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Galtür, seit Tagen im Schnee!
Samstag, 27. 8. 27

Mein lieber Wilhelm! 1

Ohne deine Antwort abzuwarten, habe ich dir eine Neuigkeit mitzuteilen:

Am Freitag (gestern, den 26.) hatte ich „Fasttag“, wie ihn mir mein Ehrenarzt, der Direktor des Sanatoriums Löw in Vien, Dr. Halberstam, verordnet hat. Ich habe den Fasttag tadellos gehalten (mit Forellen, Schlagsahne Mittags, u. Naturomelette, ein wenig Karfiol u. Gorgonzola Abends, schließlich Tee aus LieLiechens Hand). In der Nacht aber von gestern auf heute traten sehr heftige Schmerzen im Magen u. Darm auf, es brannte u. sägte, ich hatte keine Ruhe – 7½ früh stand ich auf, um 8h, da wir gerade beim Frühstück (im Zimmer) saßen, trat mir plötzlich Schweiß au den Kopf u. schon stand ich am Waschbecken, um entsetzlich zu – erbrechen, das zweite Mal im Leben überhaupt!

Ich legte mich dann ins Bett, da ich merkte, daß Ruhe am besten tut. {2} Ich erbrach nicht mehr, dafür aber fand sich ein sehr heftiger Durchfall ein, worin ich überhaupt ein Meister bin[.] (Vielleicht erinnerst du dich noch der Gymnasialtage u. -nächte, an denen du mir so liebevoll beizustehen pflegtest, ich vergesse nie den Dank dafür.) Natürlich esse ich jetzt nichts. Im Notfalle werde ich den Arzt aus Kappl (hier ist keiner) holen lassen.

Ich muß wieder zu mir kommen, denn gleich zu Beginn der Ferien hatte ich hier einen starken Durchfall (15mal binnen kurzer Zeit), konnte kaum die Lippen bewegen u. brauchte vielleicht 2 Wochen, bis ich mich wieder erholte. Nun geschieht es hier zum 2[.] Male u. gleichzeitig oben u. unten! Wie die Geschichte nun weiter laufen wird, weiß ich nicht. Ich glaube, daß ich am besten tun werde, sobald ich reisemöglich bin, mich nach Hause zu begeben, in die häusliche Pflege meines LieLiechens unter Zuziehung unseres Ob-mediz[inal]rates. Dr. P. Frühmann, der mich schon über 30 Jahre behandelt. Ehe die {3} Saison beginnt, muß ich meine Kräfte, mein Gewicht wieder haben, sonst gienge es mir schief.

In der schlimmen Nacht auf heute dachte ich viel über die Fahrt zu dir u. da kam mir die Erleuchtung: nach Wien mit allem Gepäck reisen, das Gepäck im Gang unserer Wohnung einfach stehen lassen, die Wohnung wieder schließen, das Frühstück im Café Aspang (Rennweg) nehmen u. dann – als gienge es einfach z. B. nach Baden – mit 2 Handtaschen, Mantel u. Regenschirm um 9.15 (oder 9.20) einzusteigen u. hinüberfahren. Das ist noch einfacher, kürzer, als St. Pölten usw.

Wir wollen nun sehen, ob sich die „Wasser“ verlaufen werden u. wann, – denn das ist nichts, eine Ferienhetze zu unternehmen, wenn man oben erbricht u. unten in die Hosen macht. Das Hototo 2 muß schon lüstiger sein, ich bin, wie du weißt, trotz Büchern ohne Zahl, ein sehr {4} heitere Knabe, aber Magen u. Darm müssen wohl in Ordnung sein.

Je rascher ich mich neuerdings erhole, desto mehr ist die Möglichkeit des Hototo gegeben, wir wollen sehen.

Mein LieLiechen hatte, ebenfalls am Anfang der Ferien, einen Brechanfall hier (sehr selten bei ihr!!) – aus unerklärten Gründen. Allerdings hieß es damals, daß fast alle Gäste u. Einheimischen an ähnlichen F Anfällen litten – man nennt hier eine solche Epidemie “ oder „Herumgang“ (was doch bei uns eine „Prozession“ bedeutet!) – kurz, sie hätte Mühe, sich zu erholen. Gott sei Dank, geschah es nur einmal, – mir stößt es schon zum 2[.] Mal zu.

Ich muß die Küche wechseln, das ist klar. Ich werde dich im Laufenden halten, Gott gebe Erholung u. den Sprung zu dir!


Viele Küsse von mir u. LieLiechen
dein
[signed:] Heinrich

© Transcription William Drabkin, 2024


Galtür, in snow for days!
Saturday, August 27, 1927

My dear Wilhelm, 1

Without waiting for your answer, I have the following bit of news to report to you:

On Friday (yesterday, the 26th), I had a “fast day” as my honorary doctor, Dr. Halberstam, director of the Löw Sanatorium in Vienna, prescribed. I observed the fast day impeccably (at midday with trout, whipped cream and, in the evening, an omelet, a little cauliflower and gorgonzola cheese, finally with tea of LieLiechen’s making). However, during the night from yesterday to today, very intense stomach and bowel pains arose. It burned and grated. I had no rest – I got up at 7:30 in the morning. At 8 o’clock, as we were sitting at breakfast (in the room), suddenly sweat broke out on my head, and I quickly stood at the wash basin horribly to – throw up, for the second time ever in my life!

I lay down in bed because I noticed that rest was the best thing. {2} I didn’t throw up anymore, but instead a very hefty diarrhea set in, with which I am generally an expert. (Perhaps you still remember the high-school days and nights on which you always so kindly cared for me. I’ll never forget my gratitude for that.) Now, I am naturally eating nothing. In case of an emergency, I’ll have the doctor summoned from Kappl (there is none here).

I have to come around because right at the beginning of vacation I had severe diarrhea (fifteen times within a short span), was barely able to move my lips und needed perhaps two weeks until I recovered. Now, it’s happening a second time, and simultaneously above and below! How the history will unfold, I don’t know. I believe that the best thing for me to do, as soon as I can travel, is to get myself home, into the domestic care of my LieLiechen, with consultation of our chief medical advisor, Dr. P. Frühmann, who has treated me for over thirty years. Before the {3} season begins, I must regain my strength, and my weight. Otherwise things will go awry with me.

In the bad night leading to today, I thought a lot about the trip to you, and an epiphany hit me: travel to Vienna with all of our luggage, simply leave the luggage in the hallway of our apartment, relock the apartment, have breakfast at Café Aspang (Rennweg), and then – as though going simply, for example, to Baden – board the train at 9:15 am (or 9:20) with two handbags, coats, and umbrellas, and ride to your place. That is much simpler, shorter, than St. Pölten, etc.

We’ll see, now, whether the “waters” run dry, and when – because it is no good undertaking a vacation when, above, one is throwing up and, below, is making in one’s pants. The Hototo 2 must be yet more amusing. As you know, despite books beyond number I am a very {4} cheerful fellow, but stomach and bowel certainly have to be in order.

The more quickly I recover of late, the greater is the possibility of the Hototo. We shall see.

My LieLiechen had a case of vomiting here (very seldom with her!!), also at the start of the vacation – for unexplained reasons. To be sure, at that point people said that almost all guests and locals had similar bouts – here one calls such an epidemic “exposure” or “passing around” (which in our case means a “procession”!) – in short, she had trouble recovering. Thank God it happened only once – it already hit me for the second time.

I have to change cuisine, that is clear. I’ll keep you updated. May God grant you recovery and a spring in your step!


Abundant kisses from me and LieLiechen
Your
[signed:] Heinrich

© Translation Lee Rothfarb, 2024


Galtür, seit Tagen im Schnee!
Samstag, 27. 8. 27

Mein lieber Wilhelm! 1

Ohne deine Antwort abzuwarten, habe ich dir eine Neuigkeit mitzuteilen:

Am Freitag (gestern, den 26.) hatte ich „Fasttag“, wie ihn mir mein Ehrenarzt, der Direktor des Sanatoriums Löw in Vien, Dr. Halberstam, verordnet hat. Ich habe den Fasttag tadellos gehalten (mit Forellen, Schlagsahne Mittags, u. Naturomelette, ein wenig Karfiol u. Gorgonzola Abends, schließlich Tee aus LieLiechens Hand). In der Nacht aber von gestern auf heute traten sehr heftige Schmerzen im Magen u. Darm auf, es brannte u. sägte, ich hatte keine Ruhe – 7½ früh stand ich auf, um 8h, da wir gerade beim Frühstück (im Zimmer) saßen, trat mir plötzlich Schweiß au den Kopf u. schon stand ich am Waschbecken, um entsetzlich zu – erbrechen, das zweite Mal im Leben überhaupt!

Ich legte mich dann ins Bett, da ich merkte, daß Ruhe am besten tut. {2} Ich erbrach nicht mehr, dafür aber fand sich ein sehr heftiger Durchfall ein, worin ich überhaupt ein Meister bin[.] (Vielleicht erinnerst du dich noch der Gymnasialtage u. -nächte, an denen du mir so liebevoll beizustehen pflegtest, ich vergesse nie den Dank dafür.) Natürlich esse ich jetzt nichts. Im Notfalle werde ich den Arzt aus Kappl (hier ist keiner) holen lassen.

Ich muß wieder zu mir kommen, denn gleich zu Beginn der Ferien hatte ich hier einen starken Durchfall (15mal binnen kurzer Zeit), konnte kaum die Lippen bewegen u. brauchte vielleicht 2 Wochen, bis ich mich wieder erholte. Nun geschieht es hier zum 2[.] Male u. gleichzeitig oben u. unten! Wie die Geschichte nun weiter laufen wird, weiß ich nicht. Ich glaube, daß ich am besten tun werde, sobald ich reisemöglich bin, mich nach Hause zu begeben, in die häusliche Pflege meines LieLiechens unter Zuziehung unseres Ob-mediz[inal]rates. Dr. P. Frühmann, der mich schon über 30 Jahre behandelt. Ehe die {3} Saison beginnt, muß ich meine Kräfte, mein Gewicht wieder haben, sonst gienge es mir schief.

In der schlimmen Nacht auf heute dachte ich viel über die Fahrt zu dir u. da kam mir die Erleuchtung: nach Wien mit allem Gepäck reisen, das Gepäck im Gang unserer Wohnung einfach stehen lassen, die Wohnung wieder schließen, das Frühstück im Café Aspang (Rennweg) nehmen u. dann – als gienge es einfach z. B. nach Baden – mit 2 Handtaschen, Mantel u. Regenschirm um 9.15 (oder 9.20) einzusteigen u. hinüberfahren. Das ist noch einfacher, kürzer, als St. Pölten usw.

Wir wollen nun sehen, ob sich die „Wasser“ verlaufen werden u. wann, – denn das ist nichts, eine Ferienhetze zu unternehmen, wenn man oben erbricht u. unten in die Hosen macht. Das Hototo 2 muß schon lüstiger sein, ich bin, wie du weißt, trotz Büchern ohne Zahl, ein sehr {4} heitere Knabe, aber Magen u. Darm müssen wohl in Ordnung sein.

Je rascher ich mich neuerdings erhole, desto mehr ist die Möglichkeit des Hototo gegeben, wir wollen sehen.

Mein LieLiechen hatte, ebenfalls am Anfang der Ferien, einen Brechanfall hier (sehr selten bei ihr!!) – aus unerklärten Gründen. Allerdings hieß es damals, daß fast alle Gäste u. Einheimischen an ähnlichen F Anfällen litten – man nennt hier eine solche Epidemie “ oder „Herumgang“ (was doch bei uns eine „Prozession“ bedeutet!) – kurz, sie hätte Mühe, sich zu erholen. Gott sei Dank, geschah es nur einmal, – mir stößt es schon zum 2[.] Mal zu.

Ich muß die Küche wechseln, das ist klar. Ich werde dich im Laufenden halten, Gott gebe Erholung u. den Sprung zu dir!


Viele Küsse von mir u. LieLiechen
dein
[signed:] Heinrich

© Transcription William Drabkin, 2024


Galtür, in snow for days!
Saturday, August 27, 1927

My dear Wilhelm, 1

Without waiting for your answer, I have the following bit of news to report to you:

On Friday (yesterday, the 26th), I had a “fast day” as my honorary doctor, Dr. Halberstam, director of the Löw Sanatorium in Vienna, prescribed. I observed the fast day impeccably (at midday with trout, whipped cream and, in the evening, an omelet, a little cauliflower and gorgonzola cheese, finally with tea of LieLiechen’s making). However, during the night from yesterday to today, very intense stomach and bowel pains arose. It burned and grated. I had no rest – I got up at 7:30 in the morning. At 8 o’clock, as we were sitting at breakfast (in the room), suddenly sweat broke out on my head, and I quickly stood at the wash basin horribly to – throw up, for the second time ever in my life!

I lay down in bed because I noticed that rest was the best thing. {2} I didn’t throw up anymore, but instead a very hefty diarrhea set in, with which I am generally an expert. (Perhaps you still remember the high-school days and nights on which you always so kindly cared for me. I’ll never forget my gratitude for that.) Now, I am naturally eating nothing. In case of an emergency, I’ll have the doctor summoned from Kappl (there is none here).

I have to come around because right at the beginning of vacation I had severe diarrhea (fifteen times within a short span), was barely able to move my lips und needed perhaps two weeks until I recovered. Now, it’s happening a second time, and simultaneously above and below! How the history will unfold, I don’t know. I believe that the best thing for me to do, as soon as I can travel, is to get myself home, into the domestic care of my LieLiechen, with consultation of our chief medical advisor, Dr. P. Frühmann, who has treated me for over thirty years. Before the {3} season begins, I must regain my strength, and my weight. Otherwise things will go awry with me.

In the bad night leading to today, I thought a lot about the trip to you, and an epiphany hit me: travel to Vienna with all of our luggage, simply leave the luggage in the hallway of our apartment, relock the apartment, have breakfast at Café Aspang (Rennweg), and then – as though going simply, for example, to Baden – board the train at 9:15 am (or 9:20) with two handbags, coats, and umbrellas, and ride to your place. That is much simpler, shorter, than St. Pölten, etc.

We’ll see, now, whether the “waters” run dry, and when – because it is no good undertaking a vacation when, above, one is throwing up and, below, is making in one’s pants. The Hototo 2 must be yet more amusing. As you know, despite books beyond number I am a very {4} cheerful fellow, but stomach and bowel certainly have to be in order.

The more quickly I recover of late, the greater is the possibility of the Hototo. We shall see.

My LieLiechen had a case of vomiting here (very seldom with her!!), also at the start of the vacation – for unexplained reasons. To be sure, at that point people said that almost all guests and locals had similar bouts – here one calls such an epidemic “exposure” or “passing around” (which in our case means a “procession”!) – in short, she had trouble recovering. Thank God it happened only once – it already hit me for the second time.

I have to change cuisine, that is clear. I’ll keep you updated. May God grant you recovery and a spring in your step!


Abundant kisses from me and LieLiechen
Your
[signed:] Heinrich

© Translation Lee Rothfarb, 2024

Footnotes

1 Writing of this letter is recorded in Schenker’s diary for August 27, 1927: “An Wilhelm (Br.): Absage!” (“To Wilhelm (letter): cancellation!”).

2 Hototo: it is not clear what Schenker means by this expression.

Commentary

Format
4p letter (Bogen format), holograph salutation, message, valediction, and signature
Provenance
Wilhelm Schenker (document date-1938?)—Jeanette Schenker (1938?-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1955)--Jonas, Oswald (c.1955-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
Heirs of Heinrich Schenker; deemed to be in the public domain
License
This document is deemed to be in the public domain as of January 1, 2006. Any claim to intellectual rights should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence[at]mus(dot)cam(dot)ac(dot)uk

Digital version created: 2024-07-10
Last updated: 2010-03-11