8. XII. 16
Eine Birne – 1.16 Kronen! — Presse: König Ludwig von Bayern macht scheinbar ein Kompliment an die Presse. Ich aber sage: Nur wenn die Presse käuflich ist – eben der bezahlte Dienstmann – kann sie irgendwelche Dienste leisten. — „ Arbeiter Ztg.;“ setzt ihre subversive Tendenz fort u. fragt, ob Deutschland den Verteidigungskrieg nicht schon überschritten u. einen Eroberungskrieg begonnen habe. 1 So arbeitet eine moral- u. vaterlandverräterische Presse nebst andern feilen geckenhaften Spießgesellen wie Harden , Karl Kraus unseren Feinden in die Hände u. zeitigen Spaltungen, wie solche selbst die Engländer nicht erwartet haben. Die Engländer hofften zwar, daß sich Süd- von Norddeutschland trenne, Oesterreich von Deutschland u. oder Bulgarien von Oesterreich usw., aber niemals wagten sie zu hoffen, daß einzelne Judasse ihnen auf völlig andern Wegen Millionen Seelen in die Hände spielen werden durch Untergrabung der Zuversicht, des Patriotismus, des Gefühls für Ehre u. Moral. Es ver- {530} steht sich, daß es z. B. bei der „Arbeiter Ztg.;“ nur darauf hinausläuft, daß sie eines Tages, wenn die ersten Friedensglocken läuten, schreiben werden: Wir waren diejenigen, die schon im Jahre 1914 . . usw. . . den Frieden durch unsere Haltung vorbereitet u. gefördert haben – u. nun bitte: abonnieren sSie . . — Der Reiche: Gilt es, sich selbst Geld zu ersparen u., wenn es um wohltätige Zwecke geht, es lieber bei Bazaren u. sonstigen Festlichkeiten den Armen abzunehmen, so spielen sie hiefür die Ausrede aus, der Umsatz schaffe leicht die hohe Summe u. beschwere selbst den Aermsten nicht besonders noch; aber wenn umgekehrt auf eben diesen Umsatz hingewiesen würde wird, um die Reichen zu einem Preisnachlaß zu bewegen, so leugnen sie den Umsatz überhaupt u. dessen Ertragfähigkeit! — — Klassiker ein = Romantiker in subjektiver Hinsicht, nicht aber ebenso umgekehrt der Romantiker auch ein Klassiker in objektiver Hinsicht. — — Um Phrase, Kokottentum auszubreiten drängt es Frankreich zur Eroberung von neuen Ländern u. Gebieten, als ob all die andern nicht auch schon von selbst Phrase u. Kokottentum treffen würden. — — Kern der menschlichen Tragödie: Selbsterhaltungstrieb, das zentripetale Denken zeitigen im Menschen, die Genies ausgenommen, eine starke Ge Krankheitserscheinung, eine Gespaltenheit, die er aber mit mächtigem Lebensinstinkt zur Einheit gewaltsam zurückzuführen sich bemüht. Der Mensch laboriert an zwei wirklichen Seelen statt blos an einer, u. nun macht wobei ihm aber weniger die Entscheidung der Wahl (Faust!), als die Herstellung der Einheit Schwierigkeiten macht. Im größten Teile des seines Seelengebietes herrscht infolge Unreife nur Laster, Betrug, Lüge, Eitelkeit usw. u. nur auf einem winzigen Fleckchen hält sich Wahrheit u. Tugend aufrecht. Dem Menschen aber erscheint es subjektiv leider anders, umgekehrt. In der Sucht, zur Einheitlichkeit zu gelangen, diese aber aus Gründen des Selbsterhaltungstriebes womöglich glänzend zu gewinnen, weiß er sich einzubilden, des Schändliche sn wäre nur wenig in {531} seiner Seele u. ungleich mehr an Tugenden. Um es drastisch bildlich auszudrücken[,] laboriert er an dem Wahne, seine Seele sein ein großer, stattlicher u. vornehmer Salon, ein Moralsalon, während es in Wahrheit in seiner Seele nur ein kleinwinziges Moralkämmerlein gibt u. aufweist, u. im weiten übrigen Raum sich, um mit den Verbrechern von heute zu sprechen – nur Ersatzoline 2 breitmach ten. So z. B. hält sich ein Kaufmann nur in vielleicht nur 10% seiner Seele in etwa z. B. Geschäftssachen für einen Lügner u. in 90% für einen vornehmen untadelhaften Menschen. Genauso Wwie aber der Mensch solche u. ähnliche Verhältnisse zunächst sich selbst geglaubt wissen will, glaubt er sie dann wirklich auch ]dem den andern. Sie brauchen ja alle der Einbildung u. daher glaubt z. B. der Norweger auch dem Engländer all die Einbildung, die der Engländer sich leistet. Die Entlarvung seitens Wissender u. Kenner hebt solche Einbildung nicht auf. — — Der Deutsche ein wesenhaftes Wesen. Sicher nur daher kommt der Hass der übrigen Nationen, die blos auf Einbildung stehen! — © Transcription Marko Deisinger. |
December 8, 1916.
One pear – 1.16 Kronen! — The press: King Ludwig of Bavaria appears to pay the press a compliment. But I say: only if the press is corruptible – the paid servant himself – can it provide any sort of service. — The Arbeiter-Zeitung continues its subversive tendency and asks whether Germany has not already exceeded its war of defense and begun a war of conquest. 1 Thus a press which betrays morals and the fatherland, together with other corrupt, dandy accomplices like Harden and Karl Kraus , is playing into the hands of our enemies and bringing about divisions of the sort that the English themselves had not expected. The English were hoping of course that southern Germany would break away from northern Germany, Austria from Germany, or Bulgaria from Austria, etc.; but they never dared hope that individual Judases would play millions of souls into their hands in completely different ways, by undermining trust, patriotism, and the feeling for honor and morale. {530} It is clear that, for example, all the Arbeiter-Zeitung is interested in is that one day, when the first bells of freedom toll, they will say: ["]It was we who, already back in 1914, … etc. … had prepared and promoted the peace by the position that we took. And so now, please, take out a subscription… ." — The rich: if they like to save money themselves and, when it is a matter of charitable causes, would take it away from the poor at bazaars and other festivities, they excuse themselves for this by saying that the turnover will easily create a large sum and will still not be a great burden even to the poorest. But when, conversely, this same turnover is mentioned in order to persuade the rich to reduce their price, they altogether deny this turnover and its profitability! — — The classicist is a Romantic in subjective terms; but the converse is not true, that the Romantic is also a classicist in objective terms. — — In order to disseminate catchphrases and coquetry, France is pushed to conquer new lands and territory, as if all the others would not already encounter catchphrases and coquetry on their own. — — The core of the human tragedy: the survival instinct and centripetal thinking result in a severe manifestation of illness in people (geniuses excepted), a cleft which, however, they forcefully seek to restore to a unity with a powerful instinct for life. People suffer from actually having two souls instead of just one, whereby it is less the decision as to which one (Faust!) as the creation of the unity that makes difficulties. As a result of immaturity, the larger part of the region of their souls is governed only by vice, deceit, lies, vanity, etc.; and truth and virtue remain upright only in the tiniest corner. To people, however, this appears to be regrettably subjectively different, the other way around. In their obsession to achieve unification – but to achieve this in the most spectacular way possible, on account of their drive for self-preservation – they can delude themselves into thinking that there was only a little villainy in their soul and incomparably more virtue. {531} To express things more graphically: they are afflicted by the delusion that their soul is a great, majestic, noble salon, a salon of morality, whereas in truth their soul boasts merely a tiny chamber of morality and, in the broader realm that remains – if one were to speak in the language of today's criminals – only little Olins 2 are at home. Thus, for example, a businessman regards himself as a liar in perhaps only 10% of his soul, and in 90% as an upright, irreproachable person. But just as people can believe that these and similar conditions apply initially to themselves, they then believe that they also apply to others. They all have need of this delusion; and thus, for example, the Norwegian will believe all the delusions that an Englishman allows himself. The unmasking of delusion on the part of experts who more knowledgeable does nothing to do away with it. — — The German is a significant being. Surely the hatred of other nations is the result only of vanity! — © Translation William Drabkin. |
8. XII. 16
Eine Birne – 1.16 Kronen! — Presse: König Ludwig von Bayern macht scheinbar ein Kompliment an die Presse. Ich aber sage: Nur wenn die Presse käuflich ist – eben der bezahlte Dienstmann – kann sie irgendwelche Dienste leisten. — „ Arbeiter Ztg.;“ setzt ihre subversive Tendenz fort u. fragt, ob Deutschland den Verteidigungskrieg nicht schon überschritten u. einen Eroberungskrieg begonnen habe. 1 So arbeitet eine moral- u. vaterlandverräterische Presse nebst andern feilen geckenhaften Spießgesellen wie Harden , Karl Kraus unseren Feinden in die Hände u. zeitigen Spaltungen, wie solche selbst die Engländer nicht erwartet haben. Die Engländer hofften zwar, daß sich Süd- von Norddeutschland trenne, Oesterreich von Deutschland u. oder Bulgarien von Oesterreich usw., aber niemals wagten sie zu hoffen, daß einzelne Judasse ihnen auf völlig andern Wegen Millionen Seelen in die Hände spielen werden durch Untergrabung der Zuversicht, des Patriotismus, des Gefühls für Ehre u. Moral. Es ver- {530} steht sich, daß es z. B. bei der „Arbeiter Ztg.;“ nur darauf hinausläuft, daß sie eines Tages, wenn die ersten Friedensglocken läuten, schreiben werden: Wir waren diejenigen, die schon im Jahre 1914 . . usw. . . den Frieden durch unsere Haltung vorbereitet u. gefördert haben – u. nun bitte: abonnieren sSie . . — Der Reiche: Gilt es, sich selbst Geld zu ersparen u., wenn es um wohltätige Zwecke geht, es lieber bei Bazaren u. sonstigen Festlichkeiten den Armen abzunehmen, so spielen sie hiefür die Ausrede aus, der Umsatz schaffe leicht die hohe Summe u. beschwere selbst den Aermsten nicht besonders noch; aber wenn umgekehrt auf eben diesen Umsatz hingewiesen würde wird, um die Reichen zu einem Preisnachlaß zu bewegen, so leugnen sie den Umsatz überhaupt u. dessen Ertragfähigkeit! — — Klassiker ein = Romantiker in subjektiver Hinsicht, nicht aber ebenso umgekehrt der Romantiker auch ein Klassiker in objektiver Hinsicht. — — Um Phrase, Kokottentum auszubreiten drängt es Frankreich zur Eroberung von neuen Ländern u. Gebieten, als ob all die andern nicht auch schon von selbst Phrase u. Kokottentum treffen würden. — — Kern der menschlichen Tragödie: Selbsterhaltungstrieb, das zentripetale Denken zeitigen im Menschen, die Genies ausgenommen, eine starke Ge Krankheitserscheinung, eine Gespaltenheit, die er aber mit mächtigem Lebensinstinkt zur Einheit gewaltsam zurückzuführen sich bemüht. Der Mensch laboriert an zwei wirklichen Seelen statt blos an einer, u. nun macht wobei ihm aber weniger die Entscheidung der Wahl (Faust!), als die Herstellung der Einheit Schwierigkeiten macht. Im größten Teile des seines Seelengebietes herrscht infolge Unreife nur Laster, Betrug, Lüge, Eitelkeit usw. u. nur auf einem winzigen Fleckchen hält sich Wahrheit u. Tugend aufrecht. Dem Menschen aber erscheint es subjektiv leider anders, umgekehrt. In der Sucht, zur Einheitlichkeit zu gelangen, diese aber aus Gründen des Selbsterhaltungstriebes womöglich glänzend zu gewinnen, weiß er sich einzubilden, des Schändliche sn wäre nur wenig in {531} seiner Seele u. ungleich mehr an Tugenden. Um es drastisch bildlich auszudrücken[,] laboriert er an dem Wahne, seine Seele sein ein großer, stattlicher u. vornehmer Salon, ein Moralsalon, während es in Wahrheit in seiner Seele nur ein kleinwinziges Moralkämmerlein gibt u. aufweist, u. im weiten übrigen Raum sich, um mit den Verbrechern von heute zu sprechen – nur Ersatzoline 2 breitmach ten. So z. B. hält sich ein Kaufmann nur in vielleicht nur 10% seiner Seele in etwa z. B. Geschäftssachen für einen Lügner u. in 90% für einen vornehmen untadelhaften Menschen. Genauso Wwie aber der Mensch solche u. ähnliche Verhältnisse zunächst sich selbst geglaubt wissen will, glaubt er sie dann wirklich auch ]dem den andern. Sie brauchen ja alle der Einbildung u. daher glaubt z. B. der Norweger auch dem Engländer all die Einbildung, die der Engländer sich leistet. Die Entlarvung seitens Wissender u. Kenner hebt solche Einbildung nicht auf. — — Der Deutsche ein wesenhaftes Wesen. Sicher nur daher kommt der Hass der übrigen Nationen, die blos auf Einbildung stehen! — © Transcription Marko Deisinger. |
December 8, 1916.
One pear – 1.16 Kronen! — The press: King Ludwig of Bavaria appears to pay the press a compliment. But I say: only if the press is corruptible – the paid servant himself – can it provide any sort of service. — The Arbeiter-Zeitung continues its subversive tendency and asks whether Germany has not already exceeded its war of defense and begun a war of conquest. 1 Thus a press which betrays morals and the fatherland, together with other corrupt, dandy accomplices like Harden and Karl Kraus , is playing into the hands of our enemies and bringing about divisions of the sort that the English themselves had not expected. The English were hoping of course that southern Germany would break away from northern Germany, Austria from Germany, or Bulgaria from Austria, etc.; but they never dared hope that individual Judases would play millions of souls into their hands in completely different ways, by undermining trust, patriotism, and the feeling for honor and morale. {530} It is clear that, for example, all the Arbeiter-Zeitung is interested in is that one day, when the first bells of freedom toll, they will say: ["]It was we who, already back in 1914, … etc. … had prepared and promoted the peace by the position that we took. And so now, please, take out a subscription… ." — The rich: if they like to save money themselves and, when it is a matter of charitable causes, would take it away from the poor at bazaars and other festivities, they excuse themselves for this by saying that the turnover will easily create a large sum and will still not be a great burden even to the poorest. But when, conversely, this same turnover is mentioned in order to persuade the rich to reduce their price, they altogether deny this turnover and its profitability! — — The classicist is a Romantic in subjective terms; but the converse is not true, that the Romantic is also a classicist in objective terms. — — In order to disseminate catchphrases and coquetry, France is pushed to conquer new lands and territory, as if all the others would not already encounter catchphrases and coquetry on their own. — — The core of the human tragedy: the survival instinct and centripetal thinking result in a severe manifestation of illness in people (geniuses excepted), a cleft which, however, they forcefully seek to restore to a unity with a powerful instinct for life. People suffer from actually having two souls instead of just one, whereby it is less the decision as to which one (Faust!) as the creation of the unity that makes difficulties. As a result of immaturity, the larger part of the region of their souls is governed only by vice, deceit, lies, vanity, etc.; and truth and virtue remain upright only in the tiniest corner. To people, however, this appears to be regrettably subjectively different, the other way around. In their obsession to achieve unification – but to achieve this in the most spectacular way possible, on account of their drive for self-preservation – they can delude themselves into thinking that there was only a little villainy in their soul and incomparably more virtue. {531} To express things more graphically: they are afflicted by the delusion that their soul is a great, majestic, noble salon, a salon of morality, whereas in truth their soul boasts merely a tiny chamber of morality and, in the broader realm that remains – if one were to speak in the language of today's criminals – only little Olins 2 are at home. Thus, for example, a businessman regards himself as a liar in perhaps only 10% of his soul, and in 90% as an upright, irreproachable person. But just as people can believe that these and similar conditions apply initially to themselves, they then believe that they also apply to others. They all have need of this delusion; and thus, for example, the Norwegian will believe all the delusions that an Englishman allows himself. The unmasking of delusion on the part of experts who more knowledgeable does nothing to do away with it. — — The German is a significant being. Surely the hatred of other nations is the result only of vanity! — © Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Prinzip und Praxis," Arbeiter-Zeitung, No. 340, December 8, 1916, 28th year, pp. 1-3. 2 Possibly a reference to the American munitions manufacturer Franklin Walter Olin (1860–1951), who made brass cartridges during the First World War. |