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19. Nov.

Aus Prof. Münsterberg’s Aufsatz in der N. Fr. Pr. vom 19. November, 1 s. Beilag. vergl. Tagebuch [?S].
Nun wird also auch von rein wirtschaftlich-technischen Verfehlungen gesprochen, die als solche ohne weiters eingestanden werden. Es folgt daraus, daß selbst der Erfolg solcher Unternehmungen noch immer nicht die Tüchtigkeit der kaufmännischen Grundlage, rein technisch genommen, erweist. Vielmehr erweist sich daran wieder die Wahrheit des Satzes, daß nur das Genie allein, dem Schöpfer ähnlich {196} in seinen Werken restlos gerecht u. vollendet schafft, während es all’ den übrigen Menschen nicht vergönnt ist, anders zu wirken, als durch Zerstörung u. Unmoral, selbst bei glänzendstem äußeren Erfolg u. scheinbar einwandfreiester Prosperität. Die Untüchtigkeit besteht im speciellen darin, daß sie d.i. die Unternehmer, den Blick auf den allernächsten Vorteil mit hypnotischer Kraft gerichtet, nicht mehr ahnen, wie sehr sie durch ihre Rücksichtslosigkeit gerade die Zweige absägen, auf denen sie selbst sitzen, so daß in Hinkunft die Mehrung solcher Reichtümer durch ähnliche Taktik unmöglich gemacht wird. Man darf ja dabei schließlich die Analogie von Einzelpersonen zuhilfe nehmen; z.B. ich selbst denke an Eduard Gärtner, der jahrelang meine Hilfe ausgenützt, u. sich schon eben nur darum für besonders klug hielt, der aber zugleich so liederlich war (liederlich kommt nicht von „Lieder“) den Helfer zu brüskieren. Nun frage ich: Ist es mehr Klugheit oder Torheit, mehr Tüchtigkeit oder Untüchtigkeit?

*

Ein junger Hauslehrer, Sohn eines Briefträgers, schießt im Hause eines Sektionschefs dessen Tochter u. zwei Söhne nieder u. entleibt sich endlich selbst. 2 Motiv: Zurückgewiesene Bewerbung um die Hand der Tochter. Der Fall wirbelt viel Hypothesen auf über den Geisteszustand des Verbrechers. Es ist den Darstellungen nicht zu entnehmen, ob nicht der Sektionschef dem jungen Doktor u. Beamten irgend welche Avancen gemacht hat, in welchem Falle nämlich die Beleidigung eine desto demütigendere gewesen wäre. Doch dem sei, wie es wolle, der Racheakt als solcher scheint die un- {197} erhörte Ausdehnung nur aus dem Grunde erfahren zu haben, weil der junge Mann mit der Vernichtung seiner Stellung im Hause ‒ wie hätte denn nach erfolgter Zurückweisung der Verkehr noch warm fortgesetzt werden können? ‒ zugleich auch seine eigenen Erziehungsprodukte vernichten wollte. Damit schien der Verbrecher sagen zu wollen, daß er auf die Kinder des Sektionschefs mehr Recht habe, als Vater oder Mutter; er habe sie zwar nicht gezeugt, dafür aber geistig gezeugt u. erzogen. Dazu kommt der südliche Ursprung des Morders, 3 der ihm, wie nachträglich festgestellt wird, in der Aufwallung so manchen Streich gespielt hat, wie z.B. daß er 17 jährig nach einem 12 jährigen Zögling mit Steinen warf. 4

Sollte indessen diese Auffassung den Mörder zu hoch ehren, so desto schlimmer für die menschliche Natur, die solcher Verbrechen sich für fähig zeigt, wenn sie nicht das erreichen kann, was ihr als Ziel gerade vorschwebt. Je weniger der Mörder selbst empor rehabilitiert werden kann, desto mehr, wächst sinkt der Mensch selbst zum Verbrecher empor. hinunter.

© Transcription Ian Bent, 2020

November 19

From Prof. Münsterberg's article in the Neue Freie Presse of November 19, 1 see folder. cf. diary [?S].
There is now talk of purely commercial-technical misdemeanors that people are owning up to at once as true. It follows from that, that even the success of such enterprises does not always prove the competence of its commercial basis in purely technical terms. Rather it proves once again the truth of the dictum that the genius alone ‒ like the Creator {196} in his works ‒ creates entirely fairly and perfectly, whereas it is not given to others to act other than by means of destruction and immorality, even in the most dazzling outward success and ostensibly unimpeachable prosperity. The incompetence consists especially in that they, i.e. the employers, their attention so hypnotically directed on the most immediate advantage, are no longer aware how vigorously by their recklessness they were sawing away at the branch on which they themselves were sitting, so that in future the augmentation of such riches is through such tactics rendered impossible. One might, in conclusion, draw an analogy with individuals, e.g. I myself think of Eduard Gärtner, who for years took advantage of my help, and just on that very account considered himself especially smart, but who at the same time was so dissipated ("liederlich" doesn't come from "Lieder") as to snub his helper. Now, I ask: Is it smartness or foolishness, competence or incompetence?

*

A young private tutor, son of a postman, shoots the daughter and two sons of a Head of Section in their house and finally kills himself. 2 His motive: rejected petition for the hand of the daughter. The case throws up many hypotheses as to the state of mind of the perpetrator. It is impossible to tell from the reports whether the Section Chief had made some kind of advances to the young doctor and official, in which case the insult might have been all the more humiliating. Be it as it may, the act of revenge in itself appears to have attained this shocking {197} magnitude only because the young man, his position in the household having been destroyed ‒ for how could relations have remained cordial after the rejection had been issued? ‒, wanted at the same time to destroy the products of his tuition. In so doing, the perpetrator seemed to want to say that he had greater rights over the Section Chief 's children than did their father or mother; true, he had not brought them into the world, but he had helped by shaping and training their minds. Added to that is the southern origin of the murderer, 3 who, as has subsequently been established, in his ebullience has played many a trick, as for example that he at 17 years of age threw stones at a 12-year-old pupil. 4

Should however this conception honor the murderer too highly, all the worse [is it] for human nature, which shows itself capable of such crimes when it cannot reach the goal that it has directly in mind. The less the murderer himself can be upwardly rehabilitated, all the more does the man himself grow up sink down into criminality.

© Translation Ian Bent, 2020

19. Nov.

Aus Prof. Münsterberg’s Aufsatz in der N. Fr. Pr. vom 19. November, 1 s. Beilag. vergl. Tagebuch [?S].
Nun wird also auch von rein wirtschaftlich-technischen Verfehlungen gesprochen, die als solche ohne weiters eingestanden werden. Es folgt daraus, daß selbst der Erfolg solcher Unternehmungen noch immer nicht die Tüchtigkeit der kaufmännischen Grundlage, rein technisch genommen, erweist. Vielmehr erweist sich daran wieder die Wahrheit des Satzes, daß nur das Genie allein, dem Schöpfer ähnlich {196} in seinen Werken restlos gerecht u. vollendet schafft, während es all’ den übrigen Menschen nicht vergönnt ist, anders zu wirken, als durch Zerstörung u. Unmoral, selbst bei glänzendstem äußeren Erfolg u. scheinbar einwandfreiester Prosperität. Die Untüchtigkeit besteht im speciellen darin, daß sie d.i. die Unternehmer, den Blick auf den allernächsten Vorteil mit hypnotischer Kraft gerichtet, nicht mehr ahnen, wie sehr sie durch ihre Rücksichtslosigkeit gerade die Zweige absägen, auf denen sie selbst sitzen, so daß in Hinkunft die Mehrung solcher Reichtümer durch ähnliche Taktik unmöglich gemacht wird. Man darf ja dabei schließlich die Analogie von Einzelpersonen zuhilfe nehmen; z.B. ich selbst denke an Eduard Gärtner, der jahrelang meine Hilfe ausgenützt, u. sich schon eben nur darum für besonders klug hielt, der aber zugleich so liederlich war (liederlich kommt nicht von „Lieder“) den Helfer zu brüskieren. Nun frage ich: Ist es mehr Klugheit oder Torheit, mehr Tüchtigkeit oder Untüchtigkeit?

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Ein junger Hauslehrer, Sohn eines Briefträgers, schießt im Hause eines Sektionschefs dessen Tochter u. zwei Söhne nieder u. entleibt sich endlich selbst. 2 Motiv: Zurückgewiesene Bewerbung um die Hand der Tochter. Der Fall wirbelt viel Hypothesen auf über den Geisteszustand des Verbrechers. Es ist den Darstellungen nicht zu entnehmen, ob nicht der Sektionschef dem jungen Doktor u. Beamten irgend welche Avancen gemacht hat, in welchem Falle nämlich die Beleidigung eine desto demütigendere gewesen wäre. Doch dem sei, wie es wolle, der Racheakt als solcher scheint die un- {197} erhörte Ausdehnung nur aus dem Grunde erfahren zu haben, weil der junge Mann mit der Vernichtung seiner Stellung im Hause ‒ wie hätte denn nach erfolgter Zurückweisung der Verkehr noch warm fortgesetzt werden können? ‒ zugleich auch seine eigenen Erziehungsprodukte vernichten wollte. Damit schien der Verbrecher sagen zu wollen, daß er auf die Kinder des Sektionschefs mehr Recht habe, als Vater oder Mutter; er habe sie zwar nicht gezeugt, dafür aber geistig gezeugt u. erzogen. Dazu kommt der südliche Ursprung des Morders, 3 der ihm, wie nachträglich festgestellt wird, in der Aufwallung so manchen Streich gespielt hat, wie z.B. daß er 17 jährig nach einem 12 jährigen Zögling mit Steinen warf. 4

Sollte indessen diese Auffassung den Mörder zu hoch ehren, so desto schlimmer für die menschliche Natur, die solcher Verbrechen sich für fähig zeigt, wenn sie nicht das erreichen kann, was ihr als Ziel gerade vorschwebt. Je weniger der Mörder selbst empor rehabilitiert werden kann, desto mehr, wächst sinkt der Mensch selbst zum Verbrecher empor. hinunter.

© Transcription Ian Bent, 2020

November 19

From Prof. Münsterberg's article in the Neue Freie Presse of November 19, 1 see folder. cf. diary [?S].
There is now talk of purely commercial-technical misdemeanors that people are owning up to at once as true. It follows from that, that even the success of such enterprises does not always prove the competence of its commercial basis in purely technical terms. Rather it proves once again the truth of the dictum that the genius alone ‒ like the Creator {196} in his works ‒ creates entirely fairly and perfectly, whereas it is not given to others to act other than by means of destruction and immorality, even in the most dazzling outward success and ostensibly unimpeachable prosperity. The incompetence consists especially in that they, i.e. the employers, their attention so hypnotically directed on the most immediate advantage, are no longer aware how vigorously by their recklessness they were sawing away at the branch on which they themselves were sitting, so that in future the augmentation of such riches is through such tactics rendered impossible. One might, in conclusion, draw an analogy with individuals, e.g. I myself think of Eduard Gärtner, who for years took advantage of my help, and just on that very account considered himself especially smart, but who at the same time was so dissipated ("liederlich" doesn't come from "Lieder") as to snub his helper. Now, I ask: Is it smartness or foolishness, competence or incompetence?

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A young private tutor, son of a postman, shoots the daughter and two sons of a Head of Section in their house and finally kills himself. 2 His motive: rejected petition for the hand of the daughter. The case throws up many hypotheses as to the state of mind of the perpetrator. It is impossible to tell from the reports whether the Section Chief had made some kind of advances to the young doctor and official, in which case the insult might have been all the more humiliating. Be it as it may, the act of revenge in itself appears to have attained this shocking {197} magnitude only because the young man, his position in the household having been destroyed ‒ for how could relations have remained cordial after the rejection had been issued? ‒, wanted at the same time to destroy the products of his tuition. In so doing, the perpetrator seemed to want to say that he had greater rights over the Section Chief 's children than did their father or mother; true, he had not brought them into the world, but he had helped by shaping and training their minds. Added to that is the southern origin of the murderer, 3 who, as has subsequently been established, in his ebullience has played many a trick, as for example that he at 17 years of age threw stones at a 12-year-old pupil. 4

Should however this conception honor the murderer too highly, all the worse [is it] for human nature, which shows itself capable of such crimes when it cannot reach the goal that it has directly in mind. The less the murderer himself can be upwardly rehabilitated, all the more does the man himself grow up sink down into criminality.

© Translation Ian Bent, 2020

Footnotes

1 Hugo Münsterberg, "Der Stahltrust" ["The Steel Trust"], Neue Freie Presse, No. 16971 (November 19, 1911), pp. 1‒3. Münsterberg (1863‒1916) was a professor at Harvard University, and the article was written on November 10. Schenker evidently filed the clipping, but it does not appear to survive among his papers. — The article concerns the Sherman Antitrust Act of 1890 in the USA, designed to prohibit anti-competitive agreements and monopolies, and recent attacks on it.

2 The crime took place at I, Bäckerstraße 10 on November 16, and was reported as: "Ermordung der drei Kinder des Sektionschefs Ritter v. Holzknecht: Die Bluttat eines abgewiesenen Freiers," Neue Freie Presse, No. 16969 (November 17, 1911), p. 9. Of the three children, Marie (aged 24) and Georg (17) were shot dead, and Robert (21) was seriously wounded but recovered. The perpetrator, Dr. Richard Matkovic, the family private tutor, shot himself dead at the scene. The father, Robert von Holzknecht von Hort was the former head of the Ministry of Justice. The incident continued to be reported in the paper on successive days.

3 The name Matkovic is of Serbian and Croatian origin.

4 When Matkovic was 17 years old, soon after joining the Holzknecht household, Robert would have been 12.