17. II. 16 +4°.
— Das empfohlene Zimmer gesehen u. gemietet. — Abends bei Fl., wo wir Familie Landesmann treffen. — — Das „N. W. Tgbl.“ bringt an leitender Stelle einen Aufsatz „Englands Prestige“. 1 Der Verfasser spricht auch von Englands „Sittlichkeit“, die das Prestige Jahrhunderte lang begründete. Die Deutschen begreifen eben noch immer nicht das Wesen des Engländers. Ganz nach der üblen Art unserer Reichen hat sich der reiche Engländer mit kleinen Spenden an die Armen u. Aermsten Respekt bei der ganzen Welt zu verschaffen gewußt, so daß diese gar nicht bemerkte, wie der Engländer nur kleine Almosen von dem großen Raube abgibt, den er an ihr all die Zeit her begangen hat. Und noch immer will man nicht begreifen, daß eine die wahre Sittlichkeit des Engländers erst dann ihre volle Bestätigung finden würde, wenn die Zumutung an den Engländer ihn eine größere wäre u. somit auch das Opfer, das er zu tragen hätte. Aber gerade bei Anlässen, wie der gegenwärtige Krieg, zeigt sich am besten, wie wenig berechtigt es ist, von einer Sittlichkeit des Engländers nur auf Grund seiner bisher bekannt gewordenen Leistungen zu sprechen. *In der Gerichtssaal-Rubrik wird von einem Manne erzählt, der mit einer Frau Ehebruch trieb, sie vor Gericht bloßstellte u. sich selbst dann nicht dazu herbeilassen wollte sie um Verzeihung zu bitten, nachdem sie sich bereits entschlossen hatte, der beleidigten Gegnerin Abbitte zu leisten. Die Gesinnung dieses Mannes trieb schließlich auch dem Richter die Schamröte ins Gesicht, der dies Verhalten als eines Mannes unwürdig bezeichnete. 2 *
© Transcription Marko Deisinger. |
February 17, 1916, +4°.
— The recommended room seen and rented. — In the evening, at Floriz's, where we meet the Landesmann family. — — The Neues Wiener Tagblatt publishes a lead article entitled "England's Prestige." 1 The author also speaks about England's "ethics," which have sustained her prestige for centuries. The Germans still do not understand the essence of the English. Just like the wickedness of our wealthy people, the wealthy Englishman is able to create respect for himself in the wider world with small contributions to the poor, the poorest people, so that the world does not at all notice how he offers only small handouts from the great thieving he has undertaken in the world all this time. And still one does not understand that the true morality of the Englishman would only find its complete confirmation if the imposition upon him were greater, and likewise the sacrifice that he would have to make. But precisely on such occasions as the present war, one can best see how little one is justified in speaking of a morality of the Englishman only on the basis of his achievements that have hitherto become well-known. *In the courtroom columns, a story is told about a man who committed adultery with a woman, exposed her before the courts, and did not want to condescend to ask her pardon after she had already decided to apologize to her injured rival. The man's attitude ultimately brought red-faced shame even to the judge, who described this behavior as unworthy of a man. 2 *
© Translation William Drabkin. |
17. II. 16 +4°.
— Das empfohlene Zimmer gesehen u. gemietet. — Abends bei Fl., wo wir Familie Landesmann treffen. — — Das „N. W. Tgbl.“ bringt an leitender Stelle einen Aufsatz „Englands Prestige“. 1 Der Verfasser spricht auch von Englands „Sittlichkeit“, die das Prestige Jahrhunderte lang begründete. Die Deutschen begreifen eben noch immer nicht das Wesen des Engländers. Ganz nach der üblen Art unserer Reichen hat sich der reiche Engländer mit kleinen Spenden an die Armen u. Aermsten Respekt bei der ganzen Welt zu verschaffen gewußt, so daß diese gar nicht bemerkte, wie der Engländer nur kleine Almosen von dem großen Raube abgibt, den er an ihr all die Zeit her begangen hat. Und noch immer will man nicht begreifen, daß eine die wahre Sittlichkeit des Engländers erst dann ihre volle Bestätigung finden würde, wenn die Zumutung an den Engländer ihn eine größere wäre u. somit auch das Opfer, das er zu tragen hätte. Aber gerade bei Anlässen, wie der gegenwärtige Krieg, zeigt sich am besten, wie wenig berechtigt es ist, von einer Sittlichkeit des Engländers nur auf Grund seiner bisher bekannt gewordenen Leistungen zu sprechen. *In der Gerichtssaal-Rubrik wird von einem Manne erzählt, der mit einer Frau Ehebruch trieb, sie vor Gericht bloßstellte u. sich selbst dann nicht dazu herbeilassen wollte sie um Verzeihung zu bitten, nachdem sie sich bereits entschlossen hatte, der beleidigten Gegnerin Abbitte zu leisten. Die Gesinnung dieses Mannes trieb schließlich auch dem Richter die Schamröte ins Gesicht, der dies Verhalten als eines Mannes unwürdig bezeichnete. 2 *
© Transcription Marko Deisinger. |
February 17, 1916, +4°.
— The recommended room seen and rented. — In the evening, at Floriz's, where we meet the Landesmann family. — — The Neues Wiener Tagblatt publishes a lead article entitled "England's Prestige." 1 The author also speaks about England's "ethics," which have sustained her prestige for centuries. The Germans still do not understand the essence of the English. Just like the wickedness of our wealthy people, the wealthy Englishman is able to create respect for himself in the wider world with small contributions to the poor, the poorest people, so that the world does not at all notice how he offers only small handouts from the great thieving he has undertaken in the world all this time. And still one does not understand that the true morality of the Englishman would only find its complete confirmation if the imposition upon him were greater, and likewise the sacrifice that he would have to make. But precisely on such occasions as the present war, one can best see how little one is justified in speaking of a morality of the Englishman only on the basis of his achievements that have hitherto become well-known. *In the courtroom columns, a story is told about a man who committed adultery with a woman, exposed her before the courts, and did not want to condescend to ask her pardon after she had already decided to apologize to her injured rival. The man's attitude ultimately brought red-faced shame even to the judge, who described this behavior as unworthy of a man. 2 *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Englands Prestige," Neues Wiener Tagblatt, No. 48, February 17, 1916, 50th year, p. 2. 2 "Die Mitschuldige des Ehebrechers," Neues Wiener Tagblatt, No. 48, February 17, 1916, 50th year, p. 17. |