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18.

Karte von Breisach aus Marburg; der Schüler meldet „angenehmen“ Dienst! —

— Mein Park setzt den ersten grünen Flaum an! Das erste Grün, die ewig wiederkehrende u. immer wieder erschütternde Botschaft einer ewigen Natur, die – weil schöpferisch – niemals untergehen kann, dagegen uns Geschaffene aber niederwirft, die aus ihrem Schoße wohl einmal entstehen, aber leider auch endgiltig vergehen. Was nützt es uns Menschen, daß wir Ziffern der Natur zu sein sind, wenn die Ziffern von der Tafel gelöscht werden u. nur sie selbst, die Natur, immer wieder neue Ziffern anstelle der alten setzt? Und doch, besser ist es mindestens zu wissen u. zu fühlen, daß man eine Ziffer der Natur ist, als blos dahin- {881} zudämmern ohne Ahnung des Mutterschoßes, der zugleich unser Grab ist!

*

Frau D. wieder zu Tisch. Wie sie sagt hat sie gerade am heutigen Tage zum erstenmal begriffen, was ich wohl schon seit vielen Jahren ihr in unzähligen Varianten zu erklären, leider vergeblich zu erklären versucht habe. Diesmal, meinte sie, wäre die Formel so überzeugend gewesen, daß sie beschloss, niemehr [sic] die Frage zu stellen. Es hat sich nämlich darum gehandelt, wie ein Schüler zu beruhigen sei, der mit all seinen Studien in der Kunst dennoch nicht zu so fixen Ergebnissen gelangt, daß er getrost sagen dürfte, er sei fertig. Nun prägte ich die Lösung endlich so: Nicht Mangel an Unterweisung meinerseits, nicht Mangel an Begabung auch beim Schüler – nur einfach das Ueberragende des Genies ist daran Schuld [sic], wenn Schüler, die keine Genies sind, niemals mit ihm u. seiner Kunst „fertig“ werden können u. vielmehr dazu verurteilt sind, stets irrend nur zu ihm zu streben. Schließlich, meinte sie, sind ja auch die großen Denker nicht schon darum als unbegabt zu verurteilen, wenn sie es in der Wissenschaft nicht bereits so weit gebracht haben, um mit Gott wirklich fertig geworden zu sein. Es wäre falsch, einen Helmholtz, M eiayer u. wie sie alle heißen als tatenlos hinzustellen, blos weil sie nicht noch besser in die Karten des Schöpfers hineingesehen haben. Und so schloss ich, daß ähnlich auch der Schüler vor einem Beethoven, Bach, Chopin, u. s. w. mit Freuden zu kapitulieren habe, wie der Mann der Wissenschaft vor Gott selbst! Ferner ergänzte ich die Erläuterungen mit folgenden Argumenten: Dem Schüler dürfe es sich ja gar nicht darum handeln, endlich „fertig“ zu sein; er dürfe das ebenso wenig wünschen, als ich selbst es wünschen würde, jemals fertig zu werden! Denn gerade nur im Streben zum fertigen Zustand allein liegt die Illusion, u. trostlos wäre das Leben mit dem Tage, an dem Tage, an dem wir uns sagen müßten: wir sind fertig geworden! Was dann?

Der Begriff des Fertig-werdens wird auf die Beziehung zur Kunst wie auf das Leben im gewissen Sinne falsch transponiert von anderen Zuständen, die aber keine treffende Analogie vorstellen: ich meine Studien an Schulen, Hochschulen, Akademien u. dgl., {882} mit denen man über Anordnung des Staates nach gewissen Zeiträumen wirklich fertig sein muß. Dieses Wesen der Prüfungen ist es, das unlogischerweise auf die Kunststudien übertragen wird, wobei als leidiges medium comparationis das liebe Geld fungiert, das wenn es um gymnasial-juristische oder philosophische Studien sich handelt in diesem oder jenem Betrage einmal ausgeworfen wird, um nicht weiter überschritten zu werden. Der [recte Die] Gründe aber, weshalb die Analogie unzutreffend ist, sind mehrere: Erstens bezweckt der Staat ja gar nicht, den Studierenden eine abgerundete fertige Wissenschaft abzuringen, also nicht das Maximum derselben, sondern im Gegenteil nur ein Minimum, worauf er aus Staatsgründen bestehen muß. Auch der Staat weiß sehr genau, daß er von seinen Juristen, Medizinern u. s. f. , mehr verlangen sollte, als er verlangt; aber in Erkenntnis, daß kein Mensch mit den betreffenden Wissenschaften je bis ans Lebensende „fertig“ würde, daß er, der Staat aber der Dienste der Juristen u. Mediziner usw. gleichwohl schon zu einem früheren Zeitpunkt bedarf, nötigt ihn zu einem Kompromiss mit der Unendlichkeit der Wissenschaft, indem er eine gewisse Summe von Kenntnissen festsetzt, die in ihrem bescheidenen Umfange immerhin leidlich aufzunehmen möglich sind. Und damit ist zunächst erwiesen, daß was als Examen an der Universität gilt durchaus nicht auch schon als Parallele anwendbar ist auf das Studium in der Kunst, bei der der Staat durchaus nicht interessiert ist, d. h. weder ein Maximum noch Minimum festzulegen das Bedürfnis hat. Hat man aber das Täuschende der Analogie u. damit die Analogie von sich geworfen, so bleibt allerdings übrig, was als Parallele nicht nur gelten, sondern auch zu gunsten [sic] der früher ausgesprochenen Grundsätze wirksam werden mag. Denn ist nur einmal z. B. der Jurist nach Staatsbegriffen mit der Disciplin so weit „fertig“ geworden, daß ihm das Diplom gegeben werden konnte, so beginnt wie man weiß nun erst recht der Zustand des praktischen Juristen, der bis an sein Lebensende fortdauert u. in keiner Weise mehr eine Beschränkung findet; der Jurist muß dann Schritt halten mit den Veränderungen der Gesetzgebung, der Gerichtspraxis, u. daher an seiner Erkenntnis u. Erfahrung von Tag zu Tag weiterbauen. Und das ist es ja auch, was ich von einem Schüler {883} der Kunst fordere: immer weiter u. weiter zu bauen, ohne dabei etwa an einen Einschnitt zu denken, mit dem die subjektive Einbildung eines „ fFertigwerdens“ verknüpft wäre. Freilich, einedie ganze Welt zu solchen Anschauungen zu bekehren[,] fiele schwerer, als blos eine Schülerin dazu zu haben. Das Heil der Menschheit aber würde gerade nur aus dieser Erkenntnis kommen u. nicht aus der Verwirrung, die durch eine Verwechslung von Examen u. „Fertigsein“ entsteht.

*

Ein auf dieselbe Schülerin gemünzter Kalauer: Sie liebt sich, wie sie nur die Nächsten lieben sollte, nur liebt sie leider die Nächsten nicht, wie sie sich selbst liebt!

*

Die „N. Fr. Pr.“ ereifert sich wegen eines weißen Fleckes, den die Zensur ihr angetan! ; sie tobt u. schnaubt vor Zorn, denn sie fühlt sich, wie sie sagt, dadurch gehindert „mitzuwirken“ 1 – als wäre die Welt auf die Mitwirkung angewiesen, als wäre die Presse eine Verwaltungsbehörde.

*

Es heißt, daß Graf Stürkh deutsche Maßregeln in Oesterreich nicht nachahmen will. Offenbar ein Mißverständnis, wie es ungebildeten Menschen stündlich zustoßt; [illeg]Graf Stürkh scheint nicht zu verstehen, daß dieselbe oder mindestens eine analoge Situation dieselbe oder mindestens eine analoge Situation Lösung fordert, daß es daher durchaus nicht nachahmen hieße, wenn die der Situation angemessene Lösung ihr im Wiederholungsfalle gegeben würde.

*

Karpath wird eines Plagiats an Hirschfeld öffentlich überwiesen – was aber auf dem Schlachtfeld der Unehre, das will heißen auf dem Gebiete der Journalistik nur umgekehrt als Ehre ausgelegt werden wird. Die Folge davon wird ja nur die sein, daß Herr K., durch den Erfolg seines Plagats [sic] ermuntert, sich durchaus nicht scheuen wird, noch stärkere Zumutungen an sein Publikum zu stellen.

*

Abends in Hebbels „Gyges u. sein Ring” (nach vorausgegangener [illeg]flüchtiger Wiederholung der Lektüre). 2 {884}

© Transcription Marko Deisinger.

18.

Postcard from Breisach from Marburg; the pupil reports "agreeable" [military] service! —

— My park is beginning to show the first signs of green! The first green: that ever-recurring and, time and again, shocking harbinger of an eternal nature which, being creative, can never become extinct; which, by contrast, overthrows us created beings, who may have once arisen from her womb but will unfortunately perish in the end. Of what use is it to us humans that we are ciphers of nature, if the ciphers will be erased from the board and only Nature itself will continue to replace the old ciphers with new ones? And yet it is at least better to know and to feel that one is a cipher than merely to exist in a semiconscious state, {881} without an inkling of our mother's womb – which is at the same time our grave!

*

Mrs. Deutsch again at lunch. As she tells me, she has today for the first time understood what I have explained to her for many years in countless variations, but what I have tried in vain to make her understand. This time, she says, the formulation was so convincing that she decided never again to pose the question. It concerned how a pupil should be comforted who, despite all his artistic studies, is nevertheless unable to reach such objective results that he can safely say that he is "finished." Now I express the solution finally in this way: it is not deficiencies in tuition on my part, not even deficiencies in talent of the pupil – but simply the overpowering superiority of genius that is to blame if pupils who are not geniuses can never be "finished" with genius and its art and are instead condemned to "strive" towards it in a "errant" way. In the end, she says, even the great thinkers should not be condemned as ungifted if, in the acquisition of knowledge, they have not gotten so far that they are truly "finished" with God. It would be wrong to deem a Helmholtz, a Mayer, or anyone else to be simply idle, merely on the grounds that they were not able to see even better the cards dealt by our Creator. And so I concluded that a pupil should joyfully capitulate before a Beethoven, a Bach, a Chopin, and so on, just as a man of wisdom should before God himself! I amplified these explanations with the following arguments: for a pupil, it should never be the case of finally being "finished"; he should wish that as little as I would ever wish, ultimately, to have finished! For the illusion lies only in the striving for a state of completion, and life would be miserable with the day, on the day, on which we would have to say to ourselves: we have finished! What then?

The idea of being finished is often wrongly transferred to its relationship to art, as to life in a certain sense, from other situations which, however, can be regarded as truly analogous: I am referring to studies at schools, institutes of further education, academies, and the like, {882} with which one must really be finished after a certain period of time, in accordance with state regulations. This nature of examinations is what is, illogically, transferred to the study of art, whereby much-loved money functions as the unfortunate medium comparationis, a certain amount of which must be coughed up once when it is a question of legal or philosophical graduate studies, in order that it is not exceeded further. But the reasons why the analogy is invalid are manifold. Firstly, it is not at all the intention of the state to extract from its students a well-rounded, complete knowledge, i.e. not a maximum in this respect but, on the contrary, only a minimum, something which it must insist on from its being a state. Even the state knows quite well that it ought to demand more from its legal and medical students (and others) than it does; though it recognizes that no one would ever be "finished" with the relevant bodies of knowledge even up to the end of their lives. But since it – the state – has already made use of the services of lawyers and doctors at an earlier point in time, it is obliged to make a compromise with the infinitude of knowledge by setting a certain quantity of acquirements which, in their modest range, are nonetheless achievable. And thus it is demonstrated at the outset that what is reckoned as university examinations cannot be applied in parallel to the study of art, in which the state has no interest whatsoever, that is it does not have to determine either a maximum or a minimum. But even after one has rid oneself of the deception of the analogy, and thus the analogy itself, there nonetheless remain parallels that are not only valid but can also become effective for the benefit of the basic principles mentioned earlier. So if, for example, a lawyer has become "finished" with his discipline, as the state understands it, to the extent that he can be given a diploma, then – as one well knows – his condition of being a "practicing" lawyer has only just begun; and it will continue to the end of his life, in no way finds any curtailment. The lawyer must keep pace with the changes in legislation and legal practice, thus building further on his knowledge and experience from one day to the next. And that is indeed also what I demand of my students {883} in art: to build further and further, without thinking [of getting to the end] of a chapter, with which the subjective illusion of "being finished" is connected. Admittedly it is far more difficult to convert everyone to this way of thinking than a single female pupil. The salvation of mankind, however, would only come about from this very recognition, and not from the bewilderment that arises from a confusion of examinations with "being finished."

*

A saying coined about the same pupil: she loves herself as she ought only to love her neighbor; only she unfortunately does not love her neighbor as she loves herself!

*

The Neue freie Presse is getting excited by a white mark that the censors have issued! ; it is huffing and puffing with anger as it feels, so it say, prevented from "cooperating" as a result 1 – as if the world were directed towards cooperation, as if the press were an administrative body.

*

It is said that Count Stürgkh does not want to copy German restriction orders in Austria. Apparently a misunderstanding, as befalls uneducated people every hour; Count Stürgkh appears not to understand that the same situation or at least an analogous situation requires the same or at least an analogous solution; that therefore once cannot at all refer to copying if the appropriate solution to the situation is proposed in the event of repetition.

*

Karpath is publicly accused of plagiarizing Hirschfeld – but what is regarded as dishonor on the battlefield will, conversely, only be construed as honor in the field of journalism. The consequence of this can only be that Mr. K., encouraged by the success of his plagiarism, will not at all shirk from presenting his readership with even stronger impertinences.

*

In the evening, at Hebbel's Gyges and his Ring (after a previous hasty re-reading). 2 {884}

© Translation William Drabkin.

18.

Karte von Breisach aus Marburg; der Schüler meldet „angenehmen“ Dienst! —

— Mein Park setzt den ersten grünen Flaum an! Das erste Grün, die ewig wiederkehrende u. immer wieder erschütternde Botschaft einer ewigen Natur, die – weil schöpferisch – niemals untergehen kann, dagegen uns Geschaffene aber niederwirft, die aus ihrem Schoße wohl einmal entstehen, aber leider auch endgiltig vergehen. Was nützt es uns Menschen, daß wir Ziffern der Natur zu sein sind, wenn die Ziffern von der Tafel gelöscht werden u. nur sie selbst, die Natur, immer wieder neue Ziffern anstelle der alten setzt? Und doch, besser ist es mindestens zu wissen u. zu fühlen, daß man eine Ziffer der Natur ist, als blos dahin- {881} zudämmern ohne Ahnung des Mutterschoßes, der zugleich unser Grab ist!

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Frau D. wieder zu Tisch. Wie sie sagt hat sie gerade am heutigen Tage zum erstenmal begriffen, was ich wohl schon seit vielen Jahren ihr in unzähligen Varianten zu erklären, leider vergeblich zu erklären versucht habe. Diesmal, meinte sie, wäre die Formel so überzeugend gewesen, daß sie beschloss, niemehr [sic] die Frage zu stellen. Es hat sich nämlich darum gehandelt, wie ein Schüler zu beruhigen sei, der mit all seinen Studien in der Kunst dennoch nicht zu so fixen Ergebnissen gelangt, daß er getrost sagen dürfte, er sei fertig. Nun prägte ich die Lösung endlich so: Nicht Mangel an Unterweisung meinerseits, nicht Mangel an Begabung auch beim Schüler – nur einfach das Ueberragende des Genies ist daran Schuld [sic], wenn Schüler, die keine Genies sind, niemals mit ihm u. seiner Kunst „fertig“ werden können u. vielmehr dazu verurteilt sind, stets irrend nur zu ihm zu streben. Schließlich, meinte sie, sind ja auch die großen Denker nicht schon darum als unbegabt zu verurteilen, wenn sie es in der Wissenschaft nicht bereits so weit gebracht haben, um mit Gott wirklich fertig geworden zu sein. Es wäre falsch, einen Helmholtz, M eiayer u. wie sie alle heißen als tatenlos hinzustellen, blos weil sie nicht noch besser in die Karten des Schöpfers hineingesehen haben. Und so schloss ich, daß ähnlich auch der Schüler vor einem Beethoven, Bach, Chopin, u. s. w. mit Freuden zu kapitulieren habe, wie der Mann der Wissenschaft vor Gott selbst! Ferner ergänzte ich die Erläuterungen mit folgenden Argumenten: Dem Schüler dürfe es sich ja gar nicht darum handeln, endlich „fertig“ zu sein; er dürfe das ebenso wenig wünschen, als ich selbst es wünschen würde, jemals fertig zu werden! Denn gerade nur im Streben zum fertigen Zustand allein liegt die Illusion, u. trostlos wäre das Leben mit dem Tage, an dem Tage, an dem wir uns sagen müßten: wir sind fertig geworden! Was dann?

Der Begriff des Fertig-werdens wird auf die Beziehung zur Kunst wie auf das Leben im gewissen Sinne falsch transponiert von anderen Zuständen, die aber keine treffende Analogie vorstellen: ich meine Studien an Schulen, Hochschulen, Akademien u. dgl., {882} mit denen man über Anordnung des Staates nach gewissen Zeiträumen wirklich fertig sein muß. Dieses Wesen der Prüfungen ist es, das unlogischerweise auf die Kunststudien übertragen wird, wobei als leidiges medium comparationis das liebe Geld fungiert, das wenn es um gymnasial-juristische oder philosophische Studien sich handelt in diesem oder jenem Betrage einmal ausgeworfen wird, um nicht weiter überschritten zu werden. Der [recte Die] Gründe aber, weshalb die Analogie unzutreffend ist, sind mehrere: Erstens bezweckt der Staat ja gar nicht, den Studierenden eine abgerundete fertige Wissenschaft abzuringen, also nicht das Maximum derselben, sondern im Gegenteil nur ein Minimum, worauf er aus Staatsgründen bestehen muß. Auch der Staat weiß sehr genau, daß er von seinen Juristen, Medizinern u. s. f. , mehr verlangen sollte, als er verlangt; aber in Erkenntnis, daß kein Mensch mit den betreffenden Wissenschaften je bis ans Lebensende „fertig“ würde, daß er, der Staat aber der Dienste der Juristen u. Mediziner usw. gleichwohl schon zu einem früheren Zeitpunkt bedarf, nötigt ihn zu einem Kompromiss mit der Unendlichkeit der Wissenschaft, indem er eine gewisse Summe von Kenntnissen festsetzt, die in ihrem bescheidenen Umfange immerhin leidlich aufzunehmen möglich sind. Und damit ist zunächst erwiesen, daß was als Examen an der Universität gilt durchaus nicht auch schon als Parallele anwendbar ist auf das Studium in der Kunst, bei der der Staat durchaus nicht interessiert ist, d. h. weder ein Maximum noch Minimum festzulegen das Bedürfnis hat. Hat man aber das Täuschende der Analogie u. damit die Analogie von sich geworfen, so bleibt allerdings übrig, was als Parallele nicht nur gelten, sondern auch zu gunsten [sic] der früher ausgesprochenen Grundsätze wirksam werden mag. Denn ist nur einmal z. B. der Jurist nach Staatsbegriffen mit der Disciplin so weit „fertig“ geworden, daß ihm das Diplom gegeben werden konnte, so beginnt wie man weiß nun erst recht der Zustand des praktischen Juristen, der bis an sein Lebensende fortdauert u. in keiner Weise mehr eine Beschränkung findet; der Jurist muß dann Schritt halten mit den Veränderungen der Gesetzgebung, der Gerichtspraxis, u. daher an seiner Erkenntnis u. Erfahrung von Tag zu Tag weiterbauen. Und das ist es ja auch, was ich von einem Schüler {883} der Kunst fordere: immer weiter u. weiter zu bauen, ohne dabei etwa an einen Einschnitt zu denken, mit dem die subjektive Einbildung eines „ fFertigwerdens“ verknüpft wäre. Freilich, einedie ganze Welt zu solchen Anschauungen zu bekehren[,] fiele schwerer, als blos eine Schülerin dazu zu haben. Das Heil der Menschheit aber würde gerade nur aus dieser Erkenntnis kommen u. nicht aus der Verwirrung, die durch eine Verwechslung von Examen u. „Fertigsein“ entsteht.

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Ein auf dieselbe Schülerin gemünzter Kalauer: Sie liebt sich, wie sie nur die Nächsten lieben sollte, nur liebt sie leider die Nächsten nicht, wie sie sich selbst liebt!

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Die „N. Fr. Pr.“ ereifert sich wegen eines weißen Fleckes, den die Zensur ihr angetan! ; sie tobt u. schnaubt vor Zorn, denn sie fühlt sich, wie sie sagt, dadurch gehindert „mitzuwirken“ 1 – als wäre die Welt auf die Mitwirkung angewiesen, als wäre die Presse eine Verwaltungsbehörde.

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Es heißt, daß Graf Stürkh deutsche Maßregeln in Oesterreich nicht nachahmen will. Offenbar ein Mißverständnis, wie es ungebildeten Menschen stündlich zustoßt; [illeg]Graf Stürkh scheint nicht zu verstehen, daß dieselbe oder mindestens eine analoge Situation dieselbe oder mindestens eine analoge Situation Lösung fordert, daß es daher durchaus nicht nachahmen hieße, wenn die der Situation angemessene Lösung ihr im Wiederholungsfalle gegeben würde.

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Karpath wird eines Plagiats an Hirschfeld öffentlich überwiesen – was aber auf dem Schlachtfeld der Unehre, das will heißen auf dem Gebiete der Journalistik nur umgekehrt als Ehre ausgelegt werden wird. Die Folge davon wird ja nur die sein, daß Herr K., durch den Erfolg seines Plagats [sic] ermuntert, sich durchaus nicht scheuen wird, noch stärkere Zumutungen an sein Publikum zu stellen.

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Abends in Hebbels „Gyges u. sein Ring” (nach vorausgegangener [illeg]flüchtiger Wiederholung der Lektüre). 2 {884}

© Transcription Marko Deisinger.

18.

Postcard from Breisach from Marburg; the pupil reports "agreeable" [military] service! —

— My park is beginning to show the first signs of green! The first green: that ever-recurring and, time and again, shocking harbinger of an eternal nature which, being creative, can never become extinct; which, by contrast, overthrows us created beings, who may have once arisen from her womb but will unfortunately perish in the end. Of what use is it to us humans that we are ciphers of nature, if the ciphers will be erased from the board and only Nature itself will continue to replace the old ciphers with new ones? And yet it is at least better to know and to feel that one is a cipher than merely to exist in a semiconscious state, {881} without an inkling of our mother's womb – which is at the same time our grave!

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Mrs. Deutsch again at lunch. As she tells me, she has today for the first time understood what I have explained to her for many years in countless variations, but what I have tried in vain to make her understand. This time, she says, the formulation was so convincing that she decided never again to pose the question. It concerned how a pupil should be comforted who, despite all his artistic studies, is nevertheless unable to reach such objective results that he can safely say that he is "finished." Now I express the solution finally in this way: it is not deficiencies in tuition on my part, not even deficiencies in talent of the pupil – but simply the overpowering superiority of genius that is to blame if pupils who are not geniuses can never be "finished" with genius and its art and are instead condemned to "strive" towards it in a "errant" way. In the end, she says, even the great thinkers should not be condemned as ungifted if, in the acquisition of knowledge, they have not gotten so far that they are truly "finished" with God. It would be wrong to deem a Helmholtz, a Mayer, or anyone else to be simply idle, merely on the grounds that they were not able to see even better the cards dealt by our Creator. And so I concluded that a pupil should joyfully capitulate before a Beethoven, a Bach, a Chopin, and so on, just as a man of wisdom should before God himself! I amplified these explanations with the following arguments: for a pupil, it should never be the case of finally being "finished"; he should wish that as little as I would ever wish, ultimately, to have finished! For the illusion lies only in the striving for a state of completion, and life would be miserable with the day, on the day, on which we would have to say to ourselves: we have finished! What then?

The idea of being finished is often wrongly transferred to its relationship to art, as to life in a certain sense, from other situations which, however, can be regarded as truly analogous: I am referring to studies at schools, institutes of further education, academies, and the like, {882} with which one must really be finished after a certain period of time, in accordance with state regulations. This nature of examinations is what is, illogically, transferred to the study of art, whereby much-loved money functions as the unfortunate medium comparationis, a certain amount of which must be coughed up once when it is a question of legal or philosophical graduate studies, in order that it is not exceeded further. But the reasons why the analogy is invalid are manifold. Firstly, it is not at all the intention of the state to extract from its students a well-rounded, complete knowledge, i.e. not a maximum in this respect but, on the contrary, only a minimum, something which it must insist on from its being a state. Even the state knows quite well that it ought to demand more from its legal and medical students (and others) than it does; though it recognizes that no one would ever be "finished" with the relevant bodies of knowledge even up to the end of their lives. But since it – the state – has already made use of the services of lawyers and doctors at an earlier point in time, it is obliged to make a compromise with the infinitude of knowledge by setting a certain quantity of acquirements which, in their modest range, are nonetheless achievable. And thus it is demonstrated at the outset that what is reckoned as university examinations cannot be applied in parallel to the study of art, in which the state has no interest whatsoever, that is it does not have to determine either a maximum or a minimum. But even after one has rid oneself of the deception of the analogy, and thus the analogy itself, there nonetheless remain parallels that are not only valid but can also become effective for the benefit of the basic principles mentioned earlier. So if, for example, a lawyer has become "finished" with his discipline, as the state understands it, to the extent that he can be given a diploma, then – as one well knows – his condition of being a "practicing" lawyer has only just begun; and it will continue to the end of his life, in no way finds any curtailment. The lawyer must keep pace with the changes in legislation and legal practice, thus building further on his knowledge and experience from one day to the next. And that is indeed also what I demand of my students {883} in art: to build further and further, without thinking [of getting to the end] of a chapter, with which the subjective illusion of "being finished" is connected. Admittedly it is far more difficult to convert everyone to this way of thinking than a single female pupil. The salvation of mankind, however, would only come about from this very recognition, and not from the bewilderment that arises from a confusion of examinations with "being finished."

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A saying coined about the same pupil: she loves herself as she ought only to love her neighbor; only she unfortunately does not love her neighbor as she loves herself!

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The Neue freie Presse is getting excited by a white mark that the censors have issued! ; it is huffing and puffing with anger as it feels, so it say, prevented from "cooperating" as a result 1 – as if the world were directed towards cooperation, as if the press were an administrative body.

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It is said that Count Stürgkh does not want to copy German restriction orders in Austria. Apparently a misunderstanding, as befalls uneducated people every hour; Count Stürgkh appears not to understand that the same situation or at least an analogous situation requires the same or at least an analogous solution; that therefore once cannot at all refer to copying if the appropriate solution to the situation is proposed in the event of repetition.

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Karpath is publicly accused of plagiarizing Hirschfeld – but what is regarded as dishonor on the battlefield will, conversely, only be construed as honor in the field of journalism. The consequence of this can only be that Mr. K., encouraged by the success of his plagiarism, will not at all shirk from presenting his readership with even stronger impertinences.

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In the evening, at Hebbel's Gyges and his Ring (after a previous hasty re-reading). 2 {884}

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 "Die Handhabung der Zensur. Unterdrückung eines Artikels der ‚Neuen Freien Presse'," Neue Freie Presse, No. 18164, March 18, 1915, evening edition, p. 1.

2 According to the Neue Freie Presse, the performance took place at the Deutsches Volkstheater.