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Berlin d. 17. Nov. 1930

Hochverehrter Herr Doktor!

München 1 hat sich leider wirklich als sehr unbewegliche Stadt erwiesen; Privatkreise sind dort nur sehr wenig an Musik interessiert und alles ist dem Betrieb der Akademie unterstellt. Als einziges positives Resultat kann ich nur verzeichnen, daß mit Hilfe von Freunden ein Vortrag im Odeon 2 zustandegekommen ist: „Das Kunstproblem in der Musik", in dem ich – an Hand erläuternder Beispiele – die wichtigsten Begriffe in möglichst einfacher Form klarzumachen versucht habe; ich glaube, daß das sehr viel Beifall bei den Zuhörern gefunden hat, wenn es auch natürlich noch nicht imstande war, andauerendes Interesse für später zu erwecken; (2 Schüler hatten sich im Ganzen in Anschluß daran gemeldet)[.]

In der Zeitung war eine ausführliche Wiedergabe, die sich aber jeder kritischen Stellungnahme enthielt (der Name Schenker z. B. war – wiewohl im Vortrag als Ausgangspunkt aufgestellt – nicht erwähnt). So versuch ich es nun in Berlin, wo ich auch einen größeren Bekannterkreis habe und mehr Möglichkeiten geboten werden.

Ist es nun sehr anmaßend von mir, verehrter Herr Doktor, wenn ich Sie um ein Paar empfehlende Zeilen bitte, die mir hier – vor allem bei Furtwängler – von großem Nutzen sein könnten; gleichzeitig möchte ich Ihnen ausrichten, daß sich Herr Dr Zuckerkandl, den ich hier aufgesucht habe, Ihnen bestens empfehlen läßt.


Mit herzlichstem Dank und ergebenstem Handkuß an Ihre werte Frau Gemahlin
verbleibe ich stets
Ihr
ergebener
[signed:] Oswald Jonas
[Berlin,] 15 Uhlandstr. 31
bei Buller

© Transcription John Rothgeb & Heribert Esser, 2006, 2011


Berlin November 17, 1930

Highly revered Doctor,

Munich 1 has unfortunately proven itself a very unresponsive city; private circles there are only very little interested in music, and everything is under the administration of the Academy. As the single positive result I can cite only the fact that with the help of friends a lecture in the "Odeon" 2 has been given: "The Art-Problem in Music," in which I tried, with reference to illustrative examples, to make clear the most important concepts in the simplest possible form; I believe that this attempt has been met with much approval on the part of the audience, even though it was naturally not in a position to awaken abiding interest for later; (two students in all had announced interest in further study).

A detailed report appeared in the newspaper, which however avoided any critical appraisal (the name Schenker, for example – although represented in the lecture as point of departure, – was not mentioned). So now I will try it in Berlin, where I also have a larger circle of acquaintances and more possibilities will be offered.

Is it now terribly presumptuous of me, dear Doctor, to request a few lines of recommendation from you, which could be greatly useful to me here – especially with Furtwängler –; may I at the same time convey to you that Dr. Zuckerkandl, whom I have sought out here, sends you his warmest greetings.


With most heartfelt thanks and a most devoted kiss on the hand to your good wife,
I remain ever
Your
devoted
[signed:] Oswald Jonas
[Berlin,] 15 Uhlandstraße 31
c/o Buller

© Translation John Rothgeb, 2006, 2011


Berlin d. 17. Nov. 1930

Hochverehrter Herr Doktor!

München 1 hat sich leider wirklich als sehr unbewegliche Stadt erwiesen; Privatkreise sind dort nur sehr wenig an Musik interessiert und alles ist dem Betrieb der Akademie unterstellt. Als einziges positives Resultat kann ich nur verzeichnen, daß mit Hilfe von Freunden ein Vortrag im Odeon 2 zustandegekommen ist: „Das Kunstproblem in der Musik", in dem ich – an Hand erläuternder Beispiele – die wichtigsten Begriffe in möglichst einfacher Form klarzumachen versucht habe; ich glaube, daß das sehr viel Beifall bei den Zuhörern gefunden hat, wenn es auch natürlich noch nicht imstande war, andauerendes Interesse für später zu erwecken; (2 Schüler hatten sich im Ganzen in Anschluß daran gemeldet)[.]

In der Zeitung war eine ausführliche Wiedergabe, die sich aber jeder kritischen Stellungnahme enthielt (der Name Schenker z. B. war – wiewohl im Vortrag als Ausgangspunkt aufgestellt – nicht erwähnt). So versuch ich es nun in Berlin, wo ich auch einen größeren Bekannterkreis habe und mehr Möglichkeiten geboten werden.

Ist es nun sehr anmaßend von mir, verehrter Herr Doktor, wenn ich Sie um ein Paar empfehlende Zeilen bitte, die mir hier – vor allem bei Furtwängler – von großem Nutzen sein könnten; gleichzeitig möchte ich Ihnen ausrichten, daß sich Herr Dr Zuckerkandl, den ich hier aufgesucht habe, Ihnen bestens empfehlen läßt.


Mit herzlichstem Dank und ergebenstem Handkuß an Ihre werte Frau Gemahlin
verbleibe ich stets
Ihr
ergebener
[signed:] Oswald Jonas
[Berlin,] 15 Uhlandstr. 31
bei Buller

© Transcription John Rothgeb & Heribert Esser, 2006, 2011


Berlin November 17, 1930

Highly revered Doctor,

Munich 1 has unfortunately proven itself a very unresponsive city; private circles there are only very little interested in music, and everything is under the administration of the Academy. As the single positive result I can cite only the fact that with the help of friends a lecture in the "Odeon" 2 has been given: "The Art-Problem in Music," in which I tried, with reference to illustrative examples, to make clear the most important concepts in the simplest possible form; I believe that this attempt has been met with much approval on the part of the audience, even though it was naturally not in a position to awaken abiding interest for later; (two students in all had announced interest in further study).

A detailed report appeared in the newspaper, which however avoided any critical appraisal (the name Schenker, for example – although represented in the lecture as point of departure, – was not mentioned). So now I will try it in Berlin, where I also have a larger circle of acquaintances and more possibilities will be offered.

Is it now terribly presumptuous of me, dear Doctor, to request a few lines of recommendation from you, which could be greatly useful to me here – especially with Furtwängler –; may I at the same time convey to you that Dr. Zuckerkandl, whom I have sought out here, sends you his warmest greetings.


With most heartfelt thanks and a most devoted kiss on the hand to your good wife,
I remain ever
Your
devoted
[signed:] Oswald Jonas
[Berlin,] 15 Uhlandstraße 31
c/o Buller

© Translation John Rothgeb, 2006, 2011

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/4, pp. 3544-3545, November 22, 1930: "Von Dr Jonas (Br. aus Berlin): habe in München im Odoensaal [sic] einen Vortrag gehalten, der auch in den Zeitungen besprochen worden ist. Ich sei in den Blättern nicht erwähnt worden, obgleich er, Jonas, meiner als des Ausgangspunktes gedacht habe! Er bittet um eine Empfehlung an Furtwängler. Uebermittelt mir Grüße von Dr Zuckerkandl. Es ist der typische Fall der Krankheit, an der meine Schüler leiden, im Gegensatz zu Schülern von Riemann, Reger u. a. Offenbar ist die starke Suggestionskraft Ursache davon, daß sie rasch in die Höhe schnellen u. sich bald so hoch dünken, daß sie – über mich hinausgelangen wollen! So z.B. Vrieslander mit seinen Urtönen, statt zunächst die Urlinie anzunehmen, Roth in seinem Kontrapunkt-Buch, Dr Graf in seinem Buch „Vom Schaffen der Meister“, Weisse in anmaßenden Gesprächen, nun auch Jonas in seinem Ansinnen! Ich nur ein „Ausgangspunkt“, u. er entwickelt „Kunstprobleme in der Musik“? – Wie, wenn ich seiner „Weiterentwickelung“ gar nicht zustimme? – mit welchem Rechte fordert er eine Empfehlung von mir, ohne mich mit dem Inhalt seines Vortrags bekanntzumachen, zudem eine Empfehlung an Furtwängler?" ("From Dr. Jonas (letter from Berlin): has given a lecture in the Odeon Hall that has been reviewed in the newspapers. I was not mentioned in the papers, despite the fact that he, Jonas, thought of me as his point of departure. He asks for a recommendation to Furtwängler. Conveys greetings from Dr. Zuckerkandl. It is the typical case of the illness from which my pupils suffer in contrast to those of Riemann, Reger and others. Clearly it is the strong power of suggestion that is the reason why they shoot up rapidly into the heights and soon fancy themselves so lofty that they – want to reach out beyond me! Thus, for example, Vrieslander with his "primal tones," instead of first adopting the Urlinie, Roth in his counterpoint book, Dr. Graf in his book Vom Schaffen der Meister, Weisse in presumptuous conversations, and now Jonas, too, in his unreasonable request. I only a "point of departure," and he expounds on "Art Problems in Music"? – What if I don't agree with his "further developments"? — What right does he have to demand a recommendation from me without making known the contents of his lecture, and what is more a recommendation to Furtwängler?")

2 At the time a famous concert hall in Munich; it was destroyed by the bombing in World War II and has not been rebuilt.

Commentary

Format
1p letter, holograph message and signature
Provenance
Schenker, Heinrich (document date-1935)--Schenker, Jeanette (1935-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1955)--Jonas, Oswald (c.1955-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
Heirs of Oswald Jonas, published by kind permission
License
Permission to publish granted by the heirs of Oswald Jonas October 20, 1913

Digital version created: 2006-03-29