Browse by
OJ 10/1, [94] - Handwritten letter from Dahms to Schenker, dated June 26, 1926
Innigsten Dank für alles, was Sie mir geschrieben haben. 2 Sie haben das Äusserste getan, was getan werden konnte und auf die Schilderungen Ihres Herrn Bruder, der die Verhältnisse ganz sicher von der Quelle aller Übel her kennt, wäre auch die geringste Frage in meiner Angelegenheit überflüssig und – lächerlich gewesen. Es tut mir nur leid, Ihnen überhaupt eine solche Frage vorgelegt zu haben. Hätte ich geahnt, wie die Dingen liegen, so wäre dies unter keinen Umständen geschehen. Verzeihen Sie mir. – Hoboken’s Verhalten ist klassisch. Ihre messerscharfe Psÿchologie zeigt ihn so, wie er ist. Dort ist garnichts zu hoffen, und ich möchte auch keinen Schritt bei Deutsch in dieser Hinsicht unternehmen, sondern werde einen anderen Weg einschlagen. Ein Freund schrieb mir, man könne in Deutschland eventuell Geld haben für 18% Zinsen. Ich werde diese Spur weiter verfolgen; sie wird zum gewünschten Ziel führen. Vielleicht ergibt sich auch noch eine andere Möglichkeit, die Veröffentlichung des Almanachs 3 {2} mit geringen Mitteln durchzuführen. Mit Sehnsucht erwarte ich Ihr Jahrbuch. Innigen Dank, dass Sie meiner darin erwähnt haben. 4 Sie dürften † , um Gotteswillen, nicht mehr sagen. Man würde Sie verdächtigen; denn die Horde denkt ja immer, man macht ein „gutes Geschäft“ dabei, wenn man jemanden lobt; denn wie käme, man sonst dazu? – Trotzdem ich Ihnen nun soviel Unruhe bereitet habe, wage ich noch eine Frage bezüglich des Inhalts meines Almanachs. Ich schrieb Ihnen, dass das Büchlein ein Geschenkwerk für den grossen Kreis, die Masse, der sogenannten Musikfreunde sein solle. Der Almanach muss also populär sein, verständlich für diejenigen, die, wenn sie auch ein offenes Herz für die Musik haben, doch nichts von ihr wissen. Will man diese Leute, soweit das überhaupt möglich ist, für etwas Positives gewinnen, so muss man es ihnen in sozusagen „unterhaltender“ Form bringen. Das ist bitter aber wahr. Liegt mir also daran, zunächst einmal für den Almanach die grosse Leserschar zu gewinnen, so muss der Almanach „hübsch,“ „angenehm“ sein. {3} Das wirklich Positive muss diesen Lesern tropfenweise beigebracht werden; sie müssen erst allmählig umdenken lernen oder besser – da dies ja ohne das Fundament der Erkenntnis nicht möglich ist – es muss ihnen wenigstens beigebracht werden, dass es etwas anderes als die tägliche Musikpredigt und Musikphilisterei der Tageszeitungen überhaupt gibt. Damit ist schon, in den Grenzen eines solchen Unternehmens, viel gewonnen. Denn ein „ernstes“ Buch lesen diese Menschen ja nie. Den ersten Teil des „Almanachs“ will ich, als Gedenkblatt für den 100 jährigen Todestag Beethovens, diesem erhabenen Genius widmen. In Dichterworten, in erzählender Form soll etwas über Beethoven gesagt werden. Im Mittelpunkt dieser kleinen Abteilung aber sollten ein paar Seiten von Ihnen stehn, die Sÿnthese des Musikers und Menschen Beethoven, die Darstellung des „Begriffs“ „Beethoven“! Ich dachte dabei an so viele Ihrer kostbaren Worte, die verstreut in den Heften der „Tonwillen“ und der anderen Schriften stehen. Entweder nun, Sie geben mir die Erlaubnis, die Einzel-Abschnitte zusammenzustellen oder – darf ich die Bitte wagen? – Sie {4} schreiben ganz gelegentlich in Galtür ein kurzes † Bild der Künstlermenschen, des Genius Beethoven nieder!?? so umfassend, wie nur Sie es können, so ergreifend in der Mächtigkeit der Worte, so hinreissend in der Liebe zu Beethoven, dass auch die ahnungslosen „Unterhaltungs“-Seelen einen Schauer spüren? Dies ist nur ein Frage. Vor allem aber, und in erster Linie, wünschen wir Ihnen, lieber Meister, und Ihrer verehrten Frau Gemahlin die beste Erholung, Ruhe, Glück. Innigsten Dank nochmals für alle Ihre Mühe. © Transcription John Koslovsky, 2012 |
My most deep-felt thanks for everything you wrote to me. 2 You have done everything that could be done, and from the accounts of your brother, who knows of the circumstances of the source of all evil there, the slightest query into the matter would have been unnecessary and – laughable. I'm just sorry to have posed such a question to you at all. Had I known how things stand, this would not have happened under any circumstances. Please forgive me. – Hoboken's behavior is typical. Your razor-sharp psychology shows precisely how he is. I don't hope for anything from him, and I also don't want to approach Deutsch about the matter; instead I will forge another path. A friend wrote to me saying that one could possibly get a loan in Germany with an 18% interest rate. I will pursue this further; it will lead to the desired goal. Perhaps another opportunity will arise to go ahead with the publication of the almanac 3 {2} with limited resources. I await your Yearbook with great longing. Sincere thanks for having mentioned me. 4 You mustn't † , for God's sake, say anything more. One would become suspicious of you; because the horde always thinks that one is doing "good business" by praising another person; because how would one come to it otherwise? – Despite having already caused you so much restlessness, I would like to pose a question concerning the content of my almanac. I wrote to you that the little book is intended for a wider audience, the masses, the so-called music appreciation circles. The almanac thus has to be popular, comprehensible to those who know nothing about music, even if they have an open mind to it. If one wants to gain something positive from these people, in so far as it is possible, one must bring the work to them in a "conversational" form, so to speak. This is the bitter but honest truth. It thus seems to me that, to first win over a large legion of readers for the almanac, the almanac has to be "handsome" and "enjoyable." {3} What is definite is that the readers must be taught bit by bit; they first have to gradually unlearn what they know, or better – since this is not possible without a foundation of knowledge – they must be taught that things are different than what the daily musical sermons and philistine behavior of the newspapers tell them. Already so much is won on the margins of such an endeavor. Because these people will never read a "serious" book. I want to dedicate the first part of the "almanac" to the centenary of Beethoven's death, to this sublime genius. In the words of a poet, something has to be said about Beethoven in a narrative form. In the center portion of this small section there should be a few lines from you about the synthesis of the musician and the person of Beethoven, a representation of the "concept" of "Beethoven"! I have thought about so many of your precious words that are scattered throughout the issues of Der Tonwille and other writings. Either you could give me permission to put together a few paragraphs from these writings, or – dare I ask? – you {4} could take the occasion in Galtur to write out a short † sketch of the artist, of the genius of Beethoven!?? It would be as broad as you can make it, as moving as possible with the power of words, as captivating as possible through your love of Beethoven, that even the clueless minds of "discussion" get a chill from it? This is just a question. Above all, though, and most importantly, we wish you, dear Master, and your dear wife the best recovery, peace, and happiness. Many thanks once again for all your troubles. © Translation John Koslovsky, 2012 |
Innigsten Dank für alles, was Sie mir geschrieben haben. 2 Sie haben das Äusserste getan, was getan werden konnte und auf die Schilderungen Ihres Herrn Bruder, der die Verhältnisse ganz sicher von der Quelle aller Übel her kennt, wäre auch die geringste Frage in meiner Angelegenheit überflüssig und – lächerlich gewesen. Es tut mir nur leid, Ihnen überhaupt eine solche Frage vorgelegt zu haben. Hätte ich geahnt, wie die Dingen liegen, so wäre dies unter keinen Umständen geschehen. Verzeihen Sie mir. – Hoboken’s Verhalten ist klassisch. Ihre messerscharfe Psÿchologie zeigt ihn so, wie er ist. Dort ist garnichts zu hoffen, und ich möchte auch keinen Schritt bei Deutsch in dieser Hinsicht unternehmen, sondern werde einen anderen Weg einschlagen. Ein Freund schrieb mir, man könne in Deutschland eventuell Geld haben für 18% Zinsen. Ich werde diese Spur weiter verfolgen; sie wird zum gewünschten Ziel führen. Vielleicht ergibt sich auch noch eine andere Möglichkeit, die Veröffentlichung des Almanachs 3 {2} mit geringen Mitteln durchzuführen. Mit Sehnsucht erwarte ich Ihr Jahrbuch. Innigen Dank, dass Sie meiner darin erwähnt haben. 4 Sie dürften † , um Gotteswillen, nicht mehr sagen. Man würde Sie verdächtigen; denn die Horde denkt ja immer, man macht ein „gutes Geschäft“ dabei, wenn man jemanden lobt; denn wie käme, man sonst dazu? – Trotzdem ich Ihnen nun soviel Unruhe bereitet habe, wage ich noch eine Frage bezüglich des Inhalts meines Almanachs. Ich schrieb Ihnen, dass das Büchlein ein Geschenkwerk für den grossen Kreis, die Masse, der sogenannten Musikfreunde sein solle. Der Almanach muss also populär sein, verständlich für diejenigen, die, wenn sie auch ein offenes Herz für die Musik haben, doch nichts von ihr wissen. Will man diese Leute, soweit das überhaupt möglich ist, für etwas Positives gewinnen, so muss man es ihnen in sozusagen „unterhaltender“ Form bringen. Das ist bitter aber wahr. Liegt mir also daran, zunächst einmal für den Almanach die grosse Leserschar zu gewinnen, so muss der Almanach „hübsch,“ „angenehm“ sein. {3} Das wirklich Positive muss diesen Lesern tropfenweise beigebracht werden; sie müssen erst allmählig umdenken lernen oder besser – da dies ja ohne das Fundament der Erkenntnis nicht möglich ist – es muss ihnen wenigstens beigebracht werden, dass es etwas anderes als die tägliche Musikpredigt und Musikphilisterei der Tageszeitungen überhaupt gibt. Damit ist schon, in den Grenzen eines solchen Unternehmens, viel gewonnen. Denn ein „ernstes“ Buch lesen diese Menschen ja nie. Den ersten Teil des „Almanachs“ will ich, als Gedenkblatt für den 100 jährigen Todestag Beethovens, diesem erhabenen Genius widmen. In Dichterworten, in erzählender Form soll etwas über Beethoven gesagt werden. Im Mittelpunkt dieser kleinen Abteilung aber sollten ein paar Seiten von Ihnen stehn, die Sÿnthese des Musikers und Menschen Beethoven, die Darstellung des „Begriffs“ „Beethoven“! Ich dachte dabei an so viele Ihrer kostbaren Worte, die verstreut in den Heften der „Tonwillen“ und der anderen Schriften stehen. Entweder nun, Sie geben mir die Erlaubnis, die Einzel-Abschnitte zusammenzustellen oder – darf ich die Bitte wagen? – Sie {4} schreiben ganz gelegentlich in Galtür ein kurzes † Bild der Künstlermenschen, des Genius Beethoven nieder!?? so umfassend, wie nur Sie es können, so ergreifend in der Mächtigkeit der Worte, so hinreissend in der Liebe zu Beethoven, dass auch die ahnungslosen „Unterhaltungs“-Seelen einen Schauer spüren? Dies ist nur ein Frage. Vor allem aber, und in erster Linie, wünschen wir Ihnen, lieber Meister, und Ihrer verehrten Frau Gemahlin die beste Erholung, Ruhe, Glück. Innigsten Dank nochmals für alle Ihre Mühe. © Transcription John Koslovsky, 2012 |
My most deep-felt thanks for everything you wrote to me. 2 You have done everything that could be done, and from the accounts of your brother, who knows of the circumstances of the source of all evil there, the slightest query into the matter would have been unnecessary and – laughable. I'm just sorry to have posed such a question to you at all. Had I known how things stand, this would not have happened under any circumstances. Please forgive me. – Hoboken's behavior is typical. Your razor-sharp psychology shows precisely how he is. I don't hope for anything from him, and I also don't want to approach Deutsch about the matter; instead I will forge another path. A friend wrote to me saying that one could possibly get a loan in Germany with an 18% interest rate. I will pursue this further; it will lead to the desired goal. Perhaps another opportunity will arise to go ahead with the publication of the almanac 3 {2} with limited resources. I await your Yearbook with great longing. Sincere thanks for having mentioned me. 4 You mustn't † , for God's sake, say anything more. One would become suspicious of you; because the horde always thinks that one is doing "good business" by praising another person; because how would one come to it otherwise? – Despite having already caused you so much restlessness, I would like to pose a question concerning the content of my almanac. I wrote to you that the little book is intended for a wider audience, the masses, the so-called music appreciation circles. The almanac thus has to be popular, comprehensible to those who know nothing about music, even if they have an open mind to it. If one wants to gain something positive from these people, in so far as it is possible, one must bring the work to them in a "conversational" form, so to speak. This is the bitter but honest truth. It thus seems to me that, to first win over a large legion of readers for the almanac, the almanac has to be "handsome" and "enjoyable." {3} What is definite is that the readers must be taught bit by bit; they first have to gradually unlearn what they know, or better – since this is not possible without a foundation of knowledge – they must be taught that things are different than what the daily musical sermons and philistine behavior of the newspapers tell them. Already so much is won on the margins of such an endeavor. Because these people will never read a "serious" book. I want to dedicate the first part of the "almanac" to the centenary of Beethoven's death, to this sublime genius. In the words of a poet, something has to be said about Beethoven in a narrative form. In the center portion of this small section there should be a few lines from you about the synthesis of the musician and the person of Beethoven, a representation of the "concept" of "Beethoven"! I have thought about so many of your precious words that are scattered throughout the issues of Der Tonwille and other writings. Either you could give me permission to put together a few paragraphs from these writings, or – dare I ask? – you {4} could take the occasion in Galtur to write out a short † sketch of the artist, of the genius of Beethoven!?? It would be as broad as you can make it, as moving as possible with the power of words, as captivating as possible through your love of Beethoven, that even the clueless minds of "discussion" get a chill from it? This is just a question. Above all, though, and most importantly, we wish you, dear Master, and your dear wife the best recovery, peace, and happiness. Many thanks once again for all your troubles. © Translation John Koslovsky, 2012 |
Footnotes1 Receipt of this letter is letter is recorded in Schenker's diary at OJ 3/8, p. 2953, July 1, 1926: "Von Dahms (Br.): dankt für meinen Bericht." ("From Dahms (letter): thanks for my report."). 2 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 3/8, p. 2950, June 20, 1926: "An Dahms (Br.): erzähle offen, daß Mozios Mitteilungen über den Stand in Oesterreich mir ein ernstliches Hindernis waren, ihn wegen der Angelegenheit zu befragen; vielleicht führt der Weg über Deutsch doch noch zu Hoboken." ("To Dahms (letter): I explain candidly that Mozio's communications about the situation in Austria seriously prevented me from asking him about the matter; perhaps the best way is via Deutsch but ultimately to Hoboken."). On June 11, 1926, Schenker had recorded in his diary at OJ 3/8, p. 2974, June 11, 1926: "An Dahms (Br.): werde am 24. d. mit Hoboken u. Deutsch beisammen sein u. dann über das Ergebnis berichten." ("To Dahms: I shall be with Hoboken and Deutsch on the 24th and then report on the result [of the meeting]."). The meeting is recorded: see OJ 10/1, [92], footnote; but the reporting of the outcome is not. 3 Walter Dahms, ed. Der Musikus-Almanach (Berlin: Panorama-Verlag, 1927). 4 In the "Vermischtes" to Das Meisterwerk in der Musik vol. 1 (1925), Schenker refers to Dahms's biography of Johann Sebastian Bach. See Heinrich Schenker, "Miscellanea," The Masterwork in Music, ed. William Drabkin, vol. 1 (Cambridge: Cambridge University Press, 1994), 119‒20. |
|
Format† Double underlined |
|
Commentary
Digital version created: 2012-03-23 |