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Cube überrascht mich mit der Mitteilung von einer Drohung des Vaters, die Geldsendung abzubrechen. Zu diesem Thema sprechen wir ¾ Stunden u. ich gewinne immer mehr den Eindruck, als würde der Vater, vielleicht gegenwärtig wirklich nicht zum Besten ausgerüstet, ein herzlos gewalttätiges Spiel mit seinem Sohne treiben! Bestätigt wurde mir dieser Eindruck zuletzt, als mir der Junge 6 – 8 Bilder vom Vater u. seiner Braut zeigte: der Sohn muß Platz machen für die junge Frau. Auch muß ich Verdacht schöpfen, daß der Vater meine Schätzung des jugendlichen Talentes mißbrauchen u. einen Frei-Unterricht erzwingen will. Diesen lehne ich bestimmt ab unter dem Hinweis darauf, daß schließlich damit auch noch nichts gewonnen wäre. Sodann führte ich aus, daß in dem vom Vater befohlenen Tempo 4 – 5 Schüler sich nicht finden lassen, eine Existenz nicht aufgebaut werden kann; es hätte denn der Sohn {2884} das Recht dem Vater zu entgegnen: zeige du die Kunst u. verschaffe dir Bauaufträge! Sodann wurde die größere Kreditfähigkeit des Vaters erörtert u. dgl. Der Junge will an mehrere Verwandte appellieren, die in sehr guten Verhältnissen leben. Ich fürchte, daß der Junge heimkehrt u. vom Vater zu einem Berufswechsel genötigt wird. 1 2 Nach der Jause bei Kern: holen sämtliche Kataloge von Peters, der U.E. usw., um die Preise der Sonaten in Bänden u. Einzelheften festzustellen. — An Schmidt (Br.): gebe nach meinem Ableben das Stipendium in die Obhut der Akademie zur völlig unbeschränkten Verfügung. 3 — An d’Ora (K.): Lie-Liechen bestellt zwei kleine Reproduktionen eines Bildes. — Brünauer erwidert nach wie vor seine Begeisterung für Bach oder meine Lehrkunst vor allem mit eitler sachfremder Selbstbespiegelung! Würde er die Sache noch besser verstehen, als er sie wirklich versteht, er könnte gar nicht anders, als mehr von der Sache statt von sich entzückt sein – um wie viel schöner ist eine geniale Sache, als er selbst. Das leidige Vorschieben des eigenen Wesens, das in jeder Stunde mehrmaliger Bestätigung bedarf, diese Unart des Geistes u. des Herzens ist es, die ihn hindert, jenen heiligen Besitz von der Sache zu ergreifen, dessen er schließlich fähig wäre. Dieser Mensch steht sich selbst u. seinem höchsten Glück entgegen, er stolpert über sich selbst. Ich gedenke ihn auf zehn Stücke festzulegen u. das Möglichste an Sachliebe herauszuholen, die ihm helfen könnte, die Selbstliebe zum Teufel zu jagen. — Abends an den beiden Mazurken für Frau Pairamall. —

© Transcription Marko Deisinger.

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Cube surprises me with the news of a threat from his father to cease sending him money. We speak on this subject for three-quarters of an hour, and I gain an ever clearer impression that his father, who is perhaps not in the best [financial] circumstances at present, is playing a heartlessly cruel game with his son! This impression is, finally, confirmed when the youth shows me six to eight pictures of his father and his bride: the son must make way for the young wife. I also harbor the suspicion that the father is misusing my appraisal of his child’s talent and wishes to force me to teach him for nothing. This I categorically refuse on the grounds that, in the end, nothing would be gained. Then I explain that, at the tempo at which his father demands [me to stop the lessons], four to five pupils could not be found, [and] I could not earn a living; the son would then have {2884} the right to counter his father: “You show [your skill in] art by obtaining some building contracts! Then the greater credit-worthiness of the father would be revealed… . The youth intends to make an appeal to several relatives who are very well off. I fear that the youth will return home and be compelled by his father to change his occupation. 1 2 After teatime, at Kern’s: we collect the complete catalogues of Peters, UE etc., in order to determine the price of the sonatas collected in volumes and issued individually. — To Schmidt (letter): after my death, I shall place the stipend in the care of the Academy, to be used without any restriction whatever. 3 — To d’Ora (postcard): Lie-Liechen orders two small reproductions of a photograph. — Brünauer confirms, as ever, his enthusiasm for Bach or my teaching skills, above all with vain self-contemplation of his own ego, which has nothing to do with the matter! If he understood what is at stake better than he really understands it, he could not do otherwise than to be delighted more by it than by himself: a thing of genius is so much more beautiful than oneself. This sorrowful promotion of his own being, which required repeated confirmation during every lesson, this misconduct of the intellect and the heart is the very thing that prevents him from gaining the sacred possession of the matter, of which he would in the end be capable. This person stands between himself and his greatest happiness: he stumbles over himself. I intend to prescribe him ten pieces, and to bring out as much love for the matter as possible, which could help him to rid himself of his vanity. — In the evening, I work on the two mazurkas for Mrs. Pairamall.

© Translation William Drabkin.

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Cube überrascht mich mit der Mitteilung von einer Drohung des Vaters, die Geldsendung abzubrechen. Zu diesem Thema sprechen wir ¾ Stunden u. ich gewinne immer mehr den Eindruck, als würde der Vater, vielleicht gegenwärtig wirklich nicht zum Besten ausgerüstet, ein herzlos gewalttätiges Spiel mit seinem Sohne treiben! Bestätigt wurde mir dieser Eindruck zuletzt, als mir der Junge 6 – 8 Bilder vom Vater u. seiner Braut zeigte: der Sohn muß Platz machen für die junge Frau. Auch muß ich Verdacht schöpfen, daß der Vater meine Schätzung des jugendlichen Talentes mißbrauchen u. einen Frei-Unterricht erzwingen will. Diesen lehne ich bestimmt ab unter dem Hinweis darauf, daß schließlich damit auch noch nichts gewonnen wäre. Sodann führte ich aus, daß in dem vom Vater befohlenen Tempo 4 – 5 Schüler sich nicht finden lassen, eine Existenz nicht aufgebaut werden kann; es hätte denn der Sohn {2884} das Recht dem Vater zu entgegnen: zeige du die Kunst u. verschaffe dir Bauaufträge! Sodann wurde die größere Kreditfähigkeit des Vaters erörtert u. dgl. Der Junge will an mehrere Verwandte appellieren, die in sehr guten Verhältnissen leben. Ich fürchte, daß der Junge heimkehrt u. vom Vater zu einem Berufswechsel genötigt wird. 1 2 Nach der Jause bei Kern: holen sämtliche Kataloge von Peters, der U.E. usw., um die Preise der Sonaten in Bänden u. Einzelheften festzustellen. — An Schmidt (Br.): gebe nach meinem Ableben das Stipendium in die Obhut der Akademie zur völlig unbeschränkten Verfügung. 3 — An d’Ora (K.): Lie-Liechen bestellt zwei kleine Reproduktionen eines Bildes. — Brünauer erwidert nach wie vor seine Begeisterung für Bach oder meine Lehrkunst vor allem mit eitler sachfremder Selbstbespiegelung! Würde er die Sache noch besser verstehen, als er sie wirklich versteht, er könnte gar nicht anders, als mehr von der Sache statt von sich entzückt sein – um wie viel schöner ist eine geniale Sache, als er selbst. Das leidige Vorschieben des eigenen Wesens, das in jeder Stunde mehrmaliger Bestätigung bedarf, diese Unart des Geistes u. des Herzens ist es, die ihn hindert, jenen heiligen Besitz von der Sache zu ergreifen, dessen er schließlich fähig wäre. Dieser Mensch steht sich selbst u. seinem höchsten Glück entgegen, er stolpert über sich selbst. Ich gedenke ihn auf zehn Stücke festzulegen u. das Möglichste an Sachliebe herauszuholen, die ihm helfen könnte, die Selbstliebe zum Teufel zu jagen. — Abends an den beiden Mazurken für Frau Pairamall. —

© Transcription Marko Deisinger.

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Cube surprises me with the news of a threat from his father to cease sending him money. We speak on this subject for three-quarters of an hour, and I gain an ever clearer impression that his father, who is perhaps not in the best [financial] circumstances at present, is playing a heartlessly cruel game with his son! This impression is, finally, confirmed when the youth shows me six to eight pictures of his father and his bride: the son must make way for the young wife. I also harbor the suspicion that the father is misusing my appraisal of his child’s talent and wishes to force me to teach him for nothing. This I categorically refuse on the grounds that, in the end, nothing would be gained. Then I explain that, at the tempo at which his father demands [me to stop the lessons], four to five pupils could not be found, [and] I could not earn a living; the son would then have {2884} the right to counter his father: “You show [your skill in] art by obtaining some building contracts! Then the greater credit-worthiness of the father would be revealed… . The youth intends to make an appeal to several relatives who are very well off. I fear that the youth will return home and be compelled by his father to change his occupation. 1 2 After teatime, at Kern’s: we collect the complete catalogues of Peters, UE etc., in order to determine the price of the sonatas collected in volumes and issued individually. — To Schmidt (letter): after my death, I shall place the stipend in the care of the Academy, to be used without any restriction whatever. 3 — To d’Ora (postcard): Lie-Liechen orders two small reproductions of a photograph. — Brünauer confirms, as ever, his enthusiasm for Bach or my teaching skills, above all with vain self-contemplation of his own ego, which has nothing to do with the matter! If he understood what is at stake better than he really understands it, he could not do otherwise than to be delighted more by it than by himself: a thing of genius is so much more beautiful than oneself. This sorrowful promotion of his own being, which required repeated confirmation during every lesson, this misconduct of the intellect and the heart is the very thing that prevents him from gaining the sacred possession of the matter, of which he would in the end be capable. This person stands between himself and his greatest happiness: he stumbles over himself. I intend to prescribe him ten pieces, and to bring out as much love for the matter as possible, which could help him to rid himself of his vanity. — In the evening, I work on the two mazurkas for Mrs. Pairamall.

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Gustav von Cube’s reluctance to pay for his son’s lessons was to be come a source of considerable irritation for Schenker during the season. As late as August 1926 he was writing to him, demanding money for lessons not paid for. His fears about Felix proved well-founded. The son was obliged to return home to Duisburg early in 1926, after a little more than two years’ tuition with Schenker.

2 Jeanette enters an emdash, then continues writing without paragraph-break

3 Litigation over the bequest by Sofie Deutsch at her death in 1917 for the award by Schenker of two stipends a year for "impecunious skilled composers and similarly qualified composition pupils," which the Akademie had challenged.