Downloads temporarily removed for testing purposes

8. XI. 16 Sehr schöner Tag!

— Von Breisach Feldpostkarte. — An Sophie Brief mit einigen Winken in bezug auf erwünschte Lebensmittel; Körbchen retour gesendet u. auch 20 Kronen geschickt zur Begleichung der aufgelaufenen Schuld sowie zu weiteren Einkäufen. —

— Gesetz der kleinsten Leistungder größten Einbildung. —

— Die Reichen: Nachdem der Reiche mit stillschweigender Zustimmung des Staates, also auf legalem Wege, bereits überflüssige Vorräte in Sicherheit gebracht hat, werden nunmehr die kleinen Reste – um auch der staatlichen Moral genüge zu leisten – unter den Schutz der staatlichen ausgleichenden Gerechtigkeit gestellt! Nach der Uebervorteilung seitens der Reichen, die der Staat geduldet hat, will er in bezug auf den letzten Rest der Lebensmittel, so tut er wenigstens zur Stunde , keine weitere Uebervorteilung mehr dulden. !

— Neben dem Palast die arme ärmliche Hütte – sinnbildlicher Ausdruck des Ursprungs alles Reichtums. —

— Nicht nur Kaiser, sondern auch alle übrigen höheren Stände, zumal die mit Geld ge- {499} segneten Menschen, spielen sich gern auf Kultur Menschen von Gottes Gnaden aus. —

Amerika : Auf allen Posten ein wirres Durcheinander von Unfähigkeit unfähigen, von unreifen Vertretern des Kaufmannsstandes bezw. der sogenannten freien Berufe. Die Gier des Bürgers hat eben keine Grenze, er hält sich, bloß weil er Bürger ist, einfach zu allen Berufen für fähig; übt dann auch alle Berufe aus, ohne die Zerstörung zu bemerken, die ja nicht ausbleiben kann. —

Geld- Fideikommisse – –

— Weil Geistiges notwendig ist, proklamirt der Staat selbst ohneweiters den Uebergang des Eigentums an geistigen Werken an das ganze Volk nach einer gewissen sehr kurz bemessenen Frist von Jahren. Obgleich nun Lebensmittel doch sicher noch notwendiger sind, entschließt sich der Staat dennoch nicht zur Konsequenz, ebenso auch das Eigentum an Lebensmitteln an das ganze Volk hinüberzuleiten. Warum aber nicht? Offenbar nur deshalb, weil der Staat vom Instinkt getragen wird, den unproduktiven Menschen das Eigentum an Lebensmitteln umso eher zur Verfügung zu stellen zu sollen, als bei minder notwendigen Waren wie z. B. der geistigen ihre Unfähigkeit gar nicht auf Rechnung des Lebens käme. Gerade das Notwendigste ist muß dann gut genug sein, ihnen vor allem das nackte Leben zu ermöglichen, wenn sie nicht anders, blos minder notwendige Waren vertreibend, dem Hunger preisgegeben werden sollten. Hat man aber den Kaufleuten es je schon ins Gesicht gesagt, daß, was so ihren Stolz ausmacht, im Grunde nur ein testimonium paupertatis ist, insofern nämlich ihre Fähigkeiten genau im umgekehrten Verhältnis zur Notwendigkeit der von ihnen vertriebenen Waren stehen? – –

— Haus an Haus, Grundstück an Grundstück gereiht, – dennoch bleiben die Besitzer bei der Lüge, sie hätten nichts, rein gar nichts. Was doch nur erst diejenigen zu sagen müßten hätten, die wirklich weder Haus noch Grundstück besitzen?! —

— Nichts iemals sprechen die Reichen von der Gnade der Armen, die ihnen den Reichtum schenken (obgleich diese Gnade immer wechselnde Formen annimmt, : gestern als Leibeigenschaft erschien, heute als Arbeitsverhältnis erscheint u. morgen vielleicht in gar anderer Form erscheinen wird), nur {500} immer von ihrer Gnade an die Armen sprechen sie, wenn sie obendrein unter Zwang vom gestohlenen Gut auch nur ein kleinstes Teilchen abschnüren. —

— Der Kaufmann streckt heute die Waren, aber nicht das Geld! Dies erklärt sich einfach so: Der Reiche; sSoweit der Reiche in Frage kommt, braucht das Geld also, da er kann auch die erhöhten Preise bezahlen kann, nicht gestreckt zu werden, umsoweniger, als er die Valutaregulierung wieder nur selbst in seiner Hand hat u. als Arbeitgeber, Agrarier oder Industrieller früher oder später in die Lage kommt, seine durch Erhöhung entstandenen Verluste doppelt u. dreifach hereinzubringen. —

*

© Transcription Marko Deisinger.

November 8, 1916. Very beautiful day!

— Field postcard from Breisach. — Letter to Sophie with a few hints with respect to food desired; little basket returned, and 20 Kronen also sent to cover the current debt and for future purposes. —

— Law of the smallest achievement – of the greatest presumption. —

— The rich: after the rich man, with the tacit agreement of the state, i.e. along legal lines, has already secured excessive provisions, the little that remains – in order to satisfy the national morality sufficiently – is now placed under the protection of the counterbalancing justice of the state! After the defrauding undertaken by the rich, which the state had tolerated, the state now wishes no further defrauding with regard to the last remaining supply of food! At least that is what is doing now. —

— Beside the palace, the poor cottage – symbolic expression of the origins of all wealth. —

— Not only emperors but also all other persons of higher standing, especially those blessed with money, {499} play themselves off on [ordinary] people, by the grace of God. —

America : in all positions, a tangled mess of incompetent, immature representatives of the business class, i.e. of the so-called free professions. The citizen's greed knows bounds; he considers himself, merely because he is a citizen, simply to be competent in any profession; for he also practices all professions, without noticing the destruction that can indeed not be avoided. —

Money-entailed estates – –

— As the product of the intellect is important, the state automatically proclaims the transfer of ownership of intellectual works to the entire people after the passage of a very short period of time. Although food is now of course even more important, the state nevertheless does not exercise logic by likewise transferring the ownership of food to all the people. But why not? Only, it would seem, because the state is governed by the instinct that it should rather put the ownership of food at the disposal of the unproductive people, since with less important wares (such as intellectual goods) their inability would not at all be reckoned as a vital matter. Precisely the most important thing must then be good enough for them, above all, to be able to eke out an existence if, in dealing in less important wares, they are not otherwise to expose themselves to hunger. But has one ever said to business people, in their face, that what constitutes their pride is basically only a testimony of their poverty, inasmuch as their capabilities lay precisely in inverse relationship to the necessity of the wares in which they deal? – –

— One house next to another, one property next to another: and yet the owners perpetuate the lie that they have nothing, absolutely nothing. But then what would those who really have neither house nor property have to say?! —

— The rich never speak of the blessing of the poor, who give them their wealth (although this blessing always assumes a changing form – servitude in the past, employment contract at present, and perhaps some entirely different form in the future); {500} but they always speak merely of their clemency towards the poor even when, moreover, they [the poor] are compelled to take even the smallest quantity of stolen property. —

— The businessman dilutes his wares, but not his money! This may simply be explained in the following way: when it is a case of the rich man, his money does not need to be diluted because he can pay even the raised prices; least of all because he is in control of the currency and, as employer, agrarian or industrialist, will sooner or later be in a position to recoup his losses resulting from twofold or threefold price rises. —

*

© Translation William Drabkin.

8. XI. 16 Sehr schöner Tag!

— Von Breisach Feldpostkarte. — An Sophie Brief mit einigen Winken in bezug auf erwünschte Lebensmittel; Körbchen retour gesendet u. auch 20 Kronen geschickt zur Begleichung der aufgelaufenen Schuld sowie zu weiteren Einkäufen. —

— Gesetz der kleinsten Leistungder größten Einbildung. —

— Die Reichen: Nachdem der Reiche mit stillschweigender Zustimmung des Staates, also auf legalem Wege, bereits überflüssige Vorräte in Sicherheit gebracht hat, werden nunmehr die kleinen Reste – um auch der staatlichen Moral genüge zu leisten – unter den Schutz der staatlichen ausgleichenden Gerechtigkeit gestellt! Nach der Uebervorteilung seitens der Reichen, die der Staat geduldet hat, will er in bezug auf den letzten Rest der Lebensmittel, so tut er wenigstens zur Stunde , keine weitere Uebervorteilung mehr dulden. !

— Neben dem Palast die arme ärmliche Hütte – sinnbildlicher Ausdruck des Ursprungs alles Reichtums. —

— Nicht nur Kaiser, sondern auch alle übrigen höheren Stände, zumal die mit Geld ge- {499} segneten Menschen, spielen sich gern auf Kultur Menschen von Gottes Gnaden aus. —

Amerika : Auf allen Posten ein wirres Durcheinander von Unfähigkeit unfähigen, von unreifen Vertretern des Kaufmannsstandes bezw. der sogenannten freien Berufe. Die Gier des Bürgers hat eben keine Grenze, er hält sich, bloß weil er Bürger ist, einfach zu allen Berufen für fähig; übt dann auch alle Berufe aus, ohne die Zerstörung zu bemerken, die ja nicht ausbleiben kann. —

Geld- Fideikommisse – –

— Weil Geistiges notwendig ist, proklamirt der Staat selbst ohneweiters den Uebergang des Eigentums an geistigen Werken an das ganze Volk nach einer gewissen sehr kurz bemessenen Frist von Jahren. Obgleich nun Lebensmittel doch sicher noch notwendiger sind, entschließt sich der Staat dennoch nicht zur Konsequenz, ebenso auch das Eigentum an Lebensmitteln an das ganze Volk hinüberzuleiten. Warum aber nicht? Offenbar nur deshalb, weil der Staat vom Instinkt getragen wird, den unproduktiven Menschen das Eigentum an Lebensmitteln umso eher zur Verfügung zu stellen zu sollen, als bei minder notwendigen Waren wie z. B. der geistigen ihre Unfähigkeit gar nicht auf Rechnung des Lebens käme. Gerade das Notwendigste ist muß dann gut genug sein, ihnen vor allem das nackte Leben zu ermöglichen, wenn sie nicht anders, blos minder notwendige Waren vertreibend, dem Hunger preisgegeben werden sollten. Hat man aber den Kaufleuten es je schon ins Gesicht gesagt, daß, was so ihren Stolz ausmacht, im Grunde nur ein testimonium paupertatis ist, insofern nämlich ihre Fähigkeiten genau im umgekehrten Verhältnis zur Notwendigkeit der von ihnen vertriebenen Waren stehen? – –

— Haus an Haus, Grundstück an Grundstück gereiht, – dennoch bleiben die Besitzer bei der Lüge, sie hätten nichts, rein gar nichts. Was doch nur erst diejenigen zu sagen müßten hätten, die wirklich weder Haus noch Grundstück besitzen?! —

— Nichts iemals sprechen die Reichen von der Gnade der Armen, die ihnen den Reichtum schenken (obgleich diese Gnade immer wechselnde Formen annimmt, : gestern als Leibeigenschaft erschien, heute als Arbeitsverhältnis erscheint u. morgen vielleicht in gar anderer Form erscheinen wird), nur {500} immer von ihrer Gnade an die Armen sprechen sie, wenn sie obendrein unter Zwang vom gestohlenen Gut auch nur ein kleinstes Teilchen abschnüren. —

— Der Kaufmann streckt heute die Waren, aber nicht das Geld! Dies erklärt sich einfach so: Der Reiche; sSoweit der Reiche in Frage kommt, braucht das Geld also, da er kann auch die erhöhten Preise bezahlen kann, nicht gestreckt zu werden, umsoweniger, als er die Valutaregulierung wieder nur selbst in seiner Hand hat u. als Arbeitgeber, Agrarier oder Industrieller früher oder später in die Lage kommt, seine durch Erhöhung entstandenen Verluste doppelt u. dreifach hereinzubringen. —

*

© Transcription Marko Deisinger.

November 8, 1916. Very beautiful day!

— Field postcard from Breisach. — Letter to Sophie with a few hints with respect to food desired; little basket returned, and 20 Kronen also sent to cover the current debt and for future purposes. —

— Law of the smallest achievement – of the greatest presumption. —

— The rich: after the rich man, with the tacit agreement of the state, i.e. along legal lines, has already secured excessive provisions, the little that remains – in order to satisfy the national morality sufficiently – is now placed under the protection of the counterbalancing justice of the state! After the defrauding undertaken by the rich, which the state had tolerated, the state now wishes no further defrauding with regard to the last remaining supply of food! At least that is what is doing now. —

— Beside the palace, the poor cottage – symbolic expression of the origins of all wealth. —

— Not only emperors but also all other persons of higher standing, especially those blessed with money, {499} play themselves off on [ordinary] people, by the grace of God. —

America : in all positions, a tangled mess of incompetent, immature representatives of the business class, i.e. of the so-called free professions. The citizen's greed knows bounds; he considers himself, merely because he is a citizen, simply to be competent in any profession; for he also practices all professions, without noticing the destruction that can indeed not be avoided. —

Money-entailed estates – –

— As the product of the intellect is important, the state automatically proclaims the transfer of ownership of intellectual works to the entire people after the passage of a very short period of time. Although food is now of course even more important, the state nevertheless does not exercise logic by likewise transferring the ownership of food to all the people. But why not? Only, it would seem, because the state is governed by the instinct that it should rather put the ownership of food at the disposal of the unproductive people, since with less important wares (such as intellectual goods) their inability would not at all be reckoned as a vital matter. Precisely the most important thing must then be good enough for them, above all, to be able to eke out an existence if, in dealing in less important wares, they are not otherwise to expose themselves to hunger. But has one ever said to business people, in their face, that what constitutes their pride is basically only a testimony of their poverty, inasmuch as their capabilities lay precisely in inverse relationship to the necessity of the wares in which they deal? – –

— One house next to another, one property next to another: and yet the owners perpetuate the lie that they have nothing, absolutely nothing. But then what would those who really have neither house nor property have to say?! —

— The rich never speak of the blessing of the poor, who give them their wealth (although this blessing always assumes a changing form – servitude in the past, employment contract at present, and perhaps some entirely different form in the future); {500} but they always speak merely of their clemency towards the poor even when, moreover, they [the poor] are compelled to take even the smallest quantity of stolen property. —

— The businessman dilutes his wares, but not his money! This may simply be explained in the following way: when it is a case of the rich man, his money does not need to be diluted because he can pay even the raised prices; least of all because he is in control of the currency and, as employer, agrarian or industrialist, will sooner or later be in a position to recoup his losses resulting from twofold or threefold price rises. —

*

© Translation William Drabkin.