Wilna, den 20. IV. 1917.

Lieber, verehrter Meister! 1

Herzlichen Dank für Ihre freudige Mitteilung, die mich sehr glücklich und hoffnungsfroh macht. Nun fehlt also nur noch der Friede, den wir bald und sicher haben würden, wenn uns nicht die Regierung gänzlich dem Pöbel, der Demokratie unter Führung des Herrn Scheidemann ausliefern möchte. Eine „Konferenz“ bannt uns erstens noch lange in diesen entsetzlichen Kriegszustand und verschlechtert auch die Aussichten der Mittelmächte. Aber es ist wohl ein nicht mehr aufzuhaltender Zug der Zeit, dass die Geschicke der Völker und ihrer Kulturen dem Pöbel in die Hände gespielt werden. Wie wird {2} diesem Pöbel in Berlin jetzt geschmeichelt; Den Soldaten an der Westfront muss merkwürdig dabei zu Mute werden. Doch was hilfts – die Korruption ist allgemein. Da fehlte uns bisher nur noch die Vierteltonmusik meines Herrn von Moellendorff; er schreibt mir, dass die Sache „geht“; und das scheint wohl die Hauptsache zu sein.

Mein Befinden ist den Umständen entsprechend sehr schwankend. Aber ich lese jetzt wenigstens etwas.


Mit herzlichsten Dank
und vielen Grüssen
Ihr
[signed:] Walter Dahms
[signed:] Pionier beim Deutschen Stadthauptmann von Wilna

© Transcription John Koslovsky, 2012


Vilnius April 20, 1917

Dear, revered Master, 1

Many thanks for your joyous message, which made me extremely happy and hopeful. Now the only thing that is lacking is the peace that we would certainly soon have if the government did not hand us over entirely to the riffraff, to democracy under the leadership of Mr. Scheidemann. A "summit" will first of all trap us even longer in this horrible war situation and it will also worsen the prospects for the Central Powers. But it is really an unstoppable current of the time that the fate of the people and their culture is played into the hands of the riffraff. How will {2} these scoundrels in Berlin now be flattered; to the soldiers on the Western Front it must feel strange. But what helps – corruption is widespread. The only thing missing for us now is the quarter-tone music of my friend von Moellendorff; he tells me that the cause "moves forward"; and that really seems to sum it all up.

My condition is correspondingly very unstable. But at least I am reading something now.


With most cordial thanks
and many greetings,
Yours,
[signed:] Walter Dahms
[signed:] Pioneer at the German city authority in Vilnius

© Translation John Koslovsky, 2012


Wilna, den 20. IV. 1917.

Lieber, verehrter Meister! 1

Herzlichen Dank für Ihre freudige Mitteilung, die mich sehr glücklich und hoffnungsfroh macht. Nun fehlt also nur noch der Friede, den wir bald und sicher haben würden, wenn uns nicht die Regierung gänzlich dem Pöbel, der Demokratie unter Führung des Herrn Scheidemann ausliefern möchte. Eine „Konferenz“ bannt uns erstens noch lange in diesen entsetzlichen Kriegszustand und verschlechtert auch die Aussichten der Mittelmächte. Aber es ist wohl ein nicht mehr aufzuhaltender Zug der Zeit, dass die Geschicke der Völker und ihrer Kulturen dem Pöbel in die Hände gespielt werden. Wie wird {2} diesem Pöbel in Berlin jetzt geschmeichelt; Den Soldaten an der Westfront muss merkwürdig dabei zu Mute werden. Doch was hilfts – die Korruption ist allgemein. Da fehlte uns bisher nur noch die Vierteltonmusik meines Herrn von Moellendorff; er schreibt mir, dass die Sache „geht“; und das scheint wohl die Hauptsache zu sein.

Mein Befinden ist den Umständen entsprechend sehr schwankend. Aber ich lese jetzt wenigstens etwas.


Mit herzlichsten Dank
und vielen Grüssen
Ihr
[signed:] Walter Dahms
[signed:] Pionier beim Deutschen Stadthauptmann von Wilna

© Transcription John Koslovsky, 2012


Vilnius April 20, 1917

Dear, revered Master, 1

Many thanks for your joyous message, which made me extremely happy and hopeful. Now the only thing that is lacking is the peace that we would certainly soon have if the government did not hand us over entirely to the riffraff, to democracy under the leadership of Mr. Scheidemann. A "summit" will first of all trap us even longer in this horrible war situation and it will also worsen the prospects for the Central Powers. But it is really an unstoppable current of the time that the fate of the people and their culture is played into the hands of the riffraff. How will {2} these scoundrels in Berlin now be flattered; to the soldiers on the Western Front it must feel strange. But what helps – corruption is widespread. The only thing missing for us now is the quarter-tone music of my friend von Moellendorff; he tells me that the cause "moves forward"; and that really seems to sum it all up.

My condition is correspondingly very unstable. But at least I am reading something now.


With most cordial thanks
and many greetings,
Yours,
[signed:] Walter Dahms
[signed:] Pioneer at the German city authority in Vilnius

© Translation John Koslovsky, 2012

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 2/7, p. 661, April 27, 1917: "Von Dahms (Br.): freut sich über die neue Wendung, zitirt[?] wider die Demokratie, der sich die deutsche Regierung, wie er meint, mit Haut u. Haaren verschrieben hätte." (From Dahms (letter): is delighted about the new turn of events, speaks out[?] against democracy, to which the German government, in his opinion, has surrendered itself body and soul.").