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OJ 10/1, [95] - Handwritten letter from Dahms to Schenker, undated, presumably late June or early July, 1926
[To left of page:]
Ständige Adresse: Milano (2) Stenopost Nr. 67 Via Silvio Pellico 6 [To right of page:] bis Ende Sept. zur Zeit: Beaulieu/s. Mer (A. [illeg]) Impasse Baous Lieber und verehrter Meister! 1 Sehr lange habe ich nichts von mir hören lassen. Nach dem verunglückten Verlags-Unternehmen, gescheitert in einer Welt, die nur noch für Politik, Geschäft und Sport lebt, sind wir zu Freunden hierher nach Südfrankreich gegangen, wo wir viel, viel Sonnenschein genossen haben und uns der Gesellschaft von lieben Menschen (Nichtfranzosen) erfreuten. Der Stumpfsinn d ist überall derselbe. Ich finde, dass die Deutschen und Franzosen erschreckende Ähnlichkeit besitzen und zwar – leider nur in ihren schlechten, einem überlegenen Kopf widerstrebene Eigenschaften – daher die „Erbfeindschaft.“ Sie t sehen sich gegenseitig, scheint’s, nur ihre Dummheiten und Beschänktheiten ab und dabei übersehen sie das Gute. Jedoch, die „Barbarei“ ist eine internationale Krankheit. – Ich begehe nun binnen kurzem mein 15 jähriges erfolgloses Scheidungsjubiläum. Heil dem Lande und den wackeren graubärtigen „moral“-treifenden Männern, die mir diese „Freude“ als „Richter“ beschert haben. Dies: der „Dank des Vaterlandes“ für seine treuesten Söhne: 15 Jahre ohne Ruhe, ohne Heim, ohne die elementarsten Menschen rechte! So will es die deutsche Kanaille in ihrer niederträchtigsten aller niederträchtigsten Gesinnungen: Doch es kommt ein Tag der Rache. {2} Denn, gottseidank, ich kann schreiben. Meine grösseren Arbeiten ruhen so gut wie ganz. Mancherlei Pläne sind in der Entwicklung. Zunächst gehen wir noch einmal nach Mailand, vielleicht nur für ein paar Wintermonate, bis uns die deutschen Spürhunde wieder entdeckt haben, vielleicht auch für längere Zeit. Von dort aus „versorge“ ich wieder meine Zeitungen. Wie weit ist Jb. II? Lassen Sie bitte das fertige Exemp. an meine obige Mailänder Adresse gehen. Ich freue mich innig darauf. – Vrieslander schrieb mir aus Neapel. Er wird nach Wien kommen, der Glückliche. Aber wann werde ich Sie einmal sehen? Wir sprechen oft von Ihnen und denken an Sie, wenn wir etwas Gutes denken. Seien Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin auf das herzlichste gegrüsst von meiner Frau, der kleinen Gilda und Ihrem immer ergebenen [signed:] Walter Dahms © Transcription John Koslovsky, 2012 |
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Permanent address: Milan (2) Steno Post Nr. 67 Via Silvio Pellico 6 [To right of page:] until the end of September: c/o Beaulieu sur Mer (A. [illeg]) Impasse Baous Dear and revered Master, 1 For a long time now I have not been in touch. After the unsuccessful publishing company endeavor, which failed in a world that lives only for politics, business, and sports, we went to visit friends of ours in southern France. There we enjoyed lots of sunshine and the company of wonderful people (non-French). Apathy is the same everywhere. I find that the Germans and the French share a frightening similarity – unfortunately to a superior mind only in their poor conflicting qualities – that of "hereditary enmity." They see themselves as contradictory, but it betrays only their stupidity and narrow-mindedness and thereby they overlook what is good. However, "barbarism" is an international disease. – I will shortly be celebrating the fifteen-year anniversary of my unsuccessful attempt at a divorce. Praise the land and the valiant grey-bearded "morality"-dripping men who have granted me this "joy" as "judge." This: the "gratitude of the homeland" for its most trustworthy sons: fifteen years without peace, without a home, without basic human rights! This is what the German scoundrel of the most dreadful of all dreadful attitudes wants: but the day of revenge will come. {2} Because, thank goodness, I can write. My major works are more or less completely at a standstill. Various plans are in development. First we will go to Milan, perhaps just for a couple of months in the winter, until the German hounds have tracked us down, perhaps longer. From there I will again "take care" of my newspapers. How far along is Yearbook 2? Please send the copy to my above address in Milan. I really look forward to seeing it. – Vrieslander wrote to me from Naples. He will go to Vienna, how fortunate for him. But when will I see you once again? We speak of you often and think of you when good thoughts come to mind. To you and your dear wife, most cordial greetings from my wife, little Gilda, and your ever-devoted [signed:] Walter Dahms © Translation John Koslovsky, 2012 |
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Ständige Adresse: Milano (2) Stenopost Nr. 67 Via Silvio Pellico 6 [To right of page:] bis Ende Sept. zur Zeit: Beaulieu/s. Mer (A. [illeg]) Impasse Baous Lieber und verehrter Meister! 1 Sehr lange habe ich nichts von mir hören lassen. Nach dem verunglückten Verlags-Unternehmen, gescheitert in einer Welt, die nur noch für Politik, Geschäft und Sport lebt, sind wir zu Freunden hierher nach Südfrankreich gegangen, wo wir viel, viel Sonnenschein genossen haben und uns der Gesellschaft von lieben Menschen (Nichtfranzosen) erfreuten. Der Stumpfsinn d ist überall derselbe. Ich finde, dass die Deutschen und Franzosen erschreckende Ähnlichkeit besitzen und zwar – leider nur in ihren schlechten, einem überlegenen Kopf widerstrebene Eigenschaften – daher die „Erbfeindschaft.“ Sie t sehen sich gegenseitig, scheint’s, nur ihre Dummheiten und Beschänktheiten ab und dabei übersehen sie das Gute. Jedoch, die „Barbarei“ ist eine internationale Krankheit. – Ich begehe nun binnen kurzem mein 15 jähriges erfolgloses Scheidungsjubiläum. Heil dem Lande und den wackeren graubärtigen „moral“-treifenden Männern, die mir diese „Freude“ als „Richter“ beschert haben. Dies: der „Dank des Vaterlandes“ für seine treuesten Söhne: 15 Jahre ohne Ruhe, ohne Heim, ohne die elementarsten Menschen rechte! So will es die deutsche Kanaille in ihrer niederträchtigsten aller niederträchtigsten Gesinnungen: Doch es kommt ein Tag der Rache. {2} Denn, gottseidank, ich kann schreiben. Meine grösseren Arbeiten ruhen so gut wie ganz. Mancherlei Pläne sind in der Entwicklung. Zunächst gehen wir noch einmal nach Mailand, vielleicht nur für ein paar Wintermonate, bis uns die deutschen Spürhunde wieder entdeckt haben, vielleicht auch für längere Zeit. Von dort aus „versorge“ ich wieder meine Zeitungen. Wie weit ist Jb. II? Lassen Sie bitte das fertige Exemp. an meine obige Mailänder Adresse gehen. Ich freue mich innig darauf. – Vrieslander schrieb mir aus Neapel. Er wird nach Wien kommen, der Glückliche. Aber wann werde ich Sie einmal sehen? Wir sprechen oft von Ihnen und denken an Sie, wenn wir etwas Gutes denken. Seien Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin auf das herzlichste gegrüsst von meiner Frau, der kleinen Gilda und Ihrem immer ergebenen [signed:] Walter Dahms © Transcription John Koslovsky, 2012 |
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Permanent address: Milan (2) Steno Post Nr. 67 Via Silvio Pellico 6 [To right of page:] until the end of September: c/o Beaulieu sur Mer (A. [illeg]) Impasse Baous Dear and revered Master, 1 For a long time now I have not been in touch. After the unsuccessful publishing company endeavor, which failed in a world that lives only for politics, business, and sports, we went to visit friends of ours in southern France. There we enjoyed lots of sunshine and the company of wonderful people (non-French). Apathy is the same everywhere. I find that the Germans and the French share a frightening similarity – unfortunately to a superior mind only in their poor conflicting qualities – that of "hereditary enmity." They see themselves as contradictory, but it betrays only their stupidity and narrow-mindedness and thereby they overlook what is good. However, "barbarism" is an international disease. – I will shortly be celebrating the fifteen-year anniversary of my unsuccessful attempt at a divorce. Praise the land and the valiant grey-bearded "morality"-dripping men who have granted me this "joy" as "judge." This: the "gratitude of the homeland" for its most trustworthy sons: fifteen years without peace, without a home, without basic human rights! This is what the German scoundrel of the most dreadful of all dreadful attitudes wants: but the day of revenge will come. {2} Because, thank goodness, I can write. My major works are more or less completely at a standstill. Various plans are in development. First we will go to Milan, perhaps just for a couple of months in the winter, until the German hounds have tracked us down, perhaps longer. From there I will again "take care" of my newspapers. How far along is Yearbook 2? Please send the copy to my above address in Milan. I really look forward to seeing it. – Vrieslander wrote to me from Naples. He will go to Vienna, how fortunate for him. But when will I see you once again? We speak of you often and think of you when good thoughts come to mind. To you and your dear wife, most cordial greetings from my wife, little Gilda, and your ever-devoted [signed:] Walter Dahms © Translation John Koslovsky, 2012 |
Footnotes1 It is unclear whether receipt if this letter was recorded in Schenker's diary. |
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Commentary
Digital version created: 2012-03-25 |