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11. II.

Abends mit Br. über seine Frau gesprochen. Ich war in der Lage, nach Ueberwindung der Befangenheit am ersten Abend, ihm allerhand gGünstiges über den Eindruck mitzuteilen, doch war ihm all dieses, an seinem Enthusiasmus gemessen, zu wenig. Interessant war zu beobachten, wie auch Br. gleich Fl. nicht genug Sympatie [sic] für den mit Unrecht als Künstler hingestellten Schilling aufbieten 1 . Sie können bei ihrer Vorliebe für Schwäche, die sie, wenn nicht als Stärke, so mindestens für üble Zufälle ausgeben, nicht begreifen, daß man darüber sich nur kurz faßt, u. sie verdächtigen daher, was zu unglaublich possierlichen Wirkungen führt, jedermann, der nicht auf die Darstellung der Sympatie für den Helden viel Zeit u. Worte verwendet, einfach dahin, daß er offenbar dies alles nicht teilnehmend genug mitempfindet. Da ich mich aus artistischen Gründen u. ad majorem gloriam der größeren Dichter mehr mit den Mängeln des Stückes befaßte, so legten sie mir das so aus, als würde ich die Vorzüge, also namentlich die ihnen so lieb gewordene Schwäche Schillings, nicht teilnehmend verstehen können. Mein Einwand, daß ich mich kurz zu fassen pflege, worüber ich mich einig mit ihnen glaube, haben sie nicht begriffen, so sehr – u. das ist das Groteske – möchten sie gerade der Schwäche Schillings mehr Teilnahme dadurch zugewendet wissen, daß man mindestens auch längere Zeit darüber spricht.
Uebrigens ist diese Denkungsweise eine typische: Menschen von weniger Fantasie begreifen, daß die Teilnahme nur dann ausgedrückt ist, wenn sie sich mit überflüssiger Länge um denselben den selben Gegenstand unaufhörlich dreht. Selbst um den Preis, daß darüber eine angebotene Hilfe verloren gienge [sic] [,] lieben sie den Gegenstand wiederzukäuen u. denjenigen der Teilnahmslosigkeit zu verdächtigen, der das Wiederkauen nicht mitmacht. Ihre Eitelkeit u. Unfruchtbarkeit spiegel nt sich in der breitgetretenen quatschigen Teilnahme u. kein Rat behagt ihnen, bevor eine große Zeit ausgefüllt wurde.
Im Laufe des Gespräches fragt mich Br. wie mir die Grazie seiner Frau {310} gefiele; um ihn nicht zu beleidigen, mußte ich auf meine eigenen Kosten eine Lüge formulieren, u. zw. ich hätte keinen Blick für derlei Ereignisse des Körpers. Sehr amüsant gestaltete sich die Konsequenz der Lüge, als ich tags darauf Fl. davon erzählte. Er nahm nun diese Verlegenheitslüge zum Anlaß, um für seinen Schilling Propaganda zu machen: er nahm einfach meine Worte für bar u. erklärte nun Lie-Liechen, in ihnen sei nun der Grund enthalten, weshalb ich Schilling nicht so gut wie er selbst begreifen könne!

*

© Transcription Marko Deisinger.

February 11.

In the evening, conversation with Brünauer about his wife. After overcoming my prejudices on the first night, I was in the position to convey to him all things favorable about the impression she made; but all this, measured against his enthusiasm, was insufficient. It was interesting to observe how Brünauer, just like Floriz, also did not show enough sympathy for Schilling, 1 who was wrongly presented as an artist. Given their preference for weakness, which they regard, if not as a strength, at least as an unfortunate circumstance, they cannot comprehend that one could say only few words about it. They therefore suspect – something that leads to unbelievably ridiculous effects – anyone who does not devote much time and many words to the portrayal of sympathy for the hero, simply for the reason that he obviously has not sympathised compassionately enough in the whole affair. Since I concerned myself more with the shortcomings of the play, for artistic reasons and to the greater glory of the greater poets, they construed my thoughts as if I were incapable of sympathetically understanding its positive qualities, thus especially the weakness of Schilling, of which they have grown so fond. My objection that I am accustomed not to dwell on those things with which I believe myself to be in agreement, is something that they have not understood, so much so – and that is what is so grotesque – that they wish to devote more sympathy to Schilling’s weakness by at least speaking about it at greater length.
After all, this manner of thinking is typical: people of limited imagination understand that sympathy is expressed only when it revolves unceasingly about the same object for an unnecessary length of time. Even at the expense that an offer of help about it would be lost, they love to chew over the object and to be suspicious of those who are without sympathy, who do not take part in the rumination. Their vanity and infertility are mirrored in the sympathy which they go on about in a gossipy manner; and no amount of advice was sufficient before a long stretch of time had been used up.
In the course of the conversation, Brünauer asks me how I like his wife’s gracefulness. {310} So as not to offend him, I was obliged to formulate a lie, at my own expense, and indeed I said that I had no interest in observing such bodily movements. The consequences of this lie took an amusing turn when I told Floriz about it the following day. He now used this embarrassing lie as an opportunity to make his case for Schilling: he simply took my words at face value, and now explained to Lie-Liechen that this was the reason why I could not understand Schilling as well as he himself!

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© Translation William Drabkin.

11. II.

Abends mit Br. über seine Frau gesprochen. Ich war in der Lage, nach Ueberwindung der Befangenheit am ersten Abend, ihm allerhand gGünstiges über den Eindruck mitzuteilen, doch war ihm all dieses, an seinem Enthusiasmus gemessen, zu wenig. Interessant war zu beobachten, wie auch Br. gleich Fl. nicht genug Sympatie [sic] für den mit Unrecht als Künstler hingestellten Schilling aufbieten 1 . Sie können bei ihrer Vorliebe für Schwäche, die sie, wenn nicht als Stärke, so mindestens für üble Zufälle ausgeben, nicht begreifen, daß man darüber sich nur kurz faßt, u. sie verdächtigen daher, was zu unglaublich possierlichen Wirkungen führt, jedermann, der nicht auf die Darstellung der Sympatie für den Helden viel Zeit u. Worte verwendet, einfach dahin, daß er offenbar dies alles nicht teilnehmend genug mitempfindet. Da ich mich aus artistischen Gründen u. ad majorem gloriam der größeren Dichter mehr mit den Mängeln des Stückes befaßte, so legten sie mir das so aus, als würde ich die Vorzüge, also namentlich die ihnen so lieb gewordene Schwäche Schillings, nicht teilnehmend verstehen können. Mein Einwand, daß ich mich kurz zu fassen pflege, worüber ich mich einig mit ihnen glaube, haben sie nicht begriffen, so sehr – u. das ist das Groteske – möchten sie gerade der Schwäche Schillings mehr Teilnahme dadurch zugewendet wissen, daß man mindestens auch längere Zeit darüber spricht.
Uebrigens ist diese Denkungsweise eine typische: Menschen von weniger Fantasie begreifen, daß die Teilnahme nur dann ausgedrückt ist, wenn sie sich mit überflüssiger Länge um denselben den selben Gegenstand unaufhörlich dreht. Selbst um den Preis, daß darüber eine angebotene Hilfe verloren gienge [sic] [,] lieben sie den Gegenstand wiederzukäuen u. denjenigen der Teilnahmslosigkeit zu verdächtigen, der das Wiederkauen nicht mitmacht. Ihre Eitelkeit u. Unfruchtbarkeit spiegel nt sich in der breitgetretenen quatschigen Teilnahme u. kein Rat behagt ihnen, bevor eine große Zeit ausgefüllt wurde.
Im Laufe des Gespräches fragt mich Br. wie mir die Grazie seiner Frau {310} gefiele; um ihn nicht zu beleidigen, mußte ich auf meine eigenen Kosten eine Lüge formulieren, u. zw. ich hätte keinen Blick für derlei Ereignisse des Körpers. Sehr amüsant gestaltete sich die Konsequenz der Lüge, als ich tags darauf Fl. davon erzählte. Er nahm nun diese Verlegenheitslüge zum Anlaß, um für seinen Schilling Propaganda zu machen: er nahm einfach meine Worte für bar u. erklärte nun Lie-Liechen, in ihnen sei nun der Grund enthalten, weshalb ich Schilling nicht so gut wie er selbst begreifen könne!

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© Transcription Marko Deisinger.

February 11.

In the evening, conversation with Brünauer about his wife. After overcoming my prejudices on the first night, I was in the position to convey to him all things favorable about the impression she made; but all this, measured against his enthusiasm, was insufficient. It was interesting to observe how Brünauer, just like Floriz, also did not show enough sympathy for Schilling, 1 who was wrongly presented as an artist. Given their preference for weakness, which they regard, if not as a strength, at least as an unfortunate circumstance, they cannot comprehend that one could say only few words about it. They therefore suspect – something that leads to unbelievably ridiculous effects – anyone who does not devote much time and many words to the portrayal of sympathy for the hero, simply for the reason that he obviously has not sympathised compassionately enough in the whole affair. Since I concerned myself more with the shortcomings of the play, for artistic reasons and to the greater glory of the greater poets, they construed my thoughts as if I were incapable of sympathetically understanding its positive qualities, thus especially the weakness of Schilling, of which they have grown so fond. My objection that I am accustomed not to dwell on those things with which I believe myself to be in agreement, is something that they have not understood, so much so – and that is what is so grotesque – that they wish to devote more sympathy to Schilling’s weakness by at least speaking about it at greater length.
After all, this manner of thinking is typical: people of limited imagination understand that sympathy is expressed only when it revolves unceasingly about the same object for an unnecessary length of time. Even at the expense that an offer of help about it would be lost, they love to chew over the object and to be suspicious of those who are without sympathy, who do not take part in the rumination. Their vanity and infertility are mirrored in the sympathy which they go on about in a gossipy manner; and no amount of advice was sufficient before a long stretch of time had been used up.
In the course of the conversation, Brünauer asks me how I like his wife’s gracefulness. {310} So as not to offend him, I was obliged to formulate a lie, at my own expense, and indeed I said that I had no interest in observing such bodily movements. The consequences of this lie took an amusing turn when I told Floriz about it the following day. He now used this embarrassing lie as an opportunity to make his case for Schilling: he simply took my words at face value, and now explained to Lie-Liechen that this was the reason why I could not understand Schilling as well as he himself!

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 The main character in Gabriel Schilling's Flight – a play by Gerhart Hauptmann which Schenker had seen with Moriz Violin on February 7, and for a second time three days later with Robert Brünauer, whose wife Ida played the part of Hanna Elias. After the first performance, Schenker wrote a long diary entry critiquing the characterization (see diary entry for February 7, 1913.