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29. III. 17 –½°, schön.

— 8¾h zu Dr. Türkel; nun auch er, um mit seinem Wort zu sprechen[,] froissiert; Honorarforderung wird angemeldet, die Frage der M. 10000 auf den 4. April vertagt; weder bietet keine er eine Zigarre an, u. noch begleitet nicht er uns zur Tür. Das ies ist offenbar der Ausdruck je nder Wirkung, die mein letzter BriefOC 1/B, 23 hervorgerufen. Lieber nun aber dieses, als einem schmutzigen Gesindel die Rolle von Mäzenen u. Gönnern zu verstatten. Auch fällt Mmir ein, daß auch Dr. T. gesprächsweise schon früher einmal die Weitläufigkeit meiner Briefe getadelt hat; er meinte, man schade sich nur meistens damit sehr oft. Ja, freilich bedarf der Kürze umgekehrt öfter derjenige, der nicht nur aus desto häufiger geschriebenen Briefen einen Vorteil zieht, sondern oder durch Kürze eben mit Absicht sogar Mißverständnisse erzeugen will, nur um durch Geschäftigkeit wieder zu einem Geschäften zu kommen. In der Kürze lauert so förmlich der eine Mensch auf den andern Nebenmenschen, ob er dieser nicht irgendwo, irgendwann sich eine Blöße gebe, die er auszunützen könnte wäre. — Lose der V. Ziehung bezahlt. — Un-Tier – Un-Mensch; Un-Tier im Sinne von „noch nicht Tier[“]. 1 — Prozess KranzDepositenbank macht recht viel Aufsehen; 2 die sogenannte gute Gesellschaft, die beinahe ausschließlich ja nur aus ähnlichen Individuen besteht, stellt sich mit schmerzlichster Teilnahme auf die Seite der {635} Preistreiberstrolche. Sie wären aber alle freilich sehr erstaunt, wenn man ihnen vorhielte, daß es genau so eine ebensolche Sitte ist ja bei jenen Ehrenmännern herrscht, die sie, weit von sich weisend, Einbrecher zu nennen belieben! Schließlich ist er ja Direktor einer Bank u. muß Geschäfte machen, schließlich machen wir es ja alle so? Warum plötzlich die Aufregung? Man soll doch die Konjunktur ausnützen, das ist ja der Beruf des Kaufmannes! In solchen u. ähnlichen Wendungen ergeht sich die gute Gesellschaft, empfindlich[,] tief eben dort verletzt, wo sie Ehre zu haben glaubt.

© Transcription Marko Deisinger.

March 29, 1917. –½°, fair weather.

— 8:45 to Dr. Türkel; now he too, to use his phrase, is piqued. The request for the lesson fee is reported, the question about the 10,000 marks has been delayed until April 4; he neither offers me a cigar nor accompanies me to the door. This is evidently an expression of the effect that my last letterOC 1/B, 23 has elicited. But better this than to give a greedy riff-raff the role of patrons and benefactors. It also occurs to me that Dr. Türkel had, in conversation, already criticized me previously for the circuitousness of my letters; he thought that on most occasions one only harmed oneself by this. Indeed, brevity is, by contrast, required by those who derive a benefit from more frequently written letters; or they deliberately create misunderstandings through brevity, only to make business deals by virtue of their business sense. In brevity, one person verily lies in wait for his neighbor, in the hope that the latter might somehow, sometime, leave himself open to an attack that could be exploited. — Lottery tickets for the fifth draw paid for. — Un-animal – un-human; un-animal meaning "not yet animal." 1 — The Kranz trial – the Deposit Bank creates quite a sensation; 2 the so-called "good society," which consists almost exclusively of similar individuals, places itself with the most painful sympathy on the side of the profiteering thugs. {635} But they would of course all be astonished if one reproached them by saying that just such a custom is rife among those men of honor whom they, pointing far away from themselves, like to call burglars! "In the end, he is the director of a bank and must make business deals; must we ultimately not all do the same?" "Why the sudden agitation? One should, after all, exploit the competition, that is the businessman's occupation!" The good society indulges in these and similar expressions, sensitive, deeply injured precisely where they believe their honor lies.

© Translation William Drabkin.

29. III. 17 –½°, schön.

— 8¾h zu Dr. Türkel; nun auch er, um mit seinem Wort zu sprechen[,] froissiert; Honorarforderung wird angemeldet, die Frage der M. 10000 auf den 4. April vertagt; weder bietet keine er eine Zigarre an, u. noch begleitet nicht er uns zur Tür. Das ies ist offenbar der Ausdruck je nder Wirkung, die mein letzter BriefOC 1/B, 23 hervorgerufen. Lieber nun aber dieses, als einem schmutzigen Gesindel die Rolle von Mäzenen u. Gönnern zu verstatten. Auch fällt Mmir ein, daß auch Dr. T. gesprächsweise schon früher einmal die Weitläufigkeit meiner Briefe getadelt hat; er meinte, man schade sich nur meistens damit sehr oft. Ja, freilich bedarf der Kürze umgekehrt öfter derjenige, der nicht nur aus desto häufiger geschriebenen Briefen einen Vorteil zieht, sondern oder durch Kürze eben mit Absicht sogar Mißverständnisse erzeugen will, nur um durch Geschäftigkeit wieder zu einem Geschäften zu kommen. In der Kürze lauert so förmlich der eine Mensch auf den andern Nebenmenschen, ob er dieser nicht irgendwo, irgendwann sich eine Blöße gebe, die er auszunützen könnte wäre. — Lose der V. Ziehung bezahlt. — Un-Tier – Un-Mensch; Un-Tier im Sinne von „noch nicht Tier[“]. 1 — Prozess KranzDepositenbank macht recht viel Aufsehen; 2 die sogenannte gute Gesellschaft, die beinahe ausschließlich ja nur aus ähnlichen Individuen besteht, stellt sich mit schmerzlichster Teilnahme auf die Seite der {635} Preistreiberstrolche. Sie wären aber alle freilich sehr erstaunt, wenn man ihnen vorhielte, daß es genau so eine ebensolche Sitte ist ja bei jenen Ehrenmännern herrscht, die sie, weit von sich weisend, Einbrecher zu nennen belieben! Schließlich ist er ja Direktor einer Bank u. muß Geschäfte machen, schließlich machen wir es ja alle so? Warum plötzlich die Aufregung? Man soll doch die Konjunktur ausnützen, das ist ja der Beruf des Kaufmannes! In solchen u. ähnlichen Wendungen ergeht sich die gute Gesellschaft, empfindlich[,] tief eben dort verletzt, wo sie Ehre zu haben glaubt.

© Transcription Marko Deisinger.

March 29, 1917. –½°, fair weather.

— 8:45 to Dr. Türkel; now he too, to use his phrase, is piqued. The request for the lesson fee is reported, the question about the 10,000 marks has been delayed until April 4; he neither offers me a cigar nor accompanies me to the door. This is evidently an expression of the effect that my last letterOC 1/B, 23 has elicited. But better this than to give a greedy riff-raff the role of patrons and benefactors. It also occurs to me that Dr. Türkel had, in conversation, already criticized me previously for the circuitousness of my letters; he thought that on most occasions one only harmed oneself by this. Indeed, brevity is, by contrast, required by those who derive a benefit from more frequently written letters; or they deliberately create misunderstandings through brevity, only to make business deals by virtue of their business sense. In brevity, one person verily lies in wait for his neighbor, in the hope that the latter might somehow, sometime, leave himself open to an attack that could be exploited. — Lottery tickets for the fifth draw paid for. — Un-animal – un-human; un-animal meaning "not yet animal." 1 — The Kranz trial – the Deposit Bank creates quite a sensation; 2 the so-called "good society," which consists almost exclusively of similar individuals, places itself with the most painful sympathy on the side of the profiteering thugs. {635} But they would of course all be astonished if one reproached them by saying that just such a custom is rife among those men of honor whom they, pointing far away from themselves, like to call burglars! "In the end, he is the director of a bank and must make business deals; must we ultimately not all do the same?" "Why the sudden agitation? One should, after all, exploit the competition, that is the businessman's occupation!" The good society indulges in these and similar expressions, sensitive, deeply injured precisely where they believe their honor lies.

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 In this play on words, Schenker is contemplating the relationship between Untier (beast, monster) and Unmensch (brute, ogre).

2 "Der Prozess gegen Doktor Kranz und seine Mitbeschuldigten," Neue Freie Presse, No. 18894, March 29, 1917, morning edition, p. 9.