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OJ 12/9, [8] - Handwritten letter from Karpath to Schenker, dated October 9, 1913
Warum müssen Sie immer die Anderen beschimpfen, wenn Sie sich herausstreichen wollen? Ich habe, obwohl ich kein Landsmann Mittelmanns 2 bin und nicht in dem Verhältnisse zu ihm stehe, wie Sie, pneumatisch Geld geschickt, einzig aus dem Gefühle der Menschlichkeit und habe auch noch Anderes für ihn unternommen. Daß ich mehr hätte, als Sie, bestreite ich. Wohl aber glaube ich {2} es mit Ihnen und mit wem immer an Feingefühl und Gutherzigkeit aufnehmen zu können. Dann vergessen Sie auch, dass ich tausendmal 3 in die Tasche greifen muss, beziehungsweise nicht muß, sondern dies freiwillig tue, ehe Sie einmal dazu kommen. Wenn ich also auch mehr hätte, so wäre wohl der Ausgleich {3} schon da. Ich bedaure lebhaft Sie überhaupt angesprochen zu haben, denn Ihre 20 Kr. machen die Suppe nicht fett 4 und ich hätte mir Ihre Beschimpfung erspart. Hätte der Unglücksmensch sich nicht just in einem Augenblicke an mich gewendet, in dem ich vor Arbeit nicht sehen kann, würde ich 2–3 Wege für ihn gemacht und ohne Aufhebens ihm gleich geholfen haben. Sie wissen, wie ich Sie schätze, aber selbst wenn Sie den Kontrapunkt erfunden hätten, würden Sie auch nicht {4} das Recht besitzen mich im Gefühle auf das Tiefste zu verletzen. Mögen Sie es auch bestreiten, ich glaube doch auch um Sie einige wenige Verdienste zu haben und bin nicht gewillt, mich bei jedem Anlasse (ich erinnere mich z. B. an Ihren Brief wegen Violin’s „Continuo“ 5 ), von Ihnen hofmeistern zu lassen. Die Welt besteht nicht aus lauter Kontrapunkt, es muß auch einfache Harmonien geben, wenn sie nur rein und wahrhaft sind, wie die in meinem Herzen. © Transcription Martin Eybl, 2013 |
⇧ LUDWIG KARPATH VIENNA IV, PRINZ EUGEN-STRASSE 16 TELEPHONE: 6365 ⇧ Vienna, October 9, 1913 Dear Friend, 1 Why must you always verbally abuse others when you want to justify your own actions? Although I am no fellow-countryman of Mittelmann's, 2 and am not on close terms with him as are you, I have sent him money by express mail, purely for humanitarian reasons, and have also undertaken other things for him. I dispute that I myself have more than you. But I do believe that I am a match {2} for you and for anybody else when it comes to sensitivity and kind-heartedness. And don't forget also that I have to dip into my pocket a thousandfold, 3 ‒ or rather don't have to but willingly choose to do so ‒ for every one time that you do. Thus even if I had more than you, we would just reach a balance. {3} I keenly regret having spoken to you at all, for your 20 Kronen don't improve the situation 4 and I would have spared myself your insult. Had the unfortunate man not turned to me at a moment when I was overwhelmed with work, I would have contacted a few people on his behalf, and helped him right away without any fuss. You know how much I value you, but even if you had invented counterpoint you would not have had the {4} right to wound my feelings so deeply. You may dispute this, but I do believe that I have done even you a few little services, and I am not willing on each occasion (I think, for example, of your letter about Violin's "Continuo" 5 , to let myself be bossed about by you. The world isn't made up only of counterpoint, it has to have simple harmonies as well, if they are pure and true, like those in my heart. © Translation Ian Bent, 2016 |
Warum müssen Sie immer die Anderen beschimpfen, wenn Sie sich herausstreichen wollen? Ich habe, obwohl ich kein Landsmann Mittelmanns 2 bin und nicht in dem Verhältnisse zu ihm stehe, wie Sie, pneumatisch Geld geschickt, einzig aus dem Gefühle der Menschlichkeit und habe auch noch Anderes für ihn unternommen. Daß ich mehr hätte, als Sie, bestreite ich. Wohl aber glaube ich {2} es mit Ihnen und mit wem immer an Feingefühl und Gutherzigkeit aufnehmen zu können. Dann vergessen Sie auch, dass ich tausendmal 3 in die Tasche greifen muss, beziehungsweise nicht muß, sondern dies freiwillig tue, ehe Sie einmal dazu kommen. Wenn ich also auch mehr hätte, so wäre wohl der Ausgleich {3} schon da. Ich bedaure lebhaft Sie überhaupt angesprochen zu haben, denn Ihre 20 Kr. machen die Suppe nicht fett 4 und ich hätte mir Ihre Beschimpfung erspart. Hätte der Unglücksmensch sich nicht just in einem Augenblicke an mich gewendet, in dem ich vor Arbeit nicht sehen kann, würde ich 2–3 Wege für ihn gemacht und ohne Aufhebens ihm gleich geholfen haben. Sie wissen, wie ich Sie schätze, aber selbst wenn Sie den Kontrapunkt erfunden hätten, würden Sie auch nicht {4} das Recht besitzen mich im Gefühle auf das Tiefste zu verletzen. Mögen Sie es auch bestreiten, ich glaube doch auch um Sie einige wenige Verdienste zu haben und bin nicht gewillt, mich bei jedem Anlasse (ich erinnere mich z. B. an Ihren Brief wegen Violin’s „Continuo“ 5 ), von Ihnen hofmeistern zu lassen. Die Welt besteht nicht aus lauter Kontrapunkt, es muß auch einfache Harmonien geben, wenn sie nur rein und wahrhaft sind, wie die in meinem Herzen. © Transcription Martin Eybl, 2013 |
⇧ LUDWIG KARPATH VIENNA IV, PRINZ EUGEN-STRASSE 16 TELEPHONE: 6365 ⇧ Vienna, October 9, 1913 Dear Friend, 1 Why must you always verbally abuse others when you want to justify your own actions? Although I am no fellow-countryman of Mittelmann's, 2 and am not on close terms with him as are you, I have sent him money by express mail, purely for humanitarian reasons, and have also undertaken other things for him. I dispute that I myself have more than you. But I do believe that I am a match {2} for you and for anybody else when it comes to sensitivity and kind-heartedness. And don't forget also that I have to dip into my pocket a thousandfold, 3 ‒ or rather don't have to but willingly choose to do so ‒ for every one time that you do. Thus even if I had more than you, we would just reach a balance. {3} I keenly regret having spoken to you at all, for your 20 Kronen don't improve the situation 4 and I would have spared myself your insult. Had the unfortunate man not turned to me at a moment when I was overwhelmed with work, I would have contacted a few people on his behalf, and helped him right away without any fuss. You know how much I value you, but even if you had invented counterpoint you would not have had the {4} right to wound my feelings so deeply. You may dispute this, but I do believe that I have done even you a few little services, and I am not willing on each occasion (I think, for example, of your letter about Violin's "Continuo" 5 , to let myself be bossed about by you. The world isn't made up only of counterpoint, it has to have simple harmonies as well, if they are pure and true, like those in my heart. © Translation Ian Bent, 2016 |
Footnotes1 Slightly earlier, two letters had been exchanged, one by Karpath, and Schenker's reply, as recorded in Schenker's diary for October 9, 1913, OJ 1/13, p. 439: "Brief von Karpath mit Beilage von Mittelmann. K. zieht sich aus der Affaire, indem er sich als eine Art Carnegie an Wohltat hinstellt. Er, der sicher an den Leistungen Mittelmanns mehr schmarotzt hat, als umgekehrt Mittelmann an seinem Geldbeutel, spricht davon, daß M. „stark im Vorschuss sei“ u. daß er ihm sofort 10 Kr. geschickt habe. Ich habe sofort einen stark anzüglichen Brief geschrieben, worin ich mein Verhältnis zu Mittelmann zur Darstellung brachte. Die Farben waren gemäß der Absicht aufgetragen, das Schmarotzertum in K. zu entlarven u. zu bestrafen!" ("Letter from Karpath with inclosure from Mittelmann. Karpath excuses himself, making himself out to be a sort of Carnegie of charitable deeds. He, who has certainly exploited Mittelmann's achievements more than conversely Mittelmann has Karpath's purse, talks about Mittelmann 'piling up debts,' and that he has promptly sent him 10 Kronen. I have immediately written a barbed letter in which I have spelled out my relationship with Mittelmann. I laid it on thickly with the intention of exposing and punishing Karpath's parasitic behavior."). — The receipt of the surviving reply from Karpath is recorded in Schenker's diary for October 10, 1913 (OJ 1/13, p. 441): "Brief von Karpath im Tonfall des Beleidigten. Darauf Antwort, gelassen, dennoch aber den Abstand zwischen wahrer u. einer mit den Pflichten der Menschlichkeit sich nur allzu billig abfindenden Menschlichkeit fixierend." ("Letter from Karpath with an injured air. I reply to it, playing it cool, but nevertheless identifying the difference between a genuine humanity and a humanity that only all too cheaply results from carrying out one's duties."). 2 Karpath means that Mittelmann, like Schenker, comes from Galicia. 3 "tausendmal" ("thousandfold"): triple underlined. 4 "die Suppe fett machen": idiom meaning literally, "to make the soup fatter (or richer)." 5 Moriz Violin, Über das sogenannte Continuo. Ein Beitrag zur Lösung des Problems (Vienna: UE, 1910). Cf. Karpath's letter OJ 12/9, [3], March 10, 1911 in response to a letter from Schenker that does not survive. |
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Commentary
Digital version created: 2016-06-09 |