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OC 12/10-12 - Handwritten letter from Halm to Schenker dated dated February 1–6, 1924
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Halm in upper left corner, in a box:]Erschrecken Sie nicht vor dem langen Brief,
nichts darin hat Eile!
1.–6. II. 24 Lieber u. verehrter Herr Professor! 1 Mit grossem Dank würde ich Ihre Beethoven-Ausgabe annehmen. Ich besitze davon die zuerst herausgegebenen Sonaten op. 109, 110, 111; sonst keine. Die 2. Aufl.des des Bruckner-buchs sende ich Ihnen als Drucksache. Sie schreiben mir doch noch, was Sie von meiner Kammermusik schon haben Kulturbuchs u., u. ob Ihnen an den Stimmen zu dem A-dur-Quartett gelegen ist. Die Hefte Tonwille wurden mir bisher immer vom Verlag zugesandt. Das Improvisieren als Grund u. Trieb des Schaffens ist mir schon lang wichtig gewesen u. Ihre verschiedenen Ausführungen u. Bermerkungen nach dieser Richtung haben diese Einsicht bestärkt u. erhellt; auch das Bewußtsein, daß es mir hierin fehlt u. daß man das auch meiner Musik anspüren müßte, hat mir nicht gemangelt. Ich habe auch mit der Zeit da einiges gelernt u. manchmal auch so improvisieren können, daß ich selbst dachte, daß man es anhören kann. Andere dachten schon besser darüber u. meinten, es sei irgend ein fertig komponiertes Stück „von wem“! Aber ich weiß selbst besser Bescheid darum. Neulich habe ich (das zweitemal in meinem Leben) eine Fuge so improvisiert, so daß ich leidlich zufrieden war. Was mir zu anfang fehlte u. ich erst mühsam erwerben mußte, ist das gute Figurenwerk, u. es sollte mich nicht wundern, wenn das immer noch nicht auf der {2} Höhe wäre. 2 Aber, aber lieber Herr Professor, ich hatte schon zu Anfang Schwierigkeiten mit meinen Vorbildern; teils verstand ich sie nicht u. unterschätzte deshalb ihre Figurenkunst, [written vertically in the left margin:] teils ist sie mir auch jetzt noch nicht überzeugend,[end insert] teils vermißte ich das, was Figurenkunst erschwert, u. suchte das selbst ‒ noch heute bin ich mit den Klassikern nicht im Reinen; ich kann sagen, daß ich sie immer mehr bewundern gelernt habe (sehr auch durch Sie!), u. daß sie mir deshalb doch nicht wahrscheinlich näher (oder ich ihnen) kommen. Beethovens V. Sÿmphonie habe ich schon geradezu gehaßt ‒ nein, aber als Feind empfunden heut ist sie mir völlig fremd, u. wenn zehnmal stimmt, was Sie über sie sagen ‒ meinetwegen, ich bin bereit, (u. war es immer) sie genial zu finden. Sehen Sie, ich habe einfach das Bedürfnis nach einer gewissen Lebenshaltung, Rasse der Musik, Körperlichkeit, 3 die sich für mein Empfinden vor allem in der dÿnamischen Rhythmik ausdrückt ‒ alle Künste, ja auch alle Kunst der Stimmführung ersetzen mir nicht, was ich hier vermiße, befreunde mich nicht, wenn mich hier was abstößt. Diese Körperlichkeit suche ich in meiner Musik zu verwirklichen, u. bin ihr, nach meinem eigenen Urteil, so nahe gekommen, daß man sie sehen, mitfühlen kann. {3} Das ist mir vor allem wichtig. Mängel der einzelnen Gestalten suche ich zu vermeiden, oder zu heilen ‒ manches mag auch dem Tÿpus selbst anhaften, also unvermeidlich sein; das ist nicht immer leicht zu entscheiden. Ich bin, glaube ich, größter Aufrichtigkeit meinen Werken gegenüber fähig, u. ebenso, Aufrichtigkeit von anderer Seite zu schätzen, auch wenn es gegen meine Musik lautet. Meine musikalische Begabung schätze ich vorsichtig ein; einfachste Dinge sind mir manchmal so schwer geworden zu finden, daß ich mich kaum über dem guten Durchschnitt seh[e] (zu Zeiten war es ja auch wieder besser damit bestellt). 4 Meine künstlerische, produktive Veranlagung dagegen ‒ an die glaube ich einfach, u. seit langem schon ohne Wanken. Oder ich glaube an das Bild von Musik, dem ich nachstrebe ‒ nicht glaube ich, um ein Beispiel zu nennen, an das von Brahms erstrebte sei es nun daß dieser es vollkommen oder unvollkommen dargestellt hat (Ich bin dieser Frage auch noch nicht nachgegangen. Ein Anfang wie der seiner F-dur Symphonie, F-moll Sonate , genügt, um mich ganz zu befremden; sein Requiem ist mir zu einem großen Teil fast peinigend, zum teil unerträglich.) 5 {4} Daß Sie Brahms so hoch stellen, hatte mir zuerst einen ziemlich empfindlichen Stoß gegeben, u. auch heute noch denke ich: sollten Sie vielleicht in diesem Punkt u. nur die natura naturata, nicht aber die natura naturans sehen? 6 Zugegeben daß ich die erstere hier ungenügend, im Vergleich zu Ihnen sogar ganz ungenügend sehe ‒ warum aber kenne ich Brahms so ungenügend? weil er mich nicht auffordert, ihn nachzugehen. 7 Beethoven, mir neulich ganz fremd geworden, läßt mich doch nie los, gehört zu meinem Gewissen, ist mir als Massgebend noch wichtiger als etwa Mozart, war mir oft ein mahnendes (sozusagen mein böses) Gewissen. Es kann braucht also doch nicht blosse Beschränktheit, Befangenheit von eigenem Bild zu sein, wenn ich irgendwo nicht anpacken will, wollen kann. Bruckners Musikbild ist ja auch ein sehr anderes als meines (u. ich halte es für ein wesentlich höheres als das meine!) [Übrigens: Sie haben ja vielleicht auch Bruckners Improvisationen auf der Orgel gehört, die so hoch gerühmt wurden. Ich möchte gern wissen, ob Sie diese auch so hoch stellen, gerade seine Fugen-Improvisationen, ich meine nach der technischen Seite. Nicht als ob ich ihm da nicht Gutes u. sehr Gutes zutraute, aber den Berichterstattern traue ich nicht u. möchte deshalb jemand fragen können, dem ich Zutrauen schenke.] Damit bin ich nun bei der bösen Akkordfolge, noch mehr Modulationsfolge [written vertically in the left margin:] (was beides ich nämlich bei Bruckner am schönsten u. edelsten erfüllt sehe)[end insert] {5} angelangt. Sie ist, selbständig, eigenmächtig, eigensüchtig geworden, Gefahr, u. hat auch Edeles zerstört, hat richtige Verdummung in die Musik gebracht (Regers Musik kann ich im ganzen [cued from left margin, written vertically:] (ich kenne aber nur sehr wenig von ihm)[end cue] 8 nicht anders als dumm nennen ‒ aber hätte er sich, wäre er in eine andere Zeit geraten, nicht irgend eine andere Dummheit ausgesucht, hätte er nicht etwas anderes Gutes verdummt? ist er ein Opfer der Akkordfolge, u. nicht vielmehr eben seiner Unintelligenz?) Ich kenne leider aus Erfahrung an anderen u. auch an mir selbst das wüste Improvisieren, bei dem, durch sinnloses Aneinanderreihen von (sei es auch schönen) Folgen eine Art von Froschlaich entsteht, u. leider schreiben viele auch so. Die Frage ist, ob diese geschichtliche Notwendigkeit einen Übergang bedeuten kann, ob diese Kräfte, die da ans Licht drängten, überwunden, verwertet, gehoben werden können ‒ einfach ausschalten, ignorieren geht nicht an, u. auch auf die Finger klopfen hilft nicht viel ‒ „soweit darfst, soweit darfst du nicht.“ 9 Ich bin sehr für klarste Bilanz; man soll wissen was man anrichtet, wo man fehlt, sei es notwendig, sei es vermeidlich. Und wenn wir uns sprechen könnten, so würde ich Sie sehr bitten, mir genau einzelne Stellen als Beispiele dafür, {6} wo u. wie ich versage, anzugeben. Schriftlich ist das zu umständlich, als daß ich Sie darum bitten möchte. Dagegen mache ich einen Vorschlag: wollen Sie nicht einmal in einem Aufsatz in den Tonwille-Heften, wenn Sie bei mir (oder bei Oppel oder sonstwo) ein besonders instruktives Beispiel für Versagen, Durchlöcherung, Brüchigkeit, eine Stelle, bei der man sagen kann: hier offenbart sich das Nicht-Genie ‒ wenn Sie solches finden, eine solche Stelle besprechen? Gerade bei einer Musik, die sonst nahe an gute herankommt, oder sonst gut wäre, möchte das besonders aufschlußreich sein. Sie werden diesen Wunsch nicht mißverstehen, so etwa als ob ich wenigstens einen öffentlichen Tadel einheimsen wolle, wenn ich schon kein öffentliches Lob ernte. Ich glaube nicht, daß ich jeden Tadel annehmen, d.h. verwerten kann, auch wenn er mich überzeugt. Wie viel habe ich schon an den großen Meistern angreifbar gefunden, ohne daß ich deshalb dachte, es sei eine Korrektur möglich. Wo ich mirs zutraue, besseres zu finden, versuche ichs; ich habe neulich die erste Fuge meines ersten Klavierhefts, {7} daran teils ungeschickter teils schlechter Kontrapunkt mir schon lang auf der Seele lag, fast ganz neu gearbeitet, ob mit gutem Gelingen, will ich jetzt noch nicht entscheiden. Mein Vorschlag ist nur ganz ernst, u. wenn Sie auch meinen, daß Sie hiemit größere Klarheit auch für andere schaffen [written inverted in the top margin:] (das müßte doch viel besser sein als wenn Sie offenkundig Nichtiges als Gegensatz erwähnen)[end insert], so möchte ich jedenfalls erklären, daß ein Tadel von Ihnen mir jedenfalls ernster Erwägung wert ist, daß meine Schätzung Ihres Werks durch Ihre bedingte Anerkennung u. auch durch stärkere Ablehnung meiner Musik nicht getrübt würde (das spielte gewiß für mich eine weit geringere Rolle als Ihre Zweifel an Bruckner, Ihr Nicht-Zweifeln an Brahms u. ähnliches.), u. daß ich persönlich fast gleichgültig dagegen bin, ob meiner Musik das Prädikat genial oder nicht genial zukommt, vielleicht sogar ganz gleichgültig. Was ich wünsche ist nur daß sie gekannt u. gespielt wird, damit sie wenigstens einmal ihre Kraft, ihre Wertungsmöglichkeit erproben kann, ich denke da nicht an Wirkung „auf,“ sondern an die Einwirkung des Bilds, sozusagen Zeugungskraft der Idee, aus der diese Musik stammt. Wenn ich aber nun, wie ich durchaus annehme, {8} Ihnen meine eigene Musik sehr zu überschätzen scheine, so ist es vielleicht umgekehrt möglich, daß das Ihre Sympathie für mich trübt. Darauf muß ichs nun ankommen lassen, d.h. gerade nach Ihren Äußerungen müßte ich Farbe bekennen [written vertically in left margin:] (ich habe noch nicht einmal alles gesagt, aber wohl immerhin schon genug),[end insert] denn Ihre mir so wertvolle Teilnahme darf nicht auf einer Täuschung beruhen. Es wäre sogar vielleicht jetzt an der Zeit u. könnte wirklich von Wert sein, wenn wir einmal öffentlich einen Kampf [written between end of letter and postscript:] (aber nicht um meine Musik!)[end insert] ausföchten ‒ aber ich will nicht mehr schriftstellern, wenn ich nicht gerade muß.) Ja, ich hätte viel auf dem Herzen gegen Sie u. es könnte mich wirklich noch einer Fehde gelüsten, in der einmal zwei Gegner miteinander das Rechte suchen wollen, nicht aber Recht behalten wollen. Sie besprechen einmal den Anfangsakkord des Scherzos der 9. Bruckner- Sÿmphonie. Warum blicken Sie da nicht auch ins Weitere? Im 35. Takt erscheint er wieder in seiner 2. Umkehrung ‒ {9} (wie fein ist die 1. Umk. umgangen, unkenntlich gemacht!) ‒ alles dazwischenliegende ist Durchgang, [written in top margin:] u. alles zusammengehalten durch den fest bleibenden Leitton cis[end insert] ‒ ähnlicher (für mich aber schönerer) Fall wie im Anfang der C-mollsonata, op. 111. Und wieviel Feinheiten in der harmon. Rhythmik, dann noch die Komplikation der 2. Umkehrung mit scheinbarer] [music example] Erinnerung an die noch stark im Gedächtnis stehende Rückung gegen den Schluß des ersten Satzes Es-moll‒D-moll Akkord, u. den immer wieder sich aufzwingenden Esdur Akkord unmittelbar vor dem letzten Dmoll des ersten Satzes. Noch eine Frage: Mein Buch „Von Gränzen u. Ländern der Musik“ (es sind gesammelte Aufsätze, unter diesem, wie mir zuverlässige Leute sagen, sehr unglücklichen Titel ‒ ich wollte damit nur ausdrücken, daß ich mich auch auf die Peripherie u. zum Teil auch außer sie begeben habe). 10 Kennen Sie anscheinend nicht. Ich habe Sie einmal auf eine Abhandlung Stelle über die merkwürdigen sforzato (die für den ersten Blick an falscher Stelle stehen) im Finale der Dmoll Sonata op. 31 hingewiesen. Oder haben Sie das Buch doch? 11 Ich besitze kein Exemplar mehr, würde aber m. Verleger veranlassen es Ihnen zu senden. Über manches darin werden Sie sich ja wohl ärgern müssen. ‒ {10} Brahms: Sie werden mich noch nicht ohne weiteres für blind u. taub halten. 12 Wie gern bewundere ich die erste tonartlich Exposition im Cmoll Quartett. Aber die Geste des Themas! Nein, u. zehnmal nein. Und kein Bißchen Ja dabei. Die Geste*, die Geste; die mangelnde Körperlichkeit! Sie* ist mir bei Beethoven auch häufig feindlich ‒ aber doch auch da überzeugend, naturhaft, „wie seiend“! 13 Dann noch eine Bitte: lesen Sie in dem Brucknerbuch (auch wenn Sie die 1. Auflage schon kennen) zuerst die Analyse S. 147 usw., die ich erheblich verbessert habe. Dann den ebenfalls verbesserten Abschnitt S. 173 usw., dann das Nachwort (S. 242) 14 . Der Brief hat nun schon seinen ungeordneten Tagebuchcharakter; ich will also noch einen Punkt betrachten. Sehen Sie, fast alle unsere grossen Meister konnten nicht geigen, u. ich spüre das. Mozart konnte auch geigen, wahrscheinlich konnte er viel, Haydn vermutlich desgleichen ‒ aber „im Nebenamt“ beide. Beethoven konnte kaum geigen (ich weiß schon, ich weiß schon). Händel konnte, ja, aber Bach allein konnte wirklich {11} geigen, von ganzem Herzen u. Geblüt. Ich bin überzeugt, daß er selbst seine Solosonaten mit Genuß u. mit Überlegenheit sich selbst gespielt hat. Sollte ich mich da täuschen, so ists nicht von größter Wichtigkeit: jedenfalls sind diese Sonaten so aus dem Griff der Geige geboren, wie sonst nichts in der ganzen Literatur. Bach allein fühlte (außer dem was die andern auch fühlten) die jugendliche Schnellkraft, die Quellkraft des Geigentons (am nächsten, aber noch in sehr sehr großem Abstand von ihm fernbleibend kommt ihm da, wie mir scheint, Haÿdn. [Beiläufig gesagt, es ist mir ein grosser Trost, daß Sie oft u. mit so viel Liebe von Haydn sprechen, ich wünschte manchmal über ihn zu schreiben, das gehört zu den Dingen die ich mir versage.] Wenn Sie vom Improvisieren sprechen, denken Sie vermutlich ans Klavier oder etwa die Orgel. Wenn ich auf dem Klavier improvisierte, so war ich, wie gesagt, meistens unzufrieden mit mir; aber geradezu kläglich kam ich mir vor, wenn ichs auf der Geige versuchte (auch damit ists besser geworden, aber das Verhältnis des einen zum anderen gab mir sehr zu denken). Haben Sie schon bemerkt, daß die Geiger, wenn sie ein Instrument {12} probieren, fast ausnahmslos (mir ist meines Erinnerns nochkeine Ausnahme begegnet) in Moll „fantasieren“? Daß es meistens Dmoll ist, hat technischen Grund, weil sie den Quartschritt a-d so schön auf der G-Seite schleifen können (oder noch schöner a-cis mit dem 1. Finger); aber daß es Moll ist: ja, weil ihnen keine Melodik zu gebot steht, deshalb wird Pathos u. Tragik vor die Leere vorgeschüft. wird. Die Geige ist der strengste Prüfstein für melodisches Gold. Anders gesehen: glauben Sie ernstlich, daß Beethoven, ja auch Mozart, eine ganze Sonate für Geige allein hätte schreiben können? Ich nicht; ich glaube sogar positiv, daß sie es nicht hätten können ‒ es sei denn nach vorhergegangener Bußübung, ja auch sogar erst nach einer ausgesprochenen μετάνοια. — Damit es keinen Irrtum gibt: meine Sonaten für Geige allein sind kleine, bescheidene Musik, wollen durchaus nicht konkurrieren; die von Reger, soweit ich sie kenne, sind ein Mißverständnis. © Transcription Lee Rothfarb, 2006 |
[written by
Halm in upper left corner, in a box:]Don't be startled at the long letter, nothing
in it is urgent!
February 1-6, 1924 Dear and revered Professor, 1 I would accept your Beethoven edition with much gratitude. Of them I own the ones that appeared first, sonatas Op. 109, 110, 111, and otherwise none. I will send you the second edition of the Culture book and the Bruckner book as printed material. You are going to write me yet about what you already have of my chamber music, and whether you are interested in having the parts of the A major String Quartet. Up to now, the Tonwille volumes have always been sent to me by the publisher. Improvisation as the foundation and motivation for creativity has long been important to me, and your various discussions and commentaries in that direction have reinforced and illuminated that insight. The awareness, too, that I am deficient in that regard, and that one must also detect it in my music, has not escaped me. Over time, I have learned various things and sometimes I can improvise such that I myself thought that one can enjoy it. Others thought better of it and said it was some ready-composed piece "by someone." But I know better. Recently, I improvised a fugue (for the second time in my life) so that I was tolerably satisfied. What I at first lacked, and had to laboriously acquire, is good figuration, and it should be no surprise to me if that were still not {2} up to snuff. 2 Oh, but, dear Professor, from the start I had difficulties with my role models. In part, I did not understand them and therefore underestimated their artistry in figuration. [written vertically in the left margin:] In part, even now it is for me not yet convincing,[end insert] [and] in part I was missing that which makes the art of figuration difficult, and sought it on my own. Even today I have not come to terms with the classicists. I can say that I have come to admire them ever more (also very much through you!), and that they have still probably not gotten any closer to me (or I to them) because of it. I have virtually hated Beethoven's Fifth Symphony ‒ no, but, perceived as an adversary it is to me today entirely alien. And when what you say about it is correct ten times over. For my part, I am prepared (and always was) to find some genius in it. You see, I simply have need for a certain lifestyle, or race in music, corporeality, 3 which for my sensibility is expressed above all in dynamic rhythm. All arts, even the whole art of voice-leading, do not replace for me what I miss here ‒ do not befriend me when something repels me. I seek to apply this corporeality in my music, and in my judgment have come so close to it that one can see and feel it. {3} That is above all important to me. I try to avoid shortcomings in individual designs, or to remedy them. Some things may inhere in the type itself, thus unavoidable. That is not always easy to distinguish. I believe I am capable of highest candor with regard to my works, and similarly capable of valuing candor from others, even if it is against my music. I assess my musical talent carefully. The simplest things have sometimes been so difficult for me to grasp that I see myself as barely above average (at times it was better). 4 However, regarding my artistic, productive nature ‒ I just believe in it, and without wavering for some time now. Or rather I believe in the image of music toward which I strive. I do not believe in that of Brahms, to name one example, whether he executed it perfectly or imperfectly (I have not yet pursued that question. Openings such as that of his F major symphony [or] F minor Sonata suffice to alienate me completely. His Requiem is to me in great part almost tormenting, in part unbearable). 5 {4} That you rank Brahms so high gave me a rather painful jolt at first, and still today I think: could it be that, in this point, you are looking only at the natura naturata, but not at the natura naturans? 6 Granted that I see the former here as inadequate, compared to you even as entirely inadequate. But why do I know Brahms so inadequately? Because he does not induce me to pursue him. 7 Beethoven, [who has] recently become entirely foreign to me, just never lets me go, belongs to my conscience, is for me even more important than Mozart as a standard, was often for me an exhorting (so to speak my evil) conscience. Thus it cannot does not have to be mere narrowness, prejudice of my own conception if I do not want to tackle some area, or can tackle it. Bruckner's musical conception is certainly very different than mine (and I consider it substantially higher than mine!) [By the way: You perhaps heard Bruckner's organ improvisations, which were so renowned. I would like to know whether you also rate them so highly, especially his fugue improvisations, I mean from the technical standpoint. Not as though I would not credit him with something good, and very good, but I do not trust those who have given reports, and would therefore like to ask someone whom I trust.] With that, I come to the nasty chord progression, even more to the modulatory succession [written vertically in the left margin:] (both of which I see fulfilled with Bruckner most beautifully and nobly)[end insert]. {5} Independent, arbitrary, egotistical ‒ it has become a danger, and has destroyed precious things, has introduced outright stupification into music (I cannot call Reger's music in total anything other than stupid [cued from left margin, written vertically:] (but I only know very little by him)[end cue]. 8 But if he were to have ended up in a different time, would he not have chosen some other stupidity, would he not have made stupid some other good things? Is he the victim of chord progression and not, rather, of his lack of intelligence?) Unfortunately, I know chaotic improvisation from experience with others and myself, where a type of frogspawn comes about through senseless stringing together of progressions (be it even nice ones), and many, alas, also compose that way. The question is whether this historical necessity can mean a transition, whether these forces that came to light can be overcome, utilized, elevated. Simply switching them off, ignoring them, will not work, and wagging your fingers does not help much ‒ "you may venture this far, but not this far." 9 I am very much in favor of the clearest balance; one should know what one is perpetrating, where one errs, be it necessary, be it avoidable. And when we can talk in person, I would request that you indicate to me exactly individual passages as examples of {6} where and how I fail. That is too cumbersome in writing to request that of you. By contrast, I will make a suggestion. If you find in my music (or in Oppel's or elsewhere) an especially instructive example of failure, rupturing, brittleness, a passage where one can say: the non-genius reveals itself here ‒ if you find such a thing, would you not want to discuss such a passage in an essay in the Tonwille volumes? Particularly with music that otherwise comes close to good music, or otherwise would be good music, it would be especially informative. You won't misunderstand this wish, possibly as though I wanted to garner public rebuke if I can reap no public praise. I don't think I can accept, i.e. use to advantage, just any rebuke, even if it convinces me. How many things have I found to be vulnerable with the great masters, without thinking, therefore, that a correction is possible. Where I have confidence that I can come up with something better, I try it out. Recently, in the first fugue of my first volume of piano pieces {7} I almost completely reworked the counterpoint, in part awkward, in part bad, that has weighed on my mind for some time, whether with successful results I don't want to decide yet. My suggestion is entirely sincere, and if you also think that you can achieve greater clarity for others [written inverted in the top margin:] (that should certainly be a lot better than if you overtly mention a void as opposition)[end insert], then in any case I would like to explain that a rebuke from you is worth serious consideration, without my appreciation of your work being tarnished through your qualified acknowledgment, or even through stronger rejection of my music (for me, that would assuredly play a far lesser role than your doubts about Bruckner, your lack of doubts about Brahms, and similar things), and that I am personally nearly indifferent about whether my music deserves to have genius or non-genius attributed to it, perhaps even entirely indifferent. What I wish is only that it be known and played, so that its strength, its prospect for value, can at least be put to the test. I am not thinking here of effect "on" but rather of the impact of the conception, the productive power of the idea, so to speak, from which this music derives. However, if {8} according to you I appear to greatly overestimate my own music ‒ which I absolutely assume ‒ then it is perhaps conversely possible that your attitude toward me will be tarnished. I will just have to let that depend, i.e., I would have to show my colors according to your comments [written vertically in left margin:] I have not even said everything yet, but still enough[end insert]. For your support, so valuable to me, should not be based on illusion. It would perhaps even be time now, and could really be of value, if we were to have it out publicly in a debate [written between end of letter and postscript:] but not about my music![end insert] ‒ but I don't want to write any more if I don't really have to. Indeed, I have a lot on my mind against you, and I could really be in the mood for a feud in which two opponents want to seek what is right, though without wanting to be proved right. You discuss the opening chord of the Scherzo of Bruckner's Ninth Symphony. Why don't you also look into the ramifications? In measure 35 it reappears in second inversion {9} (how wonderfully the first inversion is circumvented, made unrecognizable!) ‒ everything in between is passing, [written in top margin:] and everything held together through the firmly fixed leading tone, Cě [end insert] ‒ a similar case (for me, however, nicer) than the beginning of the C minor sonata, Op. 111. And how many refinements in the harmonic rhythm, then too the complication of the second inversion with apparent reminder [music example] of the jolt near the end of the first movement, Eę minor–D minor chord, still prominent in memory, and the Eę major chord imposing itself repeatedly right before the final D minor of the first movement. Another question: You apparently do not know my book Of Boundaries and Countries of Music (collected essays by that unfortunate title, as reliable people tell me ‒ with it I just wanted to express that I, too, have placed myself on the periphery and, in part, outside of it). 10 I once pointed out to you a discussion passage about the strange sforzatos (which on first glance are in the wrong place) in the Finale of the D minor Sonata, op. 31. Or do you, in fact, have the book? 11 I don't have any more copies, but would arrange for my publisher to send it to you. You will surely get angry about some things in it. {{10} Brahms: You don't simply take me to be blind and deaf. 12 How gladly I admire the first tonal exposition in the C minor Quartet. But the gesture of the theme! No, and ten times no. And not a bit of Yes mixed in. The gesture*, the gesture, the lacking corporeality. With Beethoven, it* [the gesture] is for me also frequently inimical ‒ but certainly even there, it is convincing, natural, "how existing!" 13 Then another request: read in the Bruckner book [second edition] (even if you are already familiar with the first edition) first the analysis on p. 147 etc. [of the Finale of Bruckner's Second Symphony], which I have significantly improved. Then, the likewise improved section, p. 173 etc., then the Afterword (p. 242) 14 . This letter has taken on the disordered character of a diary. I want to consider one more point. You see, almost all of our great masters could not play the violin, and I detect that. Mozart could also play the violin. He was probably capable of a lot, Haydn presumably the same ‒ but both "part-time." Beethoven could barely play the violin (I know, I know). Handel could play, yes, but Bach alone could really {11} play, with whole heart and family lineage. I am convinced that he played his solo sonatas with pleasure and with superiority. Should I be deceiving myself in that matter, it isn't of greatest importance. In any case, those sonatas arise idiomatically for the violin like nothing else in the entire literature. Bach alone felt (besides what others also felt) the youthful vitality, the surging force of the violin tone (next to him, it seems to me, comes Haydn, but at a very, very large gap removed from him. [Parenthetically, it is a great comfort to me that you speak often and with so much fondness of Haydn. I sometimes wished to write about him. That is among the things I deny myself.] When you speak of improvisation, you probably think of the piano or perhaps the organ. When I improvised on the piano, as I said, I was usually dissatisfied with myself. But it seemed to me really lame when I tried it on the violin (it has gotten better with violin but the relationship of the one to the other gave me a lot to think about). Have you noticed that violinists, when they {12} try out an instrument, almost without exception "fantasize" in a minor key (to my recollection I have not yet encountered an exception)? That it is usually D minor has a technical reason, because they can slide so beautifully over the fourth A‒D on the G-string (or even more beautifully A–Cě with the first finger). But the fact that it is minor: yes, because no melodic material prescribed for them, therefore pathos and tragedy are churned out into the void. The violin is the sternest touchstone for melodic gold. Viewed differently: do you seriously believe that Beethoven, indeed even Mozart, could have written an entire sonata for solo violin? I don't. I even believe definitely that they could not have done it ‒ unless after a prior act of penance, indeed only after pronounced μετάνοια [repentance, change of mind/heart]. — So that there is no error: my sonatas for solo violin are small-scale, modest music, intend in no way to compete. Those of Reger are, as far as I know them, a misunderstanding. © Translation Lee Rothfarb, 2006, 2014 |
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Halm in upper left corner, in a box:]Erschrecken Sie nicht vor dem langen Brief,
nichts darin hat Eile!
1.–6. II. 24 Lieber u. verehrter Herr Professor! 1 Mit grossem Dank würde ich Ihre Beethoven-Ausgabe annehmen. Ich besitze davon die zuerst herausgegebenen Sonaten op. 109, 110, 111; sonst keine. Die 2. Aufl.des des Bruckner-buchs sende ich Ihnen als Drucksache. Sie schreiben mir doch noch, was Sie von meiner Kammermusik schon haben Kulturbuchs u., u. ob Ihnen an den Stimmen zu dem A-dur-Quartett gelegen ist. Die Hefte Tonwille wurden mir bisher immer vom Verlag zugesandt. Das Improvisieren als Grund u. Trieb des Schaffens ist mir schon lang wichtig gewesen u. Ihre verschiedenen Ausführungen u. Bermerkungen nach dieser Richtung haben diese Einsicht bestärkt u. erhellt; auch das Bewußtsein, daß es mir hierin fehlt u. daß man das auch meiner Musik anspüren müßte, hat mir nicht gemangelt. Ich habe auch mit der Zeit da einiges gelernt u. manchmal auch so improvisieren können, daß ich selbst dachte, daß man es anhören kann. Andere dachten schon besser darüber u. meinten, es sei irgend ein fertig komponiertes Stück „von wem“! Aber ich weiß selbst besser Bescheid darum. Neulich habe ich (das zweitemal in meinem Leben) eine Fuge so improvisiert, so daß ich leidlich zufrieden war. Was mir zu anfang fehlte u. ich erst mühsam erwerben mußte, ist das gute Figurenwerk, u. es sollte mich nicht wundern, wenn das immer noch nicht auf der {2} Höhe wäre. 2 Aber, aber lieber Herr Professor, ich hatte schon zu Anfang Schwierigkeiten mit meinen Vorbildern; teils verstand ich sie nicht u. unterschätzte deshalb ihre Figurenkunst, [written vertically in the left margin:] teils ist sie mir auch jetzt noch nicht überzeugend,[end insert] teils vermißte ich das, was Figurenkunst erschwert, u. suchte das selbst ‒ noch heute bin ich mit den Klassikern nicht im Reinen; ich kann sagen, daß ich sie immer mehr bewundern gelernt habe (sehr auch durch Sie!), u. daß sie mir deshalb doch nicht wahrscheinlich näher (oder ich ihnen) kommen. Beethovens V. Sÿmphonie habe ich schon geradezu gehaßt ‒ nein, aber als Feind empfunden heut ist sie mir völlig fremd, u. wenn zehnmal stimmt, was Sie über sie sagen ‒ meinetwegen, ich bin bereit, (u. war es immer) sie genial zu finden. Sehen Sie, ich habe einfach das Bedürfnis nach einer gewissen Lebenshaltung, Rasse der Musik, Körperlichkeit, 3 die sich für mein Empfinden vor allem in der dÿnamischen Rhythmik ausdrückt ‒ alle Künste, ja auch alle Kunst der Stimmführung ersetzen mir nicht, was ich hier vermiße, befreunde mich nicht, wenn mich hier was abstößt. Diese Körperlichkeit suche ich in meiner Musik zu verwirklichen, u. bin ihr, nach meinem eigenen Urteil, so nahe gekommen, daß man sie sehen, mitfühlen kann. {3} Das ist mir vor allem wichtig. Mängel der einzelnen Gestalten suche ich zu vermeiden, oder zu heilen ‒ manches mag auch dem Tÿpus selbst anhaften, also unvermeidlich sein; das ist nicht immer leicht zu entscheiden. Ich bin, glaube ich, größter Aufrichtigkeit meinen Werken gegenüber fähig, u. ebenso, Aufrichtigkeit von anderer Seite zu schätzen, auch wenn es gegen meine Musik lautet. Meine musikalische Begabung schätze ich vorsichtig ein; einfachste Dinge sind mir manchmal so schwer geworden zu finden, daß ich mich kaum über dem guten Durchschnitt seh[e] (zu Zeiten war es ja auch wieder besser damit bestellt). 4 Meine künstlerische, produktive Veranlagung dagegen ‒ an die glaube ich einfach, u. seit langem schon ohne Wanken. Oder ich glaube an das Bild von Musik, dem ich nachstrebe ‒ nicht glaube ich, um ein Beispiel zu nennen, an das von Brahms erstrebte sei es nun daß dieser es vollkommen oder unvollkommen dargestellt hat (Ich bin dieser Frage auch noch nicht nachgegangen. Ein Anfang wie der seiner F-dur Symphonie, F-moll Sonate , genügt, um mich ganz zu befremden; sein Requiem ist mir zu einem großen Teil fast peinigend, zum teil unerträglich.) 5 {4} Daß Sie Brahms so hoch stellen, hatte mir zuerst einen ziemlich empfindlichen Stoß gegeben, u. auch heute noch denke ich: sollten Sie vielleicht in diesem Punkt u. nur die natura naturata, nicht aber die natura naturans sehen? 6 Zugegeben daß ich die erstere hier ungenügend, im Vergleich zu Ihnen sogar ganz ungenügend sehe ‒ warum aber kenne ich Brahms so ungenügend? weil er mich nicht auffordert, ihn nachzugehen. 7 Beethoven, mir neulich ganz fremd geworden, läßt mich doch nie los, gehört zu meinem Gewissen, ist mir als Massgebend noch wichtiger als etwa Mozart, war mir oft ein mahnendes (sozusagen mein böses) Gewissen. Es kann braucht also doch nicht blosse Beschränktheit, Befangenheit von eigenem Bild zu sein, wenn ich irgendwo nicht anpacken will, wollen kann. Bruckners Musikbild ist ja auch ein sehr anderes als meines (u. ich halte es für ein wesentlich höheres als das meine!) [Übrigens: Sie haben ja vielleicht auch Bruckners Improvisationen auf der Orgel gehört, die so hoch gerühmt wurden. Ich möchte gern wissen, ob Sie diese auch so hoch stellen, gerade seine Fugen-Improvisationen, ich meine nach der technischen Seite. Nicht als ob ich ihm da nicht Gutes u. sehr Gutes zutraute, aber den Berichterstattern traue ich nicht u. möchte deshalb jemand fragen können, dem ich Zutrauen schenke.] Damit bin ich nun bei der bösen Akkordfolge, noch mehr Modulationsfolge [written vertically in the left margin:] (was beides ich nämlich bei Bruckner am schönsten u. edelsten erfüllt sehe)[end insert] {5} angelangt. Sie ist, selbständig, eigenmächtig, eigensüchtig geworden, Gefahr, u. hat auch Edeles zerstört, hat richtige Verdummung in die Musik gebracht (Regers Musik kann ich im ganzen [cued from left margin, written vertically:] (ich kenne aber nur sehr wenig von ihm)[end cue] 8 nicht anders als dumm nennen ‒ aber hätte er sich, wäre er in eine andere Zeit geraten, nicht irgend eine andere Dummheit ausgesucht, hätte er nicht etwas anderes Gutes verdummt? ist er ein Opfer der Akkordfolge, u. nicht vielmehr eben seiner Unintelligenz?) Ich kenne leider aus Erfahrung an anderen u. auch an mir selbst das wüste Improvisieren, bei dem, durch sinnloses Aneinanderreihen von (sei es auch schönen) Folgen eine Art von Froschlaich entsteht, u. leider schreiben viele auch so. Die Frage ist, ob diese geschichtliche Notwendigkeit einen Übergang bedeuten kann, ob diese Kräfte, die da ans Licht drängten, überwunden, verwertet, gehoben werden können ‒ einfach ausschalten, ignorieren geht nicht an, u. auch auf die Finger klopfen hilft nicht viel ‒ „soweit darfst, soweit darfst du nicht.“ 9 Ich bin sehr für klarste Bilanz; man soll wissen was man anrichtet, wo man fehlt, sei es notwendig, sei es vermeidlich. Und wenn wir uns sprechen könnten, so würde ich Sie sehr bitten, mir genau einzelne Stellen als Beispiele dafür, {6} wo u. wie ich versage, anzugeben. Schriftlich ist das zu umständlich, als daß ich Sie darum bitten möchte. Dagegen mache ich einen Vorschlag: wollen Sie nicht einmal in einem Aufsatz in den Tonwille-Heften, wenn Sie bei mir (oder bei Oppel oder sonstwo) ein besonders instruktives Beispiel für Versagen, Durchlöcherung, Brüchigkeit, eine Stelle, bei der man sagen kann: hier offenbart sich das Nicht-Genie ‒ wenn Sie solches finden, eine solche Stelle besprechen? Gerade bei einer Musik, die sonst nahe an gute herankommt, oder sonst gut wäre, möchte das besonders aufschlußreich sein. Sie werden diesen Wunsch nicht mißverstehen, so etwa als ob ich wenigstens einen öffentlichen Tadel einheimsen wolle, wenn ich schon kein öffentliches Lob ernte. Ich glaube nicht, daß ich jeden Tadel annehmen, d.h. verwerten kann, auch wenn er mich überzeugt. Wie viel habe ich schon an den großen Meistern angreifbar gefunden, ohne daß ich deshalb dachte, es sei eine Korrektur möglich. Wo ich mirs zutraue, besseres zu finden, versuche ichs; ich habe neulich die erste Fuge meines ersten Klavierhefts, {7} daran teils ungeschickter teils schlechter Kontrapunkt mir schon lang auf der Seele lag, fast ganz neu gearbeitet, ob mit gutem Gelingen, will ich jetzt noch nicht entscheiden. Mein Vorschlag ist nur ganz ernst, u. wenn Sie auch meinen, daß Sie hiemit größere Klarheit auch für andere schaffen [written inverted in the top margin:] (das müßte doch viel besser sein als wenn Sie offenkundig Nichtiges als Gegensatz erwähnen)[end insert], so möchte ich jedenfalls erklären, daß ein Tadel von Ihnen mir jedenfalls ernster Erwägung wert ist, daß meine Schätzung Ihres Werks durch Ihre bedingte Anerkennung u. auch durch stärkere Ablehnung meiner Musik nicht getrübt würde (das spielte gewiß für mich eine weit geringere Rolle als Ihre Zweifel an Bruckner, Ihr Nicht-Zweifeln an Brahms u. ähnliches.), u. daß ich persönlich fast gleichgültig dagegen bin, ob meiner Musik das Prädikat genial oder nicht genial zukommt, vielleicht sogar ganz gleichgültig. Was ich wünsche ist nur daß sie gekannt u. gespielt wird, damit sie wenigstens einmal ihre Kraft, ihre Wertungsmöglichkeit erproben kann, ich denke da nicht an Wirkung „auf,“ sondern an die Einwirkung des Bilds, sozusagen Zeugungskraft der Idee, aus der diese Musik stammt. Wenn ich aber nun, wie ich durchaus annehme, {8} Ihnen meine eigene Musik sehr zu überschätzen scheine, so ist es vielleicht umgekehrt möglich, daß das Ihre Sympathie für mich trübt. Darauf muß ichs nun ankommen lassen, d.h. gerade nach Ihren Äußerungen müßte ich Farbe bekennen [written vertically in left margin:] (ich habe noch nicht einmal alles gesagt, aber wohl immerhin schon genug),[end insert] denn Ihre mir so wertvolle Teilnahme darf nicht auf einer Täuschung beruhen. Es wäre sogar vielleicht jetzt an der Zeit u. könnte wirklich von Wert sein, wenn wir einmal öffentlich einen Kampf [written between end of letter and postscript:] (aber nicht um meine Musik!)[end insert] ausföchten ‒ aber ich will nicht mehr schriftstellern, wenn ich nicht gerade muß.) Ja, ich hätte viel auf dem Herzen gegen Sie u. es könnte mich wirklich noch einer Fehde gelüsten, in der einmal zwei Gegner miteinander das Rechte suchen wollen, nicht aber Recht behalten wollen. Sie besprechen einmal den Anfangsakkord des Scherzos der 9. Bruckner- Sÿmphonie. Warum blicken Sie da nicht auch ins Weitere? Im 35. Takt erscheint er wieder in seiner 2. Umkehrung ‒ {9} (wie fein ist die 1. Umk. umgangen, unkenntlich gemacht!) ‒ alles dazwischenliegende ist Durchgang, [written in top margin:] u. alles zusammengehalten durch den fest bleibenden Leitton cis[end insert] ‒ ähnlicher (für mich aber schönerer) Fall wie im Anfang der C-mollsonata, op. 111. Und wieviel Feinheiten in der harmon. Rhythmik, dann noch die Komplikation der 2. Umkehrung mit scheinbarer] [music example] Erinnerung an die noch stark im Gedächtnis stehende Rückung gegen den Schluß des ersten Satzes Es-moll‒D-moll Akkord, u. den immer wieder sich aufzwingenden Esdur Akkord unmittelbar vor dem letzten Dmoll des ersten Satzes. Noch eine Frage: Mein Buch „Von Gränzen u. Ländern der Musik“ (es sind gesammelte Aufsätze, unter diesem, wie mir zuverlässige Leute sagen, sehr unglücklichen Titel ‒ ich wollte damit nur ausdrücken, daß ich mich auch auf die Peripherie u. zum Teil auch außer sie begeben habe). 10 Kennen Sie anscheinend nicht. Ich habe Sie einmal auf eine Abhandlung Stelle über die merkwürdigen sforzato (die für den ersten Blick an falscher Stelle stehen) im Finale der Dmoll Sonata op. 31 hingewiesen. Oder haben Sie das Buch doch? 11 Ich besitze kein Exemplar mehr, würde aber m. Verleger veranlassen es Ihnen zu senden. Über manches darin werden Sie sich ja wohl ärgern müssen. ‒ {10} Brahms: Sie werden mich noch nicht ohne weiteres für blind u. taub halten. 12 Wie gern bewundere ich die erste tonartlich Exposition im Cmoll Quartett. Aber die Geste des Themas! Nein, u. zehnmal nein. Und kein Bißchen Ja dabei. Die Geste*, die Geste; die mangelnde Körperlichkeit! Sie* ist mir bei Beethoven auch häufig feindlich ‒ aber doch auch da überzeugend, naturhaft, „wie seiend“! 13 Dann noch eine Bitte: lesen Sie in dem Brucknerbuch (auch wenn Sie die 1. Auflage schon kennen) zuerst die Analyse S. 147 usw., die ich erheblich verbessert habe. Dann den ebenfalls verbesserten Abschnitt S. 173 usw., dann das Nachwort (S. 242) 14 . Der Brief hat nun schon seinen ungeordneten Tagebuchcharakter; ich will also noch einen Punkt betrachten. Sehen Sie, fast alle unsere grossen Meister konnten nicht geigen, u. ich spüre das. Mozart konnte auch geigen, wahrscheinlich konnte er viel, Haydn vermutlich desgleichen ‒ aber „im Nebenamt“ beide. Beethoven konnte kaum geigen (ich weiß schon, ich weiß schon). Händel konnte, ja, aber Bach allein konnte wirklich {11} geigen, von ganzem Herzen u. Geblüt. Ich bin überzeugt, daß er selbst seine Solosonaten mit Genuß u. mit Überlegenheit sich selbst gespielt hat. Sollte ich mich da täuschen, so ists nicht von größter Wichtigkeit: jedenfalls sind diese Sonaten so aus dem Griff der Geige geboren, wie sonst nichts in der ganzen Literatur. Bach allein fühlte (außer dem was die andern auch fühlten) die jugendliche Schnellkraft, die Quellkraft des Geigentons (am nächsten, aber noch in sehr sehr großem Abstand von ihm fernbleibend kommt ihm da, wie mir scheint, Haÿdn. [Beiläufig gesagt, es ist mir ein grosser Trost, daß Sie oft u. mit so viel Liebe von Haydn sprechen, ich wünschte manchmal über ihn zu schreiben, das gehört zu den Dingen die ich mir versage.] Wenn Sie vom Improvisieren sprechen, denken Sie vermutlich ans Klavier oder etwa die Orgel. Wenn ich auf dem Klavier improvisierte, so war ich, wie gesagt, meistens unzufrieden mit mir; aber geradezu kläglich kam ich mir vor, wenn ichs auf der Geige versuchte (auch damit ists besser geworden, aber das Verhältnis des einen zum anderen gab mir sehr zu denken). Haben Sie schon bemerkt, daß die Geiger, wenn sie ein Instrument {12} probieren, fast ausnahmslos (mir ist meines Erinnerns nochkeine Ausnahme begegnet) in Moll „fantasieren“? Daß es meistens Dmoll ist, hat technischen Grund, weil sie den Quartschritt a-d so schön auf der G-Seite schleifen können (oder noch schöner a-cis mit dem 1. Finger); aber daß es Moll ist: ja, weil ihnen keine Melodik zu gebot steht, deshalb wird Pathos u. Tragik vor die Leere vorgeschüft. wird. Die Geige ist der strengste Prüfstein für melodisches Gold. Anders gesehen: glauben Sie ernstlich, daß Beethoven, ja auch Mozart, eine ganze Sonate für Geige allein hätte schreiben können? Ich nicht; ich glaube sogar positiv, daß sie es nicht hätten können ‒ es sei denn nach vorhergegangener Bußübung, ja auch sogar erst nach einer ausgesprochenen μετάνοια. — Damit es keinen Irrtum gibt: meine Sonaten für Geige allein sind kleine, bescheidene Musik, wollen durchaus nicht konkurrieren; die von Reger, soweit ich sie kenne, sind ein Mißverständnis. © Transcription Lee Rothfarb, 2006 |
[written by
Halm in upper left corner, in a box:]Don't be startled at the long letter, nothing
in it is urgent!
February 1-6, 1924 Dear and revered Professor, 1 I would accept your Beethoven edition with much gratitude. Of them I own the ones that appeared first, sonatas Op. 109, 110, 111, and otherwise none. I will send you the second edition of the Culture book and the Bruckner book as printed material. You are going to write me yet about what you already have of my chamber music, and whether you are interested in having the parts of the A major String Quartet. Up to now, the Tonwille volumes have always been sent to me by the publisher. Improvisation as the foundation and motivation for creativity has long been important to me, and your various discussions and commentaries in that direction have reinforced and illuminated that insight. The awareness, too, that I am deficient in that regard, and that one must also detect it in my music, has not escaped me. Over time, I have learned various things and sometimes I can improvise such that I myself thought that one can enjoy it. Others thought better of it and said it was some ready-composed piece "by someone." But I know better. Recently, I improvised a fugue (for the second time in my life) so that I was tolerably satisfied. What I at first lacked, and had to laboriously acquire, is good figuration, and it should be no surprise to me if that were still not {2} up to snuff. 2 Oh, but, dear Professor, from the start I had difficulties with my role models. In part, I did not understand them and therefore underestimated their artistry in figuration. [written vertically in the left margin:] In part, even now it is for me not yet convincing,[end insert] [and] in part I was missing that which makes the art of figuration difficult, and sought it on my own. Even today I have not come to terms with the classicists. I can say that I have come to admire them ever more (also very much through you!), and that they have still probably not gotten any closer to me (or I to them) because of it. I have virtually hated Beethoven's Fifth Symphony ‒ no, but, perceived as an adversary it is to me today entirely alien. And when what you say about it is correct ten times over. For my part, I am prepared (and always was) to find some genius in it. You see, I simply have need for a certain lifestyle, or race in music, corporeality, 3 which for my sensibility is expressed above all in dynamic rhythm. All arts, even the whole art of voice-leading, do not replace for me what I miss here ‒ do not befriend me when something repels me. I seek to apply this corporeality in my music, and in my judgment have come so close to it that one can see and feel it. {3} That is above all important to me. I try to avoid shortcomings in individual designs, or to remedy them. Some things may inhere in the type itself, thus unavoidable. That is not always easy to distinguish. I believe I am capable of highest candor with regard to my works, and similarly capable of valuing candor from others, even if it is against my music. I assess my musical talent carefully. The simplest things have sometimes been so difficult for me to grasp that I see myself as barely above average (at times it was better). 4 However, regarding my artistic, productive nature ‒ I just believe in it, and without wavering for some time now. Or rather I believe in the image of music toward which I strive. I do not believe in that of Brahms, to name one example, whether he executed it perfectly or imperfectly (I have not yet pursued that question. Openings such as that of his F major symphony [or] F minor Sonata suffice to alienate me completely. His Requiem is to me in great part almost tormenting, in part unbearable). 5 {4} That you rank Brahms so high gave me a rather painful jolt at first, and still today I think: could it be that, in this point, you are looking only at the natura naturata, but not at the natura naturans? 6 Granted that I see the former here as inadequate, compared to you even as entirely inadequate. But why do I know Brahms so inadequately? Because he does not induce me to pursue him. 7 Beethoven, [who has] recently become entirely foreign to me, just never lets me go, belongs to my conscience, is for me even more important than Mozart as a standard, was often for me an exhorting (so to speak my evil) conscience. Thus it cannot does not have to be mere narrowness, prejudice of my own conception if I do not want to tackle some area, or can tackle it. Bruckner's musical conception is certainly very different than mine (and I consider it substantially higher than mine!) [By the way: You perhaps heard Bruckner's organ improvisations, which were so renowned. I would like to know whether you also rate them so highly, especially his fugue improvisations, I mean from the technical standpoint. Not as though I would not credit him with something good, and very good, but I do not trust those who have given reports, and would therefore like to ask someone whom I trust.] With that, I come to the nasty chord progression, even more to the modulatory succession [written vertically in the left margin:] (both of which I see fulfilled with Bruckner most beautifully and nobly)[end insert]. {5} Independent, arbitrary, egotistical ‒ it has become a danger, and has destroyed precious things, has introduced outright stupification into music (I cannot call Reger's music in total anything other than stupid [cued from left margin, written vertically:] (but I only know very little by him)[end cue]. 8 But if he were to have ended up in a different time, would he not have chosen some other stupidity, would he not have made stupid some other good things? Is he the victim of chord progression and not, rather, of his lack of intelligence?) Unfortunately, I know chaotic improvisation from experience with others and myself, where a type of frogspawn comes about through senseless stringing together of progressions (be it even nice ones), and many, alas, also compose that way. The question is whether this historical necessity can mean a transition, whether these forces that came to light can be overcome, utilized, elevated. Simply switching them off, ignoring them, will not work, and wagging your fingers does not help much ‒ "you may venture this far, but not this far." 9 I am very much in favor of the clearest balance; one should know what one is perpetrating, where one errs, be it necessary, be it avoidable. And when we can talk in person, I would request that you indicate to me exactly individual passages as examples of {6} where and how I fail. That is too cumbersome in writing to request that of you. By contrast, I will make a suggestion. If you find in my music (or in Oppel's or elsewhere) an especially instructive example of failure, rupturing, brittleness, a passage where one can say: the non-genius reveals itself here ‒ if you find such a thing, would you not want to discuss such a passage in an essay in the Tonwille volumes? Particularly with music that otherwise comes close to good music, or otherwise would be good music, it would be especially informative. You won't misunderstand this wish, possibly as though I wanted to garner public rebuke if I can reap no public praise. I don't think I can accept, i.e. use to advantage, just any rebuke, even if it convinces me. How many things have I found to be vulnerable with the great masters, without thinking, therefore, that a correction is possible. Where I have confidence that I can come up with something better, I try it out. Recently, in the first fugue of my first volume of piano pieces {7} I almost completely reworked the counterpoint, in part awkward, in part bad, that has weighed on my mind for some time, whether with successful results I don't want to decide yet. My suggestion is entirely sincere, and if you also think that you can achieve greater clarity for others [written inverted in the top margin:] (that should certainly be a lot better than if you overtly mention a void as opposition)[end insert], then in any case I would like to explain that a rebuke from you is worth serious consideration, without my appreciation of your work being tarnished through your qualified acknowledgment, or even through stronger rejection of my music (for me, that would assuredly play a far lesser role than your doubts about Bruckner, your lack of doubts about Brahms, and similar things), and that I am personally nearly indifferent about whether my music deserves to have genius or non-genius attributed to it, perhaps even entirely indifferent. What I wish is only that it be known and played, so that its strength, its prospect for value, can at least be put to the test. I am not thinking here of effect "on" but rather of the impact of the conception, the productive power of the idea, so to speak, from which this music derives. However, if {8} according to you I appear to greatly overestimate my own music ‒ which I absolutely assume ‒ then it is perhaps conversely possible that your attitude toward me will be tarnished. I will just have to let that depend, i.e., I would have to show my colors according to your comments [written vertically in left margin:] I have not even said everything yet, but still enough[end insert]. For your support, so valuable to me, should not be based on illusion. It would perhaps even be time now, and could really be of value, if we were to have it out publicly in a debate [written between end of letter and postscript:] but not about my music![end insert] ‒ but I don't want to write any more if I don't really have to. Indeed, I have a lot on my mind against you, and I could really be in the mood for a feud in which two opponents want to seek what is right, though without wanting to be proved right. You discuss the opening chord of the Scherzo of Bruckner's Ninth Symphony. Why don't you also look into the ramifications? In measure 35 it reappears in second inversion {9} (how wonderfully the first inversion is circumvented, made unrecognizable!) ‒ everything in between is passing, [written in top margin:] and everything held together through the firmly fixed leading tone, Cě [end insert] ‒ a similar case (for me, however, nicer) than the beginning of the C minor sonata, Op. 111. And how many refinements in the harmonic rhythm, then too the complication of the second inversion with apparent reminder [music example] of the jolt near the end of the first movement, Eę minor–D minor chord, still prominent in memory, and the Eę major chord imposing itself repeatedly right before the final D minor of the first movement. Another question: You apparently do not know my book Of Boundaries and Countries of Music (collected essays by that unfortunate title, as reliable people tell me ‒ with it I just wanted to express that I, too, have placed myself on the periphery and, in part, outside of it). 10 I once pointed out to you a discussion passage about the strange sforzatos (which on first glance are in the wrong place) in the Finale of the D minor Sonata, op. 31. Or do you, in fact, have the book? 11 I don't have any more copies, but would arrange for my publisher to send it to you. You will surely get angry about some things in it. {{10} Brahms: You don't simply take me to be blind and deaf. 12 How gladly I admire the first tonal exposition in the C minor Quartet. But the gesture of the theme! No, and ten times no. And not a bit of Yes mixed in. The gesture*, the gesture, the lacking corporeality. With Beethoven, it* [the gesture] is for me also frequently inimical ‒ but certainly even there, it is convincing, natural, "how existing!" 13 Then another request: read in the Bruckner book [second edition] (even if you are already familiar with the first edition) first the analysis on p. 147 etc. [of the Finale of Bruckner's Second Symphony], which I have significantly improved. Then, the likewise improved section, p. 173 etc., then the Afterword (p. 242) 14 . This letter has taken on the disordered character of a diary. I want to consider one more point. You see, almost all of our great masters could not play the violin, and I detect that. Mozart could also play the violin. He was probably capable of a lot, Haydn presumably the same ‒ but both "part-time." Beethoven could barely play the violin (I know, I know). Handel could play, yes, but Bach alone could really {11} play, with whole heart and family lineage. I am convinced that he played his solo sonatas with pleasure and with superiority. Should I be deceiving myself in that matter, it isn't of greatest importance. In any case, those sonatas arise idiomatically for the violin like nothing else in the entire literature. Bach alone felt (besides what others also felt) the youthful vitality, the surging force of the violin tone (next to him, it seems to me, comes Haydn, but at a very, very large gap removed from him. [Parenthetically, it is a great comfort to me that you speak often and with so much fondness of Haydn. I sometimes wished to write about him. That is among the things I deny myself.] When you speak of improvisation, you probably think of the piano or perhaps the organ. When I improvised on the piano, as I said, I was usually dissatisfied with myself. But it seemed to me really lame when I tried it on the violin (it has gotten better with violin but the relationship of the one to the other gave me a lot to think about). Have you noticed that violinists, when they {12} try out an instrument, almost without exception "fantasize" in a minor key (to my recollection I have not yet encountered an exception)? That it is usually D minor has a technical reason, because they can slide so beautifully over the fourth A‒D on the G-string (or even more beautifully A–Cě with the first finger). But the fact that it is minor: yes, because no melodic material prescribed for them, therefore pathos and tragedy are churned out into the void. The violin is the sternest touchstone for melodic gold. Viewed differently: do you seriously believe that Beethoven, indeed even Mozart, could have written an entire sonata for solo violin? I don't. I even believe definitely that they could not have done it ‒ unless after a prior act of penance, indeed only after pronounced μετάνοια [repentance, change of mind/heart]. — So that there is no error: my sonatas for solo violin are small-scale, modest music, intend in no way to compete. Those of Reger are, as far as I know them, a misunderstanding. © Translation Lee Rothfarb, 2006, 2014 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 3/6, p. 2636, February 16, 1924: "Von Halm (Br., 12 Seiten lang): schickt Lieder. Inhalt des Briefes verworren, Ringen u. Trotz stehen durcheinander. Aufbegehren gegen Beethoven, Brahms; Gefühl-Vorliebnahme für Bruckner; entwindet mir, wie immer, Gegengründe, z. B. wenn er behauptet, sich das Improvisiren angelegen sein zu lassen! Kindlich!" ("From Halm (letter twelve pages long): sends songs. Content of the letter confused, his struggle and defiance contradict one another. Rebellion against Beethoven [and] Brahms; makes do with feelings for Bruckner; wrests from me, as ever, opposing reasons, e.g. when he asserts he has an interest in improvisation! Childish!"). Note that in this letter Halm has used square brackets at several points. These have been retained. They can be distinguished from editorial additions in that the latter appear green. 2 In this and the following paragraphs we see how differently from Schenker Halm conceives of improvisation. Schenker clearly recognizes the marked difference and addresses it, accordingly, in his letter of April 3, 1924. Halm is thinking of local, surface-level melodic embellishments, not the deep, subsurface diminutions of primal intervals that Schenker has in mind. 3 Regarding "Körperlichkeit," see Die Symphonie Anton Bruckners, pp. 14, 166; Einführung in die Musik, pp. 39‒40; "Musikalische Erziehung III," Von Form und Sinn der Musik, p. 210. In "Musikalische Erziehung III," Halm says that in Wickersdorf it is not necessary actually to hear the music the school valued most ‒ Bach and Bruckner. Rather, it is the ideals of the music that guide the Wickersdorf mentality (p. 201): "not insight into the artistic qualities [of the music] but rather our impression of the lineage, of the race, of the materiality [Körperlichkeit] of a music speaks here the first and last word." Rothfarb, "August Halm on Body and Spirit in Music," 19th Century Music 29.2 (2005), 123‒24, 125 (and elsewhere) discusses Halm's notion of corporeality in music. 4 On Halm's decidedly modest self-assessment, see Rothfarb, August Halm, pp. 38, 209. 5 Halm was mercilessly critical of Brahms, e.g. in "Anton Bruckner," Musikblätter des 'Neuen Österreich' 2, No. 4 (1917), where Brahms is "the classicist with a bad conscience," or "the bad conscience of the classicists" (Von Form und Sinn der Musik, p. 176). Further, "What wannabe openings, indeed, that of the F minor sonata and F major symphony of Brahms! Clattering is a part of the trade, they say. What ‒ is the sonata supposed to have become a trade?" (Von Form und Sinn der Musik, p. 177). 6 See Die Sinfonie Anton Bruckners, p. 87, and Von zwei Kulturen, p. 139, on natura naturans. Natura naturans, the realm of the demiurges, the "seed," is the Naturgeist (Naturgesetz) before it is concretized in manifestations of Nature. Natura naturata, the realm of physical nature, is the Naturgeist manifest in Nature (geschaffene Natur), e.g. a tree that grows from the seed. See also "August Halm on Body and Spirit in Music," 130‒32, 134; and Alexander Rehding, "August Halm's Two Cultures as Nature," Music Theory and Natural Order from the Renaissance to the Early Twentieth Century, ed. Suzannah Clark and Alexander Rehding (Cambridge: Cambridge University Press, 2001), pp. 144, 158, 159. 7 In "Trivialität und Meisterschaft," Der Kunstwart 40, No. 2 (1927), 143‒49, esp. 148, Halm says Brahms is a case of involuntary self-exposure, blindsided by his otherwise suppressed natural instincts, which are disposed toward triviality and banality. However, he is also "disposed toward cultivated, conscious taste, and elevated aspiration." Such composers may reach a "true peak in art," but they sometimes forget themselves and show their true face, as in Brahms's "Holder klingt der Vogelsang," Op. 71, No. 5. 8 Halm criticized Reger's music harshly in various publications, among them "Der Führer Max Reger und die Ästhetik," Süddeutsche Zeitung, March 6, 1914 (insert), reproduced in Von Form und Sinn der Musik, pp. 275‒77. See also Von Form und Sinn der Musik, pp. 179, 246, 252, 256; Halm, Beethoven (Berlin: Hesse, 1927), p. 193. 9 It is curious that Halm argues on behalf of modernist composers, or at least in favor of tolerance toward them, in light of his staunchly anti-modernist essays, one of 1924, the year of this letter, titled "Fortschrittler oder Altgläuber: Ein Gespräch" [Progressivist or Traditionalist: A Conversation], Die Musikantengilde 2 (1924), 61‒70; the other one year later, "Müssen wir mitmachen? Gedanken über Musik und Zeit" [Do We Have to Join In? Thoughts about Music and Time], Die Grüne Fahne 2 (1925), 18‒26. The two appear in Halm's Einführung in die Musik, pp. 310‒34, with the title word "Fortschrittler" changed to "Neutöner." The "Neutöner" essay is reprinted in Von Form und Sinn der Musik, pp. 319‒27. 10 Halm, Von Grenzen und Ländern der Musik (Munich: Georg Müller, 1916). 11 Halm refers here to a discussion in Von Grenzen und Ländern der Musik, pp. 158‒62, of parts of the last movement of Beethoven’s "Tempest" Sonata, Op. 31, No. 2. 12 Federhofer, Heinrich Schenker nach Tagebüchern (1985), p. 148, mentions that Schenker noted in his diary that Halm is confused in criticizing Beethoven and Brahms and praising Bruckner, and mentions, too, Halm's comments on improvisation in this letter. 13 "Wie seiend!" is a phrase from Goethe's Italian Journey, Part I, Venice (October 9, 1786), where Goethe expresses his deep admiration for animal life at the seashore: "Was ist doch ein Lebendiges für ein köstliches, herrliches Ding! Wie abgemessen zu seinem Zustande, wie wahr, wie seiend!" ("A living creature is such an exquisite, magnificent thing! How adapted to its condition, how true, how existing!"). See "August Halm on Body and Spirit in Music," 125‒26, 136. Halm's asterisks at the words "gesture" and, in the next sentence, "it," are meant to clarify that the pronoun ("sie") refers back to "gesture" (Geste), not to "corporeality" (Körperlichkeit), which is also feminine gender. 14 2nd edn, pp. 147ff, 173ff, 237‒41 = 1st edn, pp. 132ff, 151ff, 219–23. In the Afterword of the 2nd edn. (1923), pp. 243‒44, Halm discusses Schenker's negative view of Bruckner because of lacking large-scale synthesis. In defense, Halm concludes that Bruckner does not need classical-style figurations. "He does not think in figurations, or only seldom; and he does not perchance replace meaningful figurations of the classicists (not always evident there either) with meaningless and empty ones." |
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Commentary
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