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OJ 5/7a, [12] (formerly vC 12) - Handwritten letter from Schenker to Cube, dated November 9, 1927
Da haben Sie uns mit Ihrem Geschenk 2 eine große, sehr große Freude bereitet, wir danken herzlichst! Nicht nur unser Zwie-Satz, sondern auch der Vierstimmen-Satz das allgemeiner chorus ist unisono der Meinung, daß Ihr Bildchen die besten sind, die je von uns angefertigt sind, die also nicht ausgenommen, die mit Recht seinerzeit als die besten galten. Ihr „Rekord“ greift am höchsten. Ein eigener u. freier künstlerischer Wille drängt aus allem hervor, was Sie treiben, u. so auch aus den Bildchen u. Bildern. Vielen Dank für diese Erinnerung der Galtürer Tage! 3 {2} Aber eine fast noch größere Freude bereiten Sie mir mit der Schilderung Ihres derzeitiges Standes, der zu besten Hoffnungen berechtigt. Ihre zwei Theorieklassen, denen bald eine dritte zuwachsen wird, Ihre Urlinie-Anweisungen, Ihre Mühen um gute „Ausgaben“, Ihre Sonatenarbeiten, das stille Sich-bilden am Rundfunk (der den Anderen ja nur ein Müßiggangsbehelf ist), Alles das gibt das Bild schönsten Strebens, dem der Lohn gewiß nicht ausbleiben wird. Sonate II u. der Vortrag, falls es zu einem solchen kommen sollte, erbitte ich zur An- und Einsicht, (womit zugleich die Ermächtigung gegeben ist, frei von der gesunden Musikleber weg zu sprechen). 4 Hauptsache bleibt, die jungen Menschenkinder dazu zu verhalten, endlich mit dem wirklichen Notenlesen einen Anfang zu machen, d.h. {3} sie zumindest zu den „Zügen“ zu führen (wenn sie der letzthintergründigen Urmutter „Urlinie“ nicht zu folgen vermögen), als den Trägern eines Zusammenhangs, wie er in der Sprache durch Satzbau usw. gegeben ist. Daß man erst jetzt, nach mehrhundertjährigem Bestande der Tonkunst, mit dem Lesen anfangen muß, ist die Schande der Menschheit, sie wird nur dadurch entschuldigt, daß die Tonsprache als „Sprache“ eben schwieriger als alle anderen Menschen- u. Tiersprachen sind. Daß Sie hiebei aller meiner Verdienste, die ja die ersten sind, G „ausdrücklich“ gedanken, kommt der Sache nur zugute. Vrieslander arbeitet gegenwärtig, wie er mir sagte, an zu einer größeren „Monographie“ über mich, 5 das bedeutet einen Stoß in die Verheimlichungsintrigen unserer Kollegen, {4} die ich übrigens ebenfalls entschuldige u. zw. damit, daß sie weder die Musik noch mich verstehen. Von Vriesl. erhalten Sie demnächst einen von ihm verfaßten „Prospekt“ zu den Jbüchern I u. II 6 u. dazu ein Briefchen, das ich nicht gelesen habe. Solcher Briefchen schrieb Vr. an 100, an alle „Prominenten“ des Reiches, jedem nach seiner Art, u. so hoffe ich, Ihnen ein liebes nach Ihrer lieben Art. Ende des Monats erreicht Sie Hobokens „Aufruf“[.] 7 Freitag halten wir noch eine Kuratoriumstagung ab, u. dann geht das Werk los. Und nun mit herzlichsten Grüßen von mir u. meiner Frau an Sie Zu dem Neugeborenen wünschen wir dem Elternpaar viel Glück. 9.11.27 © Transcription William Drabkin, 2006 |
Your present brought us great – very great – joy; we offer you our most heartfelt thanks. 2 Not only our strange two-voice counterpoint, but also the four-part harmony is of the unanimous opinion that your little pictures are the best that have ever been made of us, i.e. not excluding those that were rightly regarded in their own time as the best. Your "record" reaches the highest level. An original and free artistic will springs forth from everything that you undertake, and thus also from these smaller and larger pictures. Many thanks for this souvenir of your time in Galtür! 3 {2} But I take almost greater pleasure from the account of your present situation, which justifies the highest hopes. Your two theory classes (which will soon grow to three), your studies in the Urlinie, your efforts in support of good "editions," your composition of sonatas, your quiet self-education at the radio (an object that, of course, makes it easy for others to be lazy): all this gives a picture of the most beautiful striving, which will certainly not go unrewarded. Regarding your second sonata and a peformance [of it], should that come to pass: please let me me have a look at it, so that I can study it closely (whereby I may have the authority to speak freely and frankly about them). 4 The main thing remains to get the young children of mankind finally to make a start in reading music correctly, that is {3} to lead them at least to the "linear progressions" (even if they are unable to follow the "Urlinie" as primeval mother at the very deepest background level), as the bearers of a coherence of the sort that is granted to speech by means of sentence construction, etc. That only now, after music has been in existence for several hundred years, one must begin with the act of reading is the disgrace of mankind, which can only be excused by the fact that the language of music, as a "language," is actually more difficult than any other human or animal languages. That you intend in this endeavor "expressly" to make use of all my accomplishments, which are really the first, can only be of benefit to the cause. Vrieslander, so he tells me, is currently working on a rather large "monograph" about me; 5 that will be a blow to the secret intrigues on the part of our colleagues, {4} whom I, moreover, likewise excuse, and indeed on the grounds that they understand neither music nor me. From Vrieslander you will soon receive a "prospectus" for Yearbooks I and II, 6 together with a short letter that I have not read. Vrieslander writes a hundred such letters, to all "prominent people" of the realm, each tailored to the recipient, and so I hope that has written a dear one to you, too, tailored to your dear character. At the end of the month, Hoboken's "appeal" 7 will reach you. On Friday we are holding a trustees' conference; then the work will get going. And now, with most heartfelt greetings from me and my wife, [P.S.] We wish the parents of the newborn child much happiness. November 9, 1927 © Translation William Drabkin, 2006 |
Da haben Sie uns mit Ihrem Geschenk 2 eine große, sehr große Freude bereitet, wir danken herzlichst! Nicht nur unser Zwie-Satz, sondern auch der Vierstimmen-Satz das allgemeiner chorus ist unisono der Meinung, daß Ihr Bildchen die besten sind, die je von uns angefertigt sind, die also nicht ausgenommen, die mit Recht seinerzeit als die besten galten. Ihr „Rekord“ greift am höchsten. Ein eigener u. freier künstlerischer Wille drängt aus allem hervor, was Sie treiben, u. so auch aus den Bildchen u. Bildern. Vielen Dank für diese Erinnerung der Galtürer Tage! 3 {2} Aber eine fast noch größere Freude bereiten Sie mir mit der Schilderung Ihres derzeitiges Standes, der zu besten Hoffnungen berechtigt. Ihre zwei Theorieklassen, denen bald eine dritte zuwachsen wird, Ihre Urlinie-Anweisungen, Ihre Mühen um gute „Ausgaben“, Ihre Sonatenarbeiten, das stille Sich-bilden am Rundfunk (der den Anderen ja nur ein Müßiggangsbehelf ist), Alles das gibt das Bild schönsten Strebens, dem der Lohn gewiß nicht ausbleiben wird. Sonate II u. der Vortrag, falls es zu einem solchen kommen sollte, erbitte ich zur An- und Einsicht, (womit zugleich die Ermächtigung gegeben ist, frei von der gesunden Musikleber weg zu sprechen). 4 Hauptsache bleibt, die jungen Menschenkinder dazu zu verhalten, endlich mit dem wirklichen Notenlesen einen Anfang zu machen, d.h. {3} sie zumindest zu den „Zügen“ zu führen (wenn sie der letzthintergründigen Urmutter „Urlinie“ nicht zu folgen vermögen), als den Trägern eines Zusammenhangs, wie er in der Sprache durch Satzbau usw. gegeben ist. Daß man erst jetzt, nach mehrhundertjährigem Bestande der Tonkunst, mit dem Lesen anfangen muß, ist die Schande der Menschheit, sie wird nur dadurch entschuldigt, daß die Tonsprache als „Sprache“ eben schwieriger als alle anderen Menschen- u. Tiersprachen sind. Daß Sie hiebei aller meiner Verdienste, die ja die ersten sind, G „ausdrücklich“ gedanken, kommt der Sache nur zugute. Vrieslander arbeitet gegenwärtig, wie er mir sagte, an zu einer größeren „Monographie“ über mich, 5 das bedeutet einen Stoß in die Verheimlichungsintrigen unserer Kollegen, {4} die ich übrigens ebenfalls entschuldige u. zw. damit, daß sie weder die Musik noch mich verstehen. Von Vriesl. erhalten Sie demnächst einen von ihm verfaßten „Prospekt“ zu den Jbüchern I u. II 6 u. dazu ein Briefchen, das ich nicht gelesen habe. Solcher Briefchen schrieb Vr. an 100, an alle „Prominenten“ des Reiches, jedem nach seiner Art, u. so hoffe ich, Ihnen ein liebes nach Ihrer lieben Art. Ende des Monats erreicht Sie Hobokens „Aufruf“[.] 7 Freitag halten wir noch eine Kuratoriumstagung ab, u. dann geht das Werk los. Und nun mit herzlichsten Grüßen von mir u. meiner Frau an Sie Zu dem Neugeborenen wünschen wir dem Elternpaar viel Glück. 9.11.27 © Transcription William Drabkin, 2006 |
Your present brought us great – very great – joy; we offer you our most heartfelt thanks. 2 Not only our strange two-voice counterpoint, but also the four-part harmony is of the unanimous opinion that your little pictures are the best that have ever been made of us, i.e. not excluding those that were rightly regarded in their own time as the best. Your "record" reaches the highest level. An original and free artistic will springs forth from everything that you undertake, and thus also from these smaller and larger pictures. Many thanks for this souvenir of your time in Galtür! 3 {2} But I take almost greater pleasure from the account of your present situation, which justifies the highest hopes. Your two theory classes (which will soon grow to three), your studies in the Urlinie, your efforts in support of good "editions," your composition of sonatas, your quiet self-education at the radio (an object that, of course, makes it easy for others to be lazy): all this gives a picture of the most beautiful striving, which will certainly not go unrewarded. Regarding your second sonata and a peformance [of it], should that come to pass: please let me me have a look at it, so that I can study it closely (whereby I may have the authority to speak freely and frankly about them). 4 The main thing remains to get the young children of mankind finally to make a start in reading music correctly, that is {3} to lead them at least to the "linear progressions" (even if they are unable to follow the "Urlinie" as primeval mother at the very deepest background level), as the bearers of a coherence of the sort that is granted to speech by means of sentence construction, etc. That only now, after music has been in existence for several hundred years, one must begin with the act of reading is the disgrace of mankind, which can only be excused by the fact that the language of music, as a "language," is actually more difficult than any other human or animal languages. That you intend in this endeavor "expressly" to make use of all my accomplishments, which are really the first, can only be of benefit to the cause. Vrieslander, so he tells me, is currently working on a rather large "monograph" about me; 5 that will be a blow to the secret intrigues on the part of our colleagues, {4} whom I, moreover, likewise excuse, and indeed on the grounds that they understand neither music nor me. From Vrieslander you will soon receive a "prospectus" for Yearbooks I and II, 6 together with a short letter that I have not read. Vrieslander writes a hundred such letters, to all "prominent people" of the realm, each tailored to the recipient, and so I hope that has written a dear one to you, too, tailored to your dear character. At the end of the month, Hoboken's "appeal" 7 will reach you. On Friday we are holding a trustees' conference; then the work will get going. And now, with most heartfelt greetings from me and my wife, [P.S.] We wish the parents of the newborn child much happiness. November 9, 1927 © Translation William Drabkin, 2006 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/1, p. 3131, November 9, 1927: "An v. Cube (Br.): Dank für die Bildchen, allerhand Bemerkungen zu seinen Plänen, kündige den Prospekt u. den Aufruf an." ("To von Cube (letter): thanks for the little pictures; sundry remarks on his plans; I notify [him] of the Prospectus and the Appeal"). 2 i.e. OJ 9/34, [9], October 29, 1927, with its enclosures, report of Cube's teaching of Schenker's theory, work in composition, membership of the Reichsverband Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer, and his recent contact with John Petrie Dunn. 3 In OJ 9/34, [9], Cube says he has enclosed "two enlargements of portraits I made in Galtür", together with a number of postcards. See the explanatory footnote to that statement. 4 Cube sent both his piano sonatas to Schenker a couple of years later, detailed commentary on them appears in Schenker's letter to Cube OJ 5/7a, [27], August 10, 1929. 5 Otto Vrieslander's "monograph" is also mentioned in Schenker's letter to Cube OJ 5/7a, [10], June 1, 1927. It was never published. 6 Das Meisterwerk in der Musik; vols. 1 and 2 came out in 1926 and 1927, a year later than is indicated on the title page. The "prospectus" may be similar to an article by Vrieslander entitled "Heinrich Schenker", published in the Deutscher Tonkünstler-Zeitung (March 5, 1928) "on the occasion of the appearance of Yearbook II". 7 This was a printed appeal to manuscript collectors and libraries, the idea being to bring together as many as possible photographic reproductions of autographs by major composers, and house them in a special archive at the Austrian National Library in Vienna (see OJ 9/10, [2]). The project was financed by Schenker's pupil and patron Anthony van Hoboken, himself a collector of autographs and early editions of music. |