26. VII. 14
Nach Tisch wieder, man könnte beinahe sagen wie üblich, heftiges Gewitter mit Hagel, das sich erst spät am Abend beruhigt u. in ziehende Nebelschwaden auflöst. — Die beiden Autographe werden zum erstenmale konfrontiert, doch vorläufig ohne Notizen. Skizzen bereiten große Freude, da sie die ganze Maulwurfsarbeit offenbaren. — Abends wird uns eine Sonderausgabe der Bozener Nachrichten gezeigt, in der bereits genauere Tatbestände mitgeteilt werden. 1 Schon diesem Blättchen entnimmt man, wie Gerüchte entstehen mögen; so z. B. die Anhaltung des serbischen Generalstabschefs in Graz in Form eines Gerüchtes als Gefangennahme. Leider fehlen weitere Nachrichten. Meines Erachtens konnte das Schicksal es für Oesterreich gar nicht günstiger fügen, als es gekommen, da eine gerechte Sache es zu einer Abrechnung mit Serbien drängt, die als private Abrechnung nicht eine von internationaler Wirkung zu sein brauchte. Sollte Rußland, das wegen der Ermunterung Serbiens ohnehin die schwerste Schuld trifft, die private in eine nationale Angelegenheit verwandeln, so wird es eben noch mehr Schuld auf sich laden u. jedenfalls Veranlassung zum Einschreiten Deutschlands geben. So streben die ehemals vielgefürchteten Balkansorgen plötzlich anderen Lösungen zu, als man angenommen hat. Und ähnlich wie die vier Balkanstaaten auf eigene Rechnung hinter dem Rücken der Großmächte die Türkei aus Europa hinausdrängten, 2 ebenso scheint Oesterreich für sein eigen Teil auf dem Wege auch wieder einer anderen Lösung zu sein, als es vielleicht je geplant hatte. *{627} © Transcription Marko Deisinger. |
July 26, 1914.
After lunch, again – one could almost say "as usual" – hefty thunderstorm with hail, which does not subside until late evening and dissolves into swirling bands of mist. — The two autographs [of Op. 111] are compared for the first time, but for the moment without my making notes. The sketches provide great delight, in that they reveal the entire behind-the-scenes work. — In the evening we are shown a special edition of the Bozener Nachrichten in which already more precise records of events are communicated. 1 Even from this minor paper one can learn how rumors may arise; thus, for example, the detainment of the Serbian chief of staff in Graz, which was rumored to be an arrest. Unfortunately, further news is missing. From my pointed view, fate cannot at all have worked out more favorably for Austria as it has, since a rightful cause demands a settlement with Serbia, one which, being a private settlement, need not have an international effect. Should Russia who bears the greatest blame of all for encouraging Serbia, transform this private matter into a national one, then it will heap even more blame upon itself and, in any event, give occasion for the intervention of German. Thus the previous much-feared Balkan problems are suddenly heading towards different solutions than one had supposed. Und in a similar way that the four Balkan states were trying on their own to push Turkey out of Europe, behind the backs of the superpowers, 2 so Austria for its part seems to be on the path even for yet a different solution to that it had perhaps ever planned. *{627} © Translation William Drabkin. |
26. VII. 14
Nach Tisch wieder, man könnte beinahe sagen wie üblich, heftiges Gewitter mit Hagel, das sich erst spät am Abend beruhigt u. in ziehende Nebelschwaden auflöst. — Die beiden Autographe werden zum erstenmale konfrontiert, doch vorläufig ohne Notizen. Skizzen bereiten große Freude, da sie die ganze Maulwurfsarbeit offenbaren. — Abends wird uns eine Sonderausgabe der Bozener Nachrichten gezeigt, in der bereits genauere Tatbestände mitgeteilt werden. 1 Schon diesem Blättchen entnimmt man, wie Gerüchte entstehen mögen; so z. B. die Anhaltung des serbischen Generalstabschefs in Graz in Form eines Gerüchtes als Gefangennahme. Leider fehlen weitere Nachrichten. Meines Erachtens konnte das Schicksal es für Oesterreich gar nicht günstiger fügen, als es gekommen, da eine gerechte Sache es zu einer Abrechnung mit Serbien drängt, die als private Abrechnung nicht eine von internationaler Wirkung zu sein brauchte. Sollte Rußland, das wegen der Ermunterung Serbiens ohnehin die schwerste Schuld trifft, die private in eine nationale Angelegenheit verwandeln, so wird es eben noch mehr Schuld auf sich laden u. jedenfalls Veranlassung zum Einschreiten Deutschlands geben. So streben die ehemals vielgefürchteten Balkansorgen plötzlich anderen Lösungen zu, als man angenommen hat. Und ähnlich wie die vier Balkanstaaten auf eigene Rechnung hinter dem Rücken der Großmächte die Türkei aus Europa hinausdrängten, 2 ebenso scheint Oesterreich für sein eigen Teil auf dem Wege auch wieder einer anderen Lösung zu sein, als es vielleicht je geplant hatte. *{627} © Transcription Marko Deisinger. |
July 26, 1914.
After lunch, again – one could almost say "as usual" – hefty thunderstorm with hail, which does not subside until late evening and dissolves into swirling bands of mist. — The two autographs [of Op. 111] are compared for the first time, but for the moment without my making notes. The sketches provide great delight, in that they reveal the entire behind-the-scenes work. — In the evening we are shown a special edition of the Bozener Nachrichten in which already more precise records of events are communicated. 1 Even from this minor paper one can learn how rumors may arise; thus, for example, the detainment of the Serbian chief of staff in Graz, which was rumored to be an arrest. Unfortunately, further news is missing. From my pointed view, fate cannot at all have worked out more favorably for Austria as it has, since a rightful cause demands a settlement with Serbia, one which, being a private settlement, need not have an international effect. Should Russia who bears the greatest blame of all for encouraging Serbia, transform this private matter into a national one, then it will heap even more blame upon itself and, in any event, give occasion for the intervention of German. Thus the previous much-feared Balkan problems are suddenly heading towards different solutions than one had supposed. Und in a similar way that the four Balkan states were trying on their own to push Turkey out of Europe, behind the backs of the superpowers, 2 so Austria for its part seems to be on the path even for yet a different solution to that it had perhaps ever planned. *{627} © Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Die Demarche in Belgrad. Das österreichische Ultimatum an Serbien," Bozner Nachrichten und Allgemeiner Anzeiger, No. 146, 21st year, July 26, 1914, pp. 1–5. 2 The first Balkan War, 1912. |