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OC 54/333-336 - Handwritten letter (copy) from Schenker to Klenau, dated October 9‒10, 1923
Auch mir ergeht es wie Ihnen. 2 Fahren wir indessen fort, in diese Sonne zu schauen, ein Sonnenbrand droht uns nicht, nur Genesung winkt . . 1.) Aller Vortrag hängt mit der Tongebung
zusammen; eine dicke, schwülstige, aufgeblasene macht verweilen, eine lüftige schlanke
fließt, eilt usw. Im ersten Satz der III. ist die originale metronomische Bezeichnung
[dotted half-note] = 60 gar nicht so
übel, aber wehe wenn das Vlc. sich gleich festsaugt u. sein Motiv so
genießt, als sie mit Motivende auch die Sinfonie zuende. Es ist nicht
zu viel gesagt, daß nur das Vlc. über das Wohl u. Wehe des Satzes entscheidet. Aber ‒ hier
liegt die unüberwindliche Schwierigkeit ‒ wie kann man einen Instrumentalisten[,] ein Orchester weithörig machen?
Meines Erachtens ist das Tempo durchzuführen möglich, einschließlich
sogar der von Ihnen zitierten Stellen des 2.
Gedankens u. es wäre dazu zu raten. Um sich durchaus hineinzuhelfen, könnte man
sich übungsweise den Hauptgedanken in drei
Viertaktern vorstellen ‒ ein Schlag
per
Viertel [recte
Takt]
‒ u. man erhält, vorausgesetzt, daß der Cellist (ungefähr angedeutet) so
spielt: 2.) Die metronomische Bezeichnung des 2. Satzes: [quarter-note] = 80 stimmt annähernd in den Gruppen T. 17ff., im maggiore, {335} in der Fuge, ja sogar in der Wiederholung T. 173ff. Ich sage annähernd, nur der Anfang fügt sich nicht, er braucht aber auch etwa [quarter-note] = 60. In der revidierten Abschrift fand ich in T. 20 über den beiden b 1 der Vl. I gewaltige Keile (staccato-Keile): dieses Emporschleudern auch des Viertels b (freilich nicht kalt abwerfend sondern auslautend [sic]) deutet auf einen wühlenden aktiven Schmerz: dazu die weiten Bogen, die unsere Partituren gar nicht mehr kennen (!) [cued from lower margin:] Soeben schicke ich dem Philharmonischen Verlag Korrekturen zu der schon gedruckten V. Sinfonie 3 zu, Sie würden Ihr Antlitz verhüllen.[end cue] Es scheint also, daß Beethoven nicht etwa einen Trauermarsch hat malen wollen, sondern Trauer dachte, litt, vor unseren Augen gleichsam, nur in seiner Weise weit auch in den Trauerwellen. pp , sotto voce zu Anfang scheint das zu bestätigen, da sie das leichte Fortziehen der Wellen fördern. (Wir freilich mochten in jedem [32nd-note] versinken „ . . verweile doch, du bist so schön“. 4 ) Ich glaube aber, daß wir den Anfang so nicht mehr erreichen, wie ihn Beethoven empfunden haben mochte, dagegen von T. 17 ab läßt sich die Trauer auch in seinem Sinn be- {336} wegter gestalten. Jedenfalls geht das maggiore. 3.) Das Scherzo ist schnell, die metronomische Anweisung stimmt. Auch das Trio. Es hat ein Fernziel, das sf in T. 70 (des Trio!). Keine Hast aber, namentlich nicht in den Achteln (T. 9 usw.), auch nicht bei den Hörnern im Trio, die freilich darnach blasen müssen. Aber, aber . . . . Nun ja, es ginge endlos, aber trotz Sonntag muß doch schließen © Transcription Ian Bent, 2013 |
I feel the same way as you. 2 In the meantime, let us journey on, to gaze into this sun; sunburn is no threat to us, only recovery beckons . . 1.) All performance is closely linked to sound
texture: a thick, turgid, overblown texture makes for lingering, an airy, lithe
texture flows, hurries, etc. In the first movement of the Third [Symphony]
the original metronome marking dotted
half-note = 60 is really not so bad, but woe betide if the cellos immediately slow up and
savor their motive, as if the symphony finished at the end of the
motive. It cannot be said too often that the cellos alone decide the
weal and woe of the movement. But ‒ and here lies the insurmountable difficulty ‒ how can
long-range hearing be inculcated into an instrumentalist, an
orchestra? In my opinion it is possible to sustain the tempo
throughout, including even the passage that you cite from the second
subject, and moreover one would be advised to do so. In order to help achieve
this completely, one could for practice imagine the main subject in
three four-measure groups ‒ one beat
per
quarter [recte
measure]
‒ and, provided that the cellos (approximately indicated) play this: 2.) The metronome marking of the second movement, quarter-note = 80 works is approximately right in the groups mm. 17ff in the Maggiore, {335} in the fugue, indeed even in the reprise at mm. 173ff. I say approximately: only the opening does not conform: it certainly needs to be about quarter-note = 60. In the revised copy at m. 20, I found above the two Bę 1s in violin I strong wedges (staccato wedges): this flinging upward of the Bę (certainly not to be thrown off coldly, but vehemently sustained) conveys an agitated, active pain, together with long slurs, unknown in our scores these days (!) [cued from lower margin:] At this very moment I am sending the Philharmonischer Verlag corrections to the Fifth Symphony, which has already been published. 3 You would cover your face.[end cue] So it seems that Beethoven was not so much aiming to depict a funeral march, as that he was contemplating, suffering sorrow, almost before our very eyes, only after his own manner in broad wellings-up of sorrow. The pp sotto voce at the opening seems to confirm that, since these markings promote the gentle pulling of the waves. (We might indeed linger on each 32nd-note ". . tarry a while, thou art so beautiful." 4 ) However, I believe that we can no longer replicate the beginning as Beethoven may have felt it. By contrast, from m. 17 onward the spirit of the sorrow can be rendered with greater movement. {336} At any rate, the major section moves on faster. 3.) The Scherzo is fast, the metronome marking is just right. The Trio, too. It has a distant goal, the sf in m. 70 (of the Trio!). But [there should be] no rushing, especially not in the eighth-notes (m. 9 etc), also not in the French horns in the Trio, which must of course play accordingly. But, but . . . . But now, this could go on for ever, but ‒ even though it is Sunday ‒ I must close. © Translation Ian Bent, 2013 |
Auch mir ergeht es wie Ihnen. 2 Fahren wir indessen fort, in diese Sonne zu schauen, ein Sonnenbrand droht uns nicht, nur Genesung winkt . . 1.) Aller Vortrag hängt mit der Tongebung
zusammen; eine dicke, schwülstige, aufgeblasene macht verweilen, eine lüftige schlanke
fließt, eilt usw. Im ersten Satz der III. ist die originale metronomische Bezeichnung
[dotted half-note] = 60 gar nicht so
übel, aber wehe wenn das Vlc. sich gleich festsaugt u. sein Motiv so
genießt, als sie mit Motivende auch die Sinfonie zuende. Es ist nicht
zu viel gesagt, daß nur das Vlc. über das Wohl u. Wehe des Satzes entscheidet. Aber ‒ hier
liegt die unüberwindliche Schwierigkeit ‒ wie kann man einen Instrumentalisten[,] ein Orchester weithörig machen?
Meines Erachtens ist das Tempo durchzuführen möglich, einschließlich
sogar der von Ihnen zitierten Stellen des 2.
Gedankens u. es wäre dazu zu raten. Um sich durchaus hineinzuhelfen, könnte man
sich übungsweise den Hauptgedanken in drei
Viertaktern vorstellen ‒ ein Schlag
per
Viertel [recte
Takt]
‒ u. man erhält, vorausgesetzt, daß der Cellist (ungefähr angedeutet) so
spielt: 2.) Die metronomische Bezeichnung des 2. Satzes: [quarter-note] = 80 stimmt annähernd in den Gruppen T. 17ff., im maggiore, {335} in der Fuge, ja sogar in der Wiederholung T. 173ff. Ich sage annähernd, nur der Anfang fügt sich nicht, er braucht aber auch etwa [quarter-note] = 60. In der revidierten Abschrift fand ich in T. 20 über den beiden b 1 der Vl. I gewaltige Keile (staccato-Keile): dieses Emporschleudern auch des Viertels b (freilich nicht kalt abwerfend sondern auslautend [sic]) deutet auf einen wühlenden aktiven Schmerz: dazu die weiten Bogen, die unsere Partituren gar nicht mehr kennen (!) [cued from lower margin:] Soeben schicke ich dem Philharmonischen Verlag Korrekturen zu der schon gedruckten V. Sinfonie 3 zu, Sie würden Ihr Antlitz verhüllen.[end cue] Es scheint also, daß Beethoven nicht etwa einen Trauermarsch hat malen wollen, sondern Trauer dachte, litt, vor unseren Augen gleichsam, nur in seiner Weise weit auch in den Trauerwellen. pp , sotto voce zu Anfang scheint das zu bestätigen, da sie das leichte Fortziehen der Wellen fördern. (Wir freilich mochten in jedem [32nd-note] versinken „ . . verweile doch, du bist so schön“. 4 ) Ich glaube aber, daß wir den Anfang so nicht mehr erreichen, wie ihn Beethoven empfunden haben mochte, dagegen von T. 17 ab läßt sich die Trauer auch in seinem Sinn be- {336} wegter gestalten. Jedenfalls geht das maggiore. 3.) Das Scherzo ist schnell, die metronomische Anweisung stimmt. Auch das Trio. Es hat ein Fernziel, das sf in T. 70 (des Trio!). Keine Hast aber, namentlich nicht in den Achteln (T. 9 usw.), auch nicht bei den Hörnern im Trio, die freilich darnach blasen müssen. Aber, aber . . . . Nun ja, es ginge endlos, aber trotz Sonntag muß doch schließen © Transcription Ian Bent, 2013 |
I feel the same way as you. 2 In the meantime, let us journey on, to gaze into this sun; sunburn is no threat to us, only recovery beckons . . 1.) All performance is closely linked to sound
texture: a thick, turgid, overblown texture makes for lingering, an airy, lithe
texture flows, hurries, etc. In the first movement of the Third [Symphony]
the original metronome marking dotted
half-note = 60 is really not so bad, but woe betide if the cellos immediately slow up and
savor their motive, as if the symphony finished at the end of the
motive. It cannot be said too often that the cellos alone decide the
weal and woe of the movement. But ‒ and here lies the insurmountable difficulty ‒ how can
long-range hearing be inculcated into an instrumentalist, an
orchestra? In my opinion it is possible to sustain the tempo
throughout, including even the passage that you cite from the second
subject, and moreover one would be advised to do so. In order to help achieve
this completely, one could for practice imagine the main subject in
three four-measure groups ‒ one beat
per
quarter [recte
measure]
‒ and, provided that the cellos (approximately indicated) play this: 2.) The metronome marking of the second movement, quarter-note = 80 works is approximately right in the groups mm. 17ff in the Maggiore, {335} in the fugue, indeed even in the reprise at mm. 173ff. I say approximately: only the opening does not conform: it certainly needs to be about quarter-note = 60. In the revised copy at m. 20, I found above the two Bę 1s in violin I strong wedges (staccato wedges): this flinging upward of the Bę (certainly not to be thrown off coldly, but vehemently sustained) conveys an agitated, active pain, together with long slurs, unknown in our scores these days (!) [cued from lower margin:] At this very moment I am sending the Philharmonischer Verlag corrections to the Fifth Symphony, which has already been published. 3 You would cover your face.[end cue] So it seems that Beethoven was not so much aiming to depict a funeral march, as that he was contemplating, suffering sorrow, almost before our very eyes, only after his own manner in broad wellings-up of sorrow. The pp sotto voce at the opening seems to confirm that, since these markings promote the gentle pulling of the waves. (We might indeed linger on each 32nd-note ". . tarry a while, thou art so beautiful." 4 ) However, I believe that we can no longer replicate the beginning as Beethoven may have felt it. By contrast, from m. 17 onward the spirit of the sorrow can be rendered with greater movement. {336} At any rate, the major section moves on faster. 3.) The Scherzo is fast, the metronome marking is just right. The Trio, too. It has a distant goal, the sf in m. 70 (of the Trio!). But [there should be] no rushing, especially not in the eighth-notes (m. 9 etc), also not in the French horns in the Trio, which must of course play accordingly. But, but . . . . But now, this could go on for ever, but ‒ even though it is Sunday ‒ I must close. © Translation Ian Bent, 2013 |
Footnotes
1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 3/6, pp. 2579‒2580:
September 7, 1923: "An Klenau (Br., kopiert): stelle die Tongebung als Voraussetzung für
das Zeitmaß voran; erkläre die metronomische Bezeichnung des 1. Satzes für zutreffend;
sie ist durchführbar auch beim 2. Gedanken u. verursacht an sich noch keine Hast.
Charakterisiere den Satz im Großen, erwähne einige Einzelheiten, wie die sf, einige
Vl.-Figuren usw. In Bezug auf den 2. Satz gebe ich zu, daß der Anfang eher [eighth-note] = 60 vertrüge, doch scheint es,
daß Beethoven weniger einen Trauermarsch habe malen wollen, als eine Trauer empfunden u.
gelitten zu haben; die unmittelbare Schmerzempfindung drückt sich z. B. in den Keilen
bei T. 21 in den weiten Bogen aus. Das originale Zeitmaß trifft in den meisten Partien
zu, nur gerade für den Anfang nicht – usw." 2 This letter responds to OJ 12/11, [4]. 3 The Philharmonischer Verlag, founded in 1923, brought out a miniature score of Beethoven’s Fifth Symphony as the first publication in their Philharmonia series. Having recently completed his essay on the Fifth Symphony for Der Tonwille, which included a close reading of the autograph score and first edition, Schenker was sending them – presumably unsolicited ‒ corrections for a revised imprint. Schenker’s personal copy of the Philharmonia score, OC Miniature Scores No. 6, contains textual corrections on most of its pages. 4 Goethe, Faust, Part II, line 1,700, also quoted elsewhere in Schenker's correspondence. |
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Commentary
Digital version created: 2019-09-01 |