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31.

Bei kühler Temperatur, 9°, schön[es] Wetter. — Erneuerung der Lose. — BriefOC 52/176 von Hertzka mit Zusicherung des erbetenen Geldes. — Erster Teil der Vorbemerkung erledigt. — Floriz reist nach Marburg [,] um sich abzumelden. —

*

Ein Leitartikel des „N. W. Tgbl.“ von Dr. Steinwender wendet sich gegen den Zudrang zu den Mittelschulen! 1 Ein ungeheuerer [sic] Eingriff in die Rechte der Armut, der doch mindestens die Bildung nicht genommen werden darf dürfte. Wenn der Staat, wie der Abgeordnete erklärt, dem Zudrang aus dem Grunde wehren möchte will, weil er sich das Bildungsproletariat vom Halse halten muß, so ist das, möchte ich sagen, wie eher die Faxe eines Weibes, die, in Unkenntnis von Ursache u. Wirkung, sich plötzlich einer Tugend rühmt, die sie nie besessen hat. Denn pPlötzlich scheint der Staat erklären zu wollen, er hätte für all' diejenigen, die Gymnasialbildung genossen, väterlich gesorgt u. sie unter allen Umständen in Stellung gebracht. Dies ist aber unwahr, u. nur eine leere Einbildung; denn wenn sich der Staat auch zuweilen, vielleicht aus politischen Gründen, akademisch gebildeter Menschen bedient hatte, wo eine solche recht überflüssig war, so darf er daraus noch nicht folgern, daß er für alle akademisch Gebildeten im gleichen Maße gesorgt habe. Auch liegt ein großes Stück Heuchelei in dem neu- {1014} en Standpunkt der Regierung. Sie tut auch, als würde sie von nun ab für das Fortkommen aller Bürger sorgen wollen, u. doch ist es klar, daß sie das weder je wollte, noch will, noch überhaupt je kann. Kümmert sich die Regierung um alle Kaufleute? Ueberläßt sie nicht diese vielmehr sich selbst, ohne sich um ihre Konkurse anders als blos auf strafrechtlichem Wege zu bekümmern? Warum heuchelt sie nun die eine Fürsorge just für akademisch g Gebildete wirklich durchführen zu wollen u. überläßt sie nicht lieber, ebenso wie die Kaufleute, sich selbst? Nur zu durchsichtig ist die Brutalität der Regierung, mit der sie einzig u. allein den Zweck verfolgt, den Verwaltungsapparat zu entlasten. Aber die nur eine volle Borniertheit u. Kurzsichtigkeit gehört dazu, um dieses Ziel nicht anders als nur durch Herabsetzung der allgemeinen Bildung erstreben zu wollen. Hat es denn nicht der Regierung allerorten heute genützt, wenn Leute mit Bildung, wie z. B. unter den Juden u. sonstige Ausnahmserscheinungen [sic], die Verwaltung[s]stellen ja überhaupt nicht in Anspruch nehmen, innerhalb des des Staates ihre Beschäftigung nachgiengen? War nicht gerade in dieser, nicht durch die Verwaltung[s]stellen zum Ausdruck gebrachten Bildung der Vorteil Oesterreichs gegenüber Rußland, wo solche Bildung überhaupt nicht vorhanden ist? Und nun will die Regierung, blos um Hunderte von Beamten entfernen zu können, das Bildungsniveau überhaupt herabsetzen, als wäre Bildung ein Merkmal nur des Beamtentums u. nicht vielmehr eine Art Ozon, der an sich mit sozialen Schichtungen, mit Reich u. Arm, Behörde u. Untertan gar nichts zu hören tun hat.

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© Transcription Marko Deisinger.

31.

In a cool temperature of 9°, fair weather. — Purchase of new lottery tickets. — LetterOC 52/176 from Hertzka assuring me of the money I requested. — First part of the Preliminary Remarks completed. — Floriz is travelling to Marburg in order to deregister [from military service]. —

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A lead article in the Neues Wiener Tagblatt by Dr. Steinwender voices opposition to the push towards middle schools! 1 A monstrous attack upon the rights of the poor, who would at the least lose the opportunity to be educated. If the state, as the minister explains, wishes to guard against this move on the grounds that it must keep the educated working class off its back, then I would say that this is rather like the grimace of a woman who, not understanding cause and effect, suddenly boasts of a virtue that she never possessed. Suddenly the state seems to want to explain that it had paternally cared for all those who were educated at grammar schools and given positions under all circumstances. But this is not true, and merely an empty delusion; for even if the state, from time to time and perhaps on political grounds, had been of service to academically educated people, despite their actually being a surplus of them, then it cannot conclude from this that it has looked after all academically educated people to the same extent. There is also a large element of hypocrisy in the latest {1014} standpoint of the government. It is also pretending that it wants from now on to look after the advancement of all its citizens; and yet it is clear that it never wanted, still does not want, and cannot do this at all. Is the government concerned about all business people? Does it not rather leave these people to themselves, without being concerned about the competitions except merely along penal lines? Why does it now pretend to support precisely the academically educated instead of leaving them to themselves, in the same way as the business people? The government's brutality is only too transparent, by which it single-mindedly pursues the intention of unburdening the administrative apparatus. But it is only by complete blinkeredness and shortsightedness can make it possible for it to pursue this goal by nothing less than striving to curtail general education. Has it not today been advantageous to the government everywhere, as for example among Jews and other exceptional groups who do not make any use whatsoever of the administrative posts [but] pursued their occupation within the state? Was it not precisely in this type of education that flourished, without the aid of the administrative positions, that gave Austria the advantage over Russia, where such education is non-existent? And now the government, merely to be able to get rid of hundreds of officials, wants to lower the level of education, as if education were a sign only of officialdom and not rather a kind of ozone, which in itself has nothing whatever to do with social levels, with rich and poor, with authority and subject.

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© Translation William Drabkin.

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Bei kühler Temperatur, 9°, schön[es] Wetter. — Erneuerung der Lose. — BriefOC 52/176 von Hertzka mit Zusicherung des erbetenen Geldes. — Erster Teil der Vorbemerkung erledigt. — Floriz reist nach Marburg [,] um sich abzumelden. —

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Ein Leitartikel des „N. W. Tgbl.“ von Dr. Steinwender wendet sich gegen den Zudrang zu den Mittelschulen! 1 Ein ungeheuerer [sic] Eingriff in die Rechte der Armut, der doch mindestens die Bildung nicht genommen werden darf dürfte. Wenn der Staat, wie der Abgeordnete erklärt, dem Zudrang aus dem Grunde wehren möchte will, weil er sich das Bildungsproletariat vom Halse halten muß, so ist das, möchte ich sagen, wie eher die Faxe eines Weibes, die, in Unkenntnis von Ursache u. Wirkung, sich plötzlich einer Tugend rühmt, die sie nie besessen hat. Denn pPlötzlich scheint der Staat erklären zu wollen, er hätte für all' diejenigen, die Gymnasialbildung genossen, väterlich gesorgt u. sie unter allen Umständen in Stellung gebracht. Dies ist aber unwahr, u. nur eine leere Einbildung; denn wenn sich der Staat auch zuweilen, vielleicht aus politischen Gründen, akademisch gebildeter Menschen bedient hatte, wo eine solche recht überflüssig war, so darf er daraus noch nicht folgern, daß er für alle akademisch Gebildeten im gleichen Maße gesorgt habe. Auch liegt ein großes Stück Heuchelei in dem neu- {1014} en Standpunkt der Regierung. Sie tut auch, als würde sie von nun ab für das Fortkommen aller Bürger sorgen wollen, u. doch ist es klar, daß sie das weder je wollte, noch will, noch überhaupt je kann. Kümmert sich die Regierung um alle Kaufleute? Ueberläßt sie nicht diese vielmehr sich selbst, ohne sich um ihre Konkurse anders als blos auf strafrechtlichem Wege zu bekümmern? Warum heuchelt sie nun die eine Fürsorge just für akademisch g Gebildete wirklich durchführen zu wollen u. überläßt sie nicht lieber, ebenso wie die Kaufleute, sich selbst? Nur zu durchsichtig ist die Brutalität der Regierung, mit der sie einzig u. allein den Zweck verfolgt, den Verwaltungsapparat zu entlasten. Aber die nur eine volle Borniertheit u. Kurzsichtigkeit gehört dazu, um dieses Ziel nicht anders als nur durch Herabsetzung der allgemeinen Bildung erstreben zu wollen. Hat es denn nicht der Regierung allerorten heute genützt, wenn Leute mit Bildung, wie z. B. unter den Juden u. sonstige Ausnahmserscheinungen [sic], die Verwaltung[s]stellen ja überhaupt nicht in Anspruch nehmen, innerhalb des des Staates ihre Beschäftigung nachgiengen? War nicht gerade in dieser, nicht durch die Verwaltung[s]stellen zum Ausdruck gebrachten Bildung der Vorteil Oesterreichs gegenüber Rußland, wo solche Bildung überhaupt nicht vorhanden ist? Und nun will die Regierung, blos um Hunderte von Beamten entfernen zu können, das Bildungsniveau überhaupt herabsetzen, als wäre Bildung ein Merkmal nur des Beamtentums u. nicht vielmehr eine Art Ozon, der an sich mit sozialen Schichtungen, mit Reich u. Arm, Behörde u. Untertan gar nichts zu hören tun hat.

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© Transcription Marko Deisinger.

31.

In a cool temperature of 9°, fair weather. — Purchase of new lottery tickets. — LetterOC 52/176 from Hertzka assuring me of the money I requested. — First part of the Preliminary Remarks completed. — Floriz is travelling to Marburg in order to deregister [from military service]. —

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A lead article in the Neues Wiener Tagblatt by Dr. Steinwender voices opposition to the push towards middle schools! 1 A monstrous attack upon the rights of the poor, who would at the least lose the opportunity to be educated. If the state, as the minister explains, wishes to guard against this move on the grounds that it must keep the educated working class off its back, then I would say that this is rather like the grimace of a woman who, not understanding cause and effect, suddenly boasts of a virtue that she never possessed. Suddenly the state seems to want to explain that it had paternally cared for all those who were educated at grammar schools and given positions under all circumstances. But this is not true, and merely an empty delusion; for even if the state, from time to time and perhaps on political grounds, had been of service to academically educated people, despite their actually being a surplus of them, then it cannot conclude from this that it has looked after all academically educated people to the same extent. There is also a large element of hypocrisy in the latest {1014} standpoint of the government. It is also pretending that it wants from now on to look after the advancement of all its citizens; and yet it is clear that it never wanted, still does not want, and cannot do this at all. Is the government concerned about all business people? Does it not rather leave these people to themselves, without being concerned about the competitions except merely along penal lines? Why does it now pretend to support precisely the academically educated instead of leaving them to themselves, in the same way as the business people? The government's brutality is only too transparent, by which it single-mindedly pursues the intention of unburdening the administrative apparatus. But it is only by complete blinkeredness and shortsightedness can make it possible for it to pursue this goal by nothing less than striving to curtail general education. Has it not today been advantageous to the government everywhere, as for example among Jews and other exceptional groups who do not make any use whatsoever of the administrative posts [but] pursued their occupation within the state? Was it not precisely in this type of education that flourished, without the aid of the administrative positions, that gave Austria the advantage over Russia, where such education is non-existent? And now the government, merely to be able to get rid of hundreds of officials, wants to lower the level of education, as if education were a sign only of officialdom and not rather a kind of ozone, which in itself has nothing whatever to do with social levels, with rich and poor, with authority and subject.

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Otto Steinwender, "Der Zudrang zu den Mittelschulen," Neues Wiener Tagblatt, No. 241, August 31, 1915, 49th year, p. 2.