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Hamburg, 22. Oktober 24.


Liebster H.! 1

Ich bin in der seelischen Lage eines jungen Mädchens, das sein schlechtes aber recht gemeintes Liebes-Gedicht 2 verirrt findet. Na, Du wirst am besten beurteilen, warum ich es verurteile. Im Militärrock geschrieben, der Herausgerissene plötzlich in sein schönstes Leben versetzt, verschönert gedenkend, andererseits für das große Material zu unsolide gerüstet u. s. w. – u. s. w. ––

Dein Wort von „Nichtüberwindenmüssen“ war zu wahr u. schön u. ich selbst fühle es mit Stolz. Deine Nachricht u. Güte ließ aber meinen Unglückspunkt unberührt, der stark durch meine Art enstand u. vielleicht noch stärker durch das Leben: Daß ich auf dem Wege so zurückgeblieben, nicht mit Schritt hielt. Schließlich: bin ich verwundeter Krieger, so doch Krieger. In Gesellschaft mit Dir rede ich nicht gerne von mir u. als „Doch Krieger“ will ich den Rest meines Lebens nützlichst im Kleinen verwenden.

Bevor ich Deine Fragen beantworte, will ich Dir erst ein besonderes berichten. Ich konnte die Lieferung Themming noch nicht liquidieren, weil ungeahnt durch den Versand der U. E. eine kleine Geldschweinerei entstand. Ich liefere Dir das Material u. bitte um Rücksendung desselben u. Deine Auskunft hiezu. Ein kleiner Irrtum kann bei mir in der Erinnerung an Galthür sein, hat aber wesentlich nichts mit der später folgenden Tatsache zu tun. Ich frug Dich in Galthür um den Preis eines Heftes u. Du nanntest mir 16.000 Kronen. (Ich glaube so!) Ich rechnete um u. kam zum deutschen 1 Mark Preis. So berechnete ich auch für Themming, was Du aus der mit 100 Dollar gennante Summe in meinem letzten Brief ersehen kannst. Inzwischen sagt mir meine Schülerin Frl. Bekker, das sie 2 M. pro Heft bezahlte. Ich sagte daß das nicht möglich sei u. bat sie, sich unter anderen Namen in Leipzig u. Wien zu erkundigen. Auf einmal kommt aus Leipzig Antwort: Preis 1 M. 50 Pf. ???? Aus Wien kam nichts.

{2} Was kostet ein Heft in Wien? Bitte darüber sofortigen Bescheid. Ich lege hier die Rechnung für Frl. B. 3 u. die Antwort vom Verlag. Andere Mehrberechnungen sammle ich noch. Behalte das Wissen von all dem bei Dir! Sollen die Leute gegen den Verlag vorgehen? Ich muß erst in’s Reine kommen um Herrn Themming die Rechnung stellen zu können.

Beiliegt auch die Antwort von Altmann. Wie verhältst Du Dich dazu?

Du mußt Herrn Themming nicht danken. Aber ein gescheuter Dankbrief von Dir scheint mir doch schmeichelhaft für ihn u. von Nützen für Zukünftiges. Also wie Du willst!

Für Hamburg weiß ich Dir weder gute noch ansehnliche Hände, in die Dein Tonwille gelegt werden kann. Es gibt hier auch keine ernsthafte Institution. Ich wirke da persönlich am besten. Letzthin borgte ich z. B. Kapellmeister Pollak einen Haufen Hefte. Und so rede ich immer davon u. verbreite es. Bestellung u. Auftrag für Versand werde ich natürlich besorgen. Also ich warte auf Deine Auskünfte u. Weisungen.


Alles Schöne von Uns an Euch!
In Treue Dein
[signed:] Floriz

© Transcription William Drabkin, 2011


Hamburg, October 22, 1924.


Dearest H., 1

I am in the emotional state of a young girl, who finds that her poorly composed but well intended love poem 2 has misfired. You will be able to best judge why I condemn it. Written while I was in uniform, the one who had been torn away suddenly found himself in the happiest time of his life, brightly recollecting but at the same time insufficiently well armed for the difficult material, etc. etc.

Your expression of "not having to overcome" was only too true and beautiful, and I feel it myself with pride. Your report and your kindness, however, left my point of weakness untouched, an innate condition that has perhaps intensified even more as a result of my life: that I have been left behind on the path, that I could not keep up. In short: if I am a wounded warrior, I am nonetheless a warrior. In your company, I do not enjoy talking about myself, and as "nonetheless a warrior" I intend to spend the rest of my life being as useful as possible in small matters.

Before I answer your questions, I should like first to report something in particular to you. I could not complete the Temming dispatch because, unsuspectedly, UE played a nasty little monetary trick. I am returning the material to you and ask you for its return with a piece of information. My memory may have played a trick on me in Galtür, but this has nothing of significance to do with the following event. I asked you in Galtür about the price of an issue [of Der Tonwille] and you said it was 16,000 Kronen. (Or so I believe!) I calculated that this came to a German price of 1 Mark. So I reckoned also for Temming, as you can see from the agreed sum of 100 dollars in my last letter. In the meantime, my pupil Miss Becker tells me that she paid 2 Marks per issue. I said that this could not be possible and asked her to inquire about the price in Leipzig and Vienna under a pseudonym. Immediately, the reply from Leipzig was: 1 Mark 50 Pfennig! (There was no reply from Vienna.)

{2} What does an issue cost in Vienna? Please let me know immediately. I am enclosing the receipt for Miss Becker 3 and the reply from the publisher. Other further calculations I am continuing to collect. Keep the knowledge of all this to yourself! Should these people complain to the publisher? I must know the correct answer before I can present Mr. Temming with the invoice.

Also enclosed is the reply from Altmann. What do you think of it?

It is not necessary to thank Mr. Temming, but a modest letter of thanks from you would seem to me to flatter him, and could be useful in future. As you see fit!

For Hamburg, I know of neither good nor useful hands into which your Tonwille could be placed. Moreover, there are no serious institutions. It would be best for me to distribute it personally. Recently, I lent conductor Pollak, for instance, a pile of issues. And thus I always talk about it and broaden [interest in] it. I shall of course take care of ordering and arranging for the copies to be sent. And so I await you information and instructions.


All good wishes from us to you!
Your faithful
[signed:] Floriz

© Translation William Drabkin, 2011


Hamburg, 22. Oktober 24.


Liebster H.! 1

Ich bin in der seelischen Lage eines jungen Mädchens, das sein schlechtes aber recht gemeintes Liebes-Gedicht 2 verirrt findet. Na, Du wirst am besten beurteilen, warum ich es verurteile. Im Militärrock geschrieben, der Herausgerissene plötzlich in sein schönstes Leben versetzt, verschönert gedenkend, andererseits für das große Material zu unsolide gerüstet u. s. w. – u. s. w. ––

Dein Wort von „Nichtüberwindenmüssen“ war zu wahr u. schön u. ich selbst fühle es mit Stolz. Deine Nachricht u. Güte ließ aber meinen Unglückspunkt unberührt, der stark durch meine Art enstand u. vielleicht noch stärker durch das Leben: Daß ich auf dem Wege so zurückgeblieben, nicht mit Schritt hielt. Schließlich: bin ich verwundeter Krieger, so doch Krieger. In Gesellschaft mit Dir rede ich nicht gerne von mir u. als „Doch Krieger“ will ich den Rest meines Lebens nützlichst im Kleinen verwenden.

Bevor ich Deine Fragen beantworte, will ich Dir erst ein besonderes berichten. Ich konnte die Lieferung Themming noch nicht liquidieren, weil ungeahnt durch den Versand der U. E. eine kleine Geldschweinerei entstand. Ich liefere Dir das Material u. bitte um Rücksendung desselben u. Deine Auskunft hiezu. Ein kleiner Irrtum kann bei mir in der Erinnerung an Galthür sein, hat aber wesentlich nichts mit der später folgenden Tatsache zu tun. Ich frug Dich in Galthür um den Preis eines Heftes u. Du nanntest mir 16.000 Kronen. (Ich glaube so!) Ich rechnete um u. kam zum deutschen 1 Mark Preis. So berechnete ich auch für Themming, was Du aus der mit 100 Dollar gennante Summe in meinem letzten Brief ersehen kannst. Inzwischen sagt mir meine Schülerin Frl. Bekker, das sie 2 M. pro Heft bezahlte. Ich sagte daß das nicht möglich sei u. bat sie, sich unter anderen Namen in Leipzig u. Wien zu erkundigen. Auf einmal kommt aus Leipzig Antwort: Preis 1 M. 50 Pf. ???? Aus Wien kam nichts.

{2} Was kostet ein Heft in Wien? Bitte darüber sofortigen Bescheid. Ich lege hier die Rechnung für Frl. B. 3 u. die Antwort vom Verlag. Andere Mehrberechnungen sammle ich noch. Behalte das Wissen von all dem bei Dir! Sollen die Leute gegen den Verlag vorgehen? Ich muß erst in’s Reine kommen um Herrn Themming die Rechnung stellen zu können.

Beiliegt auch die Antwort von Altmann. Wie verhältst Du Dich dazu?

Du mußt Herrn Themming nicht danken. Aber ein gescheuter Dankbrief von Dir scheint mir doch schmeichelhaft für ihn u. von Nützen für Zukünftiges. Also wie Du willst!

Für Hamburg weiß ich Dir weder gute noch ansehnliche Hände, in die Dein Tonwille gelegt werden kann. Es gibt hier auch keine ernsthafte Institution. Ich wirke da persönlich am besten. Letzthin borgte ich z. B. Kapellmeister Pollak einen Haufen Hefte. Und so rede ich immer davon u. verbreite es. Bestellung u. Auftrag für Versand werde ich natürlich besorgen. Also ich warte auf Deine Auskünfte u. Weisungen.


Alles Schöne von Uns an Euch!
In Treue Dein
[signed:] Floriz

© Transcription William Drabkin, 2011


Hamburg, October 22, 1924.


Dearest H., 1

I am in the emotional state of a young girl, who finds that her poorly composed but well intended love poem 2 has misfired. You will be able to best judge why I condemn it. Written while I was in uniform, the one who had been torn away suddenly found himself in the happiest time of his life, brightly recollecting but at the same time insufficiently well armed for the difficult material, etc. etc.

Your expression of "not having to overcome" was only too true and beautiful, and I feel it myself with pride. Your report and your kindness, however, left my point of weakness untouched, an innate condition that has perhaps intensified even more as a result of my life: that I have been left behind on the path, that I could not keep up. In short: if I am a wounded warrior, I am nonetheless a warrior. In your company, I do not enjoy talking about myself, and as "nonetheless a warrior" I intend to spend the rest of my life being as useful as possible in small matters.

Before I answer your questions, I should like first to report something in particular to you. I could not complete the Temming dispatch because, unsuspectedly, UE played a nasty little monetary trick. I am returning the material to you and ask you for its return with a piece of information. My memory may have played a trick on me in Galtür, but this has nothing of significance to do with the following event. I asked you in Galtür about the price of an issue [of Der Tonwille] and you said it was 16,000 Kronen. (Or so I believe!) I calculated that this came to a German price of 1 Mark. So I reckoned also for Temming, as you can see from the agreed sum of 100 dollars in my last letter. In the meantime, my pupil Miss Becker tells me that she paid 2 Marks per issue. I said that this could not be possible and asked her to inquire about the price in Leipzig and Vienna under a pseudonym. Immediately, the reply from Leipzig was: 1 Mark 50 Pfennig! (There was no reply from Vienna.)

{2} What does an issue cost in Vienna? Please let me know immediately. I am enclosing the receipt for Miss Becker 3 and the reply from the publisher. Other further calculations I am continuing to collect. Keep the knowledge of all this to yourself! Should these people complain to the publisher? I must know the correct answer before I can present Mr. Temming with the invoice.

Also enclosed is the reply from Altmann. What do you think of it?

It is not necessary to thank Mr. Temming, but a modest letter of thanks from you would seem to me to flatter him, and could be useful in future. As you see fit!

For Hamburg, I know of neither good nor useful hands into which your Tonwille could be placed. Moreover, there are no serious institutions. It would be best for me to distribute it personally. Recently, I lent conductor Pollak, for instance, a pile of issues. And thus I always talk about it and broaden [interest in] it. I shall of course take care of ordering and arranging for the copies to be sent. And so I await you information and instructions.


All good wishes from us to you!
Your faithful
[signed:] Floriz

© Translation William Drabkin, 2011

Footnotes

1 Receipt of this letter is not recorded in Schenker's diary.

2 Violin is referring to the essay he wrote in 1918, on the occasion of Schenker's fiftieth birthday. He still finds it embarrassing, although Schenker was himself touched by it.

3 This receipt does not seem to have survived. Two subsequent receipts from Universal Edition (in Leipzig) to Agnes Becker, for Tonwille 7-9 and 10, respectively, are filed in the correspondence with the publisher (OC 52/645-66).

Commentary

Format
2p letter, holograph message and signature
Provenance
Schenker, Heinrich (document date-1935)--Schenker, Jeanette (1935-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1945)--Jonas, Oswald (c.1945-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
Heirs of Moriz Violin, reproduced here by kind permission
License
Permission to publish granted by the heirs of Moriz Violin, June 25, 2006. Any claim to intellectual rights on this document should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence [at] mus (dot) cam (dot) ac (dot) uk

Digital version created: 2011-09-20
Last updated: 2011-09-20