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24. Schön.

— An Oppel (K.): werde das Datum bekannt geben. — An Brünauer (K.): erbitte den Preis der beiden Stücke für v. Hoboken. — An Weisse (K.): Dank für die Mitteilung der offenen Oktaven in II2; Haba 1 werde ich durch v. Hoboken erreichen. — Von Schellhammer den Lotteriegewinn: 75 S.!! — Warenumsatzsteuer erlegt. — Nach der Jause Einkäufe. — Lie-Liechen bereitet den Abendtisch vor – von ½8–½1h Vrieslander, ich mache erst Schluß {3273} auf ein Klopfen der Nachbarn. — Vrieslander klagt über Hobokens Zurückhaltung in Musik- u. Geldsachen; er kann sich diese nur mit Neid in Bezug auf die Musik, mit Schmutz inbezug auf Geld erklären. Die einfache Erklärung liegt ihm fern, weil sie zu nahe liegt: Musikalisch ist v. H., sein früherer Lehrer u. Berater, weit über ihn hinausgewachsen, 2 nicht etwa so weit, daß er ohne mich bestehen könnte, wohl aber weil er schon sehr viel Stoff zu sich genommen u. sich überzeugt hat, daß die früheren Ratschläge durchaus nicht auf Richtigkeit beruhen, z. B. die Anweisung zu Schwergewichtstudien, das viele Uebungsspiel überhaupt; alles was die Urlinie u. strenge Stimmführungsstudien betrifft, ist v. H. heute vertrauter als V. Unbegreiflich erscheint V. s Widerstand gegen die Urlinie. 3

—Was die Geldfrage anlangt, so scheint mir V. auch in dieser Sache einen unglücklichen Standpunkt einzunehmen: kein Zweifel, daß er die Rente behalten möchte – wer wollte das nicht? – wo ist aber der reiche Mann, der eine Rente gern zahlt? Der Reiche besteht auf einem Preis dafür – Vr. möchte die Psychologie des Reichen auf den Kopf stellen u. von H. verlangen, daß er die Rente mit Ueberzeugung bezahle, aus Freundschaft u. nicht um einen Preis. Wenn es aber ein Preis sein müßte, so erschienen ihm seine Arrangementes der Haydn-Sinfonien hinreichend dafür! Das ist freilich ein Irrtum. Um H. s Schmutz zu entrinnen trumpft V. mit der Aufwertung seiner Arrangements so auf, daß sich H. eigentlich entrüsten müßte über die Zumutung, für dieses Leistung eine Lebensrente zusichern zu sollen. 4

—Hier nun S spielt Vr. g der gewisse Größenwahn einen Streich, der den Weg zu ihm genau so erschwert, wie ihm selbst zu anderen. So ist mir schon längst unmöglich, mit ihm über Musik anders zu spre- {3274} chen als so, daß ich meine Meinung vortrage, ohne mich um die seine zu bekümmern, die sich ja zunächst entgegengesetzt äußern würde. Deshalb lehnt ja auch H. ab, mit ihm über Musik zu sprechen, er würde nur Entge[genge]setztes zu hören bekommen ohne jede Hoffnung, Vr. zu überzeugen. Um nun Beleidigungen zu vermeiden, bleibt wirklich nichts übrig, als zu schweigen – was Vr. aber falsch auslegt. Bei aller Betonung seiner Vorzüge, die unzweifelhaft gegeben sind, – der Widerspruch zwischen ihnen u. den Forderungen, die er an die Welt stellt, ist ganz ungeheuerlich. Sonderbar auch, daß er vergißt, was er so oft schon geschrieben, nämlich: daß meine Arbeiten gewissermaßen keinen Fortsetzer u. Nachfolger zulassen, daß jedes Sich-recken auch im edelsten Trieb sachlich unzutreffend sein müßte. Und doch läßt er sich immer wieder zu einer nicht zu deutenden Haltung hinreißen. Von Hoboken will er die Rente als Akt der Freundschaft u. Güte, aber der Stolz u. Größenwahn in ihm duldet nicht, daß es so heiße; plötzlich schiebt er seinen Wert vor u. wünscht, daß die Rente als angemessene Gegenleistung für Gebotenes gezahlt werde! — Ich zeige ihm das Geheimnis der „Sommernachtstraum-Ouvertüre“, das Quartmotiv, das in der „Eroica“, die Nebennote, u. mache wieder einen Versuch mit Brahms: unter dem Vorwand, ihm eine Urlinie zu zeigen, schmuggle ich das Stück ein u. hole mir die Antwort „ . . da kann ich nicht mit“!! Eine Frage aus op. 110, Scherzo-Trio legt er mir vor, dann fragt er nach der Urlinie in op. 79, letzter Satz (für eine Schülerin). Bei Tisch skizziere ich diese Linie auf einem Blättchen, das Vr. einsteckt.

© Transcription Marko Deisinger.

24, fair weather.

— To Oppel (postcard): I shall let him know the date. — To Brünauer (postcard): I ask the price of the two pieces for Hoboken. — To Weisse (postcard): thanks for telling me about the consecutive octaves in the second volume of Kontrapunkt ; I shall get hold of [the book by] Hába via Hoboken. 1 — From Schellhammer, the lottery win: 75 shillings!! — Sales tax paid. — After teatime, shopping. — Lie-Liechen prepares dinner – from 7:30 until half past midnight, Vrieslander: I stop only {3273} when the neighbors knock. — Vrieslander complains about Hoboken's aloofness in matters of music and money; he can only explain this as envy where music is concerned, as stinginess where money is concerned. The simple explanation is too difficult because it is too obvious. Musically Hoboken, his earlier teacher and adviser, has far surpassed him 2 – not by so much that he can survive without me, but surely because he has already absorbed a great deal of material and has convinced himself that the earlier advice was not by any means based on correct foundations, e.g. the assignments in accentuation and the practice of exercises in general; as far as the Urlinie and exercises in strict counterpoint are concerned, Hoboken is today more confident then Vrieslander. Vrieslander's opposition to the Urlinie is incomprehensible. 3

As far as money matters are concerned, Vrieslander seems to have arrived here, too, in an unfavorable position: no doubt, he would like to keep his annuity – who would not? – but where is the wealthy man who would gladly pay the annuity? The rich man demands a price for it – Vrieslander would like to turn the rich man's psychology on its head and demand that Hoboken pays his annuity on principle, out of friendship and not in return for something. If a price has to be paid, his arrangements of the Haydn symphonies seemed sufficient to him! That is clearly a mistake. To escape Hoboken's avarice, Vrieslander trumpets the value of his his arrangements so loudly that Hoboken could in fact only become indignant about being expected to offer a life's annuity for this achievement. 4

Now here a certain megalomania plays a trick on Vrieslander, impeding access to him and also between himself and others. Thus it has for a long time been impossible for me to speak about music with him {3274} except by expressing my opinion without being concerned about his, which would, for the most part, surely be expressed in opposition to me. For this reason, even Hoboken declines to speak with him about music; he would hear only an opposed point of view, without any hope of persuading Vrieslander [to change his mind]. And now, to avoid an exchange of insults, there remains nothing more to do than to keep silent – something which, however, Vrieslander takes amiss. In spite emphasizing his good qualities, which undoubtedly are present, the contradiction between them and the demands that he places upon the world are utterly contemptible. It is also extraordinary that he forgets what he has so often written, namely that my works in a certain sense do not admit any person to continue or succeed me, that every elaboration – even the noblest effort – would have to be objectively improper. And yet he is always letting himself be fooled into taking an inexplicable stance. He wants an annuity from Hoboken as an act of friendship and kindness; but his pride and megalomania make it impossible for this to be the case; suddenly he pushes his importance to the fore, and requests that the annuity be paid as a commensurate reward for services rendered! — I show him the secret of the Overture to A Midsummer Night's Dream – the motive of a fourth; that of the "Eroica" – the neighbor note; and I again make an attempt with Brahms: under the pretext of showing him an Urlinie, I sneak in the piece and receive for an answer: "…I cannot deal with that"!! He asks me a question about the Scherzo and Trio of Op. 110, then he asks me about the Urlinie in the last movement of Op. 79 (for a pupil). At dinner, I sketch this line on a scrap of paper, which Vrieslander pockets.

© Translation William Drabkin.

24. Schön.

— An Oppel (K.): werde das Datum bekannt geben. — An Brünauer (K.): erbitte den Preis der beiden Stücke für v. Hoboken. — An Weisse (K.): Dank für die Mitteilung der offenen Oktaven in II2; Haba 1 werde ich durch v. Hoboken erreichen. — Von Schellhammer den Lotteriegewinn: 75 S.!! — Warenumsatzsteuer erlegt. — Nach der Jause Einkäufe. — Lie-Liechen bereitet den Abendtisch vor – von ½8–½1h Vrieslander, ich mache erst Schluß {3273} auf ein Klopfen der Nachbarn. — Vrieslander klagt über Hobokens Zurückhaltung in Musik- u. Geldsachen; er kann sich diese nur mit Neid in Bezug auf die Musik, mit Schmutz inbezug auf Geld erklären. Die einfache Erklärung liegt ihm fern, weil sie zu nahe liegt: Musikalisch ist v. H., sein früherer Lehrer u. Berater, weit über ihn hinausgewachsen, 2 nicht etwa so weit, daß er ohne mich bestehen könnte, wohl aber weil er schon sehr viel Stoff zu sich genommen u. sich überzeugt hat, daß die früheren Ratschläge durchaus nicht auf Richtigkeit beruhen, z. B. die Anweisung zu Schwergewichtstudien, das viele Uebungsspiel überhaupt; alles was die Urlinie u. strenge Stimmführungsstudien betrifft, ist v. H. heute vertrauter als V. Unbegreiflich erscheint V. s Widerstand gegen die Urlinie. 3

—Was die Geldfrage anlangt, so scheint mir V. auch in dieser Sache einen unglücklichen Standpunkt einzunehmen: kein Zweifel, daß er die Rente behalten möchte – wer wollte das nicht? – wo ist aber der reiche Mann, der eine Rente gern zahlt? Der Reiche besteht auf einem Preis dafür – Vr. möchte die Psychologie des Reichen auf den Kopf stellen u. von H. verlangen, daß er die Rente mit Ueberzeugung bezahle, aus Freundschaft u. nicht um einen Preis. Wenn es aber ein Preis sein müßte, so erschienen ihm seine Arrangementes der Haydn-Sinfonien hinreichend dafür! Das ist freilich ein Irrtum. Um H. s Schmutz zu entrinnen trumpft V. mit der Aufwertung seiner Arrangements so auf, daß sich H. eigentlich entrüsten müßte über die Zumutung, für dieses Leistung eine Lebensrente zusichern zu sollen. 4

—Hier nun S spielt Vr. g der gewisse Größenwahn einen Streich, der den Weg zu ihm genau so erschwert, wie ihm selbst zu anderen. So ist mir schon längst unmöglich, mit ihm über Musik anders zu spre- {3274} chen als so, daß ich meine Meinung vortrage, ohne mich um die seine zu bekümmern, die sich ja zunächst entgegengesetzt äußern würde. Deshalb lehnt ja auch H. ab, mit ihm über Musik zu sprechen, er würde nur Entge[genge]setztes zu hören bekommen ohne jede Hoffnung, Vr. zu überzeugen. Um nun Beleidigungen zu vermeiden, bleibt wirklich nichts übrig, als zu schweigen – was Vr. aber falsch auslegt. Bei aller Betonung seiner Vorzüge, die unzweifelhaft gegeben sind, – der Widerspruch zwischen ihnen u. den Forderungen, die er an die Welt stellt, ist ganz ungeheuerlich. Sonderbar auch, daß er vergißt, was er so oft schon geschrieben, nämlich: daß meine Arbeiten gewissermaßen keinen Fortsetzer u. Nachfolger zulassen, daß jedes Sich-recken auch im edelsten Trieb sachlich unzutreffend sein müßte. Und doch läßt er sich immer wieder zu einer nicht zu deutenden Haltung hinreißen. Von Hoboken will er die Rente als Akt der Freundschaft u. Güte, aber der Stolz u. Größenwahn in ihm duldet nicht, daß es so heiße; plötzlich schiebt er seinen Wert vor u. wünscht, daß die Rente als angemessene Gegenleistung für Gebotenes gezahlt werde! — Ich zeige ihm das Geheimnis der „Sommernachtstraum-Ouvertüre“, das Quartmotiv, das in der „Eroica“, die Nebennote, u. mache wieder einen Versuch mit Brahms: unter dem Vorwand, ihm eine Urlinie zu zeigen, schmuggle ich das Stück ein u. hole mir die Antwort „ . . da kann ich nicht mit“!! Eine Frage aus op. 110, Scherzo-Trio legt er mir vor, dann fragt er nach der Urlinie in op. 79, letzter Satz (für eine Schülerin). Bei Tisch skizziere ich diese Linie auf einem Blättchen, das Vr. einsteckt.

© Transcription Marko Deisinger.

24, fair weather.

— To Oppel (postcard): I shall let him know the date. — To Brünauer (postcard): I ask the price of the two pieces for Hoboken. — To Weisse (postcard): thanks for telling me about the consecutive octaves in the second volume of Kontrapunkt ; I shall get hold of [the book by] Hába via Hoboken. 1 — From Schellhammer, the lottery win: 75 shillings!! — Sales tax paid. — After teatime, shopping. — Lie-Liechen prepares dinner – from 7:30 until half past midnight, Vrieslander: I stop only {3273} when the neighbors knock. — Vrieslander complains about Hoboken's aloofness in matters of music and money; he can only explain this as envy where music is concerned, as stinginess where money is concerned. The simple explanation is too difficult because it is too obvious. Musically Hoboken, his earlier teacher and adviser, has far surpassed him 2 – not by so much that he can survive without me, but surely because he has already absorbed a great deal of material and has convinced himself that the earlier advice was not by any means based on correct foundations, e.g. the assignments in accentuation and the practice of exercises in general; as far as the Urlinie and exercises in strict counterpoint are concerned, Hoboken is today more confident then Vrieslander. Vrieslander's opposition to the Urlinie is incomprehensible. 3

As far as money matters are concerned, Vrieslander seems to have arrived here, too, in an unfavorable position: no doubt, he would like to keep his annuity – who would not? – but where is the wealthy man who would gladly pay the annuity? The rich man demands a price for it – Vrieslander would like to turn the rich man's psychology on its head and demand that Hoboken pays his annuity on principle, out of friendship and not in return for something. If a price has to be paid, his arrangements of the Haydn symphonies seemed sufficient to him! That is clearly a mistake. To escape Hoboken's avarice, Vrieslander trumpets the value of his his arrangements so loudly that Hoboken could in fact only become indignant about being expected to offer a life's annuity for this achievement. 4

Now here a certain megalomania plays a trick on Vrieslander, impeding access to him and also between himself and others. Thus it has for a long time been impossible for me to speak about music with him {3274} except by expressing my opinion without being concerned about his, which would, for the most part, surely be expressed in opposition to me. For this reason, even Hoboken declines to speak with him about music; he would hear only an opposed point of view, without any hope of persuading Vrieslander [to change his mind]. And now, to avoid an exchange of insults, there remains nothing more to do than to keep silent – something which, however, Vrieslander takes amiss. In spite emphasizing his good qualities, which undoubtedly are present, the contradiction between them and the demands that he places upon the world are utterly contemptible. It is also extraordinary that he forgets what he has so often written, namely that my works in a certain sense do not admit any person to continue or succeed me, that every elaboration – even the noblest effort – would have to be objectively improper. And yet he is always letting himself be fooled into taking an inexplicable stance. He wants an annuity from Hoboken as an act of friendship and kindness; but his pride and megalomania make it impossible for this to be the case; suddenly he pushes his importance to the fore, and requests that the annuity be paid as a commensurate reward for services rendered! — I show him the secret of the Overture to A Midsummer Night's Dream – the motive of a fourth; that of the "Eroica" – the neighbor note; and I again make an attempt with Brahms: under the pretext of showing him an Urlinie, I sneak in the piece and receive for an answer: "…I cannot deal with that"!! He asks me a question about the Scherzo and Trio of Op. 110, then he asks me about the Urlinie in the last movement of Op. 79 (for a pupil). At dinner, I sketch this line on a scrap of paper, which Vrieslander pockets.

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Alois Hába's Neue Harmonielehre is mentioned in Weisse's postcard of October 10, 1928 (OJ 15/15, [33]).

2 The diary is wrong here: Vrieslander was Hoboken's teacher, and the text should have read something like: "Musikalisch ist v. H. über seinem früheren Lehrer u. Berater weit hinausgewachsen … ." Either Jeanette misheard her husband, or Schenker himself had a momentary lapse of concentration.

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