Downloads temporarily removed for testing purposes

1. August 1917 Wandernde Nebel an den Hängen, dann schönster Morgen.

— ¼9–½11h auf Pilze, wieder in den Wald westlich der Leutaschstraße; wir folgen einer Wegspur, die uns sehr weit führt, an deren Ende aber erst ein kleiner Anstieg vielleicht offenbar die letzte Erhebung bedeutet. Der Wald bietet überaus abwechslungsreiche Bilder, Mulden, Hügelungen, Moos, besonders schöne Farnkräuter, breite Disposition u. viele Wegmöglichkeiten, wenn auch nicht gerade ausgefahrene oder schon begangene Wege. Die Ausbeute ist auch diesmal leider nur sehr gering. — Von Vrieslander (K.): durch Hilfsdienst verhindert, den nachbarlichen Besuch hier abzustatten. — W. M. W. 1 zuende! —

— 5h Kleiner Sprung ins Freie, den wir noch mehr als wir ursprünglich beabsichtigten durch drohenden Regen einzuschränken genötigt sind. Bei dieser Gelegenheit erkundigen wir uns in zwei Geschäften nach sogenanntem Konzeptpapier u. erhalten die Auskunft, daß nach solchem hier keine Nachfrage bestehe, weshalb man nur Kanzleipapier auflege, das gegenwärtig mit 4 h per Bogen verkauft werde. In dem uns benachbarten Geschäft einer gewissen Frau Gapp machen wir dennoch den Versuch u. es stellt sich heraus, daß hier Konzeptpapier noch vorhanden ist; um den Preis befragt, nennt die Geschäftsfrau, uns schon von früher her als geriebene frömmlerisch-betrügerische Preistreiberin bekannt, als Preis eines Bogens nicht weniger als 5 h, somit um 1 h mehr, als für Kanzleipapier verlangt wurde. Diese Unverschämtheit reizt mich, die Wucherin ein wenig an die Wand zu drücken u. ich halte ihr vor, daß ja unmöglich der Preis des Konzeptpapiers größer als der des Kanzleipapieres sein könne, wohl aber auch nicht der gleiche. In dieser Bedrängnis wußte die schlimme Frau nichts anderes zu stammeln, d als daß der Preis denn doch so sei u. daß sie da in nichts helfen könne. Und als ich ihr vorhalte, daß der in {735} anderen Geschäften das Kanzleipapier mit 4 h verkauft werde, wiederholte sie: „Wahrscheinlich haben sie es noch von früher her, ein altes Papier; das meine ist aber erst jetzt gekommen.“ Und damit wollte die Lügnerin nichts mehr u. nichts weniger als uns weißmachen, sie habe das Konzeptpapier erst vor kurzem erhalten, was umso unglaubwürdiger a ist, als ja in den beiden andern Geschäften ja eine jedwede Nachfrage überhaupt bestrittenwird wurde. — ¼ kg Marillen kosten 1.10 Kronen. — Zuhause angekommen werden wir in sonderbarster Weise überrascht durch brennende elektrische Lampen, die, offenbar noch von gestern abend auf Licht gestellt, nun nachdem die Reparatur vor sich gegangen nun ohneweiters Licht gaben. Der festliche Empfang war in Anbetracht der Nachmittag[s]stunde sonderbar genug, völlig grotesk wirkte aber meine Lampe, die in einem der Erkerfenster ganz zur Seite stand, so gewissermaßen in die freie noch sonnenerleuchtete Welt eigentümlich rot hinausleuchtete blinzelte. — Von Frau Wally (K.): dankt für Gratulation, erhalte noch immer täglich Bericht vom Gatten u. beneidet Lie-Liechen um ihre Arbeit. — Abends Regen unter Zeichen von Gewitter.

© Transcription Marko Deisinger.

August 1, 1917. Roving mists on the mountain slopes, then the most beautiful morning.

— From 8:15 to 10:30, in search of mushrooms again in the forest, west of the road to Leutasch; we follow a path that leads us a great distance, at the end of which a short ascent apparently marks the last elevation. The forest offers thoroughly varied images – hollows, hillocks, moss, particularly beautiful ferns – a broad aspect, and many possibilities for walking, even if they are not actually rutted or well-trodden footpaths. The harvest this time is, again, unfortunately only very small. — Postcard from Vrieslander : as a result of working for the aid service, he is prevented from making a visit to the neighborhood. — Wilhelm Meister's Journeyman Years 1 finished! —

— At 5 o'clock, a short dash into the outdoors, which we are forced to curtail even more than originally planned on account of the threat of rain. On this occasion, we enquire in shops about so-called "scratch paper" and receive the reply that there is no demand for it, on account of which only foolscap paper is available, which currently sells for 4 Heller per double sheet. In the shop next to us, belonging to a certain Mrs. Gapp, we still make an attempt; and here it turns out that scratch paper is still available. When asked the price, the proprietress, who was already known from previous experience as a shrewd, sanctimoniously deceitful profiteer, said that the price of a double sheet is no less than 5 Heller, thus 1 Heller more than was charged for foolscap paper. This impertinence tempts me to press the usurer against the wall a little; and I confronted her with the impossibility that the price of scratch paper could be greater than that of foolscap paper, or even that it could even be the same. In this difficult situation, the wicked woman could do nothing but stammer that that was what the price was and she could not help me in anyway. And when I pointed out that {735} foolscap paper is sold in other shops for 4 Heller, she repeated: "evidently they had it from an earlier time, an old stock of paper; mine has only just arrived now." And thus the liar wanted to do nothing more and nothing less than to make us believe that she had received the scratch paper only recently, something that is all the more implausible since any demand for it was altogether denied in the other two shops. — A quarter kilogram of apricots costs 1.10 Kronen. — Returning home, we are surprised in the most astonishing way by burning electric lamps which, evidently set to be lit up from yesterday evening, were now automatically alight after the repair was undertaken. The festive reception was, considering the afternoon hour, strange enough; but my lamp, which stood entirely to the side in one of the bay windows, made a grotesque effect in a certain way, its peculiarly red light blinking out into the outdoor world still illuminated by the sun. — Postcard from Vally: she thanks me for my good wishes, still receives daily reports from her husband and is envious of Lie-Liechen regarding her work. — In the evening, rain marked by a thunderstorm.

© Translation William Drabkin.

1. August 1917 Wandernde Nebel an den Hängen, dann schönster Morgen.

— ¼9–½11h auf Pilze, wieder in den Wald westlich der Leutaschstraße; wir folgen einer Wegspur, die uns sehr weit führt, an deren Ende aber erst ein kleiner Anstieg vielleicht offenbar die letzte Erhebung bedeutet. Der Wald bietet überaus abwechslungsreiche Bilder, Mulden, Hügelungen, Moos, besonders schöne Farnkräuter, breite Disposition u. viele Wegmöglichkeiten, wenn auch nicht gerade ausgefahrene oder schon begangene Wege. Die Ausbeute ist auch diesmal leider nur sehr gering. — Von Vrieslander (K.): durch Hilfsdienst verhindert, den nachbarlichen Besuch hier abzustatten. — W. M. W. 1 zuende! —

— 5h Kleiner Sprung ins Freie, den wir noch mehr als wir ursprünglich beabsichtigten durch drohenden Regen einzuschränken genötigt sind. Bei dieser Gelegenheit erkundigen wir uns in zwei Geschäften nach sogenanntem Konzeptpapier u. erhalten die Auskunft, daß nach solchem hier keine Nachfrage bestehe, weshalb man nur Kanzleipapier auflege, das gegenwärtig mit 4 h per Bogen verkauft werde. In dem uns benachbarten Geschäft einer gewissen Frau Gapp machen wir dennoch den Versuch u. es stellt sich heraus, daß hier Konzeptpapier noch vorhanden ist; um den Preis befragt, nennt die Geschäftsfrau, uns schon von früher her als geriebene frömmlerisch-betrügerische Preistreiberin bekannt, als Preis eines Bogens nicht weniger als 5 h, somit um 1 h mehr, als für Kanzleipapier verlangt wurde. Diese Unverschämtheit reizt mich, die Wucherin ein wenig an die Wand zu drücken u. ich halte ihr vor, daß ja unmöglich der Preis des Konzeptpapiers größer als der des Kanzleipapieres sein könne, wohl aber auch nicht der gleiche. In dieser Bedrängnis wußte die schlimme Frau nichts anderes zu stammeln, d als daß der Preis denn doch so sei u. daß sie da in nichts helfen könne. Und als ich ihr vorhalte, daß der in {735} anderen Geschäften das Kanzleipapier mit 4 h verkauft werde, wiederholte sie: „Wahrscheinlich haben sie es noch von früher her, ein altes Papier; das meine ist aber erst jetzt gekommen.“ Und damit wollte die Lügnerin nichts mehr u. nichts weniger als uns weißmachen, sie habe das Konzeptpapier erst vor kurzem erhalten, was umso unglaubwürdiger a ist, als ja in den beiden andern Geschäften ja eine jedwede Nachfrage überhaupt bestrittenwird wurde. — ¼ kg Marillen kosten 1.10 Kronen. — Zuhause angekommen werden wir in sonderbarster Weise überrascht durch brennende elektrische Lampen, die, offenbar noch von gestern abend auf Licht gestellt, nun nachdem die Reparatur vor sich gegangen nun ohneweiters Licht gaben. Der festliche Empfang war in Anbetracht der Nachmittag[s]stunde sonderbar genug, völlig grotesk wirkte aber meine Lampe, die in einem der Erkerfenster ganz zur Seite stand, so gewissermaßen in die freie noch sonnenerleuchtete Welt eigentümlich rot hinausleuchtete blinzelte. — Von Frau Wally (K.): dankt für Gratulation, erhalte noch immer täglich Bericht vom Gatten u. beneidet Lie-Liechen um ihre Arbeit. — Abends Regen unter Zeichen von Gewitter.

© Transcription Marko Deisinger.

August 1, 1917. Roving mists on the mountain slopes, then the most beautiful morning.

— From 8:15 to 10:30, in search of mushrooms again in the forest, west of the road to Leutasch; we follow a path that leads us a great distance, at the end of which a short ascent apparently marks the last elevation. The forest offers thoroughly varied images – hollows, hillocks, moss, particularly beautiful ferns – a broad aspect, and many possibilities for walking, even if they are not actually rutted or well-trodden footpaths. The harvest this time is, again, unfortunately only very small. — Postcard from Vrieslander : as a result of working for the aid service, he is prevented from making a visit to the neighborhood. — Wilhelm Meister's Journeyman Years 1 finished! —

— At 5 o'clock, a short dash into the outdoors, which we are forced to curtail even more than originally planned on account of the threat of rain. On this occasion, we enquire in shops about so-called "scratch paper" and receive the reply that there is no demand for it, on account of which only foolscap paper is available, which currently sells for 4 Heller per double sheet. In the shop next to us, belonging to a certain Mrs. Gapp, we still make an attempt; and here it turns out that scratch paper is still available. When asked the price, the proprietress, who was already known from previous experience as a shrewd, sanctimoniously deceitful profiteer, said that the price of a double sheet is no less than 5 Heller, thus 1 Heller more than was charged for foolscap paper. This impertinence tempts me to press the usurer against the wall a little; and I confronted her with the impossibility that the price of scratch paper could be greater than that of foolscap paper, or even that it could even be the same. In this difficult situation, the wicked woman could do nothing but stammer that that was what the price was and she could not help me in anyway. And when I pointed out that {735} foolscap paper is sold in other shops for 4 Heller, she repeated: "evidently they had it from an earlier time, an old stock of paper; mine has only just arrived now." And thus the liar wanted to do nothing more and nothing less than to make us believe that she had received the scratch paper only recently, something that is all the more implausible since any demand for it was altogether denied in the other two shops. — A quarter kilogram of apricots costs 1.10 Kronen. — Returning home, we are surprised in the most astonishing way by burning electric lamps which, evidently set to be lit up from yesterday evening, were now automatically alight after the repair was undertaken. The festive reception was, considering the afternoon hour, strange enough; but my lamp, which stood entirely to the side in one of the bay windows, made a grotesque effect in a certain way, its peculiarly red light blinking out into the outdoor world still illuminated by the sun. — Postcard from Vally: she thanks me for my good wishes, still receives daily reports from her husband and is envious of Lie-Liechen regarding her work. — In the evening, rain marked by a thunderstorm.

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden (Wilhelm Meister's Journeyman Years, or the Renunciants), the first edition appeared in 1821 (Stuttgart, Tübingen: Cotta), and the second edition – differing substantially from the first – in 1829 (Stuttgart, Tübingen: Cotta).