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25.

Aus einem in der nNeuen Fr. Presse mitgeteilten Brief Tolstoi’s an seine Gattin: „Um Gottes willen , prüfen Sie sich genau. Schrecklich wird es mir sein, Ihr „Nein“ zu hören, wenn Sie einen Schatten von einem Zweifel in sich spüren. Aber ich sehe es vorher und werde die Kraft in mir finden, es zu ertragen. Wenn ich aber als Gatte niemals so geliebt sein werde, wie ich liebe, so wird es schrecklich sein ….. Ich verlange etwas Furchtbares, Unmögliches von der Ehe. Ich verlange, ebenso geliebt zu werden, wie ich lieben kann. Das aber ist unmöglich.“ Und 35 Jahre später schreibt er seiner Frau, als er einen Zwist mit ihr gehabt: „….. Ich mache es mir zum Vorwurf, daß ich mich nicht daran gewöhnen kann, Dir nicht mit der Logik, sondern mit etwas anderm [sic] zu kommen – mit dem Gefühl. Mit der Logik kann man auf Dich, ja überhaupt auf die Frauen, keine Wirkung ausüben. Die Logik kränkt aEuch, wie etwas Unberechtigtes, wie eine Gewalttat. Ungerecht aber wäre es, zu behaupten, daß man die Logik nicht über das Gefühl, sondern im Gegenteil, das {427} Gefühl über die Logik stellen müsse. Im übrigen weiß ich nichts, ich weiß es nur[,] daß mir weh ums Herz ist, daß ich Dir weh getan habe; und ich möchte, daß dem nicht so wäre …“. 1 – Auch die Frauen würden Logik sich erobern, wenn sie nur erst wie die Männer, freien Zugang zu allen möglichen Erfahrungen des Lebens hätten. Die Logik ist mehr Produkt der Erfahrung, als man gemeinhin annimmt. Sie ist nicht blos absolut Gedachtes, sondern noch vielmehr aus den Erfahrungen erarbeitet. Auf den engen Pflichtenkreis beschränkt, u. zw. obendrein ihr Leben lang, vermag sie gar nicht jene Fülle von Erfahrungen zu erwerben, die das logische Denken durch sich selbst entstehen machen. Da sie die öffentliche Wirksamkeit des Mannes nicht teilt, vermag sie sie auch nicht zu begreifen u. daher kommt es, daß sie, was sie nicht begreift, auch nicht pflegen kann. Tolstoi’s Irrtum besteht aber darin, daß er die Logik als prinzipiell unerziehbar hinstellt. Was er mitteilt, erweist höchstens , nur, daß seine eigene Logik nicht stark genug war, seiner Frau eine anzuerziehen. Es gehört allerdings dazu ein ungeheuerer physischer Aufwand, der beinahe so groß ist, wie der übrige Aufwand des Mannes in seiner Tätigkeit überhaupt! Aber um der Notwendigkeit des Zusammenlebens willen darf man den Aufwand nicht scheuen, zumal nur dieser Aufwand der Frau die persönlichen Erfahrungen ersetzen soll. Logik ist lernbar u. Alles, was Gefühl heißt, ist jenes erste Chaos, aus dem nachher die Logik entsteigt. Gefühl u. Logik sind nicht wesensfremd; es ist dieselbe Qualität des Geistes im Gefühl wie in der Logik, nur dort rudimentär ungeschult u. billig skizzirt: Gefühl gleichsam 1. Skizze der Logik! Nur der Umstand, daß der Mensch soviel er kann Anstrengung meidet, macht das Gefühl als die billigste u. 1. Leistung willkommen als die Logik. Am besten wird dieser traurige Tatbestand dadurch erhärtet, daß die Menschen das billige Gefühl für eine selbständige gegensätzliche Instanz ausgeben. Nicht nur billig wollen sie ihre Pflicht abfertigen, sondern die Billigkeit soll noch einen schönen Namen haben u. ein gutes selbständiges Recht bedeu- {428} ten. Eine billige Menschheit verbeißt sich so in eine billige, billigste Leistung u. verteidigt sich darin mit einem Heldenmut, der einer teuereren Leistung würdig wäre!

*

© Transcription Marko Deisinger.

25.

Extract of a letter transmitted by the Neue freie Presse from Tolstoy to his wife: "For God's sake, think about this carefully. It would be dreadful for me to hear your 'no' if you have a shadow of a doubt in you. But I see it ahead of me and will find the strength in me to bear it. If, however, I as a husband shall never be loved as I love, then it will be dreadful. … I demand something frightful, impossible, from our marriage. I demand to be loved just as much as I am able to love. But that is impossible." And 35 years later he writes to his wife, having had a conflict with her: ["]I blame myself that I cannot get used to the fact that I cannot approach you with logic but with something else – with feeling. With logic, one can have no effect upon you, or upon any woman at all. Logic makes all of you ill, like something unjustified, like an act of violence. But it would be wrong to maintain that one must not place logic above feeling rather than, on the contrary, {427} feeling above logic. Otherwise I know nothing; I know only that it pains my heart that I have done you wrong; and I wish that it were not so … ." 1 – Even women would conquer logic if only they, like men, had free access to all possible experiences of life. Logic is more a product of experience than one generally recognizes. It is not merely something thought in absolute terms, but rather something worked out from one's experiences. Restricted to her narrow range of obligations, and to be sure for her entire life, she [a woman] is not at all able to acquire that fullness of experiences which enables logical thinking to come about of its own accord. As she does not share the man's activity in the public sphere, she is not able to understand it [logic], and from this it follows that what she cannot understand she cannot practice. Tolstoy's mistake consists of his regarding logic as something which, in principle, cannot be learned. What he communicates at best is that his own sense of logic was not strong enough to instil a sense of logic in his wife. This requires, at any rate, an immense physical effort, which is almost as great as the rest of the effort required of a man for his work in general! But on account of the need to live together, one must not shun this effort, all the more so as only this effort can replace the woman's personal experience. Logic can be learned; and everything which is called feeling is that first chaos from which logic later emerges. Feeling and logic are not alien to one another; there is the same spiritual quality in feeling as in logic, only rudimentarily unschooled and cheaply sketched in the former: feeling is like the first sketch of logic! Only the circumstance that a person avoids making as much effort as possible makes feeling, being the cheapest and the first accomplishment, as welcome as logic. At best, this sad state of affairs is hardened as a result because people think that feeling is an independent, opposing quality. They do not only fulfill their obligations as cheaply as possible, but cheapness ought also to have an attractive name and signify a good, independent right. {428} A cheap humanity gets so wound up in a cheap, the cheapest accomplishment, and defends itself for it with a valor that would be worthy of a dearer achievement!

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© Translation William Drabkin.

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Aus einem in der nNeuen Fr. Presse mitgeteilten Brief Tolstoi’s an seine Gattin: „Um Gottes willen , prüfen Sie sich genau. Schrecklich wird es mir sein, Ihr „Nein“ zu hören, wenn Sie einen Schatten von einem Zweifel in sich spüren. Aber ich sehe es vorher und werde die Kraft in mir finden, es zu ertragen. Wenn ich aber als Gatte niemals so geliebt sein werde, wie ich liebe, so wird es schrecklich sein ….. Ich verlange etwas Furchtbares, Unmögliches von der Ehe. Ich verlange, ebenso geliebt zu werden, wie ich lieben kann. Das aber ist unmöglich.“ Und 35 Jahre später schreibt er seiner Frau, als er einen Zwist mit ihr gehabt: „….. Ich mache es mir zum Vorwurf, daß ich mich nicht daran gewöhnen kann, Dir nicht mit der Logik, sondern mit etwas anderm [sic] zu kommen – mit dem Gefühl. Mit der Logik kann man auf Dich, ja überhaupt auf die Frauen, keine Wirkung ausüben. Die Logik kränkt aEuch, wie etwas Unberechtigtes, wie eine Gewalttat. Ungerecht aber wäre es, zu behaupten, daß man die Logik nicht über das Gefühl, sondern im Gegenteil, das {427} Gefühl über die Logik stellen müsse. Im übrigen weiß ich nichts, ich weiß es nur[,] daß mir weh ums Herz ist, daß ich Dir weh getan habe; und ich möchte, daß dem nicht so wäre …“. 1 – Auch die Frauen würden Logik sich erobern, wenn sie nur erst wie die Männer, freien Zugang zu allen möglichen Erfahrungen des Lebens hätten. Die Logik ist mehr Produkt der Erfahrung, als man gemeinhin annimmt. Sie ist nicht blos absolut Gedachtes, sondern noch vielmehr aus den Erfahrungen erarbeitet. Auf den engen Pflichtenkreis beschränkt, u. zw. obendrein ihr Leben lang, vermag sie gar nicht jene Fülle von Erfahrungen zu erwerben, die das logische Denken durch sich selbst entstehen machen. Da sie die öffentliche Wirksamkeit des Mannes nicht teilt, vermag sie sie auch nicht zu begreifen u. daher kommt es, daß sie, was sie nicht begreift, auch nicht pflegen kann. Tolstoi’s Irrtum besteht aber darin, daß er die Logik als prinzipiell unerziehbar hinstellt. Was er mitteilt, erweist höchstens , nur, daß seine eigene Logik nicht stark genug war, seiner Frau eine anzuerziehen. Es gehört allerdings dazu ein ungeheuerer physischer Aufwand, der beinahe so groß ist, wie der übrige Aufwand des Mannes in seiner Tätigkeit überhaupt! Aber um der Notwendigkeit des Zusammenlebens willen darf man den Aufwand nicht scheuen, zumal nur dieser Aufwand der Frau die persönlichen Erfahrungen ersetzen soll. Logik ist lernbar u. Alles, was Gefühl heißt, ist jenes erste Chaos, aus dem nachher die Logik entsteigt. Gefühl u. Logik sind nicht wesensfremd; es ist dieselbe Qualität des Geistes im Gefühl wie in der Logik, nur dort rudimentär ungeschult u. billig skizzirt: Gefühl gleichsam 1. Skizze der Logik! Nur der Umstand, daß der Mensch soviel er kann Anstrengung meidet, macht das Gefühl als die billigste u. 1. Leistung willkommen als die Logik. Am besten wird dieser traurige Tatbestand dadurch erhärtet, daß die Menschen das billige Gefühl für eine selbständige gegensätzliche Instanz ausgeben. Nicht nur billig wollen sie ihre Pflicht abfertigen, sondern die Billigkeit soll noch einen schönen Namen haben u. ein gutes selbständiges Recht bedeu- {428} ten. Eine billige Menschheit verbeißt sich so in eine billige, billigste Leistung u. verteidigt sich darin mit einem Heldenmut, der einer teuereren Leistung würdig wäre!

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© Transcription Marko Deisinger.

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Extract of a letter transmitted by the Neue freie Presse from Tolstoy to his wife: "For God's sake, think about this carefully. It would be dreadful for me to hear your 'no' if you have a shadow of a doubt in you. But I see it ahead of me and will find the strength in me to bear it. If, however, I as a husband shall never be loved as I love, then it will be dreadful. … I demand something frightful, impossible, from our marriage. I demand to be loved just as much as I am able to love. But that is impossible." And 35 years later he writes to his wife, having had a conflict with her: ["]I blame myself that I cannot get used to the fact that I cannot approach you with logic but with something else – with feeling. With logic, one can have no effect upon you, or upon any woman at all. Logic makes all of you ill, like something unjustified, like an act of violence. But it would be wrong to maintain that one must not place logic above feeling rather than, on the contrary, {427} feeling above logic. Otherwise I know nothing; I know only that it pains my heart that I have done you wrong; and I wish that it were not so … ." 1 – Even women would conquer logic if only they, like men, had free access to all possible experiences of life. Logic is more a product of experience than one generally recognizes. It is not merely something thought in absolute terms, but rather something worked out from one's experiences. Restricted to her narrow range of obligations, and to be sure for her entire life, she [a woman] is not at all able to acquire that fullness of experiences which enables logical thinking to come about of its own accord. As she does not share the man's activity in the public sphere, she is not able to understand it [logic], and from this it follows that what she cannot understand she cannot practice. Tolstoy's mistake consists of his regarding logic as something which, in principle, cannot be learned. What he communicates at best is that his own sense of logic was not strong enough to instil a sense of logic in his wife. This requires, at any rate, an immense physical effort, which is almost as great as the rest of the effort required of a man for his work in general! But on account of the need to live together, one must not shun this effort, all the more so as only this effort can replace the woman's personal experience. Logic can be learned; and everything which is called feeling is that first chaos from which logic later emerges. Feeling and logic are not alien to one another; there is the same spiritual quality in feeling as in logic, only rudimentarily unschooled and cheaply sketched in the former: feeling is like the first sketch of logic! Only the circumstance that a person avoids making as much effort as possible makes feeling, being the cheapest and the first accomplishment, as welcome as logic. At best, this sad state of affairs is hardened as a result because people think that feeling is an independent, opposing quality. They do not only fulfill their obligations as cheaply as possible, but cheapness ought also to have an attractive name and signify a good, independent right. {428} A cheap humanity gets so wound up in a cheap, the cheapest accomplishment, and defends itself for it with a valor that would be worthy of a dearer achievement!

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 "Die Briefe Leo Tolstois an seine Gattin," Neue freie Presse, No. 17633, September 25, 1913, morning edition, p. 7.