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11.

Frau I. M. bei Lie-Liechen. Sie sprechen vom undankbaren jüngeren Bruder; darauf fiel das Wort der Fr. M. [,] ich hätte die Individualität meines Bruders unterdrückt. Freilich ein müßiges Geplapper; dennoch liegt die inferiore Natur eines Durchschnittsmenschen einer solchen Aeußerung zugrunde. Wenn ein höher organisierter Mensch die Torheit des tiefer organisierten samt den verderblichen Folgen von sich ab- {294} wehrt, so klagt der letztere, seine Individualität würde unterdrückt. Der tieferstehende Mensch versteht also unter Individualität die Summe all der unüberlegten, falschen, unvornehmen, heuchlerischen Züge, mit denen er dem höher stehenden u. auch sich selbst Schaden bereitet. Nicht einmal dieses ahnt er aber noch, daß die Unterdrückung seiner gemeinen Individualität auch ihm selbst doch nur Nutzen bringen kann.
Und wie läppisch dabei insbesondere auch der Gedanke, daß bei einem Zwist zweier Personen die Schuld offenbar beide zugleich treffe! Die niedrigen Menschen, die selbst Dummes, Gemeines von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde begehen, tun so, als gäbe es nur Gemein wechselseitige Gemeinheiten u. nicht auch eine Gemeinheit blos bei der eine nr Streitpartei, die durch sich selbst Ursache des Streites sein könnte wird. Während nichts so einfach ist als zu verstehen, daß irgend Jemand aus gemeiner Natur heraus am anderen eine Gemeinheit begeht, gegen die sich letzterer wehrt, suchen oberflächliche Menschen (offenbar für eigene Gemeinheiten selbst der Nachsicht bedürfend!) die Situation auch zugunsten des blos Gemeinen zu erklären. Die Gemeinheit müße einen Grund haben, sagen sie. Ich dagegen Ffrage: Ist nicht Gemeinheit selbst Grund genug der Gemeinheit? Und so ist es in der Tat.
Niemand zwang u. zwingt meinen Bruder zu lügen u. zu verleumden u. da er es dennoch wagt, so tut er es aus seiner eigenen Natur heraus, wozu es also nicht erst einer in der Person seiner Geschwister liegenden Ursache bedarf.
Ueberblicke ich mein Leben, so finde ich, daß ich die meiste Zeit nur mit der Abwehr mir zugedachten Unrechts zubrachte, während ich selbst darauf ausgieng [sic] den Leuten zu nützen u. Hilfe zu leisten. Aber wie gesagt, jede Abwehr des Unrechtes empfindet Derjenige, der das Unrecht setzen wollte, als Unterdrückung seiner „Individualität“. Daher die {295} vielen Klagen wider mich als einen Menschen, der egoistisch nur eigene Interessen sucht.

*

Ein kleiner u. sicherlich letzter Rückfall Lie-Liechens sich in den Gedankengang des Frl. P. noch einmal zu vertiefen. So verständlich an sich eine solche Erforschung eines fremden Gedankenganges an sich sonst wäre, so rügte ich dennoch im vorliegenden Falle den Rückfall aus dem Grunde, weil ich den Gedanken von vornherein als nicht vorhanden erwiesen habe; widrigenfalls mache sich Lie-Lie dessen schuldig, daß sie mich zum Lügner mache. Ich erklärte ja, daß eben auf den vielzitierten Gedankengang Frl. P. niemals Anspruch erhob. Und da ist es unlogisch, wenn fremde Menschen päpstlicher sein wollen als der Papst u. Gedanken eines Anderen nachgehen, die der Andere gar nicht hat. Die nachträgliche Lüge des Frl. P. macht die Lüge nicht zur Wahrheit u. darum ist es überflüssig, meine Beweise anzuzweifeln.

*

© Transcription Marko Deisinger.

11.

Mrs. I. M. with Lie-Liechen. They speak about my ungrateful younger brother, whereupon Mrs. M. was moved to say that I had stifled my brother’s individuality. Admittedly, idle chit-chat; nonetheless, the inferior nature of an ordinary person lies at the heart of such a declaration. If a more highly constituted person fends off the follies of a lowlier constituted one, along with its pernicious consequences, {294} the latter complains that his individuality is being stifled. The lower-standing person understands individuality as being the sum of all ill-considered, false, dishonorable and hypocritical characteristics with which he causes harm to the higher-standing one – and also to himself. Not once, however, does he even realize that the stifling of his vulgar individuality can be of useful service, even to himself.
And how ridiculous as well, especially the further idea that in a conflict between two persons the guilt should apparently strike the two at the same time! The lower-ranking persons who themselves perpetrate stupid, nasty things from day to day, from hour to hour, do so as if there were only mutual nastiness, and not also a nastiness merely from one of the parties in the dispute, who becomes the origin of the dispute by his own actions. While nothing is so easy as to understand that one person will, from his base nature, commit an act of meanness against another, against which the latter will defend himself, superficial people (apparently in need themselves of an excuse for their own mean actions!) also seek to explain the situation purely for the benefit of the party that behaves meanly. There must be a reason for the meanness, they say. But I ask: is not meanness itself reason enough for an act of meanness? And so it is, in fact.
No one has compelled, no one compels my brother to lie, to slander; and that he nonetheless dares to do so, he does so out of his own nature, for which there is no need to invoke one of his siblings as the underlying cause.
If I look back over my life, I find that I spent most of my time merely fending off the injustices intended for me, whereas I myself aimed at being useful to people and helping them. But, as said, every defense against injustice is perceived by one who wishes to do wrong as a suppression of his "individuality." Thus the {295} many complaints made against me are as someone who, egoistically, is only in search of his own interests.

*

A small and, for sure, final relapse of Lie-Liechen’s in gaining a deeper understanding of Miss P.’s thought process. As understandable as such an exploration of someone else’s thought processes might otherwise be in and of itself, in the present case I nonetheless rebuked her relapse on the grounds that I showed that the thoughts were not present in the first place; otherwise Lie-Lie would be guilty of calling me a liar. I explained that yes, Miss P. never laid claim to the much-quoted thought process. And in this respect it is illogical for strangers to wish to be more papal than the Pope, and to go over the ideas of another person, which the other person does not have at all. The subsequent lie of Miss P. does not make the lie into a truth; and so it is unnecessary to doubt my arguments.

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© Translation William Drabkin.

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Frau I. M. bei Lie-Liechen. Sie sprechen vom undankbaren jüngeren Bruder; darauf fiel das Wort der Fr. M. [,] ich hätte die Individualität meines Bruders unterdrückt. Freilich ein müßiges Geplapper; dennoch liegt die inferiore Natur eines Durchschnittsmenschen einer solchen Aeußerung zugrunde. Wenn ein höher organisierter Mensch die Torheit des tiefer organisierten samt den verderblichen Folgen von sich ab- {294} wehrt, so klagt der letztere, seine Individualität würde unterdrückt. Der tieferstehende Mensch versteht also unter Individualität die Summe all der unüberlegten, falschen, unvornehmen, heuchlerischen Züge, mit denen er dem höher stehenden u. auch sich selbst Schaden bereitet. Nicht einmal dieses ahnt er aber noch, daß die Unterdrückung seiner gemeinen Individualität auch ihm selbst doch nur Nutzen bringen kann.
Und wie läppisch dabei insbesondere auch der Gedanke, daß bei einem Zwist zweier Personen die Schuld offenbar beide zugleich treffe! Die niedrigen Menschen, die selbst Dummes, Gemeines von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde begehen, tun so, als gäbe es nur Gemein wechselseitige Gemeinheiten u. nicht auch eine Gemeinheit blos bei der eine nr Streitpartei, die durch sich selbst Ursache des Streites sein könnte wird. Während nichts so einfach ist als zu verstehen, daß irgend Jemand aus gemeiner Natur heraus am anderen eine Gemeinheit begeht, gegen die sich letzterer wehrt, suchen oberflächliche Menschen (offenbar für eigene Gemeinheiten selbst der Nachsicht bedürfend!) die Situation auch zugunsten des blos Gemeinen zu erklären. Die Gemeinheit müße einen Grund haben, sagen sie. Ich dagegen Ffrage: Ist nicht Gemeinheit selbst Grund genug der Gemeinheit? Und so ist es in der Tat.
Niemand zwang u. zwingt meinen Bruder zu lügen u. zu verleumden u. da er es dennoch wagt, so tut er es aus seiner eigenen Natur heraus, wozu es also nicht erst einer in der Person seiner Geschwister liegenden Ursache bedarf.
Ueberblicke ich mein Leben, so finde ich, daß ich die meiste Zeit nur mit der Abwehr mir zugedachten Unrechts zubrachte, während ich selbst darauf ausgieng [sic] den Leuten zu nützen u. Hilfe zu leisten. Aber wie gesagt, jede Abwehr des Unrechtes empfindet Derjenige, der das Unrecht setzen wollte, als Unterdrückung seiner „Individualität“. Daher die {295} vielen Klagen wider mich als einen Menschen, der egoistisch nur eigene Interessen sucht.

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Ein kleiner u. sicherlich letzter Rückfall Lie-Liechens sich in den Gedankengang des Frl. P. noch einmal zu vertiefen. So verständlich an sich eine solche Erforschung eines fremden Gedankenganges an sich sonst wäre, so rügte ich dennoch im vorliegenden Falle den Rückfall aus dem Grunde, weil ich den Gedanken von vornherein als nicht vorhanden erwiesen habe; widrigenfalls mache sich Lie-Lie dessen schuldig, daß sie mich zum Lügner mache. Ich erklärte ja, daß eben auf den vielzitierten Gedankengang Frl. P. niemals Anspruch erhob. Und da ist es unlogisch, wenn fremde Menschen päpstlicher sein wollen als der Papst u. Gedanken eines Anderen nachgehen, die der Andere gar nicht hat. Die nachträgliche Lüge des Frl. P. macht die Lüge nicht zur Wahrheit u. darum ist es überflüssig, meine Beweise anzuzweifeln.

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© Transcription Marko Deisinger.

11.

Mrs. I. M. with Lie-Liechen. They speak about my ungrateful younger brother, whereupon Mrs. M. was moved to say that I had stifled my brother’s individuality. Admittedly, idle chit-chat; nonetheless, the inferior nature of an ordinary person lies at the heart of such a declaration. If a more highly constituted person fends off the follies of a lowlier constituted one, along with its pernicious consequences, {294} the latter complains that his individuality is being stifled. The lower-standing person understands individuality as being the sum of all ill-considered, false, dishonorable and hypocritical characteristics with which he causes harm to the higher-standing one – and also to himself. Not once, however, does he even realize that the stifling of his vulgar individuality can be of useful service, even to himself.
And how ridiculous as well, especially the further idea that in a conflict between two persons the guilt should apparently strike the two at the same time! The lower-ranking persons who themselves perpetrate stupid, nasty things from day to day, from hour to hour, do so as if there were only mutual nastiness, and not also a nastiness merely from one of the parties in the dispute, who becomes the origin of the dispute by his own actions. While nothing is so easy as to understand that one person will, from his base nature, commit an act of meanness against another, against which the latter will defend himself, superficial people (apparently in need themselves of an excuse for their own mean actions!) also seek to explain the situation purely for the benefit of the party that behaves meanly. There must be a reason for the meanness, they say. But I ask: is not meanness itself reason enough for an act of meanness? And so it is, in fact.
No one has compelled, no one compels my brother to lie, to slander; and that he nonetheless dares to do so, he does so out of his own nature, for which there is no need to invoke one of his siblings as the underlying cause.
If I look back over my life, I find that I spent most of my time merely fending off the injustices intended for me, whereas I myself aimed at being useful to people and helping them. But, as said, every defense against injustice is perceived by one who wishes to do wrong as a suppression of his "individuality." Thus the {295} many complaints made against me are as someone who, egoistically, is only in search of his own interests.

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A small and, for sure, final relapse of Lie-Liechen’s in gaining a deeper understanding of Miss P.’s thought process. As understandable as such an exploration of someone else’s thought processes might otherwise be in and of itself, in the present case I nonetheless rebuked her relapse on the grounds that I showed that the thoughts were not present in the first place; otherwise Lie-Lie would be guilty of calling me a liar. I explained that yes, Miss P. never laid claim to the much-quoted thought process. And in this respect it is illogical for strangers to wish to be more papal than the Pope, and to go over the ideas of another person, which the other person does not have at all. The subsequent lie of Miss P. does not make the lie into a truth; and so it is unnecessary to doubt my arguments.

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© Translation William Drabkin.