14. I. 19
„N. Fr. Pr.“ Wilson lehnt die Reise ins französische Kriegsgebiet ab! Angeblich scharfe Gegensätze zwischen Wilson u. der Entente! 1 — Wieder eine amerikanische Studienkommission in Wien! 2 – wie gesagt: zuerst ziehen sie in den Krieg von bestimmten Vorstellungen ausgehend u. es zeigt sich, daß sie erst nachträglich die Vorstellungen suchen! — „Der Kampf gegen die Spartakisten“ v. Gothein „ . . sentimentale Schwäche der Regierung“; „Sozialisierung des Bergbaus ein blödes Schlagwort“ – In Ober-Schlesien wird offen für das polnische Heer geworben! 3 — Die südslawische Frage nach dem jetzigen Stand: „der Kriegsfall mit Italien“ 4 (wichtig!!). — Amerikanische Forderung der Auf- {56} hebung der Blockade – aus englischer Quelle! 5 — „Die Kosten der Volkswehr“ 6 (nachlesen!). — Stichwort: „Die Zunahme der Einbrüche in Wien“. 7 — „N. W. Tgbl.“: „Rußland u. die Entente“ 8 – ausgezeichneter Aufsatz: die Slawen, die Oesterreich die Disziplin u. Staatstreue versagt haben, weil sie angeblich nicht gegen ihre slawischen Brüder kämpfen wollten, müssen nun über Auftrag der Franzosen, von denen sie nichts haben u. hatten, diesen Kampf als ehrlose Söldner dennoch machen! — Pichon über die Friedensfrage (nach dem „Bund“): Wilson werde keinesfalls den Friedensdiktator spielen, sondern in eine Lösung willigen, die einen Kompromiß zwischen den alten u. neuen Theorien darstellt. 9 — Unabhängigkeitsbestrebungen Tirols; 10 Auswanderungspropaganda in Tirol (nach Argentinien!) durch Rittmeister Gamillscheg! 11 — Der Bolschewismus in Böhmen! – Rede des Führers Muna. – Rede des Justizministers Soukup: Sozialistisch sein das ist keine Frage des Prinzips, sondern der Zeit! 12 — Dr. Kramarz über Deutsch-Böhmen, über die 14 Punkte Wilsons u. ihre verschiedene Auslegung seitens der Deutschen u. Czechen. 13 — Vom englischen Oberkommando in Italien trifft ein Lebensmittelzug für die Armen Wiens ein, ungefähr 20 Waggons, dazu 3 englische Offiziere, 120 Mann u. eine englische Militärkapelle 14 (die nun alle mehr verzehren, als sie gebracht haben!) — Organ der sozialistischen Mittelschüler, Zeitung für Mittelschüler, {57} Einführung in Karl Marx’ „Kommunismus“, Politik usw!! 15 — Das Ende der Zarenfamilie 16 (sehr wichtig!). — „Arb. Ztg.“: Leitartikel: wieder Wahlen „Die zehn Millionen des Großkapitals“. 17 — „Der Weg zum Sozialismus“ (V.); 18 auffallend Außenpolitik vernachlässigt! — „N. Fr. Pr.“ (Abendbl.): „Aufhebung der Blockade“ – ein Vorschlag von amerikanischer Seite. 19 — „Anwachsende Strömung gegen den Imperialismus in Italien.“ 20 — Prof. Hatschek schlägt vor: Neutralität Deutsch-Oesterreichs. 21 — „Abend“: „Werden wir wieder eine Mordmaschine haben?“ 22 – noch immer ist der Esel gegen eine Wehrmacht!! — Wäre es praktisch, fremde Sprachen zu lernen, so würden es in erster Linie die Amerikaner, Engländer u. Franzosen tun. Wilson ging zur Konferenz, ohne die französische Sprache zu beherrschen, u. siehe da, die Dolmetsche[r] tun es auch. Das Beibringen fremder Sprachen im zartesten Alter legt den Grund zur Charakterverderbnis: schon das Kind glaubt sich damit erhaben usw. Zumal im Verkehr von Kaufmann zu Kaufmann müßte doch der Gesichtspunkt des Praktischen ebensogut auf einen französischen u. englischen Kaufmann angewendet werden, als auf einen deutschen. Ist es des Geschäftes halber praktisch, fremde Sprachen zu beherrschen, so ist nicht einzusehen, weshalb es nicht auch für einen ausländischen Kaufmann als praktisch gelten müßte, die deutsche Sprache zu beherrschen. Kommt doch dazu noch, daß die Deutschen einen 80 Millionen-Block darstellen, während Franzosen u. Engländer bei weitem weniger an Zahl sind. Eine fremde Sprache {58} sprechen, heißt sich von vornherein politisch u. daher auch praktisch materiell schädigen, so stark wirkt auch das moralische Element mit. Noch heute würde es einen ungeheuern [sic] moralischen Eindruck machen, wenn plötzlich über geheime Verabredung in dieser Frage das Gesetz der Reziprozität beschlossen würde: Kein Französisch, kein Englisch, zumindest so lange, bis nicht umgekehrt Franzosen u. Engländer deutsch [sic] zu sprechen beginnen. Sogar noch die Friedenskonferenz würde sofort unter dem Drucke dieser moralischen Erhebung sich in die Rolle des Besiegten fügen. Schon von Mensch zu Mensch wirkt es zugunsten der Parität, zugunsten der Würde, wenn der eine dem andern die Abhängigkeit aufkündigt. Stolz auch bei Armut ernüchtert den Reichen; dieser wird sofort manierlicher[,] wenn er sieht, wie der Arme zumindest seine moralische Haltung bewahrt. Bei Armut aber auch noch die Ehre draufzugeben, heißt sich womöglich doppelt arm machen. Es ist zu erwarten, daß z. B. die Czechen, die heute um gewisser Vorteile willen die Franzosen kopieren, eben diesen die Gefolgschaft kündigen werden, bis sie nur die Vorteile in sicherer Hand haben. Wenn von Manieren die Rede ist, so kann man sich kaum Taktloseres denken, als Amerikaner u. Engländer, kaum Lauteres als Italiener u. Polen; aber auch davonabgesehen, sollten Manieren u. Takt nicht nach so billigen Anlässen, wie z. B. Mahlzeit oder Gesellschaft beurteilt werden: Man sehe nur im politi- {59} schen Leben das taktlose Betragen der Engländer u. Franzosen u. man wird ihre Unfähigkeit u. Manierlosigkeit zur Genüge erwiesen sehen. — Englische Unfähigkeit: setzt Könige ab, wenn er glaubt[,] dadurch einen Vorteil zu erreichen; da er aber als Krämer denkt, den Vorteil gewissermaßen mit Jahresdividenden identifiziert, verursacht er sich in der Folge einen großen Schaden, den er wieder dadurch zu beseitigen sucht, daß er [illeg]Könige propagirt. Er ging mit dem Zaren, stürzte den Zaren u. wäre heute glücklich, Rußland wieder einen Zaren anbieten zu können! So bietet er jetzt Könige an Portugal, an Polen, an die Czechen an, nur um dem Bolschewismus zu entrinnen, den er selbst herbeigeführt, weil er die Autorität des Zaren untergraben. Der Deutsche sollte den Engländer nicht reizen? Im Gegenteil: er sollte gar nie aufhören, ihn zu reizen! Haben sich denn die vereinigten Staaten geniert, England zu reizen durch Flottenbau u. das Ansichreißen des Geld- u. Warenmarktes? Gegenüber einem Menschenschlag, wie der englische, gibt es nur materielle Waffen mit derselben Waffe [zu] erwidern. Selbst Lenin u. Trotzky hat das Auftrumpfen nur genutzt; denn feig wie der eitle oder dünkelhafte Mensch von Natur ist, lenkt er beim ersten Zeichen des Widerstandes ein. [–] Bahr = Litfaßsäule; auch die Hohlheit stimmt. —© Transcription Marko Deisinger. |
January 14, 1919.
Neue freie Presse : Wilson turns down the trip to the French battlegrounds! Apparently sharp divisions between Wilson and the Entente! 1 — Another American study commission in Vienna! 2 – as I said: first they enter into the war on the basis of specific conceptions, and it turns out that it only afterwards that they seek the conceptions! — "The Battle Against the Spartacists, by Gothein: "… sentimental weakness of the government;" "socialization of the mine a stupid slogan" – In Upper Silesia, a Polish army is being recruited! 3 — The south-Slavic question according to the present situation: "The Case of War with Italy" 4 (important!!). — "American Demand for the Blockade to be Lifted" {56} – from an English source! 5 — "The Costs of the People's Army" 6 (must read!). — Headline: "The Increase in Break-Ins in Vienna." 7 — Neues Wiener Tagblatt : "Russia and the Entente" 8 – outstanding article: the Slavs, who have refused Austria obedience and patriotic faith because they apparently did not want to fight against their Slavic brothers, must now nonetheless wage this battle as disreputable mercenaries – at the behest of the French, from whom they received and are receiving nothing! — Pichon on the question of freedom (according to Der Bund ): Wilson will under no circumstances play the peace dictator, but rather will consent to a solution which represents a compromise between the old and new theories. 9 — Aspirations of independence for the Tyrol; 10 emigration propaganda in the Tyrol (to Argentina!), from cavalry captain Gamillscheg! 11 — Bolshevism in Bohemia! – Address by the leader Muna. – Address by the justice minister Soukup: to be socialistic is not a question of principle, but of the time! 12 — Dr. Kramarz concerning German Bohemia, concerning Wilson's Fourteen Points and their various interpretations on the part of the Germans and the Czechs. 13 — From the English high command in Italy, a train with food arrives for the poor people of Vienna, about twenty carloads, additionally three English officers, 120 men and an English military band 14 (all of whom will now consume more than they have brought!) — The official organ of socialist middle school pupils, the periodical for middle schools, {57} introduction to Karl Marx's "communism," politics, and so on!! 15 — The End of the Tsar's Family 16 (very important!). — Arbeiter-Zeitung : leading article again about elections, "The Ten Millions of Great Capital." 17 — "The Path to Socialism," part 5; 18 strikingly, international politics is ignored! — Neue freie Presse " (evening edition): "Lifting of the Blockade" – a recommendation from the American side. 19 — "Growing Movements Against Imperialism in Italy." 20 — Prof. Hatschek recommends: German-Austrian neutrality. 21 — Der Abend : "Will We Have Another Murder Machine?" 22 – the ass is still set against a military force!! — Were it practical to learn foreign languages, then the Americans, English, and French would do so in the first place. Wilson went to the conference without being in command of the French language and, lo!, the interpreters are doing the same. The teaching of foreign languages at the tenderest age establishes the foundation for depravity of character: the child already believes he is elevated on that basis, etc. Especially in transactions between businessmen, the viewpoint of the practical can, however, be applied just as well to a French or English businessman as to a German. If it is practical for business purposes to have command of foreign languages, then it is not clear why it must not also be regarded as practical for a foreign businessman to have command of the German language. Moreover, the Germans represent a population of 80 million, whereas the French and English are far smaller in number. {58} To speak a foreign language means from the outset to cause damage to oneself, politically and thus also materially, given that the moral element plays such a significant role. Even today it would make an immense moral impression if, by secret negotiations on this matter, the law of reciprocity could suddenly be agreed: no French, no English, not at least until, conversely, the French and the English begin to speak German. Even the peace conference would, under the pressure of this moral elevation, see themselves in the role of the vanquished. Already from one person to another it would work in favor of parity, in favor of dignity, if the one were to recognize his dependence on the other. Pride, even amid poverty, deflates the rich man; the latter will immediately become more civil when he sees how the poor man at least preserves his moral bearing. But to give up one's honor in a state of poverty means, if anything, to make oneself doubly poor. It is to be expected that, for instance, the Czechs, who today are copying the French for sake of certain advantages, will terminate their loyalty to these very people as soon as they have the advantages securely in their hands. If one is speaking about manners, then one can hardly imagine anything more indiscreet than Americans and English, more unsophisticated than Italians and Poles. But even apart from this, manners and tact should not be judged by such cheap occasions as, for example, dinners and social gatherings: {59} one only has to observe the tactless behavior of the English and French to have sufficient proof of their inability and lack of good manners. — An Englishman's inability: he deposes kings when he believes that he will gain an advantage from doing so; but since he thinks like a businessman, who identifies advantages to a certain extent with yearly dividends, he in turn causes a great damage to himself which he then seeks to redress by propagating kings. He went along with the Tsar, brought down the Tsar, and would today be happy if he could offer Russia a new Tsar! So he is now offering kings to Portugal, to Poland, to the Czechs, only in order to escape the Bolshevism that he himself brought about by undermining the authority of the Tsar. The German should not rub against the Englishman? On the contrary, he should never cease to rub against him! For have the United States been bashful about rubbing against the English by building a fleet and grabbing the money and goods markets for themselves? Against such a breed of people as the English, the only thing to do is to reply with the same weapon. Even Lenin and Trotsky only made good use of boasting; for as cowardly a vain or arrogant person may be by nature, he will fall into line at the first sign of opposition. [–] Bahr = advertising pillar; even the hollowness [of both] is consistent. —© Translation William Drabkin. |
14. I. 19
„N. Fr. Pr.“ Wilson lehnt die Reise ins französische Kriegsgebiet ab! Angeblich scharfe Gegensätze zwischen Wilson u. der Entente! 1 — Wieder eine amerikanische Studienkommission in Wien! 2 – wie gesagt: zuerst ziehen sie in den Krieg von bestimmten Vorstellungen ausgehend u. es zeigt sich, daß sie erst nachträglich die Vorstellungen suchen! — „Der Kampf gegen die Spartakisten“ v. Gothein „ . . sentimentale Schwäche der Regierung“; „Sozialisierung des Bergbaus ein blödes Schlagwort“ – In Ober-Schlesien wird offen für das polnische Heer geworben! 3 — Die südslawische Frage nach dem jetzigen Stand: „der Kriegsfall mit Italien“ 4 (wichtig!!). — Amerikanische Forderung der Auf- {56} hebung der Blockade – aus englischer Quelle! 5 — „Die Kosten der Volkswehr“ 6 (nachlesen!). — Stichwort: „Die Zunahme der Einbrüche in Wien“. 7 — „N. W. Tgbl.“: „Rußland u. die Entente“ 8 – ausgezeichneter Aufsatz: die Slawen, die Oesterreich die Disziplin u. Staatstreue versagt haben, weil sie angeblich nicht gegen ihre slawischen Brüder kämpfen wollten, müssen nun über Auftrag der Franzosen, von denen sie nichts haben u. hatten, diesen Kampf als ehrlose Söldner dennoch machen! — Pichon über die Friedensfrage (nach dem „Bund“): Wilson werde keinesfalls den Friedensdiktator spielen, sondern in eine Lösung willigen, die einen Kompromiß zwischen den alten u. neuen Theorien darstellt. 9 — Unabhängigkeitsbestrebungen Tirols; 10 Auswanderungspropaganda in Tirol (nach Argentinien!) durch Rittmeister Gamillscheg! 11 — Der Bolschewismus in Böhmen! – Rede des Führers Muna. – Rede des Justizministers Soukup: Sozialistisch sein das ist keine Frage des Prinzips, sondern der Zeit! 12 — Dr. Kramarz über Deutsch-Böhmen, über die 14 Punkte Wilsons u. ihre verschiedene Auslegung seitens der Deutschen u. Czechen. 13 — Vom englischen Oberkommando in Italien trifft ein Lebensmittelzug für die Armen Wiens ein, ungefähr 20 Waggons, dazu 3 englische Offiziere, 120 Mann u. eine englische Militärkapelle 14 (die nun alle mehr verzehren, als sie gebracht haben!) — Organ der sozialistischen Mittelschüler, Zeitung für Mittelschüler, {57} Einführung in Karl Marx’ „Kommunismus“, Politik usw!! 15 — Das Ende der Zarenfamilie 16 (sehr wichtig!). — „Arb. Ztg.“: Leitartikel: wieder Wahlen „Die zehn Millionen des Großkapitals“. 17 — „Der Weg zum Sozialismus“ (V.); 18 auffallend Außenpolitik vernachlässigt! — „N. Fr. Pr.“ (Abendbl.): „Aufhebung der Blockade“ – ein Vorschlag von amerikanischer Seite. 19 — „Anwachsende Strömung gegen den Imperialismus in Italien.“ 20 — Prof. Hatschek schlägt vor: Neutralität Deutsch-Oesterreichs. 21 — „Abend“: „Werden wir wieder eine Mordmaschine haben?“ 22 – noch immer ist der Esel gegen eine Wehrmacht!! — Wäre es praktisch, fremde Sprachen zu lernen, so würden es in erster Linie die Amerikaner, Engländer u. Franzosen tun. Wilson ging zur Konferenz, ohne die französische Sprache zu beherrschen, u. siehe da, die Dolmetsche[r] tun es auch. Das Beibringen fremder Sprachen im zartesten Alter legt den Grund zur Charakterverderbnis: schon das Kind glaubt sich damit erhaben usw. Zumal im Verkehr von Kaufmann zu Kaufmann müßte doch der Gesichtspunkt des Praktischen ebensogut auf einen französischen u. englischen Kaufmann angewendet werden, als auf einen deutschen. Ist es des Geschäftes halber praktisch, fremde Sprachen zu beherrschen, so ist nicht einzusehen, weshalb es nicht auch für einen ausländischen Kaufmann als praktisch gelten müßte, die deutsche Sprache zu beherrschen. Kommt doch dazu noch, daß die Deutschen einen 80 Millionen-Block darstellen, während Franzosen u. Engländer bei weitem weniger an Zahl sind. Eine fremde Sprache {58} sprechen, heißt sich von vornherein politisch u. daher auch praktisch materiell schädigen, so stark wirkt auch das moralische Element mit. Noch heute würde es einen ungeheuern [sic] moralischen Eindruck machen, wenn plötzlich über geheime Verabredung in dieser Frage das Gesetz der Reziprozität beschlossen würde: Kein Französisch, kein Englisch, zumindest so lange, bis nicht umgekehrt Franzosen u. Engländer deutsch [sic] zu sprechen beginnen. Sogar noch die Friedenskonferenz würde sofort unter dem Drucke dieser moralischen Erhebung sich in die Rolle des Besiegten fügen. Schon von Mensch zu Mensch wirkt es zugunsten der Parität, zugunsten der Würde, wenn der eine dem andern die Abhängigkeit aufkündigt. Stolz auch bei Armut ernüchtert den Reichen; dieser wird sofort manierlicher[,] wenn er sieht, wie der Arme zumindest seine moralische Haltung bewahrt. Bei Armut aber auch noch die Ehre draufzugeben, heißt sich womöglich doppelt arm machen. Es ist zu erwarten, daß z. B. die Czechen, die heute um gewisser Vorteile willen die Franzosen kopieren, eben diesen die Gefolgschaft kündigen werden, bis sie nur die Vorteile in sicherer Hand haben. Wenn von Manieren die Rede ist, so kann man sich kaum Taktloseres denken, als Amerikaner u. Engländer, kaum Lauteres als Italiener u. Polen; aber auch davonabgesehen, sollten Manieren u. Takt nicht nach so billigen Anlässen, wie z. B. Mahlzeit oder Gesellschaft beurteilt werden: Man sehe nur im politi- {59} schen Leben das taktlose Betragen der Engländer u. Franzosen u. man wird ihre Unfähigkeit u. Manierlosigkeit zur Genüge erwiesen sehen. — Englische Unfähigkeit: setzt Könige ab, wenn er glaubt[,] dadurch einen Vorteil zu erreichen; da er aber als Krämer denkt, den Vorteil gewissermaßen mit Jahresdividenden identifiziert, verursacht er sich in der Folge einen großen Schaden, den er wieder dadurch zu beseitigen sucht, daß er [illeg]Könige propagirt. Er ging mit dem Zaren, stürzte den Zaren u. wäre heute glücklich, Rußland wieder einen Zaren anbieten zu können! So bietet er jetzt Könige an Portugal, an Polen, an die Czechen an, nur um dem Bolschewismus zu entrinnen, den er selbst herbeigeführt, weil er die Autorität des Zaren untergraben. Der Deutsche sollte den Engländer nicht reizen? Im Gegenteil: er sollte gar nie aufhören, ihn zu reizen! Haben sich denn die vereinigten Staaten geniert, England zu reizen durch Flottenbau u. das Ansichreißen des Geld- u. Warenmarktes? Gegenüber einem Menschenschlag, wie der englische, gibt es nur materielle Waffen mit derselben Waffe [zu] erwidern. Selbst Lenin u. Trotzky hat das Auftrumpfen nur genutzt; denn feig wie der eitle oder dünkelhafte Mensch von Natur ist, lenkt er beim ersten Zeichen des Widerstandes ein. [–] Bahr = Litfaßsäule; auch die Hohlheit stimmt. —© Transcription Marko Deisinger. |
January 14, 1919.
Neue freie Presse : Wilson turns down the trip to the French battlegrounds! Apparently sharp divisions between Wilson and the Entente! 1 — Another American study commission in Vienna! 2 – as I said: first they enter into the war on the basis of specific conceptions, and it turns out that it only afterwards that they seek the conceptions! — "The Battle Against the Spartacists, by Gothein: "… sentimental weakness of the government;" "socialization of the mine a stupid slogan" – In Upper Silesia, a Polish army is being recruited! 3 — The south-Slavic question according to the present situation: "The Case of War with Italy" 4 (important!!). — "American Demand for the Blockade to be Lifted" {56} – from an English source! 5 — "The Costs of the People's Army" 6 (must read!). — Headline: "The Increase in Break-Ins in Vienna." 7 — Neues Wiener Tagblatt : "Russia and the Entente" 8 – outstanding article: the Slavs, who have refused Austria obedience and patriotic faith because they apparently did not want to fight against their Slavic brothers, must now nonetheless wage this battle as disreputable mercenaries – at the behest of the French, from whom they received and are receiving nothing! — Pichon on the question of freedom (according to Der Bund ): Wilson will under no circumstances play the peace dictator, but rather will consent to a solution which represents a compromise between the old and new theories. 9 — Aspirations of independence for the Tyrol; 10 emigration propaganda in the Tyrol (to Argentina!), from cavalry captain Gamillscheg! 11 — Bolshevism in Bohemia! – Address by the leader Muna. – Address by the justice minister Soukup: to be socialistic is not a question of principle, but of the time! 12 — Dr. Kramarz concerning German Bohemia, concerning Wilson's Fourteen Points and their various interpretations on the part of the Germans and the Czechs. 13 — From the English high command in Italy, a train with food arrives for the poor people of Vienna, about twenty carloads, additionally three English officers, 120 men and an English military band 14 (all of whom will now consume more than they have brought!) — The official organ of socialist middle school pupils, the periodical for middle schools, {57} introduction to Karl Marx's "communism," politics, and so on!! 15 — The End of the Tsar's Family 16 (very important!). — Arbeiter-Zeitung : leading article again about elections, "The Ten Millions of Great Capital." 17 — "The Path to Socialism," part 5; 18 strikingly, international politics is ignored! — Neue freie Presse " (evening edition): "Lifting of the Blockade" – a recommendation from the American side. 19 — "Growing Movements Against Imperialism in Italy." 20 — Prof. Hatschek recommends: German-Austrian neutrality. 21 — Der Abend : "Will We Have Another Murder Machine?" 22 – the ass is still set against a military force!! — Were it practical to learn foreign languages, then the Americans, English, and French would do so in the first place. Wilson went to the conference without being in command of the French language and, lo!, the interpreters are doing the same. The teaching of foreign languages at the tenderest age establishes the foundation for depravity of character: the child already believes he is elevated on that basis, etc. Especially in transactions between businessmen, the viewpoint of the practical can, however, be applied just as well to a French or English businessman as to a German. If it is practical for business purposes to have command of foreign languages, then it is not clear why it must not also be regarded as practical for a foreign businessman to have command of the German language. Moreover, the Germans represent a population of 80 million, whereas the French and English are far smaller in number. {58} To speak a foreign language means from the outset to cause damage to oneself, politically and thus also materially, given that the moral element plays such a significant role. Even today it would make an immense moral impression if, by secret negotiations on this matter, the law of reciprocity could suddenly be agreed: no French, no English, not at least until, conversely, the French and the English begin to speak German. Even the peace conference would, under the pressure of this moral elevation, see themselves in the role of the vanquished. Already from one person to another it would work in favor of parity, in favor of dignity, if the one were to recognize his dependence on the other. Pride, even amid poverty, deflates the rich man; the latter will immediately become more civil when he sees how the poor man at least preserves his moral bearing. But to give up one's honor in a state of poverty means, if anything, to make oneself doubly poor. It is to be expected that, for instance, the Czechs, who today are copying the French for sake of certain advantages, will terminate their loyalty to these very people as soon as they have the advantages securely in their hands. If one is speaking about manners, then one can hardly imagine anything more indiscreet than Americans and English, more unsophisticated than Italians and Poles. But even apart from this, manners and tact should not be judged by such cheap occasions as, for example, dinners and social gatherings: {59} one only has to observe the tactless behavior of the English and French to have sufficient proof of their inability and lack of good manners. — An Englishman's inability: he deposes kings when he believes that he will gain an advantage from doing so; but since he thinks like a businessman, who identifies advantages to a certain extent with yearly dividends, he in turn causes a great damage to himself which he then seeks to redress by propagating kings. He went along with the Tsar, brought down the Tsar, and would today be happy if he could offer Russia a new Tsar! So he is now offering kings to Portugal, to Poland, to the Czechs, only in order to escape the Bolshevism that he himself brought about by undermining the authority of the Tsar. The German should not rub against the Englishman? On the contrary, he should never cease to rub against him! For have the United States been bashful about rubbing against the English by building a fleet and grabbing the money and goods markets for themselves? Against such a breed of people as the English, the only thing to do is to reply with the same weapon. Even Lenin and Trotsky only made good use of boasting; for as cowardly a vain or arrogant person may be by nature, he will fall into line at the first sign of opposition. [–] Bahr = advertising pillar; even the hollowness [of both] is consistent. —© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Scharfe Gegensätze zwischen Wilson und der Entente. Ablehnung der Reise in das Kriegsgebiet ab," in: Neue Freie Presse, No. 19536, January 14, 1919, morning edition, p. 1. 2 "Die amerikanische Studienkommission in Wien," in: Neue Freie Presse, No. 19536, January 14, 1919, morning edition, p. 1. 3 Georg Gothein, "Der Kampf gegen die Spartakisten," in: Neue Freie Presse, No. 19536, January 14, 1919, morning edition, p. 2. 4 "Die südslawische Frage nach dem jetzigen Stande. Der Kriegsfall mit Italien," in: Neue Freie Presse, No. 19536, January 14, 1919, morning edition, p. 3. 5 "Amerikanische Forderung der Aufhebung der Blockade," in: Neue Freie Presse, No. 19536, January 14, 1919, morning edition, p. 4. 6 "Die Kosten der Volkswehr und der liquidierenden alten Armee," in: Neue Freie Presse, No. 19536, January 14, 1919, morning edition, p. 7. 7 "Die Zunahme der Einbrüche in Wien," in: Neue Freie Presse, No. 19536, January 14, 1919, morning edition, pp. 7-8. 8 "Rußland und die Entente," in: Neues Wiener Tagblatt, No. 13, January 14, 1919, 53rd year, pp. 1-2. 9 "Pichon über die Friedensfrage. Telegramm unsres Berner Korrespondenten," in: Neues Wiener Tagblatt, No. 13, January 14, 1919, 53rd year, p. 3. 10 "Das unabhängige Tirol," in: Neues Wiener Tagblatt, No. 13, January 14, 1919, 53rd year, p. 4. 11 "Auswanderer nach Argentinien," in: Neues Wiener Tagblatt, No. 13, January 14, 1919, 53rd year, p. 4. 12 "Der tschecho-slowakische Staat. Der Bolschewismus in Böhmen," in: Neues Wiener Tagblatt, No. 13, January 14, 1919, 53rd year, p. 4. 13 "Dr. Kramarz über Deutschböhmen," in: Neues Wiener Tagblatt, No. 13, January 14, 1919, 53rd year, p. 4. 14 "Die englische Lebensmittelhilfe für Wien," in: Neues Wiener Tagblatt, No. 13, January 14, 1919, 53rd year, p. 6. 15 "Hand weg von der Jugend!," in: Neues Wiener Tagblatt, No. 13, January 14, 1919, 53rd year, p. 6. 16 "Das Ende der Zarenfamilie. Weitere Mitteilungen," in: Neues Wiener Tagblatt, No. 13, January 14, 1919, 53rd year, p. 6. 17 "Die zehn Millionen des Großkapitals. Bestimmt zur ‚Beeinflussung' der Wahlen," in: Arbeiter-Zeitung, No. 13, January 14, 1919, 31th year, pp. 1-2. 18 "Der Weg zum Sozialismus. 5. Die Vergesellschaftung des Großgrundbesitzes," in: Arbeiter-Zeitung, No. 13, January 14, 1919, 31th year, p. 2. 19 "Die Aufhebung der Blockade. Ein Vorschlag von amerikanischer Seite," in: Neue Freie Presse, No. 19536, January 14, 1919, evening edition, p. 1. 20 "Anwachsen der Strömung gegen den Imperialismus in Italien," in: Neue Freie Presse, No. 19536, January 14, 1919, evening edition, p. 1. 21 Bertold Hatschek, "Friedenspolitik," in: Neue Freie Presse, No. 19536, January 14, 1919, evening edition, p. 2. 22 H., "Werden wir wieder eine Mordmaschine haben?," in: Der Abend, No. 10, January 14, 1919, 5th year, p. 3. |