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28.

Information für den Anwalt beendet u. abgeschickt. —

*

Brief an Gärtner wegen ungezogenen Benehmens seiner Gattin gegenüber Lieliechen aus Anlaß einer zufälligen Begegnung. Nach Tisch erscheint G. seine Gattin entschuldigend. – Eine kleine Bitterkeit bleibt indessen in Lielie, u. zw. nur aus dem Grunde, weil sie Gärtner gerne offen gesagt hätte, daß sie ihm die Entschuldigung nicht glauben könne u. daß die Ungezogenheit für keinen Fall aus der Welt zu schaffen sei.
Da gab ich nun L. zu bedenken, daß es eine unnütze Vergeudung ist, die Wahrheit um ihrer selbst willen Jedermann ins Gesicht zu sagen. Es hat immer derjenige, der unverschämt, böswillig oder ein Verbrecher ist einen Vorsprung u. einen Vorteil; u. ähnlich wie es einem Ermordeten unmöglich fällt, irgend einen Vorteil vom von dem am Leben gebliebenen Mörder zu erreichen, ist es einem honetten Menschen möglich, vor einem unverschämten Kerl zu bestehen! Gibt es doch im grunde [sic] nur eEines in solchen Fällen, nämlich die Wahrheit h erinauszuschreien u. zu sagen: „Du bist unverschämt, Du lügst, Du betrügst, u. s. f.“ Aber gerade diese radikale Kur ist klugerweise auch schon durch das Gesetz untersagt, das verhüten will, daß die Unsitten der Unverschämten zu allgemeinen Sitten werden. Und da bei schlecht veranlagten Menschen endlich auch erzieherische Wirkungen ausbleiben, {240} so wüßte ich keinen Grund, weshalb den minderwertigen Menschen gesagt zu werden braucht, daß sie es minderwertig sind. Freilich, bei Angelegenheiten von höherem u. sozialem Interessen ist es notwendig, einem böswilligen Menschen die Maske abzureißen; hier mag man denn so kühn als möglich die Wahrheit aussprechen, da sie, wenn auch nur durch den Mund eines Einzelnen verlautbart, dennoch gleichsam als das Wort der ganzen Menschheit dem Bösewicht entgegen geschleudert wird u. entgegen klingt.
So hat z. B. im Falle Dreyfus Zola nicht etwa blos dem Esterhazy die Wahrheit ins Gesicht gesagt, sondern ein großer Teil der Menschheit sprach durch ihn über das Verbrechen die rücksichtslose Wahrheit aus.
Im weiteren Verlauf erklärte ich Lielie dann, wie sehr es bedauerlich sei, daß den Frauen höhere Interessen abgehen, die allerdings schwerer zu begreifen u. zu umfassen sind; u. wie wenig es daher produktiv sei, wenn sie all ihren Mut zur Wahrheit nur in Kleinigkeiten austoben, wovon für keinen Beteiligten irgend ein Nutzen abfallen kann. Es bleibt statt der auszusprechenden Wahrheit noch immer probater, einfach den Verkehr aufzugeben! —

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© Transcription Marko Deisinger.

28.

Information for the lawyer completed and sent off. —

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Letter to Gärtner on account of improper behavior of his wife towards Lie-Liechen following a chance encounter. After lunch, Gärtner appears, apologizing for his wife. – A small bitterness still remains within Lielie, indeed only because she would have liked to tell Gärtner openly that she cannot take his apology seriously, and that the act of rudeness could on no account be completely forgotten.
Whereupon I now asked L. to consider that it is a futile waste [of time] to tell everyone the truth to their face for sake of the truth itself. The one who is impertinent, malicious, or is a criminal, always has an edge and an advantage; and as little as someone who has been murdered can succeed in gaining any advantage from the murderer who remains living, no more can an honest person stand up to an impertinent rascal! In such cases there is basically only one thing to do, which is to vociferate the truth and to say: "You are impertinent, you lie, you betray, etc." But this very radical form of healing is, sensibly, proscribed by the law that wishes to prevent the bad practice of impertinent people from becoming general practice. And since badly disposed people are incapable even of being educated, {240} then I would know no reason why inferior people need to be told that they are inferior. Admittedly, in matters of higher and social interest it is necessary to unmask a malevolent person; and here one must express the truth as boldly as possible so that it, even though articulated by the mouth of an individual, nonetheless gives the impression of being the word of the whole of humanity being hurled against the villian, and reverberating around [them].
Thus, for example, in the Dreyfus Affair, Zola did not merely speak the truth merely in Esterhazy’s face; rather, a large part of humanity spoke through him about the uncompromising truth of his crime.
Later on I explained to Lielie how regrettable that the higher interests are lacking among women, as they are at any rate more difficult to understand and come to terms with; and how little productive it is, therefore, when they vent their courage to be truthful only with respect to trivial matters, of which nothing useful at all will remain for those affected. Instead of speaking out the truth it is always more effective simply to give up the association! —

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© Translation William Drabkin.

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Information für den Anwalt beendet u. abgeschickt. —

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Brief an Gärtner wegen ungezogenen Benehmens seiner Gattin gegenüber Lieliechen aus Anlaß einer zufälligen Begegnung. Nach Tisch erscheint G. seine Gattin entschuldigend. – Eine kleine Bitterkeit bleibt indessen in Lielie, u. zw. nur aus dem Grunde, weil sie Gärtner gerne offen gesagt hätte, daß sie ihm die Entschuldigung nicht glauben könne u. daß die Ungezogenheit für keinen Fall aus der Welt zu schaffen sei.
Da gab ich nun L. zu bedenken, daß es eine unnütze Vergeudung ist, die Wahrheit um ihrer selbst willen Jedermann ins Gesicht zu sagen. Es hat immer derjenige, der unverschämt, böswillig oder ein Verbrecher ist einen Vorsprung u. einen Vorteil; u. ähnlich wie es einem Ermordeten unmöglich fällt, irgend einen Vorteil vom von dem am Leben gebliebenen Mörder zu erreichen, ist es einem honetten Menschen möglich, vor einem unverschämten Kerl zu bestehen! Gibt es doch im grunde [sic] nur eEines in solchen Fällen, nämlich die Wahrheit h erinauszuschreien u. zu sagen: „Du bist unverschämt, Du lügst, Du betrügst, u. s. f.“ Aber gerade diese radikale Kur ist klugerweise auch schon durch das Gesetz untersagt, das verhüten will, daß die Unsitten der Unverschämten zu allgemeinen Sitten werden. Und da bei schlecht veranlagten Menschen endlich auch erzieherische Wirkungen ausbleiben, {240} so wüßte ich keinen Grund, weshalb den minderwertigen Menschen gesagt zu werden braucht, daß sie es minderwertig sind. Freilich, bei Angelegenheiten von höherem u. sozialem Interessen ist es notwendig, einem böswilligen Menschen die Maske abzureißen; hier mag man denn so kühn als möglich die Wahrheit aussprechen, da sie, wenn auch nur durch den Mund eines Einzelnen verlautbart, dennoch gleichsam als das Wort der ganzen Menschheit dem Bösewicht entgegen geschleudert wird u. entgegen klingt.
So hat z. B. im Falle Dreyfus Zola nicht etwa blos dem Esterhazy die Wahrheit ins Gesicht gesagt, sondern ein großer Teil der Menschheit sprach durch ihn über das Verbrechen die rücksichtslose Wahrheit aus.
Im weiteren Verlauf erklärte ich Lielie dann, wie sehr es bedauerlich sei, daß den Frauen höhere Interessen abgehen, die allerdings schwerer zu begreifen u. zu umfassen sind; u. wie wenig es daher produktiv sei, wenn sie all ihren Mut zur Wahrheit nur in Kleinigkeiten austoben, wovon für keinen Beteiligten irgend ein Nutzen abfallen kann. Es bleibt statt der auszusprechenden Wahrheit noch immer probater, einfach den Verkehr aufzugeben! —

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© Transcription Marko Deisinger.

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Information for the lawyer completed and sent off. —

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Letter to Gärtner on account of improper behavior of his wife towards Lie-Liechen following a chance encounter. After lunch, Gärtner appears, apologizing for his wife. – A small bitterness still remains within Lielie, indeed only because she would have liked to tell Gärtner openly that she cannot take his apology seriously, and that the act of rudeness could on no account be completely forgotten.
Whereupon I now asked L. to consider that it is a futile waste [of time] to tell everyone the truth to their face for sake of the truth itself. The one who is impertinent, malicious, or is a criminal, always has an edge and an advantage; and as little as someone who has been murdered can succeed in gaining any advantage from the murderer who remains living, no more can an honest person stand up to an impertinent rascal! In such cases there is basically only one thing to do, which is to vociferate the truth and to say: "You are impertinent, you lie, you betray, etc." But this very radical form of healing is, sensibly, proscribed by the law that wishes to prevent the bad practice of impertinent people from becoming general practice. And since badly disposed people are incapable even of being educated, {240} then I would know no reason why inferior people need to be told that they are inferior. Admittedly, in matters of higher and social interest it is necessary to unmask a malevolent person; and here one must express the truth as boldly as possible so that it, even though articulated by the mouth of an individual, nonetheless gives the impression of being the word of the whole of humanity being hurled against the villian, and reverberating around [them].
Thus, for example, in the Dreyfus Affair, Zola did not merely speak the truth merely in Esterhazy’s face; rather, a large part of humanity spoke through him about the uncompromising truth of his crime.
Later on I explained to Lielie how regrettable that the higher interests are lacking among women, as they are at any rate more difficult to understand and come to terms with; and how little productive it is, therefore, when they vent their courage to be truthful only with respect to trivial matters, of which nothing useful at all will remain for those affected. Instead of speaking out the truth it is always more effective simply to give up the association! —

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© Translation William Drabkin.