9. Okt. 13

BriefOJ 12/9, [8] von Karpath mit Beilage von Mittelmann. K. zieht sich aus der Affaire, indem er sich als eine Art Carnegie an Wohltat hinstellt. Er, der sicher an den Leistungen Mittelmanns mehr schmarotzt hat, als umgekehrt Mittelmann an seinem Geldbeutel, spricht davon, daß M. „stark im Vorschuss sei“ u. daß er ihm sofort 10 Kr. geschickt habe. Ich habe sofort einen stark anzüglichen Brief geschrieben, worin ich mein Verhältnis zu Mittelmann zur Darstellung brachte. Die Farben waren gemäß der Absicht aufgetragen, das Schmarotzertum in K. zu entlarven u. zu bestrafen!

*

Von Pollak läuft eine Karte ein, in der er zu danken nicht weiß, wohl aber sich einen „Genuß“ verspricht! Bekanntlich ist das einzige Versteck der niedrigen menschlichen Seele jener schnöde Egoismus, von wo aus sie alle Schöpfungen blos zu ihrem „Genuß“ herabwürdigen. Niemals aber steigert sich der Genuß zu einer Macht, die einen ehrlichen Dank zu formulieren imstande wäre. Mindestens nicht an den Schaffenden.

*

Frau D. hat auf der Suche nach dem Wert der Klassiker die gloriose Entdeckung gemacht, daß diese schon darum von unendlichem Wert sind seien, weil sie unendlich viel geben u. immerzu geben, ohne zu nehmen! Ja, das ist’s, worauf es der Welt ankommt, nehmen u. nicht geben – u. so brutal u. roh die Definition des Klassikerwertes im Munde der genannten Frau ist, so mag sie im gewissen Sinne zutreffender sein, als so manche wissenschaftliche: Der Klassiker ist Derjenige, der nichts nimmt, nichts bekommt u. viel giebt [sic]! Nur allzu wahr! Dieser Definition gemäß bin ich allerdings schon lange Klassiker. Möge mir aber das Schicksal dazu verhelfen, etwas romantischer zu werden! – Ach, und welches Aufeinanderprallen, wenn eine Frau wie Frau D. u. ein Mann wie Herr P. zusammenstoßen! Ein Tor, der sich davon einen reinen Zusammenklang verspricht, im Gegenteil! Menschen dieses Schlages brauchen immer wieder nur „Klassiker“ , die geben u. nicht nehmen, u. da sie es selbst nicht sind, so meiden sie einander lieber, als daß sie sich gegenseitig beistünden. Ueberaus ergötzlich ist doch die Scene , die P. schildert, als er zur über Einladung der Frau D. zu ihr kam. {440} Da ihre Einladung sich auch auf das 4-händige Klavierspiel bezog, so ist sie, kaum daß P. eingetreten war, darauf auch sofort losgegangen, so daß P. über die Nacktheit der Ausführung ganz entsetzt war u. seither (nicht mit Unrecht) den weiteren Besuch verweigert. Das ist die Welt in der man sich langweilt u. – nimmt!

*

© Transcription Marko Deisinger.

October 9, 1913.

LetterOJ 12/9, [8] from Karpath, with enclosure from Mittelmann. Karpath is withdrawing from the affair, insofar as he claims to be a kind of Carnegie in benevolence. He, who has certainly leeched more off Mittelmann's accomplishments than Mittelmann has benefited from his money purse, explains that Mittelmann "has been generously advanced," and that he has immediately sent him 10 Kronen. I immediately wrote a strongly aggressive letter, in which I laid out my relationship to Mittelmann. The colors were applied in accordance with my intention to unmask and punish Karpath's parasitism!

*

From Pollak: a card arrives, in which he says he does not know how to thank me but nonetheless promises a "benefit"! As is well known, the only hiding-place of a lowly human soul is that disdainful egoism, from which standpoint it denigrates all creations merely for its "enjoyment." But never does this enjoyment raise itself to a power that would be capable of formulating an honest expression of thanks – at least not to the creator.

*

Mrs. Deutsch, in search of the worth of the classics, made the glorious discovery that these are of infinite value because they always give much, and continue to give, without taking! Yes, that's it, what it amounts to in the world: taking and not giving. And as brutal and coarse the definition of a classic work sounds, when uttered by the mouth of the woman in question it is in a certain sense more to the point than a scientific definition: the classic author is the one who takes nothing, receives nothing, and gives much! How true! According to this definition I have been a classic for a very long time. May, however, fate help me to become a bit more romantic! – Oh, and what a collision when a woman like Mrs. Deutsch and a man like Mr. Pollak bump into one another! Only a fool could expect pure agreement in this – quite the contrary! People of this sort, time and again, need only "classics" that give and do not take; and since they themselves are not classics, they would rather avoid each other than stand by each other. But what is thoroughly disgusting is the scene that Pollak depicts of when he came to Mrs. Deutsch by invitation. {440} As her invitation also included playing the piano four-hands, she went to it straightaway, hardly had Pollak arrived, so that Pollak was thoroughly appalled by her blatant behavior and has since (not without justification) hesitated to visit her again. That is the world in which one becomes bored – and takes!

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© Translation William Drabkin.

9. Okt. 13

BriefOJ 12/9, [8] von Karpath mit Beilage von Mittelmann. K. zieht sich aus der Affaire, indem er sich als eine Art Carnegie an Wohltat hinstellt. Er, der sicher an den Leistungen Mittelmanns mehr schmarotzt hat, als umgekehrt Mittelmann an seinem Geldbeutel, spricht davon, daß M. „stark im Vorschuss sei“ u. daß er ihm sofort 10 Kr. geschickt habe. Ich habe sofort einen stark anzüglichen Brief geschrieben, worin ich mein Verhältnis zu Mittelmann zur Darstellung brachte. Die Farben waren gemäß der Absicht aufgetragen, das Schmarotzertum in K. zu entlarven u. zu bestrafen!

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Von Pollak läuft eine Karte ein, in der er zu danken nicht weiß, wohl aber sich einen „Genuß“ verspricht! Bekanntlich ist das einzige Versteck der niedrigen menschlichen Seele jener schnöde Egoismus, von wo aus sie alle Schöpfungen blos zu ihrem „Genuß“ herabwürdigen. Niemals aber steigert sich der Genuß zu einer Macht, die einen ehrlichen Dank zu formulieren imstande wäre. Mindestens nicht an den Schaffenden.

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Frau D. hat auf der Suche nach dem Wert der Klassiker die gloriose Entdeckung gemacht, daß diese schon darum von unendlichem Wert sind seien, weil sie unendlich viel geben u. immerzu geben, ohne zu nehmen! Ja, das ist’s, worauf es der Welt ankommt, nehmen u. nicht geben – u. so brutal u. roh die Definition des Klassikerwertes im Munde der genannten Frau ist, so mag sie im gewissen Sinne zutreffender sein, als so manche wissenschaftliche: Der Klassiker ist Derjenige, der nichts nimmt, nichts bekommt u. viel giebt [sic]! Nur allzu wahr! Dieser Definition gemäß bin ich allerdings schon lange Klassiker. Möge mir aber das Schicksal dazu verhelfen, etwas romantischer zu werden! – Ach, und welches Aufeinanderprallen, wenn eine Frau wie Frau D. u. ein Mann wie Herr P. zusammenstoßen! Ein Tor, der sich davon einen reinen Zusammenklang verspricht, im Gegenteil! Menschen dieses Schlages brauchen immer wieder nur „Klassiker“ , die geben u. nicht nehmen, u. da sie es selbst nicht sind, so meiden sie einander lieber, als daß sie sich gegenseitig beistünden. Ueberaus ergötzlich ist doch die Scene , die P. schildert, als er zur über Einladung der Frau D. zu ihr kam. {440} Da ihre Einladung sich auch auf das 4-händige Klavierspiel bezog, so ist sie, kaum daß P. eingetreten war, darauf auch sofort losgegangen, so daß P. über die Nacktheit der Ausführung ganz entsetzt war u. seither (nicht mit Unrecht) den weiteren Besuch verweigert. Das ist die Welt in der man sich langweilt u. – nimmt!

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© Transcription Marko Deisinger.

October 9, 1913.

LetterOJ 12/9, [8] from Karpath, with enclosure from Mittelmann. Karpath is withdrawing from the affair, insofar as he claims to be a kind of Carnegie in benevolence. He, who has certainly leeched more off Mittelmann's accomplishments than Mittelmann has benefited from his money purse, explains that Mittelmann "has been generously advanced," and that he has immediately sent him 10 Kronen. I immediately wrote a strongly aggressive letter, in which I laid out my relationship to Mittelmann. The colors were applied in accordance with my intention to unmask and punish Karpath's parasitism!

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From Pollak: a card arrives, in which he says he does not know how to thank me but nonetheless promises a "benefit"! As is well known, the only hiding-place of a lowly human soul is that disdainful egoism, from which standpoint it denigrates all creations merely for its "enjoyment." But never does this enjoyment raise itself to a power that would be capable of formulating an honest expression of thanks – at least not to the creator.

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Mrs. Deutsch, in search of the worth of the classics, made the glorious discovery that these are of infinite value because they always give much, and continue to give, without taking! Yes, that's it, what it amounts to in the world: taking and not giving. And as brutal and coarse the definition of a classic work sounds, when uttered by the mouth of the woman in question it is in a certain sense more to the point than a scientific definition: the classic author is the one who takes nothing, receives nothing, and gives much! How true! According to this definition I have been a classic for a very long time. May, however, fate help me to become a bit more romantic! – Oh, and what a collision when a woman like Mrs. Deutsch and a man like Mr. Pollak bump into one another! Only a fool could expect pure agreement in this – quite the contrary! People of this sort, time and again, need only "classics" that give and do not take; and since they themselves are not classics, they would rather avoid each other than stand by each other. But what is thoroughly disgusting is the scene that Pollak depicts of when he came to Mrs. Deutsch by invitation. {440} As her invitation also included playing the piano four-hands, she went to it straightaway, hardly had Pollak arrived, so that Pollak was thoroughly appalled by her blatant behavior and has since (not without justification) hesitated to visit her again. That is the world in which one becomes bored – and takes!

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© Translation William Drabkin.