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rubricated in Heinrich Schenker's hand: "25. IV. 22 / Frankf. Ztg."

Musiker-Faksimiles

Seit 1 Erich Prieger vor etwa einem Vierteljahrhundert – 1895 – als wohl erste Faksimile-Ausgabe eines Musikwerkes Beethovens As-dur-Sonate op. 26 im Lichtdruck veröffentlichte, hat es lange gedauert, bis andere ähnliche Publikationen unternommen wurden. Erst 1913 folgten zwei bedeutende Reproduktionen: Mozarts Requiem , von Alfred Schnerich herausgegeben, und ein im Besitze der Familie Engelmann befindliches Skizzenbuch Beethovens. Dann hat der Krieg den Wagemut auf diesem Gebiet unterbunden.

Man könnte fragen, warum es nötig oder auch nur wünschenswert sei, gerade Musikerhandschriften zu publizieren, ob hier nicht, wie bei anderen Luxusdrucken, lediglich ein snobistisch bibliophiles Interesse gezüchtet werde. Die meisten Exemplare der erwähnten Veröffentlichungen sind vermutlich in die Sammlungen begüterter Liebhaber abgewandert, zweifellos liegt aber gerade bei Musikwerken ein besonderer Anlaß vor, sie im Bilde der Handschrift allgemein zugänglich zu machen. Weniger, damit man sich das kuriose Vergnügen machen kann, etwa eine Sonate von Beethoven gewissermaßen aus der Urschrift zu spielen. Es liegt im Notenbild, wie der Komponist es fixiert, ein seltsamer Ausdrucksreiz, der hinausgeht über den Zauber der Wort-Handschrift. Es ist, als ob die geheimnisvolle Abbreviatur der Notenschrift in der persönlichen Fixierung durch den Musiker das Seltsame des tondichterischen Schaffensprozesses mit merkwürdiger Deutlichkeit spiegelte, als ob zudem in dieser Kurzschrift des Gefühles die Individualität des Künstlers besonders eigentümlich, fast bildhaft stark hervortrete. 2 Gelingt es, musikalische Handschriften in Abbildungen einem größeren Kreise von Menschen zugänglich zu machen, so werden diese daraus, falls sie überhaupt zu sehen verstehen, ein lebendigeres Verhältnis zu Werken, zu Musikern, zur Musik überhaupt bekommen. Abgesehen davon ist es erwünscht, gegenüber den meist durch instruktive oder andere Bemerkungen verunzierten Ausgaben von Musikwerken die Original-Fassung zu kennen und sie durch Reproduktion vor Zerstörungsgefahr geschützt zu wissen.

Es ist demnach zu begrüßen, daß jetzt zwei große deutsche Verlagsfirmen mit der Veröffentlichung je einer als Serie gedachten auch der Preißgestaltung [sic] nach allgemein zugänglichen Reihe vom Musik-Faksimiles beginnen. Der „Drei Masken-Verlag“ in München legt einstweilen zwei Bände vor: Mozart s Klaviertrio in E-dur (Köchel-Verz. No. 542) und Joh. Seb. Bach Bachs „Kreuzstab“-Kantate. Beide sind auf gutem, festem Papier gedruckt, im Originalformat der Handschriften gehalten. Die Reproduktion ist vorzüglich und klar, nur von der Wiedergabe der Original-Umrandung, wie Prieger und die älteren Faksimiledrucke sie ausweisen, hat man abgesehen. Außer einer kurzen Verlagsnotiz am Schluß wird erfreulicherweise kein Text gegeben, feste Pappdeckel in archaisierendem Charakter bilden den Einband, so daß das Ganze sich in Idee und Ausführung einheitlich und gelungen darstellt.

Zu gleicher Zeit veröffentlicht die „Universal-Edition“ in Wien Faksimile Drucke von Beethoven s cis-moll-Sonate op. 27 3 und von drei Liedern von Brahms „Mainacht“ , „Sapphische Ode“ und „Nachtwandler“ . 4 Die technische Ausführung der Reproduktion ist auch hier zu loben, weniger günstig präsentiert sich die äußere Aufmachung. Schon daß man dem Beethovenschen Werk den Titelausdruck „Mondschein-Sonate“ nicht ersparen zu dürfen glaubte, ist zu bedauern. 5 Unerfreulicher noch wirken bei Faksimile-Drucken, bei denen jeder Betrachter den unmittelbaren Kontakt mit dem Autor sucht, die ebenso überflüssigen wie unergiebigen Einleitungen der Herausgeber: sowohl Kalbecks weitschweifig schwülstige Auslassungen über Brahms, als auch die läppischen Bemerkungen Schenkers über Beethovens Autograph samt seiner „Urlinie“. Wenn man dergleichen persönliche Expektorationen überhaupt publizieren will, so sind sie zum mindesten bei diesem Anlaß unangebracht und stören den Eindruck gerade einer solchen Publikation. 6

P. B.

© Transcription Ian Bent, 2010

Music Facsimiles

About 1 a quarter of a century ago, in 1895, Erich Prieger published what was probably the first facsimile edition of a musical composition: [the autograph manuscript] of Beethoven's Sonata in A-flat major, Op. 26 , in collotype. After that, there was a long gap before other publications of this sort were undertaken: not until 1913 did two important reproductions appear: Mozart's Requiem , edited by Alfred Schnerich, and a sketchbook of Beethoven’s in the possession of the Engelmann family. The War then prevented any bold ventures along these lines.

One might well ask why it is necessary, or indeed even desirable, to publish musical manuscripts in particular; whether in this case, as with other luxury publications, it does not merely pander to a snobbish bibliophilic interest. Most of the copies of the above publications have probably found their way into the collections of well-to-do connoisseurs, but there would without doubt be specially good reason, where musical compositions are concerned, to make manuscripts generally accessible in reproduction. Less so, that one might experience the curious pleasure of, say, playing a Beethoven sonata, as it were, from the original document. There lies in the arrangement of the musical notation, as fixed by the composer, a mysterious expressive charm that exceeds the magic of a literary manuscript. It is as if the secret lapidary notation, set down in the musician's personal handwriting, mirrored the mystery of the creative process with remarkable clarity and, moreover, the shorthand of feeling brought the artist's individuality to the fore in an especially characteristic, almost pictorial way. 2 If one succeeds in making musical manuscripts accessible in reproductions to a larger circle of people, then – assuming that they are capable at all of seeing – they will derive from them a more living relationship to works, to composers, and to music in general. Beyond this, it is desirable to know the original version of a musical work, to set against editions that have generally been marred by instructive remarks and other comments, and to know that they are protected by facsimile reproduction from the danger of being destroyed.

Accordingly, it is welcome news that two large German publishing firms are embarking on the publication of a series of music facsimiles, each one serially conceived, and what is more accessible to all in terms of its pricing policy. Drei Masken-Verlag of Munich has recently issued out two volumes, Mozart 's Piano Trio in E major, K. 542 , and Johann Sebastian Bach 's "Kreuzstab" Cantata . Both are printed on good, sturdy paper, preserving the original format of the manuscripts. The reproduction is excellent and clear; only the the original edges of the page, which are clearly presented in Prieger’s and the other early facsimile editions, are not shown. Apart from a short publisher's note at the end, there is, fortunately, no text. Strong pasteboards of antiquarian character make up the binding, so that the whole is presented homogeneously and successfully in concept and realization.

At the same time, Universal Edition of Vienna has published facsimile prints of Beethoven's C-sharp minor Sonata, Op. 27 [No. 2] 3 and of three songs by Brahms, "Mainacht," "Sapphische Ode," and "Nachtwandler." 4 The technical execution of the reproduction here, too, is laudable, but the external make-up is less auspiciously handled. For a start, I regret that it was considered appropriate to include the expression "'Moonlight' Sonata" in the title of Beethoven’s work. 5 Still more unwelcome with facsimile prints, in which each beholder seeks unmediated contact with the composer, is the effect of superfluous and sterile introductions by the editors: Kalbeck's prolixly turgid expatiations about Brahms just as much so as the fatuous comments by Schenker on Beethoven's autograph, together with his "Urlinie." If such personal expectorations have to be published at all, then at least they are out of place in this context, and actually spoil the impression of such a publication. 6

P. B.

© Translation Ian Bent & William Drabkin, 2010

Musiker-Faksimiles

Seit 1 Erich Prieger vor etwa einem Vierteljahrhundert – 1895 – als wohl erste Faksimile-Ausgabe eines Musikwerkes Beethovens As-dur-Sonate op. 26 im Lichtdruck veröffentlichte, hat es lange gedauert, bis andere ähnliche Publikationen unternommen wurden. Erst 1913 folgten zwei bedeutende Reproduktionen: Mozarts Requiem , von Alfred Schnerich herausgegeben, und ein im Besitze der Familie Engelmann befindliches Skizzenbuch Beethovens. Dann hat der Krieg den Wagemut auf diesem Gebiet unterbunden.

Man könnte fragen, warum es nötig oder auch nur wünschenswert sei, gerade Musikerhandschriften zu publizieren, ob hier nicht, wie bei anderen Luxusdrucken, lediglich ein snobistisch bibliophiles Interesse gezüchtet werde. Die meisten Exemplare der erwähnten Veröffentlichungen sind vermutlich in die Sammlungen begüterter Liebhaber abgewandert, zweifellos liegt aber gerade bei Musikwerken ein besonderer Anlaß vor, sie im Bilde der Handschrift allgemein zugänglich zu machen. Weniger, damit man sich das kuriose Vergnügen machen kann, etwa eine Sonate von Beethoven gewissermaßen aus der Urschrift zu spielen. Es liegt im Notenbild, wie der Komponist es fixiert, ein seltsamer Ausdrucksreiz, der hinausgeht über den Zauber der Wort-Handschrift. Es ist, als ob die geheimnisvolle Abbreviatur der Notenschrift in der persönlichen Fixierung durch den Musiker das Seltsame des tondichterischen Schaffensprozesses mit merkwürdiger Deutlichkeit spiegelte, als ob zudem in dieser Kurzschrift des Gefühles die Individualität des Künstlers besonders eigentümlich, fast bildhaft stark hervortrete. 2 Gelingt es, musikalische Handschriften in Abbildungen einem größeren Kreise von Menschen zugänglich zu machen, so werden diese daraus, falls sie überhaupt zu sehen verstehen, ein lebendigeres Verhältnis zu Werken, zu Musikern, zur Musik überhaupt bekommen. Abgesehen davon ist es erwünscht, gegenüber den meist durch instruktive oder andere Bemerkungen verunzierten Ausgaben von Musikwerken die Original-Fassung zu kennen und sie durch Reproduktion vor Zerstörungsgefahr geschützt zu wissen.

Es ist demnach zu begrüßen, daß jetzt zwei große deutsche Verlagsfirmen mit der Veröffentlichung je einer als Serie gedachten auch der Preißgestaltung [sic] nach allgemein zugänglichen Reihe vom Musik-Faksimiles beginnen. Der „Drei Masken-Verlag“ in München legt einstweilen zwei Bände vor: Mozart s Klaviertrio in E-dur (Köchel-Verz. No. 542) und Joh. Seb. Bach Bachs „Kreuzstab“-Kantate. Beide sind auf gutem, festem Papier gedruckt, im Originalformat der Handschriften gehalten. Die Reproduktion ist vorzüglich und klar, nur von der Wiedergabe der Original-Umrandung, wie Prieger und die älteren Faksimiledrucke sie ausweisen, hat man abgesehen. Außer einer kurzen Verlagsnotiz am Schluß wird erfreulicherweise kein Text gegeben, feste Pappdeckel in archaisierendem Charakter bilden den Einband, so daß das Ganze sich in Idee und Ausführung einheitlich und gelungen darstellt.

Zu gleicher Zeit veröffentlicht die „Universal-Edition“ in Wien Faksimile Drucke von Beethoven s cis-moll-Sonate op. 27 3 und von drei Liedern von Brahms „Mainacht“ , „Sapphische Ode“ und „Nachtwandler“ . 4 Die technische Ausführung der Reproduktion ist auch hier zu loben, weniger günstig präsentiert sich die äußere Aufmachung. Schon daß man dem Beethovenschen Werk den Titelausdruck „Mondschein-Sonate“ nicht ersparen zu dürfen glaubte, ist zu bedauern. 5 Unerfreulicher noch wirken bei Faksimile-Drucken, bei denen jeder Betrachter den unmittelbaren Kontakt mit dem Autor sucht, die ebenso überflüssigen wie unergiebigen Einleitungen der Herausgeber: sowohl Kalbecks weitschweifig schwülstige Auslassungen über Brahms, als auch die läppischen Bemerkungen Schenkers über Beethovens Autograph samt seiner „Urlinie“. Wenn man dergleichen persönliche Expektorationen überhaupt publizieren will, so sind sie zum mindesten bei diesem Anlaß unangebracht und stören den Eindruck gerade einer solchen Publikation. 6

P. B.

© Transcription Ian Bent, 2010

Music Facsimiles

About 1 a quarter of a century ago, in 1895, Erich Prieger published what was probably the first facsimile edition of a musical composition: [the autograph manuscript] of Beethoven's Sonata in A-flat major, Op. 26 , in collotype. After that, there was a long gap before other publications of this sort were undertaken: not until 1913 did two important reproductions appear: Mozart's Requiem , edited by Alfred Schnerich, and a sketchbook of Beethoven’s in the possession of the Engelmann family. The War then prevented any bold ventures along these lines.

One might well ask why it is necessary, or indeed even desirable, to publish musical manuscripts in particular; whether in this case, as with other luxury publications, it does not merely pander to a snobbish bibliophilic interest. Most of the copies of the above publications have probably found their way into the collections of well-to-do connoisseurs, but there would without doubt be specially good reason, where musical compositions are concerned, to make manuscripts generally accessible in reproduction. Less so, that one might experience the curious pleasure of, say, playing a Beethoven sonata, as it were, from the original document. There lies in the arrangement of the musical notation, as fixed by the composer, a mysterious expressive charm that exceeds the magic of a literary manuscript. It is as if the secret lapidary notation, set down in the musician's personal handwriting, mirrored the mystery of the creative process with remarkable clarity and, moreover, the shorthand of feeling brought the artist's individuality to the fore in an especially characteristic, almost pictorial way. 2 If one succeeds in making musical manuscripts accessible in reproductions to a larger circle of people, then – assuming that they are capable at all of seeing – they will derive from them a more living relationship to works, to composers, and to music in general. Beyond this, it is desirable to know the original version of a musical work, to set against editions that have generally been marred by instructive remarks and other comments, and to know that they are protected by facsimile reproduction from the danger of being destroyed.

Accordingly, it is welcome news that two large German publishing firms are embarking on the publication of a series of music facsimiles, each one serially conceived, and what is more accessible to all in terms of its pricing policy. Drei Masken-Verlag of Munich has recently issued out two volumes, Mozart 's Piano Trio in E major, K. 542 , and Johann Sebastian Bach 's "Kreuzstab" Cantata . Both are printed on good, sturdy paper, preserving the original format of the manuscripts. The reproduction is excellent and clear; only the the original edges of the page, which are clearly presented in Prieger’s and the other early facsimile editions, are not shown. Apart from a short publisher's note at the end, there is, fortunately, no text. Strong pasteboards of antiquarian character make up the binding, so that the whole is presented homogeneously and successfully in concept and realization.

At the same time, Universal Edition of Vienna has published facsimile prints of Beethoven's C-sharp minor Sonata, Op. 27 [No. 2] 3 and of three songs by Brahms, "Mainacht," "Sapphische Ode," and "Nachtwandler." 4 The technical execution of the reproduction here, too, is laudable, but the external make-up is less auspiciously handled. For a start, I regret that it was considered appropriate to include the expression "'Moonlight' Sonata" in the title of Beethoven’s work. 5 Still more unwelcome with facsimile prints, in which each beholder seeks unmediated contact with the composer, is the effect of superfluous and sterile introductions by the editors: Kalbeck's prolixly turgid expatiations about Brahms just as much so as the fatuous comments by Schenker on Beethoven's autograph, together with his "Urlinie." If such personal expectorations have to be published at all, then at least they are out of place in this context, and actually spoil the impression of such a publication. 6

P. B.

© Translation Ian Bent & William Drabkin, 2010

Footnotes

1 This review, by Paul Bekker, was published in the Frankfurter Zeitung April 25, 1922, and a clipping is preserved in Schenker's scrapbook at OC 2/p. 60. The article is in two paragraphs, each of which have been subdivided into two paragraphs for ease of reading.

2 "Es liegt im Notenbild … stark hervortrete." ("There lies in the arrangement … almost pictorial way."): picked out by Schenker with round brackets.

3 L. van Beethoven, Sonata op. 27, n. 2 (Die sogenannte Mondscheinsonate). Mit drei Skizzenblättern des Meisters, herausgegeben in Faksimile-Reproduktion von Heinrich Schenker, Musikalische Seltenheiten: Wiener Liebhaberdrucke, gen. ed. Otto Erich Deutsch, vol. I (Vienna: UE, 1921)

4 Johannes Brahms, Drei Lieder, "Mainacht", "Sapphische Ode", "Nachtwandler", nach der Handschrift aus eigenem Besitz faksimiliert herausgegeben von Max Kalbeck, Musikalische Seltenheiten: Wiener Liebhaberdrucke, gen. ed. Otto Erich Deutsch, vol. III (Vienna: UE, 1922?).

5 In his Beethoven book of 1912, Bekker had systematically avoided the expression "'Moonlight' Sonata." Given, however, that the sonata was universally known by this title, he is perhaps being unfair to Schenker, whose locution "the so-called" implies that he, too, distanced himself from the work’s apocryphal nickname.

6 Schenker's diary for April 28, 1922 has: " To Deutsch (letter): "[…] I draw his attention to Bekker's attack" (OJ 3/3, p. 2428). — Schenker, who had criticized Bekker's work repeatedly between 1913 and 1920, prepared a response to Bekker's 1922 review (as part of a longer essay entitled "Music Criticism") for publication in the "Miscellanea" of Der Tonwille Heft 2. However, Hertzka at Universal Edition suppressed the entire essay and it remained unpublished. An English translation is available, translated by William Drabkin, in Der Tonwille: Pamphlets/Quarterly Publication …, vol. II (New York: Oxford University Press, 2005), pp. 161–65.