walk along the road to Reith is, however, again soon abandoned on account of mist and rain. In addition, Lie-Liechen is keen to complete the manuscript. The weather improves even in the course of the morning. — Postcard to the newspaper post office in Vienna: I request that the Frankfurter Zeitung be sent to my address in Vienna as of September 5. — The mechanical law of gravitational pull applies no less in the psychic realm: if the inner cohesion of the soul is too weakly developed, and its center is, so to speak, far too small or does not exist at all, then the external world will soon attract such a psyche to itself, since it acts as a relatively greater mass. For this reason, men and women run out of their rooms to succumb to a person or an object from their environment, even if the object is so trifling, for instance an object of utility or pleasure. We see a veritable example of this in front of our eyes, in the form of a 54-year-old man of status and distinction, who is absolutely unable to find peace in one place. Whereas, for example, a Ganghofer has enough focus to remain in Ehrwald, Weilen by contrast, scoffs at every impediment – of the weather, the long journey, or some other unfavorable circumstance – and makes his way to that man! — In very fine weather, from 4:30 to 6:45 to Reith. Snow still lies on the Kalkkögel. On the road we see how a hen busies herself between the legs of a cow, picking insects off it. — On the pronunciation of farmers: they extend their vowels, partly because the difficulty [of speaking] in the open air demands a strengthening of resonance, {758} but also in part because they do not wish to forgo the effect of an emphasized speech but have no other intellectual means at their disposal. Thus, for example, instead of ja, a merely expanded jao or jau; or Die † nst, in which the expanded e † after i † receives it clearest expression. — At 10:30, Lie-Liechen completes the manuscript of Counterpoint 2 , so that she is able to sign the last page: "[finished] on Lie-Liechen's birthday! —© Translation William Drabkin. |
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Schnee sehr tief herab, Neigung zu besserem Wetter zu erkennen. Vormittags ein Versuch, auf der Reither Straße einen Spaziergang zu machen, bald wieder aber verscheucht durch Nebel u. Regen u. wir müssen zurück. Außerdem drängt es Lie-Liechen zur Fertigstellung des Manuscriptes. Das Wetter bessert sich noch im Laufe des Vormittags. — An das Post-Zeitungsamt Wien (K.): ersuche ab 5. IX. die „Frankfurter-Ztg“ an die Wiener Adresse zu senden. — Das mechanische Gesetz von der Anziehung der Masse gilt nicht minder auch im Psychischen: Ist die innere Kohäsion der Seele nur zu schwach entwickelt u. ihr Zentrum sozusagen gar zu klein oder überhaupt noch nicht vorhanden, so zieht in d erie Außenwelt bald etwas eine solche Psyche an sich, da es ihr sie dieser gegenüber als größere Masse wirkt. Deshalb laufen Männer u. Frauen aus ihren Zimmern fort, um einer Person oder einem Gegenstand aus der Umwelt zu erliegen, u. sei der Gegenstand auch so geringfügig, ein Gebrauchs- oder Genußgegenstand. Vor unseren Augen sehen wir ein leibhaftiges Beispiel dafür in einem nunmehr 54 jährigen Manne von Stand u. Rang, der absolut nicht zur Ruhe kommen kann an demselben Ort. Und wWährend z. B. ein Ganghofer genug Zentrum hat, um in Ehrwald sitzen zu bleiben, treibt es umgekehrt Weilen, aller Hindernisse des Wetters, des langen Weges, der u. sonstige nr ungünstige nr Verhältnisse zu überwinden spotten u. dennoch den Weg zu jenem zu suchen! — Bei sehr schönem Wetter ½5–¾7h nach Reith. Auf den Kalkkögeln liegt noch immer Schnee. Auf der Straße sehen wir, wie eine Henne sich zwischen den Beinen einer Kuh sich zu schaffen macht Insekten wegzupicken. — Zur Aussprache der Bauern: Sie dehnen die Vokale teils, weil die Schwierigkeiten der freien Luft eine Verstärkung des {758} Schalles erheischt, teils aber auch weil sie der Wirkung eine sr Uunterstreich ensen der Rede nicht entbehren wollen, hierfür aber sonst keine anderen geistigen Mittel zur Verfügung haben, daher z. B. für „ja“ ein blos gedehntes „Jao“ oder „Jau“ oder „Die † nst“, worin durch Dehnung auch das e † des bei i † aufs Deutlichste zum Ausdruck gelangt. — Lie-Liechen beendet 10½h das Manuscript von II2 , so daß sie auf dem letzten Blatte signieren konnte: An Lie-Liechens Geburtstag! —© Transcription Marko Deisinger. |
August 30, 1917.
Snow very far down; a tendency towards better weather can be sensed. A morning attempt to take a walk along the road to Reith is, however, again soon abandoned on account of mist and rain. In addition, Lie-Liechen is keen to complete the manuscript. The weather improves even in the course of the morning. — Postcard to the newspaper post office in Vienna: I request that the Frankfurter Zeitung be sent to my address in Vienna as of September 5. — The mechanical law of gravitational pull applies no less in the psychic realm: if the inner cohesion of the soul is too weakly developed, and its center is, so to speak, far too small or does not exist at all, then the external world will soon attract such a psyche to itself, since it acts as a relatively greater mass. For this reason, men and women run out of their rooms to succumb to a person or an object from their environment, even if the object is so trifling, for instance an object of utility or pleasure. We see a veritable example of this in front of our eyes, in the form of a 54-year-old man of status and distinction, who is absolutely unable to find peace in one place. Whereas, for example, a Ganghofer has enough focus to remain in Ehrwald, Weilen by contrast, scoffs at every impediment – of the weather, the long journey, or some other unfavorable circumstance – and makes his way to that man! — In very fine weather, from 4:30 to 6:45 to Reith. Snow still lies on the Kalkkögel. On the road we see how a hen busies herself between the legs of a cow, picking insects off it. — On the pronunciation of farmers: they extend their vowels, partly because the difficulty [of speaking] in the open air demands a strengthening of resonance, {758} but also in part because they do not wish to forgo the effect of an emphasized speech but have no other intellectual means at their disposal. Thus, for example, instead of ja, a merely expanded jao or jau; or Die † nst, in which the expanded e † after i † receives it clearest expression. — At 10:30, Lie-Liechen completes the manuscript of Counterpoint 2 , so that she is able to sign the last page: "[finished] on Lie-Liechen's birthday! —© Translation William Drabkin. |
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